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Husten

Monster-WG
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18.06.2015
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Husten

Beat strich mit den Fingern über einen der Umzugskartons.
„Gut“, sagte er. „Da wären wir also.“
Katrin sass auf dem Sofa, mitten im Wohnzimmer. Eine Weile lang schauten sie sich um, stellten sich vor, wo alles hinkäme und wie alles seine Ordnung fände. Es war ein ruhiges Quartier, in der Wohnung war es still, so still, dass der Hustenanfall ihres Nachbarn sie zusammenzucken liess. Beat blickte zur Decke und dann zu Katrin.
„Du meine Güte!“, sagte er.

Sie konnten kaum schlafen und die Kleine in Katrins Bauch bewegte sich heftig. Zwei Wochen später sahen sie ihn. Er war grau im Gesicht, hatte Plastiktüten in den Händen.
„Hallo“, sagte Katrin. „Wir sind die neuen Nachbarn. Unter Ihnen.“ Der Mann nickte und mühte sich weiter die Treppe hoch.
„Gute Besserung“, rief Beat ihm nach, doch der Mann bedankte sich nicht.
An diesem Abend schliefen sie vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Beat schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. Er zappte weiter und einige Minuten später gingen sie ins Bett.

Die Julisonne brannte, drinnen war es stickig. Würgegeräusche drangen in die Wohnung. Beat fragte sich, welche Farbe der Schleim wohl haben mochte.
„Da muss man doch was machen können“, sagte er zu Katrin.
„Willst du ihn verklagen?“

Dann war es auf einmal still.
„Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht“, sagte die Frau, die nebenan wohnte. „Ich glaube, es sieht nicht gut aus.“
„Tragisch“, sagte Beat.
„Ja.“

Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer. In der Wiege liegt das Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.

 
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Zur Frage, ob die Geschichte funktioniert: Ernst hat gleich mal ins Schwarze getroffen, was die Befürchtungen betrifft, die ich hatte:

Weil: inhaltlich ist das schon einigermaßen … tja, ich will’s mal banal nennen. Ein Nachbar stirbt.

Ich bin irritiert, weil er banal ist, ohne Überraschung oder einen (für mich) erkennbaren Hinweis auf etwas anderes, als das was du zeigst.

Das war Befürchtung Nummer eins. Entgegene ich nun, dass in dieser Geschichte durchaus mehr drin steckt, dann …

… ob ich jetzt beginnen müsse, in dem Text etwas Gleichnishaftes zu suchen, was weiß ich …

Im Moment wirkt es eher aufgesetzt.

Ja, da scheint der Autor etwas sagen zu wollen, klar. Das merkt man leider auch.

Was meiner Befürchtung Nummer zwei entspricht.

Für mich war das so eine Skylla-und-Charybdis-Sache und bleibt es weiterhin, wenn ich darüber nachdenke, was sich verändern liesse.

Andererseits gibt es ja auch einige, für die das so passt, und in den Lesarten von z.B. Andrea H., Novak und Ane habe ich meine Absichten sehr gut wiedererkannt, das fand ich beruhigend.

Dann die Sache mit der Tiefe:

Da ist keine Tiefe. Ich erlebe eine Situation, wie sie exemplarisch für viele steht, sehe menschliches Verhalten, das so stattfindet, wie es fast immer stattfindet.

Deine anderen Geschichten haben einen Tiefgang, vor dem ich den Hut ziehe und mich verbeuge, aber hier wirkt alles recht flach.

Natürlich liesse sich sagen, dass auf diese kurze Strecke keine Tiefe erzeugt werden kann, aber das wäre keine kluge Prämisse und wenig fruchtbar.

Woran liegts?

Sie ist so offensichtlich, so eindeutig hinweisend auf das Problem.

Okay. Dann wäre es ja eine Idee, zumindest die Figuren ambivalent, nicht ganz eindeutig zu gestalten und so Raum für verschiedene Lesarten zu geben. So etwa:

Ihr Verhältnis zu dem Hustenden ist unerklärlich neutral, sie fühlen sich gestört, aber haben auch so Anflüge von Mitgefühl. Sie bringen sich in keinen echten Kontext zu diesem Mann. Alles ist nur angehaucht von dir.

Blöd nur, dass auch das als Kritik formuliert ist.

Wenn ich darüber nachdenke, weiss ich eigentlich gar nicht, wie man das macht: Tiefe erzeugen. Breite, ja, da bringt man noch diesen oder jenen Aspekt rein, aber was macht eine Geschichte eigentlich tief? Die Frage ist nicht rhetorisch gemeint.

Ich hoffe, ich werde an dieser Stelle nicht falsch verstanden. Ich will nicht Kritiken gegeneinander ausspielen und es ist klar, dass ich hier auch Aussagen aus dem Kontext reisse. Ich wollte bloss verdeutlichen, was eh schon offensichtlich ist:

Jetzt eben hab ich die Kommentare gelesen. Hmm. Naja, siehste mal, so unterscheidlich kommen solche Geschichten an.

Also, das ist wirklich eine spannende Sache für mich. Ich bin übrigens grade auch sehr erleichtert darüber, dass mich diese Diskrepanzen in der Wahrnehmung – im Vergleich zur letzten Geschichte – überhaupt nicht stressen, ich das einfach sehr interessant und lehrreich finde. Aber ja, und da gebe ich wieselmaus Recht, in einem solch kurzen Text hat es natürlich auch nicht Platz für wahnsinnig viel Herzblut gehabt (aber schon für mehr als nur ein paar Tropfen).

Ich hoffe, dass ich bald dazu komme, auf die einzelnen Kommentare zu antworten.

 

aber was macht eine Geschichte eigentlich tief
Verständnis. Wenn jemand über ein Thema schreibt, zu dem er keine Fragen und eigenen Erkenntnisse entwickelt hat, dann bleibt das flach und langweilig.

 
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Hallo GoMusic

Merci für deinen Kommentar.

Na, ja. Ich würde vielleicht sogar noch drei weitere Worte hinkriegen, da ich auf der Tastatur ein „ß“ habe

In meinen letzten Geschichten habe ich ja damit begonnen, dieses ominöse Zeichen selbst zu verwenden. Hier nicht und schon macht man sich wieder darüber lustig. :)

Da fehlen Gänsefüßchen.

Ich erinnere mich, dass ich auf diesen Satz gestarrt und mir gedacht habe, dass da schon rein optisch was nicht stimmt. Da ich aber über die Aufmerksamkeitsspanne eines Laubfroschs verfüge, bin ich einfach zum nächsten Satz übergegangen. Merci für den Hinweis.

Ist zwar kurz, aber für mich funktioniert es irgendwie.

Das freut mich.


Lieber Ernst

Danke für deine Einschätzung, ich hab‘ mich sehr gefreut, von dir zu lesen.

Weil: inhaltlich ist das schon einigermaßen … tja, ich will’s mal banal nennen. Ein Nachbar stirbt.

Zunächst freut mich mal, dass dir der Inhalt einer Geschichte doch irgendwie wichtig ist, ich hatte da angesichts einiger Aussagen deinerseits gewisse Bedenken. Aber ja, da ich nicht gerade der Mann mit dem Sprachfeuerwerk bin, gibt es auch wenig, hinter dem ich fehlenden Inhalt verstecken könnte.

Banal also. Ich nehme an, du meinst nicht die Tatsache, dass der Nachbar stirbt. Denn „Paar fährt durch die Wüste und trennt sich“ oder „Junge fährt Schlitten und bremst ab, weil er Mädchen sieht“ trifft ja den Gehalt anderer meiner Geschichten auch recht gut. Jeden Text kann man so zusammenfassen. Was du wohl meinst, ist, dass die Geschichte nebst dieser Tatsache nichts hergibt, und dass die Art und Weise, wie die Tatsache dargestellt ist, keine Perspektiven eröffnet oder was auch immer.

Nun gut. Sich gegen dieses Urteil zu stemmen wäre jetzt so ähnlich wie der Versuch, jemandem erklären zu wollen, weshalb er gefälligst über einen Witz zu lachen habe. Aber ich kann trotzdem zwei, drei Sätze dazu schreiben, was ich unter „nicht banal“ verstehe.

Banal finde ich es, ehrlich gesagt, wenn man die Tragik eines Ereignisses gewissermassen für sich arbeiten lässt und das Gewicht eines Textes aus diesem Ereignis heraus zu generieren versucht. Das macht in Augen z.B. Suizid-Texte häufig so schwierig. Das Ereignis, das beschrieben wird, ist zwar tragisch, in der Realität so weit von der Banalität entfernt, wie nur möglich, aber der Text wird, wenn das nicht richtig gut gemacht wird, gerade darum banal.
Interessanter finde ich es, das real banale Ereignis so zu bearbeiten, dass daraus etwas entsteht. Nicht das beschriebene Ereignis macht die Erzählung aus, sondern die Art und Weise, wie erzählt wird. Es geht nicht darum, neue Dinge zu erzählen, sondern die Dinge neu zu erzählen. So sehe ich das.
Damit ist natürlich mit keinem Wort gesagt, dass mir das in diesem Text gelungen sei, schon klar.

Mir ist in meinen Texten oftmals nicht das eigentliche Geschehen, das sich in der Geschichte abspielt, wichtig, sondern die Weise, wie die Figuren das Geschehen wahrnehmen. Nicht der pädophile Nachbar ist relevant, sondern das, was die anderen über ihn denken, zum Beispiel. Und auch bei dieser Geschichte: Nicht der Husten, der Tod des Nachbars ist wichtig, sondern das, was die Figuren darüber denken.

Dann die Kalkül-Sache:

Wie auch immer, was ich unter meiner eigenen Jorska-Geschichte abstritt, meine ich in dieser Geschichte hier zu erkennen, nämlich dass sie aus Kalkül entstanden ist. Und ich glaube, so was mag ich nicht.

Das bezieht sich auf die zwei Sätze zu den Flüchtlingen. Nun wirst du wohl nicht meinen, dass eine Geschichte, die das thematisiert, per se einem Kalkül entspringt. Ich kann die Aussage also nur so verstehen, dass du glaubst, ich hätte dieses Element bloss in die Geschichte reingepackt, weil ich damit einen bestimmten Effekt erzielen, Aufmerksamkeit generieren möchte – wobei das Element keinen eigentlichen Bezug zur Geschichte hat.

Dem möchte ich widersprechen. Nehmen wir den Kern des Textes:

Stört uns das Leid anderer dabei, glücklich zu sein?

Ich finde, die Flüchtlingsthematik passt sehr gut zu diesem Kern. Zumindest passt das mindestens so gut, wie die Tatsache, dass es sich in der Jorska-Geschichte um eine rassistisch motiverte Tat handelt, zum Kern deiner Geschichte (der plötzliche Einbruch der Gewalt, die Fragilität des Glücks) passt. Müssten ja keine Rassisten sein, oder? Aber niemals wäre mir eingefallen, dir hier Kalkül vorzuwerfen.

Lieber Gruss euch beiden
Peeperkorn

 

Hey Kanji

Ich sehe, dass dich der Text nicht erreicht hat, weil er dir banal erscheint. Ja, ich wollte keinen erkennbaren Hinweis auf etwas anderes geben, als das, was ich zeige (ausser die Sache mit den Flüchtlingen). Ich habe gehofft, dass der Text v.a. auch zwischen den Zeilen wirkt. Hat nicht geklappt.

In anderer Hinsicht hast du mehr rausgelesen, als ich beabsichtigt hatte:

Sozialer Wohnungsbau, […]Einsamkeit.

Sehe ich beides nicht so im Text. Auch gute und teure Wohnungen sind nicht schalldicht. Und nur weil der Typ oben alleine lebt, muss er ja nicht einsam sein.

Herzlichen Dank dennoch fürs Lesen und deine Gedanken.

Liebe barnhelm

Ich freue mich stets, deine Kommentare zu lesen, sei es zu meinen oder auch zu anderen Texten. Da schaut eigentlich immer ein grosser Erkenntnisgewinn raus. So auch hier.

ich habe gerade ziemich viel Carver gelesen und bin noch dabei, mir eine Meinung zu ihm zu bilden. Alltagssituationen und ihre Tragik. Da passt deine Geschichte in meine Gedanken.

Witzig. Ich habe gerade kürzlich Dick von Carver gelesen. Nach der ersten Lektüre dachte ich: „Wie banal ist das denn?“, aber beim zweiten Mal hat’s mich dann zum Grübeln gebracht. Weitere Vergleiche wären anmassend. Und bei dir ist das Problem ja nicht die Banalität. Im Gegenteil:

Sie ist so offensichtlich, so eindeutig hinweisend auf das Problem.

Das kann ich nicht zurückweisen. Ich hatte eine These, einen Gedanken – das Leid anderer als emotionale Invasion in unser behagliches Dasein – und 2000 Zeichen, um den aufs Papier zu bringen. Variation, sanfte Hinführung etc. schien mir da einfach nicht möglich. Und ein Bruch in der Geschichte schon gar nicht. Für mich zumindest. Schon der erste Satz, diese besitzanzeigende Geste von Beat, ist schon mittendrin in der Thematik, hat bereits hinweisenden Charakter.
Du hast mehr erwartet, das konnte ich nicht zeigen.

Wir erkennen, dass jemand Hilfe braucht, fühlen uns gestört, reden uns ein, dass wir nicht helfen können und versuchen es zu verdrängen, bis es sich von selber erledigt hat. Was ist daran Neues?

Nichts.

Und genau deshalb, weil die Geschichte ihr Thema so eindimensional abhandelt, erscheint sie mir zu moralisierend.

Das schmerzt etwas mehr. Meine Idee war es, hier auch eine Ambivalenz zu schaffen. Das war auch der Grund, weshalb die beiden ein Kind erwarten. Ich wollte ein grösseres Verständnis schaffen für die beiden, das Kind im Bauch zappelt ja, das ist nicht gut. Und überhaupt ist es doch ein berechtigtes Anliegen, in Ruhe ins glückliche Familenleben zu starten. Auch wollte ich das Mitleid von Beat, dieses „Oje“ natürlich entlarven, aber auch nicht völlig in Abrede stellen, dass es sich dabei auch um Mitleid handelt. Wie gesagt, ich wollte nicht moralisieren, schade, dass das nicht so rübergekommen ist. Ich werde noch mal durch den Text gehen und schauen, ob ich die Ambivalenzen noch etwas verstärken und die Eindimensionalität etwas reduzieren kann.

Deine Geschichte hat für mich auf den ersten Blick nicht funktioniert.

Danke für die ehrliche Einschätzung und auch für den Hinweis auf die viele Arbeit, die man auch und gerade in eine solch kurze Geschichte stecken muss. Nehme ich gerne mit.


Liebe wieselmaus

Dann läuft das Ganze tatsächlich nur auf "Liefern" hinaus, technisch einwandfrei, Zutaten zeitgeistmäßig, ohne sich mir erschließende innere Anteilnahme ( "Herzblut"). Das erwarte ich aber von dir!

Ja, das kann ich gut nachvollziehen, wenn du das als ein „Liefern“ empfindest. Ist es in gewisser Hinsicht ja auch. Ich hätte den Text ganz bestimmt viel länger gestaltet, wenn es die Beschränkung nicht gäbe. Und das sieht man ihm wohl auch an. Es war halt der Versuch, trotz der Kürze narrativ zu arbeiten, mit Dialogen und Szenen, und nicht bloss eine Art Aphorismus oder Anekdote zu verfassen. Das ist bestimmt grenzwertig, aber dank euch eine sehr spannende Sache geworden.

Ich freue mich übrigens sehr über die Erwartungen, die du an meine Texte legst – im Wissen, diesen nicht immer gerecht werden zu können. Ich arbeite an meinen Texten und es hat sich einiges getan im letzten Jahr. Aber das ging alles recht schnell und ich habe noch immer das Gefühl, ziemlich am Anfang zu stehen.

Ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar!

Lieber Gruss euch allen
Peeperkorn

 

Liebe Chutney

Nach den ersten Kommentaren war ich doch irgendwie froh, das hier zu lesen:

das Elend des Sterbenden stört den Frieden der Glücklichen, nicht nur durch den Husten, sondern auch durch die permanente Erinnerung an das Ende.

Und vor allem das:

Dir gelingt es immer gut, ein Unbehagen mit sich selbst auszulösen beim Lesen. Ich konnte mich gut mit dem Paar identifizieren.

So etwas gesteht man ja nicht gerne. :) Es war aber genau meine Absicht, einerseits Verständnis für das Paar, andererseits aber auch Unbehagen auszulösen. Es freut mich, dass das bei dir geklappt hat.

Der letzte Satz hat mich irritiert und ich habe erst später kapiert, das du damit den ersten Satz wieder aufgreifst. Er streichelt erst die Umzugskartons und am Ende ihre Wange. Das finde ich ein bisschen bemüht.

In einer ersten Reaktion habe ich den Satz gestrichen, dann aber doch wieder hinzugefügt. Ja, es kann sicher etwas artifiziell wirken, aber mir ist wichtig, noch mal auf das Besitzdenken von Beat zu verweisen, das den Text eröffnet und das sich am Ende wieder ungestört entfalten kann.

Ich finde, der Text funktioniert in der Kürze.

Womit die „Ja-Fraktion“ ein klein wenig aufholt. Freut mich. Hab Dank für deinen Kommentar!


Hey Thomas

Merci auch dir für deine Anmerkungen.

Mit dem “Husten“ bleibst du leider sehr an der Oberfläche, zumindest bei den Lesern, die nicht rauchen. Zu denen gehöre ich nicht und daher hinterlässt deine Geschichte bei mir leicht ungute Gefühle.

Wie bereits erwähnt steht für mich das Husten als solcher nicht im Zentrum des Textes, er verweist bloss auf das Leid des Anderen. Raucher/Nicht-Raucher spielt dabei keine Rolle und daher wird auch die Apothekenumschau kein Interesse am Text haben. ;) Aber wenn ich das so schreibe, dann sollte ich womöglich den Titel ändern, weil da eine falsche Fährte gelegt wird.


Liebe Grüsse euch beiden!
Peeperkorn

Für mehr reicht die Mittagspause leider nicht: wird fortgesetzt

 

mein etwas flapsiger Kommentar war auch nicht böse oder abschätzig gemeint.

Das habe ich schon so wahrgenommen, fand die Apothekenumschau auch witzig. Leider klingen meine Antworten wohl manchmal etwas verbissener als sie gemeint sind. :)

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber gerthans

Immer wieder interessant, deine Kommentare zu lesen!

Das Haus verliert einen Bewohner und bekommt einen neuen. Leben und Sterben, die Anzahl der Wiegen und der Särge halten sich also die Waage.

Das ist eine Art Nebeneffekt der Idee, dass die beiden ein Kind erwarten, sich eine Zukunft schaffen wollen, und dabei gestört werden.

Nun ist es ja kein Geheimnis, dass wir Deutschen unter Geburtenrückgang leiden, dass unser Gesellschaftsorganismus alt und hinfällig wird, so dass Beats und Kartins Nachwuchs eine erfreuliche Ausnahme darstellt. Ausgleichen aber ließe sich dieses ungleiche Verhältnis von Todesfällen und Geburten, wenn man jene Einwanderer hereinließe, statt sie durch Stacheldraht auszusperren. Eine Familie von ihnen könnte dann in die leer gewordene Wohnung einziehen.

Meine Interpretation ist, wie ich zugebe, abenteuerlich.


Während ich die Situation von Beat und Katrin parallel zur Haltung legen wollte, die Flüchtlingen gegenüber eingenommen wird, verknüpfst du die beiden Ideen, die beiden Fäden, was ich sehr spannend finde. Ja, die Interpretation übersteigt das von mir intendierte, was ich aber sehr schön und anregend finde!

Hab‘ ganz lieben Dank, gerthans, für deine Lektüre, deine Gedanken, es hat mich sehr gefreut.

Hey Ronnie

Woher kommt denn dieser Name? Erst dachte ich, du hast das "e" von Beate vergessen. Dann dachte ich: Heißt der Beat - im Sinne von Beatles? Wie auch immer: Noch nie gehört.

Es scheint, dass die Beat(e)s sich nach Geschlechtern getrennt haben, die Männer in die Schweiz, die Frauen nach Deutschland. Bei uns gibt’s nämlich kaum eine Beate. Abgeleitet sind beide Namen von Beatus, d.h. „der Glückselige“, weshalb ich den Namen gewählt habe.

Aber man müsste noch arbeiten an diesem Text, dass es wirklich funktioniert. Im Moment wirkt es eher aufgesetzt.

Das ist wenig konkret, aber macht nichts, es geht ja (auch) um Leseeindrücke, und ich bedanke mich für deinen. Ich werde das auf alle Fälle überdenken, vor allem das „aufgesetzt“ gibt schon Anlass dazu.

Liebe RinaWu

Du kannst dir denken, dass ich mich über deinen Kommentar sehr gefreut habe. Ich zitiere jetzt nicht all deine Aussagen, sage bloss, dass deine Lektüre ziemlich genau dem entspricht, was ich erreichen wollte.
Vor allem dieser Satz: „Stört und das Leid anderer dabei, glücklich zu sein?“ habe ich rausgepickt und, wie du vielleicht schon gelesen hast, als Kern des Textes erklärt. Also ich habe mich sehr wiedergefunden in deinem Kommentar.

Spannend ist nun aber, dass du diesen Hinweis auf die Flüchtlinge nicht so recht einordnen konntest, und die Geschichte dennoch anregend fandest. Du erweist dich da als tolerante Leserin („Weiss nicht, was das soll, aber okay“), worüber ich natürlich froh bin.

Im Nachtrag formulierst du dann doch noch einige Überlegungen dazu, die – ähnlich wie im Fall von gerthans – nicht unbedingt dem entsprechen, was ich Kopf hatte, aber, hey, umso besser!

Insgesamt habe ich mich sehr darüber gefreut, wie du dich auf diesen kleinen Text eingelassen hast, wie gesagt, sehr vieles von dem, was du schreibst, ging in meinem Kopf rum, als ich den Text verfasst habe. Vielen Dank für deinen Kommentar!

Liebe Grüsse euch allen
Peeperkorn

P.S. Ich hoffe, es fühlt sich niemand gestört, dass ich jeden Tag eine Antwort auf zwei bis drei Kommentare gebe und somit post an post reihe, das sieht etwas monologisch aus und bugsiert den Text immer wieder nach oben, ich weiss. Aber für mich ist das ein guter Rhythmus, sich mit der Sache auseinanderzusetzen, ich schaffe es rein energietechnisch nicht, mehr Leuten gleichzeitig eine Antwort zu geben.

 

Hallo hell

Ja, da scheint der Autor etwas sagen zu wollen, klar. Das merkt man leider auch.

Ich würde gern fragen, woran man’s merkt, aber ich befürchte, die Antwort lautet: An allem! Also an der ganzen Art, wie die Sache aufgezogen ist. Denn ich habe mir schon Mühe gegeben, keine bedeutungsschwangeren Sätze zu formulieren. Die einzige Ausnahme, aus meiner Sicht, sind das „pochte ein Versprechen“ und die beiden Sätze zu den Flüchtlingen. Aber das ist auf diese Strecke vielleicht schon zu viel, kann ich nachvollziehen.

Derart gelingt dem Text nicht, tiefer einsteigen zu wollen.

Muss, kann ich akzeptieren. Ich habe mich gefragt, wie es wohl mir ergangen wäre, wenn man mir diesen Text vorgelegt hätte und ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht ähnlich wie du reagiert hätte.

Einzig der Autorenname ist es, der neugierig macht.

Ist etwas OT, aber es fühlt sich als Fluch und Segen zugleich an, mit zwei, drei Texten gut angekommen zu sein.

Was der Hustende für die junge Familie war, könnte auch das Kind für diejenigen sein, die in die leer stehende Wohnung ziehen werden.

Et voilà, da ist doch der Ansatz einer Interpretation, das fand ich einen schönen Gedanken. Aber dann:

Letztendlich sind die Erkenntnisse oder Gedanken, die ich aus deiner Kurzgeschichte ziehen könnte, auch nicht neu. Ich finde weder andere Perspektiven, noch Wege, die ich einnehmen könnte oder wollte.

Auch das kann ich nachvollziehen, ähnlich sah es barnhelm.

Ein Wörtchen könntest du noch zusätzlich einsparen, wenn du willst ...

Du hast recht, das „wohl“ ist ein Füllwort, das gestrichen werden könnte, aber es macht den Satz rhythmischer, so mit Jamben oder wie die Dinger heissen.

Hell, es hat mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen, merci für deinen Kommentar, den du verfasst hast, obwohl dir der Text nicht viel geben konnte.


Liebe lakita

Vielen Dank für deine Anmerkungen. Auch du konntest dem Text nicht so viel abgewinnen, schlägst dich auf die Seite der „Zu-flach-Fraktion“. Ich habe dazu ja schon einiges geschrieben. Spannend fand ich, dass gerade die Elemente, von denen ich dachte, dass sie etwas Tiefe schaffen könnten, bei dir nicht gut angekommen sind:

Dein Pärchen ist seltsam unbeteiligt, aber eben nicht unbeteiligt genug, um darin eine Aussage zu erkennen. Ihr Verhältnis zu dem Hustenden ist unerklärlich neutral, sie fühlen sich gestört, aber haben auch so Anflüge von Mitgefühl. Sie bringen sich in keinen echten Kontext zu diesem Mann.

Das ist etwas ernüchternd, jedoch …

Bitte nicht sauer sein, dass ich so radikal kritisiere.

… sauer bin ich eh nie, normalerweise reagiere ich mit Trotz oder Resignation. :D Aber bei dieser Geschichte finde ich es, wie schon gesagt, einfach nur spannend, ich hab‘ da glaubs eine gute Distanz dazu gewonnen.

Gut ist, dass du mitteilst, es sei eine Auftragsarbeit mit begrenzter Zeichenzahl. Ich bin da höchst zwiegespalten, was solche Aufgaben anbelangt.
Einerseits frage ich mich, ob es nicht eine grandiose Herausforderung ist, innerhalb von eng gesteckten Grenzen zu schreiben und sich darin zu üben, auch in der Kürze und Gedrängtheit Tiefe, Aussage, Unterhaltung zu bieten. Andererseits schwebt der freie Geist über mir, der fest behauptet, dass man eine gute Geschichte nur erzählen kann, wenn man ihr die Freiheit lässt, so viele Worte zu besitzten, wie sie es eben benötigt.

Ich finde, du hast das sehr schön beschrieben, Vor- und Nachteile skizziert. Ich persönlich ziehe eine positive Bilanz, da ich ja auch den Prozess miteinbeziehen kann und nicht nur das Resultat. Aber den Satz zur Freiheit und der Anzahl Worte, würde ich schon auch unterschreiben.

Ich danke dir ganz herzlich für deinen Kommentar, lakita, ich fand den sehr aufschluss- und hilfreich.


Hola josefelipe

Dein Votum habe ich ja gleich als Einstieg zitiert, hat mir gut getan, dieser Ausflug auf die Metaebene, hat mir geholfen, die Sache aus der Distanz wahrzunehmen, vielen Dank dafür.

Ich finde, Deine Kurzgeschichte ist ein großer Erfolg!

Ja, in gewisser Hinsicht schon! Und für mich ganz gewiss, ich habe fast ein schlechtes Gewissen, mit diesem Minitext so viel Knowhow, soviel Reflexion abzusaugen.


Hey MyStoryWorld

Denn ich würde es nämlich begrüßen, wenn du diese Geschichte in einer längeren Version schreiben würdest.

Du hast schon recht, da müsste man vielleicht was Längeres daraus machen.

Mir hat dein Text gut gefallen und ich habe die Geschichte so gedeutet, dass viele/einige/ein paar an ihren Nachbarn nebenher leben und es egal ist, was mit seinem Nachbar ist, solange dieser nicht stört, oder lästig wird.

Passt!

Danke für deine Anmerkungen, hat mich gefreut.

Lieber Gruss an alle!
Peeperkorn

 

Hallo Andrea H.

Für mich hat die Geschichte etwas von einem Bild von de Chirico. Leer, unheilvoll, surrealistisch.

Ich sehe immer zuerst die Schatten, wenn ich mir diese Bilder anschaue, vielleicht könnte man den Titel entsprechend anpassen. Auf alle Fälle gefällt mir der Vergleich.

Unheilvoll deswegen, weil es keinen positiven Ton gibt in der Geschichte, bis auf eine einzige Ausnahme.

Ja, deshalb habe ich genau hier auch ein wenig pathetisch formuliert (pochte ein Versprechen), um dem mehr Gewicht zu verleihen. Dieser Satz bildet gewissermassen die Prämisse ab, unter der das Paar die Wohnung bezieht: Hoffnungsvoller Aufbruch in ein gemütliches Familienleben im trauten Heim.

Am Ende ist alles beruhigt, die eigene kleine Welt ist beruhigt, abgesichert, aber auch still, ein totes Familienstilleben ist das am Ende, und Beat vergewissert sich noch einmal seines Besitzes, indem er Katrin über die Wange streicht.
Das ist die eine Klammer der Geschichte: Am Beginn streicht Beat über die Umzugskartons und am Ende über Katrins Wange.

Mir geht es hier ähnlich wie bei deinem letzten Kommentar. Ich versuche, nicht schwärmerisch zu werden, aber ich freue mich sehr darüber, wie du diese Stelle gelesen hast.

Alles, was die kleine Welt der Familie bedroht, den Besitz des weißen Mann, wenn man so will, bedroht, hat kein Mitleid verdient. Um den Preis, dass das Lebendige verlorengeht, das Menschliche. Und folgerichtig ist für Beat seine Frau am Ende auch nicht viel mehr als ein Karton, in dem sein Besitz ist.

Und hier noch mehr. Ich hätte das niemals so gut auf den Punkt bringen können, wie du das gemacht hast.

Was soll ich sagen, Andrea? Ich glaube, ich mag deinen Kommentar mehr als meine Geschichte. Merci!

Liebe Isegrims

Der Text ist gut, dennoch fehlt mir etwas, das ich nicht genau bestimmen kann.
Vielleicht, weil der Erzähler Distanz hät, vielleicht, weil die Figuren verwischen und es für einen derart kurzen Text eine zu große Personnage ist.

Das habe ich mir auch gedacht, vier Personen auf so wenig Raum, das ist schon viel. Und, was ich wirklich schade finde, es hat nicht gereicht, das Paar zu differenzieren, die gehen als Block durch die Geschichte. Ausser beim Dialog: „Da muss man doch was machen können?“ / Willst du ihn verklagen?“ Hier kommt ein leichter Konflikt in der Sichtweise zum Ausdruck, aber ja, das ist etwas wenig. Das hat mich insgesamt nicht befriedigt. Zudem hattest du ja auch Mühe mit dieser Stelle, ich habe aber nicht ganz verstanden, weshalb. „Willst du ihn verklagen“ bringt doch zum Ausdruck, dass Beat seine Aussage (man muss was machen können) nicht auf den Gesundheitszustand des Nachbarn an sich gemünzt hat, sondern bloss auf die damit verbundene Ruhestörung, die wiederum theoretisch durch eine Klage behoben werden könnte, aber nicht in einem solchen Fall. Das war zumindest meine Absicht.

Die Doppler und Tripler. Ja, das ist etwas forciert, gebe ich zu. Aber den ersten Doppler finde ich sehr wohl nötig, um dem Bedürfnis des Paars nach Ruhe und Ordnung (siehst du, auch hier doppelt!) Ausdruck zu verleihen. Zum Tipler kann ich nur sagen, dass da vorher noch ein Quadrupler war. :)

Das Herz im Bauch von Katrin ist das Herz des Kindes.

der Schluss ist gut: Stille und das Streichen der Finger wie am Anfang, klammert der Text... Anfang und Ende.

Gut. Ich hatte das nach Chutneys Kritik schon gestrichen, dann aber wieder reingetan. Da zeigt sich wieder mal, wie unterschiedlich gelesen und empfunden wird.

Ich danke dir, liebe Isegrims, für deinen Kommentar und die solidarischen Worte von wegen, mit der Kritik müsse man leben, wenn man so knappes Zeugs einstellt.


Liebe Novak

Ich musste in der letzten Woche ein paar Mal grinsen, weil du von deiner Zeitknappheit berichtet und dann doch so epische Kommentare verfasst, wie den hier. Du sprichst von furchbar schönen Dingen, die dich von den WK fernhalten, und ich hoffe, du hast nichts davon verpasst, nur weil du mir hier so eine ausführliche Rückmeldung geschrieben hast, für die ich mich so oder so ganz fest bedanke.

Mich hat die Geschichte unangenehm berührt, ohne dass ich sagen könnte, ob du das, was ich herauslese, überhaupt sagen willst.

Wie sich im Folgenden zeigt: Doch, deine Lektüre entspricht sehr dem von mir intendierten, tja, Lesegenuss kann man wohl nicht sagen.

Und nichts verbindet diese beiden Seiten, die ja jedes Leben hat, miteinander, außer der Störung, bis hin zu recht absurden Konsequenzen, dann ein wenig formeller Anteilnahme und ein paar schalen Floskeln.

Für mich ein wichtiger Punkt, dieses Nicht-Verbunden-Sein. Vielleicht noch mal eine letzte Gelegenheit, auf die Parallele zur Flüchtlingsthematik zu verweisen. Das moralisch Geforderte ist eben psychologisch nicht einfach. Wie soll man sagen, unsere Empathiefähigkeit ist evolutionsbiologisch nicht so richtig auf die Folgen der Globalisierung eingestellt.

Irgendwie sind sie für mich ein Stückchen unangenehmer geworden, obvwohl der Grund etwas ist, den ich nachvollziehen kann. // Sie tun nichts Schlimmes, fühlen sich einfach nur gestört, was ja irgendwie auch jeder nachvollziehen kann // und trotzdem find ich es ganz schlimm, wie die beiden über das Sterben dieses Mannes hinweggehen.

Da ist die Ambivalenz rüber gekommen, das freut mich.

Naja, also wenn du sowas mit der Geschichte sagen willst, dann ist dir das auf jeden Fall gelungen.

Ja. Gut.

Ja, ich weiß schon, wie du es meinst, und warum du den Satz benutzt, aber mich mutet "pochte ein Versprechen" eben schon immer ein bisschen phrasenhaft an. Ich mags einfach nicht, weil bissel oft schon gelesen. Aber ich hätt jetzt auch keine bessere Idee. Und von deinem Zweck her, wie ich ihn verstehe, passt es schon gut.

Da bin ich auch nicht ganz glücklich drüber. Fühlt sich an wie einer dieser Betonsockel für grosse Sonnenschirme: schwer, unhandlich, stehen im Weg rum. Aber halt auch nützlich.

Es könnt ruhig öfter mal so kurze Szenen geben, in denen ein allgemeines menschliches Problem in einer Facette aufgegriffen wird.

Ja, wenn man mit Kritik umgehen kann. ;)

Ein grosses Dankeschön, liebe Novak, für deinen Kommentar, der so umfangreich wie detailliert ausgefallen ist. Schön, dass du dich auf den Text einlassen konntest, obwohl er dir Unbehagen bereitet hat.

Liebe Grüsse euch allen
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

Beat ist ein toller Name.

Sie legte die Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen.

Ich wäre hier radikaler und würde das streichen, denn das ist die Summe deines Textes. Du solltest ihm ertrauen, er schafft das, du erreichst dein Ziel.

Es war ein ruhiges Quartier und in der Wohnung war es still, so still, dass der Hustenanfall ihres Nachbarn sie zusammenzucken liess.

Das "und" würde ich raushauen für ein Komma, denn dann klingt der Satz insgesamt rhythmischer, bekommt einen ganz anderen Sound. Finde ich jedenfalls.

Drei Stösse, danach das Hochziehen von Schleim. Chchrrch.

Ist gut. Würde ich hier aber rausnehmen, denn die Drastik, wie er sie anblickt und was er dann sagt, das wirft beim Rezipienten doch viel stärker das Kopfkino an.

Ein Anfall alle zehn Minuten.

Auch das: Sie können nicht schlafen, weil ... er die Nacht durchhustet. Diesen Effekt, den erzielst du beim Leser schon.

Der Mann war grau im Gesicht, er hatte zwei Plastiktüten in den Händen und keuchte.

Ich stelle mal um: Er war grau im Gesicht, hatte zwei Plastiktüten in den Händen. Mit der Anrede hast du das Geschlecht bereits differenziert, und das Keuchen wäre hier zu viel, weil du dem Leser schon überlässt, wie er so grau geworden ist, die Erwähnung bewirkt hier nicht mehr.

„Gute Besserung“, rief ihm Beat nach, doch der Mann bedankte sich nicht.

Für mich die Krux am Text. Im Grunde ist dieses Verhältnis mit dem Nachbarn eins, dass auf einer Art Geheimnis beruht. Sie beide fühlen sich durch seinen Todeskampf belästigt. Es ist ein Eindringen in ihre Prvatsphäre. Würde er dann so etwas sagen, nach nur einem oder zwei Tagen? Da zieht er ja quasi die Hose runter. Ich würde das rausnehmen, denn diese Offenbarung wirkt auf mich unmotiviert. Ich weiß, dass du dies hier für die Konstruktion brauchst, aber es ist zu viel zu schnell.

Denn: Am Abend schlief Beat vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Er schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. Er zappte weiter und einige Minuten später ging er ins Bett.

Das Geräusch finde ich gut, würde ich aber rausnehmen. Das alles, dieses Husten, das ist wie ein Gespenst im Text, und somit auch wie ein allgegenwärtiger Zustand im Kopf des Lesers. Jeder weiß, warum er hochschreckt.

Nach drei Wochen blieb keine Hoffnung mehr, der Husten war chronisch.

Hier wertet der Erzähler. Ich würde das auch nicht erwähnen, weil es klar ist: es bleibt keine Hoffnung mehr auf Besserung, der Typ hustet einfach immer und immer weiter. Redundant.

Würgegeräusche drangen in die Wohnung.

Das ist gut, aber das Bild, wie er sich fragt, welche Farbe der Schleim hat, ist stärker, weil es personalisiert ist und du wieder, aufgrund der fehlenden akustischen Äquivalente, dieses Gespenst beschwörst - ich höre die ganze Zeit schon dieses Husten, Keuchusten mit Sputum, ekelhaft, siehst du, das macht NUR dein Text! :D

„Oje!“, sagte Beat.

Besser: Gar keine Reaktion. Im Grunde freut er sich auch irgendwie. Er nickt nur, oder sie redet einfach weiter und er sagt dann: Tragisch.

Es ist schon eine Weile her. Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer, alles ist still, in der Wiege liegt ein Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.

Dieser Reim, her, leer. Wenn du den ersten Teil streichst, verortest du immer noch mit "noch immer" das Ganze zeitlich. Ich würde es streichen. Und auch: alles still. Weil es ist ja klar, mit seinem Tod kehrt die Stille ein, das ist deine Punchline, die darfst du nicht verschenken. Und nicht "ein Kind", sondern doch "das" oder "ihr" Kind, es ist ja personalisiert, es gehört zu ihnen.

So wäre es doch auch gut: Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer. In der Wiege liegt das Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.

Ja. Carver'esque. Total komprimiert, trotzdem finde ich den stark. Weiter so.

Gruss, Jimmy

 
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Lieber dotslash

Ich werde einfach nicht warm mit der Geschichte. Wo es mich bei deinen anderen Texten von Anfang an reinzieht, erhalte ich hier mehr so eine Übersicht über die Situation.

So langsam kann ich Bilanz ziehen, ist so fifty-fifty mit dem warm werden. Bei dir hat’s nicht geklappt und ich habe volles Verständnis. Wie ich schon hell geschrieben habe, ich bin mir nicht sicher, zu welcher Hälfte ich gehört hätte. Man muss darauf hoffen, dass schon der erste Satz zieht und neugierig macht, aber gleichzeitig muss der Satz auch schon Info transportieren (Umzug) und Figur chrakaterisieren (Besitzdenken). Ist alles sehr dicht.

Momentan sehe ich nur Farben auf Leinwand. Sprechende Farben zwar, aber halt noch kein Gesamtbild.

Na, immerhin. :)

Weiss nicht, ob dir das jetzt weiterhilft, ist halt mein erster Eindruck.

Doch, doch. Bei dir weiss ich sehr gut, woran ich bin und ich danke dir für die direkte Rückmeldung. Ich hoffe sehr, dir mit meinem nächsten Text mehr Freude zu bereiten, du weisst schon, aber ich bin zuversichtlich, ich habe nämlich ne gute Vorlage, die ich kopieren kann. Es wird übrigens fast sicher der 29.5., bis der Text kommt, RL schwappt gerade mächtig.

Hey Ane

Man könnte beanstanden, dass dieses Pärchen dermaßen unsympathisch und damit enorm viel vorgegeben und eine eigene Sichtweise kaum mehr möglich ist.

Ja, ich hatte da nur diesen einen Satz mit dem Verprechen im Bauch der Mutter. Aber der machte ja nicht wirklich die Figuren sympathisch, sondern eher die Situation als solche, ich hoffte, dass man mit den werdenden Eltern etwas nachsichtiger ist. :) Mittlerweile ist sogar dieser Satz weg, weiss nicht genau, wie das den Text verändert.

Mir gefällt es aber doch, wie sie ihrer kleinen unfertigen Welt so viel Bedeutung beimessen, wie wichtig sie sich nehmen, wie verständlich und wie unangenehm das gleichzeitig ist.

Yep! Das freut mich sehr. Ebenso, wie du die Dialoge gelesen und das Ambivalente des „gute Besserung!“ rausgearbeitet hast.

Wenn es diese Begrenzung der Wörter nicht gäbe, würde ich das "Keuchen" insgesamt für ausbaufähig halten (ich hab mal unter einem lungenkranken Mann gewohnt, sein Atmen beim Aufstieg in seine Wohnung werd ich nie vergessen) aber es wäre vllt zuviel des Guten, wenn die sich über den kaputten Atem des Nachbarn aufregen würden

Ja, mit mehr Strecke könnte man die Reaktion des Pärchens vielleicht noch etwas nachvollziehbarer machen. Wobei: Während es z.B. zulässig ist, dem Leser die Angst eines Protagonisten nahe zu bringen, ja dem Leser selbst Angst einzujagen (was dann im Lesesessel zum angenehmen Gruseln wird), frage ich mich, ob das mit „der Protagonist ist genervt“ ebenso funktionieren könnte.

Ich wünsch Dir jedenfalls viel Erfolg mit diesem Text.

Danke! Die haben zwar angefragt, nehmen aber nicht jeden Text an, weiss auch nicht wie viele, ist etwas kompliziert.

Danke auch für deine Anmerkung zum Thema „Tiefe“.


Hey moma

Ich verspreche, das ist das letzte Mal, dass ich dein Alter anspreche, aber wenn ich mit siebzehn solche Überlegungen hätte anstellen können, wie du es hier machst ...

Wenn Du den Husten schon lautmalerisch machst, könntest Du den Satz
Sie legte ihre Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen
vielleicht umschreiben, z.B. "Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Darin pochte ein Herz. Ein Versprechen."

Das finde ich eine schöne Idee. Nur war es mir hier wichtiger, den Satz weich zu gestalten, wie es RinaWu ausgedrückt hat, da etwas Wärme reinzubringen, damit man eine gewisse Sympathie für das Paar entwickeln kann. Aber mittlerweile ist der Satz eh weg.

Außerdem könnte man den Schluss
Dann war der Mann auf einmal weg [...] Ja, das ist es.
so gestalten, dass die Sätze immer kürzer werden. Das Sterben des Nachbarn, bzw das in Verlegenheit versandende Gespräch kämen dann vielleicht zur Geltung.

Auch das eine gute Idee, die ich gerne übernehme. Ich habe das «Ja, das ist es» zu einem einfachen «Ja» geändert.

Merci, moma, für diese Anregungen!


Hallo jimmysalaryman

Ich hab’s diesmal so gemacht, dass ich alle deine Änderungsvorschläge übernommen habe – bis auf das «Gute Besserung» und ein m.E. notwendiges Chchrrch, dafür noch ein paar weitere eigene Kürzungen. Danach habe ich mir den Text nochmal als Ganzes angeschaut, wie er wirkt, ob er stimmig ist. Ich finde den Text jetzt mutiger, konsequenter, kompakter.

Beim pochenden Versprechen habe ich mich schwer getan, ich habe den Satz ja mehrfach verteidigt (obwohl ich zugegeben habe, dass er mich selbst nicht ganz überzeugt), weil ich dachte, er sei notwendig. Ich bin mir noch immer nicht sicher, aber ich lasse hier mal die Version ohne den Satz stehen.

Es ist toll, von deiner Erfahrung profitieren zu dürfen, merci. Ich nehme folgende Dinge mit, die ich aus deiner Art, mit diesem Text umzugehen, ableite.

  • «The only kind of writing is rewriting», hast du mal Hemingway zitiert und hier zeigt sich, was das bedeuten könnte. Ein «und» durch ein Komma ersetzen (fand ich übrigens überzeugend, der Rhythmus ändert wirklich). Bei jedem Satz, jedem Wort überlegen, ob es das braucht. Ich werde versuchen, dem Überarbeiten mehr Gewicht zu geben.
  • Dem Leser und dem Text vertrauen. Bereit sein, Kopfschütteln oder Achselzucken in Kauf zu nehmen, wenn’s nicht klappt. Ich finde, das kann man von dir lernen.
  • Merken, wenn sich der Autor einmischt. Ob man das dann will oder nicht, ist eine andere Frage, die ja häufig diskutiert wird. Aber eben, zunächst muss man überhaupt ein Gespür dafür entwickeln.
  • Den Text als Ganzes im Blick behalten. Was weiss der Leser schon, was braucht er? Die einzelne Formulierung darauf ausrichten. Eine Art Deduktion des einzelnen Satzes aus dem Text (in der Überarbeitung), statt den Text als Ansammlung von Sätzen zu begreifen.

Liebe Grüsse an euch alle und danke für die Geduld. Das war im Vergleich zur Textlänge ein echtes Stück Arbeit, die aber Spass gemacht und mich hoffentlich weitergebracht hat. Der Text ist jetzt übrigens auf 80% seiner ursprünglichen Länge gekürzt.

Peeperkorn

 

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