Was ist neu

Hurenmärchen

Mitglied
Beitritt
23.01.2014
Beiträge
220
Zuletzt bearbeitet:

Hurenmärchen

Er stand am Rand der Straße, seine Blicke flossen ihre Beine hinab. Sie waren gebräunt, schlank, ihr Rock kurz. Es war Sommer.
Als er begonnen hatte, ihre langen Beine zu betrachten, stand die Sonne hoch, jetzt warfen sie bereits Schatten, die noch länger waren.
Seit gestern Abend war es aus mit Susanne. Aus und vorbei. Ex und Hopp. Dabei war doch alles noch mitten im Anfang gewesen. Wenn er beim Spazierengehen ihre Hand gehalten hatte, blieb sie ihm noch Stunden warm. Jeder Kuss von ihr führte alles in und an ihm himmelwärts. Ein Mal hatte er ihre Brüste gestreichelt. Ein Mal hatte seine Hand fühlen können, wie sich beim Gehen ihre Pobacken strafften und entspannten. Alles war am Warten, am Reifen….alles hatte Zeit. Bis gestern Abend.
Der Blonde aus dem Leistungskurs war älter als er. Der Blonde aus dem Leistungskurs war älter als er. Er hatte viele Verflossene. Das machte ihn schön.
„Weißt du…du bist ein ganz Lieber, aber ich brauch einfach mehr.“

Drei Mal waren diese Beine mit einem Freier im Haus verschwunden, nach einer Viertelstunde zurückgekehrt. Keiner der Männer wirkte froh oder entspannt. Sie kamen aus dem Haus, blickten um sich, gingen zu ihrem Auto und fuhren davon. Kurz danach trat auch sie aus dem Haus, zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich an die Hauswand oder schritt auf und ab.
Ihre Kolleginnen unterhielten sich miteinander, wenn gerade kein Auto im Schritttempo an ihnen vorbeikroch. Sie stand meist abseits.
Ein Bentley hielt an. Sie stakste um den Wagen herum auf die falsche, die englische Seite, beugte sich in das herab gekurbelte Fenster. Ihr Lächeln, das sie in den Wagen schickte, war kurz an ihm vorbei geflogen.
Sie stand nur wenige Meter vor ihm, sagte dem Fahrer etwas, das er nicht hören konnte. Durch ihr Vorbeugen zeigte sie ihm noch mehr Bein. Er sah die Form ihrer Waden, ihre Kniekehlen, ihre Schenkel, die schlanken Fesseln, die sehnigen Füße mit den grell rot lackierten Nägeln, er sah, wie jeder Schritt in den hohen Riemchensandaletten ihren Po bewegte.
Die meisten ihrer Kolleginnen waren bestiefelt und versuchten, Blicke in ihre Dekolletés zu lenken. Sie war nur Bein, schlanke Figur unter Stoff, langes offenes schwarzes Haar und ein Lächeln, für das man sterben könnte.
Nicht der Mann in dem englischen Auto. Sie waren sich nicht einig geworden, der Wagen fuhr an und verschwand.
Aber sie ging nicht zurück auf ihre Straßenseite. Sie kam auf ihn zu.
„Du willst mich, oder? Du wartest seit Stunden auf einen Schwung Mut. Stimmt’s?
Er nickte.
„Du bist ein ganz Süßer, weißt du das?“
Er sagte nichts. Wusste darauf keine Antwort. Seine Kehle war trocken.
„Weißt du…Ich verkaufe nichts, was du brauchen könntest. Nichts Schönes. Nichts Aufregendes. Nur Handreichungen und die Scham danach! Das ist doch nicht das, was du suchst, oder?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich brauch jetzt mal eine Pause. Komm, wir gehen da rüber an den Kiosk und trinken eine Cola zusammen. Und dann erzählst du mir was. Magst du?“
Sie wartete die Antwort nicht ab, hakte sich bei ihm unter, als brauche sie seine Hilfe beim Stöckeln.

 

Hallo Isegrim,
"vielleicht entgeht mir die Bedeutungsschwere des kurzen Textes"...
Nein, sie ist dir nicht entgangen. Der kleine Text ist nicht bedeutungsschwer und diesem Maßstab kann er unmöglich standhalten.
Der junge Kerl hat von seiner Mitschülerin den Laufpass bekommen, ist total down, hat beschlossen, mal zu einer Professionellen zu gehen und traut sich nicht, obwohl ihm eine sehr gut gefällt.
Und diese Professionelle hat soviel Verstand und Gefühl und so wenig Geldgier, dass sie ihm die Erfahrung der Frustration erspart, die er unweigerlich erleben würde. (Darum ist es ein Märchen.)
Mehr ist da nicht!
Und zu dem Satz, den du magst: "Jeder Kuss von ihr führte alles in und an ihm himmelwärts"... Das "in und an ihm" brauche ich, um zu zeigen, was da in und an ihm passiert. :-)
Vielen Dank für deine Kritik, Isegrim.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom