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Husten

Monster-WG
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18.06.2015
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Husten

Beat strich mit den Fingern über einen der Umzugskartons.
„Gut“, sagte er. „Da wären wir also.“
Katrin sass auf dem Sofa, mitten im Wohnzimmer. Eine Weile lang schauten sie sich um, stellten sich vor, wo alles hinkäme und wie alles seine Ordnung fände. Es war ein ruhiges Quartier, in der Wohnung war es still, so still, dass der Hustenanfall ihres Nachbarn sie zusammenzucken liess. Beat blickte zur Decke und dann zu Katrin.
„Du meine Güte!“, sagte er.

Sie konnten kaum schlafen und die Kleine in Katrins Bauch bewegte sich heftig. Zwei Wochen später sahen sie ihn. Er war grau im Gesicht, hatte Plastiktüten in den Händen.
„Hallo“, sagte Katrin. „Wir sind die neuen Nachbarn. Unter Ihnen.“ Der Mann nickte und mühte sich weiter die Treppe hoch.
„Gute Besserung“, rief Beat ihm nach, doch der Mann bedankte sich nicht.
An diesem Abend schliefen sie vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Beat schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. Er zappte weiter und einige Minuten später gingen sie ins Bett.

Die Julisonne brannte, drinnen war es stickig. Würgegeräusche drangen in die Wohnung. Beat fragte sich, welche Farbe der Schleim wohl haben mochte.
„Da muss man doch was machen können“, sagte er zu Katrin.
„Willst du ihn verklagen?“

Dann war es auf einmal still.
„Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht“, sagte die Frau, die nebenan wohnte. „Ich glaube, es sieht nicht gut aus.“
„Tragisch“, sagte Beat.
„Ja.“

Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer. In der Wiege liegt das Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.

 

Eine Art Auftragsarbeit, ziemlich kurzfristig eingetrudelt, mit baldigem Abgabetermin. Die Anzahl Zeichen ist auf 2000 beschränkt, es hätte also noch Platz für zwei Wörter. Ich hoffe, die Sache ist nicht zu kurz fürs Forum, ansonsten einfach löschen. Meine Frage ist, ob eine Geschichte in dieser Miniaturform überhaupt funktionieren kann.

 

Hallo Peeperkorn,

Die Anzahl Zeichen ist auf 2000 beschränkt, es hätte also noch Platz für zwei Wörter.
Na, ja. Ich würde vielleicht sogar noch drei weitere Worte hinkriegen, da ich auf der Tastatur ein „ß“ habe :lol:

„Hallo“, sagte Katrin. Wir sind die neuen Nachbarn. Gleich unter ihnen.“ .
Da fehlen Gänsefüßchen.

Ist zwar kurz, aber für mich funktioniert es irgendwie.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Na ja, der Text funktioniert für mich insofern, dass ich ihn zu Ende gelesen habe, weil er sprachlich und dramaturgisch geschickt gemacht ist. Aber darüber hinaus?
Wäre er nicht von dir, Peeperkorn, würde ich mir vermutlich denken: so what …
Aber eigentlich denke ich mir das sowieso, auch wenn er von dir ist.
Weil: inhaltlich ist das schon einigermaßen … tja, ich will’s mal banal nennen. Ein Nachbar stirbt.

Nur kommt dann halt ungefähr zur Hälfte das:

Am Abend schlief Beat vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Er schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht.
Wo ich mich unwillkürlich fragte, ob es eventuell eine Vorgabe war, dass das Thema „Flüchtlinge“ in irgendeiner Weise zur Sprache kommt. Und wo ich mich dann natürlich auch unwillkürlich fragte, ob ich jetzt beginnen müsse, in dem Text etwas Gleichnishaftes zu suchen, was weiß ich, der kranke Nachbar als Sinnbild für die grundsätzliche Unfähigkeit der Menschen, miteinander in Eintracht und gegenseitiger Solidarität zu leben, und das Kind dann quasi als Bestätigung dafür, dass einem das Hemd allemal näher als die Jacke ist.
Oder - falls es nichts mit dem Auftrag zu tun hat - ob man in Zeiten wie diesen fast reflexartig dieses Thema zumindest streifen muss, weil ansonsten eine Geschichte vielleicht zu banal und unaktuell wirken könnte.
Wie auch immer, was ich unter meiner eigenen Jorska-Geschichte abstritt, meine ich in dieser Geschichte hier zu erkennen, nämlich dass sie aus Kalkül entstanden ist. Und ich glaube, so was mag ich nicht.

offshore

 

Hej Peeperkorn,

inwiefern dieser Text funktionieren soll, weiß ich nicht. Ich bin irritiert, weil er banal ist, ohne Überraschung oder einen (für mich) erkennbaren Hinweis auf etwas anderes, als das was du zeigst:

Sozialer Wohnungsbau, Anonymität, Einsamkeit, Tod, Leben, dies das.

Hübsch formuliert, wobei mich "das Geräusch" weniger an Husten als an Schnarchen oder "Hochziehen" erinnert.

Hilfreich? :hmm:

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Lieber Peeperkorn,

ich habe gerade ziemich viel Carver gelesen und bin noch dabei, mir eine Meinung zu ihm zu bilden. Alltagssituationen und ihre Tragik. Da passt deine Geschichte in meine Gedanken.

Ich versuche mal mit einer Frage an deine kleine Geschichte heranzugehen:
Hat sie mich bewegt?
Eigentlich nicht. Sie ist so offensichtlich, so eindeutig hinweisend auf das Problem. Da ist kein Bruch in ihr. So verhalten wir uns eben. Wir erkennen, dass jemand Hilfe braucht, fühlen uns gestört, reden uns ein, dass wir nicht helfen können und versuchen es zu verdrängen, bis es sich von selber erledigt hat. Was ist daran Neues?
Und genau deshalb, weil die Geschichte ihr Thema so eindimensional abhandelt, erscheint sie mir zu moralisierend.

„Da muss man doch was machen können“, sagte er zu Katrin.
„Willst du ihn verklagen?“
Das ist die einzige Äußerung Katrins und für mich das einzig Überraschende in der Geschichte. Es fällt mir schwer, sie zu bewerten. Reagiert Katrin hier ironisch oder will sie Beat nur schlicht darin bestätigen, dass sie wirklich nichts tun können? Während du ansonsten Passivität beschreibst, schimmert hier plötzlich die Möglichkeit aktiven Handelns durch. Aber auch diese Äußerung verliert sich sofort wieder in der deskriptiven Darstellung.

Es liegt möglicherweise an der Kürze der Geschichte, dass ich hier nur Oberfläche sehe, mir weder die Personen noch die Situation etwas anderes vermitteln, als die moralisierende Botschaft. Da ist keine Tiefe. Ich erlebe eine Situation, wie sie exemplarisch für viele steht, sehe menschliches Verhalten, das so stattfindet, wie es fast immer stattfindet.
Aber vielleicht lag gerade das in deiner Absicht. Nur da bin ich am Anfang: Was ist daran das Besondere, das Neue?

Auch die Gegenüberstellung von neuem Leben und Sterben bleibt für mich vage und unbedeutend, da ich seine Bedeutung hier eigentlich nicht wirklich greifen kann. Es bleibt für mich die allgemeine Anklage an uns alle, aber eine, die ich leider schon kenne.

Zu deiner Frage: Ich denke schon, dass eine Geschichte in dieser Kürze funktionieren kann. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihre Herstellung sehr lange brauchen wird: Alles, wirklich alles erhält auf so kleinem Raum seine Bedeutung. (Ich weiß, das ist nicht neu.)
Deine Geschichte hat für mich auf den ersten Blick nicht funktioniert. Aber vielleicht lese ich sie mit etwas Abstand noch einmal und komme zu einem anderen Ergebnis. So geht es einem ja manchmal mit diesen kurzen Texten.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Peeperkorn,

du sagst, es sei eine Auftragsarbeit mit Vorgaben für den Umfang. Gab es auch inhaltliche Vorgaben, z. B. Stichworte? Dann läuft das Ganze tatsächlich nur auf "Liefern" hinaus, technisch einwandfrei, Zutaten zeitgeistmäßig, ohne sich mir erschließende innere Anteilnahme ( "Herzblut"). Das erwarte ich aber von dir!

Gruß wieselmaus

 

Hallo Peeperkorn,

ein Leben beginnt, ein Leben endet und das Elend des Sterbenden stört den Frieden der Glücklichen, nicht nur durch den Husten, sondern auch durch die permanente Erinnerung an das Ende. Und plötzlich fühlt man sich ausgeliefert, bedroht, kein Mitgefühl, nur noch Ärger.

Dann war der Mann auf einmal weg.
„Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht“, sagte die Frau, die nebenan wohnte.
„Oje!“, sagte Beat.
„Ich glaube, es sieht nicht gut aus für ihn.“
„Tragisch.“
„Ja, das ist es“, sagte die Frau.

Ein happy end, das keines sein darf. Also wird geheuchelt. Dir gelingt es immer gut, ein Unbehagen mit sich selbst auszulösen beim Lesen. Ich konnte mich gut mit dem Paar identifizieren.

Der letzte Satz hat mich irritiert und ich habe erst später kapiert, das du damit den ersten Satz wieder aufgreifst. Er streichelt erst die Umzugskartons und am Ende ihre Wange. Das finde ich ein bisschen bemüht.

Ich finde, der Text funktioniert in der Kürze.

Liebe Grüße, Chutney

 

Hallo Peeperkorn!

Auch ich empfinde deine Geschichte als Gleichnis oder Parabel und glaube, dass barnhelms Deutung, die eine "Gegenüberstellung von neuem Leben und Sterben" konstatiert, intuitiv in die richtige Richtung weist:

Das Haus verliert einen Bewohner und bekommt einen neuen. Leben und Sterben, die Anzahl der Wiegen und der Särge halten sich also die Waage.

Dann haben wir die Situation des Umzugs: Beat und Katrin (und das Ungeborene) sind neu eingezogen, sind im Haus Neuankömmlinge, was auch die Umzugskartons veranschaulichen.

Neuankömmlinge in Deutschland wollen ja auch die Flüchtlinge sein, die aber durch Stacheldraht, zum Beispiel an der griechisch-makedonischen Grenze, am Einzug gehindert werden.

Deine Parabel könnte also als philosophischen Grundgedanken, als Lebensweisheit, dieses enthalten:

Menschen, die sterben, müssen durch Menschen, die neu geboren werden, ersetzt werden. Was haben nun die Flüchtlinge damit zu tun? Das wird vielleicht aus dieser Passage deutlich, die Flüchtlinge und den Todgeweihten in einem Atemzu nennt, sozusagen in eins sieht:

Am Abend schlief Beat vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Er schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht.

Nun ist es ja kein Geheimnis, dass wir Deutschen unter Geburtenrückgang leiden, dass unser Gesellschaftsorganismus alt und hinfällig wird, so dass Beats und Kartins Nachwuchs eine erfreuliche Ausnahme darstellt. Ausgleichen aber ließe sich dieses ungleiche Verhältnis von Todesfällen und Geburten, wenn man jene Einwanderer hereinließe, statt sie durch Stacheldraht auszusperren. Eine Familie von ihnen könnte dann in die leer gewordene Wohnung einziehen.

Meine Interpretation ist, wie ich zugebe, abenteuerlich. Aber wenn in einer Erzählung wie deiner so vieles nur angedeutet wird, dann regt das die Fantasie des Lesers an, das Ungesagte zu ergänzen.

Für mich jedenfalls funktioniert dein Gleichnis.
Grüße
gerthans

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn,

wie auch die anderen, bin ich gespannt zu erfahren, welche Vorgaben (bis auf die Zeichenanzahl) es hier gab. Bis dahin erzähle ich dir mal, wie ich diesen Text empfunden habe. Auf mich wirkt er. Ich finde, dir gelingt es hier durchaus, eine Stimmung aufzubauen, auch wenn du nur wenig Zeit dafür hast. Sehr schön finde ich:
Sie legte die Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen.
Das habe ich mehrmals gelesen. Das ist ein ganz weicher Satz.

Es war ein ruhiges Quartier und in der Wohnung war es still, so still, dass der Hustenanfall ihres Nachbarn sie zusammenzucken liess. Hier gingen mir mehrere Gedanken durch den Kopf. Das Quartier ist sehr ruhig und wir lesen hier von einem Paar, das bald eine kleine Familie ist. Daher nehme ich an, das ruhige Viertel wurde ganz bewusst ausgesucht. Sie wollen sich ein Nest bauen, Ruhe haben. Diese Stille wird plötzlich von dem Hustenanfall durchbrochen, lässt beide sogar zusammenzucken. Kann mir vorstellen, wie das klingt, dieses Hochziehen von Schleim. Es stört die Ruhe, die Harmonie. Da ist jemand, der ist krank. Und das Paar kriegt mehr davon mit, als es eigentlich will, weil die Wände so hellhörig sind. Für mich liest sich das irgendwie wie ein gewaltiger Störfaktor in dem Heim, das sie sich aufbauen wollen. Mir kam gleich der Gedanke, dass vordergründig sicher Mitleid eine Rolle spielt. Aber unter dem Ganzen liegt eher etwas wie Unmut, vielleicht sogar Ekel. Lieber würden sie den Husten nicht hören.

Später können sie wegen des Hustens nicht schlafen. Sogar das Baby leidet.
Sie konnten kaum schlafen und die Kleine in Katrins Bauch bewegte sich heftig.
Hier sind wir dann schon so weit, dass da ein Fremder Einfluss nimmt auf ihre Lebensqualität. Und spätestens, wenn man beim Schlafen gestört wird, entwickelt sich eine gewisse Wut.

Hier wurde ich stutzig. Du bist jemand, bei dem jeder Satz wohlüberlegt und platziert ist, glaube ich. Also warum das hier:
Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. ? Das verstehe ich nicht ...

Dann ist der Mann weg. Es klingt fies, aber ich glaube, das Paar ist erleichtert darüber. Beat sagt zwar "Oje" und "tragisch", aber ich glaube innerlich jubelt er.

Der Schluss bestätigt das irgendwie. Endlich ist es wieder still. Das Kind kann schlafen, Beat und Katrin sind glücklich.

Keine Ahnung, was die Geschichte bewirken soll, aber bei mir hat sie, trotz ihrer Kürze, viele Gedanken angekurbelt. Wollen wir wissen, wer unsere Nachbarn sind? Stört uns das Leid anderer dabei, glücklich zu sein? Verdrängt man lieber, dass es anderen schlecht geht oder möchte man helfen?

Liebe Grüße
RinaWu


NACHTRAG: Jetzt kam mir gerade noch ein Gedanke. Menschen mit Koffern. Stacheldraht. Da verließen Menschen die Häuser, die vielleicht damals auch ein Störfaktor waren. Keiner gab es offen zu, aber es war dann doch besser, sie aus dem Haus zu haben. Wohin sie gingen, getrieben wurden mit ihren Koffern, davor verschloss jeder die Augen ... Vielleicht weit hergeholt, aber so würde diese kurze Szene mit dem Fernsehprogramm Sinn machen. Für mich zumindest :)

 

Hallo Peeperkorn,


dein Text ließ mich zunächst etwas ratlos zurück. Ja, da scheint der Autor etwas sagen zu wollen, klar. Das merkt man leider auch. Ob ich dem jetzt auf den Grund gehen möchte, ist eine andere Frage. Mich lädt der Text an sich dazu nicht ein. Einzig der Autorenname ist es, der neugierig macht.

Du schreibst, dem Text liegt ein Auftrag zugrunde. Mag sein, dass er zu einem bestimmten Thema veröffentlicht wird. Wäre mir als Leser der Kontext, das Thema bekannt, könnte ich mich eventuell eher darauf einlassen. Derart gelingt dem Text nicht, tiefer einsteigen zu wollen.

Neben bereits Angesprochenem, könnte es auch um Versprechen gehen, die nicht eingehalten werden. Versprechen, denen man zuviel Erwartungen beimischt. Sei es für die frisch Eingezogenen, den Flüchtlingen, dem Krankenhausbesuch etc. Was der Hustende für die junge Familie war, könnte auch das Kind für diejenigen sein, die in die leer stehende Wohnung ziehen werden.

Letztendlich sind die Erkenntnisse oder Gedanken, die ich aus deiner Kurzgeschichte ziehen könnte, auch nicht neu. Ich finde weder andere Perspektiven, noch Wege, die ich einnehmen könnte oder wollte.

Ist auch schwierig, denke ich, nach Vorgabe zu arbeiten.

Ein Wörtchen könntest du noch zusätzlich einsparen, wenn du willst ...

Beat fragte sich, welche Farbe der Schleim wohl haben mochte.

Danke fürs Hochladen


hell

 

Hallo Peeperkorn,

klar ist es eine Geschichte und kann hier bleiben. Gar keine Frage. Schließlich ist ja alles drin in dem kurzen Text.

Dein Schreibstil gefällt mir, er zieht rein und lässt Raum für eigene Bilder.

Aber ich halte dies nicht für eine deiner besten Geschichten. Das liegt schlicht daran, dass ich nicht weiß, was du damit aussagen möchtest. Deine anderen Geschichten haben einen Tiefgang, vor dem ich den Hut ziehe und mich verbeuge, aber hier wirkt alles recht flach.

Dein Pärchen ist seltsam unbeteiligt, aber eben nicht unbeteiligt genug, um darin eine Aussage zu erkennen. Ihr Verhältnis zu dem Hustenden ist unerklärlich neutral, sie fühlen sich gestört, aber haben auch so Anflüge von Mitgefühl. Sie bringen sich in keinen echten Kontext zu diesem Mann. Alles ist nur angehaucht von dir und führt zu nichts. Bitte nicht sauer sein, dass ich so radikal kritisiere.
Das ist vielleicht der Fluch desjenigen, der gut schreiben kann. Ich gehe bei dir mit viel höheren Erwartungen und somit Forderungen heran.

Gut ist, dass du mitteilst, es sei eine Auftragsarbeit mit begrenzter Zeichenzahl. Ich bin da höchst zwiegespalten, was solche Aufgaben anbelangt.
Einerseits frage ich mich, ob es nicht eine grandiose Herausforderung ist, innerhalb von eng gesteckten Grenzen zu schreiben und sich darin zu üben, auch in der Kürze und Gedrängtheit Tiefe, Aussage, Unterhaltung zu bieten. Andererseits schwebt der freie Geist über mir, der fest behauptet, dass man eine gute Geschichte nur erzählen kann, wenn man ihr die Freiheit lässt, so viele Worte zu besitzten, wie sie es eben benötigt.

In deinem Fall würde ich mich auf die "andererseits"-Seite schlagen und sagen, der Geschichte fehlen noch Worte.


Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Peeperkorn!

Die See geht hoch, mit Deiner kleinen Geschichte sorgst Du für Turbulenzen.
Das ist ein gutes Zeichen.
Ich will mich bei Dir und all meinen Vorkommentatoren bedanken, denn Deine und ihre Gedanken haben auch mich nachdenklich gemacht.
Nicht nur über die angesprochenen Themen, sondern auch über den Wert unseres Forums.
Wo sonst könnte ich (hier: in Rekordzeit!) die Meinungen so vieler vernünftiger Leute erfahren?

Zugegebenermaßen haben mir die Kommentare die Augen an einigen Stellen geöffnet, die ich sonst übersehen hätte.
Ich finde, Deine Kurzgeschichte ist ein großer Erfolg!

Viele Grüße
José

 

Hallo Peeperkorn!

Dankeschön für die Veröffentlichung der Geschichte.
In meiner Bewertung fließt auf jeden Fall ein, dass du bei dieser Geschichte eine Vorgabe von 2000 Zeichen hattest.
Denn ich würde es nämlich begrüßen, wenn du diese Geschichte in einer längeren Version schreiben würdest.
Warum?
Mir hat dein Text gut gefallen und ich habe die Geschichte so gedeutet, dass viele/einige/ein paar an ihren Nachbarn nebenher leben und es egal ist, was mit seinem Nachbar ist, solange dieser nicht stört, oder lästig wird.
Wie gesagt, dass habe ich dort hineininterpretiert.
Schreibstil war gut und ich konnte diesen ohne Probleme lesen.

Lg
MyStoryWorld

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn!


Für mich hat die Geschichte etwas von einem Bild von de Chirico. Leer, unheilvoll, surrealistisch. Das wird vor allem durch die Auslassungen und Leerstellen in der Geschichte erzeugt. Von der Geburt, obwohl sicher ein zentrales Ereignis im Leben des jungen Paares, wird überhaupt nicht berichtet.
Unheilvoll deswegen, weil es keinen positiven Ton gibt in der Geschichte, bis auf eine einzige Ausnahme. Das Zusammenspannen von Julihitze und ständigem Husten und die Farbe des Schleims wirkt z.B. grauenvoll.

Die Ausnahme:

Sie legte die Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen.
Das ist die einzige Stelle, die hoffnungsvoll ist, die von etwas Lebendigem berichtet. Aber das endet dann so:
Es ist schon eine Weile her. Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer, alles ist still, in der Wiege liegt ein Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.
Am Ende ist alles beruhigt, die eigene kleine Welt ist beruhigt, abgesichert, aber auch still, ein totes Familienstilleben ist das am Ende, und Beat vergewissert sich noch einmal seines Besitzes, indem er Katrin über die Wange streicht.
Das ist die eine Klammer der Geschichte: Am Beginn streicht Beat über die Umzugskartons und am Ende über Katrins Wange. Die zweite Klammer ist der Gegensatz "Umzugskartons" und "Koffer" von den Flüchtlingen, die mit dem Stacheldraht zurückgehalten werden.
Alles, was die kleine Welt der Familie bedroht, den Besitz des weißen Mann, wenn man so will, bedroht, hat kein Mitleid verdient. Um den Preis, dass das Lebendige verlorengeht, das Menschliche. Und folgerichtig ist für Beat seine Frau am Ende auch nicht viel mehr als ein Karton, in dem sein Besitz ist.

Also für mich funktioniert die Geschichte gut und braucht auch nicht mehr. Weil die Geschichte eben durch die Auslassungen und die Lakonie einen bestimmten unheilvollen Ton bekommt.

Gruß
Andrea

An offshore: Kalkül ist doch nichts Schlechtes, ich würd sogar sagen, ohne Kalkül funktioniert Schreiben nur schlecht, es ist ja nicht so, dass etwas quasi durch mich hindurchspricht oder ich jetzt rein aus dem Gefühl heraus schreibe. Ich sollte doch wissen, warum und was ich da eigentlich schreibe. Schon allein die Wahl der Wörter, also der Stil, ist Kalkül.

 

Lieber Peeperkorn

der Text ist gut, dennoch fehlt mir etwas, das ich nicht genau bestimmen kann.
Vielleicht, weil der Erzähler Distanz hät, vielleicht, weil die Figuren verwischen und es für einen derart kurzen Text eine zu große Personnage ist.

Durch meinen Wettbewerbsbeitrag (Ein Morgen danach) habe ich eine gewisse Erfahrung, was kurze, stark reduzierte Texte betrifft. Du wirst dieselben Vorwürfe ertragen müssen. (Charaktere bleiben im Ungefähren usw.)
Eins ist klar: je kürzer der Text, desto gewichtiger ist jedes Wort.

Ich schau mal rein:

Sie legte die Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen.
das Herz schlägt nicht im Bauch... insgesamt ist die Aussage des Satzes banal.

wo alles hinkäme und wie alles seine Ordnung fände.
unnötige Doppling

Es war ein ruhiges Quartier und in der Wohnung war es still, so still,
kennst du das Stilmittel Hendyadyoin ? hier trippelst du...

Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. Er zappte weiter und einige Minuten später ging er ins Bett.
mm... sehr plakativ

„Willst du ihn verklagen?“
bleibt völlig unerklärt, da frage ich mich, wieviel Sinnd as macht

Es ist schon eine Weile her. Die Wohnung über ihnen steht noch immer leer, alles ist still, in der Wiege liegt ein Kind und schläft. Beat streicht mit den Fingern über Katrins Wange.
der Schluss ist gut: Stille und das Streichen der Finger wie am Anfang, klammert der Text... Anfang und Ende

Soweit so gut :Pfeif:
Isegrims

 
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Lieber Peeperkorn, weil du so nett meine Kehrseitengeschichte, die ja hier im Forum eher schlecht ankam, kommentiert und mir zusammen mit Fliege ein paar Äuglein (hoffentlich) geöffnet hast, will ich dir deine Frage beantworten. Ich hab keinen einzigen der anderen Kommentare gelesen, weiß also nicht, wo die anderen irgendwelche Probleme sehen, und oder ob überhaupt, ich schreib dir jetzt einfach nur, wie die Geschichte bei mir ankommt. und zwar weniger analytisch ankommt, sondern eher als Leserin.

Mich hat die Geschichte unangenehm berührt, ohne dass ich sagen könnte, ob du das, was ich herauslese, überhaupt sagen willst. Ich finde sie irgendwie ein bisschen den Hals zuschnürend.
Da gibt es ein Nebeneinander von Hoffnung, Neubeginn, werdendem Leben und auf der anderen Seite Krankheit, Verfall, vielleicht Alter, jedenfalls Verfall und Tod. Und nichts verbindet diese beiden Seiten, die ja jedes Leben hat, miteinander, außer der Störung, bis hin zu recht absurden Konsequenzen, dann ein wenig formeller Anteilnahme und ein paar schalen Floskeln.
Am Ende, so hat man das Gefühl, kommen Beat und Katrin auch nicht so ganz unbeschadt aus dieser "Bewährungsprobe" raus. Irgendwie sind sie für mich ein Stückchen unangenehmer geworden, obvwohl der Grund etwas ist, den ich nachvollziehen kann. Irgendwie schnürts einem da den hals zu.
ich finde dieses Paar, Beat und Katrin, ziemlich unangenehm, vielleicht sogar scheiße, nicht am Anfang, aber eben im verlauf. Sie tun nichts Schlimmes, fühlen sich einfach nur gestört, was ja irgendwie auch jeder nachvollziehen kann, aber statt sich über die miese Wohnungsqualität mit der entsprechenden Hellhörigkeit aufzuregen, wird der kranke Mann zum Störfaktor. Ja, ich kann das nachvollziehen, dass das einen aBgründig nervt und trotzdem find ich es ganz schlimm, wie die beiden über das Sterben dieses Mannes hinweggehen. Das sind schon zwei Prachtexemplare, die ziemlich viel an sich abprallen lassen.
Naja, also wenn du sowas mit der Geschichte sagen willst, dann ist dir das auf jeden Fall gelungen.


Beat strich mit den Fingern über einen der Umzugskartons.
„Gut“, sagte er. „Da wären wir also.“
Katrin sass auf dem Sofa, mitten im Wohnzimmer. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und in ihrem Bauch schlug ein Herz, pochte ein Versprechen.
Ja, ich weiß schon, wie du es meinst, und warum du den Satz benutzt, aber mich mutet "pochte ein Versprechen" eben schon immer ein bisschen phrasenhaft an. Ich mags einfach nicht, weil bissel oft schon gelesen. Aber ich hätt jetzt auch keine bessere Idee. Und von deinem Zweck her, wie ich ihn verstehe, passt es schon gut.


Ein Anfall alle zehn Minuten. Sie konnten kaum schlafen und die Kleine in Katrins Bauch bewegte sich heftig. Am nächsten Tag sahen sie ihn. Der Mann war grau im Gesicht, er hatte zwei Plastiktüten in den Händen und keuchte.
„Hallo“, sagte Katrin. „Wir sind die neuen Nachbarn. Gleich unter ihnen.“ Der Mann nickte und mühte sich weiter die Treppe hoch.
„Gute Besserung“, rief ihm Beat nach, doch der Mann bedankte sich nicht.
Gut, wie du die Entwicklung kennzeichnest, es ist ganz knapp gemacht, aber man sieht, wie von dem ersten meine Güte, in dem ja beides noch mitschwingt, etwas Mitgefühl, aber auch schon das Erschrecken über die Lautstärke des Hustens, dann die fortwährende Störung in der Nacht und Sorge wegen der Schwangerschaft dann über die Teilnahmslosigkeit des Kranken ein bisschen Einblick in den Alltag der beiden entsteht, der ja voller Hoffnung begonnen hat.

Am Abend schlief Beat vor dem Fernseher ein. Chchrrch. Er schreckte hoch und blickte auf den Bildschirm. Menschen mit Koffern in der Hand. Stacheldraht. Er zappte weiter und einige Minuten später ging er ins Bett.
Diese Stelle ist mir nicht klar. Gut, Beat ist also während einer Nachrichtensendung eingeschlafen. Ein bisschen kommt es mir vor, als willst du mir als Leserin suggerieren, dass Beat sich selbst vorkommt wie ein Flüchtling. Also mit der Stelle hab ich bissel Problem. Ist aber auch nichts Schlimmes, komm mir so ein bisschen manipuliert vor. Jedenfalls wenn du dieses Flüchtlingsgefühl überhaupt erzeugen wolltest.

Nach drei Wochen blieb keine Hoffnung mehr, der Husten war chronisch. Die Julisonne brannte, drinnen war es heiss und stickig. Würgegeräusche drangen in die Wohnung. Beat fragte sich, welche Farbe der Schleim wohl haben mochte.
Super, das ist eine echt krasse Stelle.

„Da muss man doch was machen können“, sagte er zu Katrin.
„Willst du ihn verklagen?“
Puhhh, das ist auch verdammt erbärmlich gut. Toll gemacht.

Dann war der Mann auf einmal weg.
„Man hat ihn ins Krankenhaus gebracht“, sagte die Frau, die nebenan wohnte.
„Oje!“, sagte Beat.
„Ich glaube, es sieht nicht gut aus für ihn.“
„Tragisch.“
„Ja, das ist es“, sagte die Frau.
Auch sehr gut.

Also du kannsts ja ablesen, ob deine Geschichte so bei mir ankommen sollte. Wenn ja, kann ich nur sagen, logisch funktioniert die in der Kürze.

Es könnt ruhig öfter mal so kurze Szenen geben, in denen ein allgemeines menschliches Problem in einer Facette aufgegriffen wird.
Ganz lieben Gruß an dich,, Peeperkorn.

Sei nicht bös. dass ich deinen Kommentar noch nicht beanbtwortet hab, bin privat ein bisschen eingebunden. Mitschlechten, aber aiuch mit furchtbar schönen Dingen. Wie halt so ist. Manchmal belibt da wenig Zeit.
Bis denn
Novak


PS: Jetzt eben hab ich die Kommentare gelesen. Hmm. Naja, siehste mal, so unterscheidlich kommen solche Geschichten an. Also ich persönlich kann mich am besten mit AndreaHs Kommentar zusammenbringen, die drückt das aus, was ich als Beunrhugung in deinem Text empfinde.
Lieben Gruß noch mal.

 
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Hallo Peeperkorn

Ich werde einfach nicht warm mit der Geschichte. Wo es mich bei deinen anderen Texten von Anfang an reinzieht, erhalte ich hier mehr so eine Übersicht über die Situation. Wie ein Blick beim Vorbeigehen. Ach, in Nummer zwölf zieht jemand ein, na dann viel Spass mit dem Schnarchhals vom dritten Stock. Die zweite Nachbarin hat plötzlich ihren Auftritt, alles wirkt so zusammengepuzzelt.

Klar, 2000 Zeichen sind verdammt wenig und man muss verdichten, aber mir fehlt irgendwie ein Faden und dazu die Kernaussage. Oder ich sehe ihn einfach nicht. Du wirfts mir die Flüchtlinge hinter Stacheldraht unreflektiert dazu und am Ende frage ich mich, was wollte mir der Autor eigentlich erzählen? Also im Moment funktioniert der Text noch nicht so richtig für mich. Möglicherweise wolltest du die Vereinsamung in Mehrfamiliensiedlungen thematisieren, wo nebst gezwungenem Grüssen beim Müllraustragen nicht viel zwischenmenschliches abläuft. Aber vielleicht muss ich mich länger vor "das Bild von de Chirico" setzen und es auf mich wirken lassen. Momentan sehe ich nur Farben auf Leinwand. Sprechende Farben zwar, aber halt noch kein Gesamtbild.

Weiss nicht, ob dir das jetzt weiterhilft, ist halt mein erster Eindruck.
Liebe Grüsse,
dot

 
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Liebe alle

Ich will mich bei Dir und all meinen Vorkommentatoren bedanken, denn Deine und ihre Gedanken haben auch mich nachdenklich gemacht.
Nicht nur über die angesprochenen Themen, sondern auch über den Wert unseres Forums.
Wo sonst könnte ich (hier: in Rekordzeit!) die Meinungen so vieler vernünftiger Leute erfahren?

Ja, auch ich bin ziemlich überwältigt.
Ich habe mir lange überlegt, ob ich den Text wirklich online stellen soll, wollte niemanden damit belästigen, zumal ich ja hier noch eine grosse Rechnung offen habe und endlich meinen letzten Text richtig überarbeiten sollte. Dann aber dachte ich mir, dass ja auch niemand zu einem Kommentar gezwungen wird.

Ich freue mich sehr über all eure Anmerkungen und werde mir Mühe geben, allen gerecht zu werden, ohne jetzt auf jede einzelne im Detail einzugehen. Eine linerare Abarbeitung macht m.E. zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn und ich versuche, thematisch zu bündeln.

Vielleicht zunächst zur Genese des Textes und meinen Überlegungen.

Die Eröffnungszene habe ich kürzlich selbst erlebt (allerdings erwarten wir keinen Nachwuchs und des Nachbars Husten erwies sich auch nicht als chronisch.) Auf alle Fälle war da der Wunsch, dem Mann möge es bald besser gehen, und die Frage, ob dieser Wunsch wirklich ein altruistischer sei.
Dabei zog ich assoziativ, so für mich, Parallelen zur Flüchtlingsthematik. Folgende Aussagen bringen gut zum Ausdruck, was mir dabei durch den Kopf gegangen ist - ich habe bewusst auch Zitate rausgepickt, die eigentlich kritisch gemeint sind.

Alles, was die kleine Welt der Familie bedroht, den Besitz des weißen Mann, wenn man so will, bedroht, hat kein Mitleid verdient.

Wir erkennen, dass jemand Hilfe braucht, fühlen uns gestört, reden uns ein, dass wir nicht helfen können und versuchen es zu verdrängen, bis es sich von selber erledigt hat.

Ein Leben beginnt, ein Leben endet und das Elend des Sterbenden stört den Frieden der Glücklichen, nicht nur durch den Husten, sondern auch durch die permanente Erinnerung an das Ende. Und plötzlich fühlt man sich ausgeliefert, bedroht, kein Mitgefühl, nur noch Ärger.

Mir kam gleich der Gedanke, dass vordergründig sicher Mitleid eine Rolle spielt. Aber unter dem Ganzen liegt eher etwas wie Unmut, vielleicht sogar Ekel.

Ihr Verhältnis zu dem Hustenden ist unerklärlich neutral, sie fühlen sich gestört, aber haben auch so Anflüge von Mitgefühl. Sie bringen sich in keinen echten Kontext zu diesem Mann.

Danach kam die Anfrage für einen Beitrag - nein, nicht für eine Apothekerzeitschrift - in einem Literaturmagazin. Die 2000 Zeichen sind die einzige Vorgabe, formal und inhaltlich sind wir frei. Und so dachte ich, dass ich mich an diesem Thema versuchen möchte. Meine Intention war, dass all die oben zitierten Aussagen sowohl auf die konkrete Situation des Paares gemünzt werden können, als auch auf darauf, wie Flüchtlinge oftmals wahrgenommen werden. Kalkül? Nö. Kalkül wäre in meinen Augen das aufmerksamkeitsheischende Erwähnen der Flüchtlingsproblematik ohne eigentlichen Bezug zur Geschichte. Für mich stehen die beiden Sätze zu den Flüchtlingen aber in deren Zentrum. Gleichzeitig wollte ich aber schon auch, dass die Geschichte funktioniert, wenn dieser Zusammenhang beim Lesen nicht hergestellt wird. Vielleicht habe ich mich da übernommen.

Und folgendes war mir ebenfalls wichtig:

Am Ende ist alles beruhigt, die eigene kleine Welt ist beruhigt, abgesichert, aber auch still, ein totes Familienstilleben ist das am Ende, und Beat vergewissert sich noch einmal seines Besitzes, indem er Katrin über die Wange streicht.

Da gibt es ein Nebeneinander von Hoffnung, Neubeginn, werdendem Leben und auf der anderen Seite Krankheit, Verfall, vielleicht Alter, jedenfalls Verfall und Tod. Und nichts verbindet diese beiden Seiten , die ja jedes Leben hat, miteinander, außer der Störung

Mich hat die Geschichte unangenehm berührt

So weit, so gut. Die Intention ist das eine, die gelungene Umsetzung das andere.

Aber ich halte dies nicht für eine deiner besten Geschichten.

Ich auch nicht. Soviel mal vorneweg. Später werde ich mich zu den Einschätzungen äussern, die ja von „banal“ bis „aufgesetzt“ reichen. Genau das war meiner Meinung nach auch die Krux bei der ganzen Sache: Wie kriegt man mit 300 Wörtern Tiefe hin, ohne aufgesetzt und gewollt zu klingen? Ich finde das eine ziemlich spannende Frage und ich bin jetzt doch sehr froh, dass ich den Text hier eingestellt habe.

Ich finde, ganz ehrlich, dass viele von euch für meine Begriffe echt viel von einem solch kurzen Text verlangen, die Ansprüche hoch sind – und ich finde das grossartig!

Lieber Gruss
Peeperkorn

… wird fortgesetzt

 

Hej Peeperkorn,

mir gefällt diese kurze Geschichte ganz gut. Klar könnte das gerne länger sein, aber funktioniert auch so kurz, für mich.
Man könnte beanstanden, dass dieses Pärchen dermaßen unsympathisch und damit enorm viel vorgegeben und eine eigene Sichtweise kaum mehr möglich ist.
Mir gefällt es aber doch, wie sie ihrer kleinen unfertigen Welt so viel Bedeutung beimessen, wie wichtig sie sich nehmen, wie verständlich und wie unangenehm das gleichzeitig ist.

An einigen Punkten wird das schön auf die Spitze getrieben, hier zum Beispiel

„Gute Besserung“, rief ihm Beat nach, doch der Mann bedankte sich nicht.
Das ist einerseits freundlich oder höflich und gleichzeitig wirkt es so gleichgültig und für den Leser schimmert durch, dass der eigentliche Wunsch ist, nicht weiter von Krankheitsgeräuschen belästigt zu werden.

Nach drei Wochen blieb keine Hoffnung mehr, der Husten war chronisch.
Das find ich auch toll, weil die beiden hier gar nicht persönlich in Erscheinung treten. Wie eine Wolke schwebt er über ihnen, dieser Wunsch nach Ruhe. Ohne die leiseste Spur von Verständnis, was das über die Ruhe hinaus bedeutet, wird diese Wolke regelrecht teuflisch.

Wenn es diese Begrenzung der Wörter nicht gäbe, würde ich das "Keuchen" insgesamt für ausbaufähig halten (ich hab mal unter einem lungenkranken Mann gewohnt, sein Atmen beim Aufstieg in seine Wohnung werd ich nie vergessen) aber es wäre vllt zuviel des Guten, wenn die sich über den kaputten Atem des Nachbarn aufregen würden ... :hmm:

Zuletzt finde ich treffend dargestellt, wie sowohl der Tod des Mannes als auch die Geburt des Kindes irgendwo anders stattfinden, bzw stattgefunden haben. Beides würde die Ruhe stören.

Ich wünsch Dir jedenfalls viel Erfolg mit diesem Text.

Gruß
Ane

 

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