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- 10.09.2014
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Hunde, die lachen
Es soll Hunde geben, die können lachen. Zumindest lächeln.
Die machen die Augen halb zu und zeigen die Vorderzähne.
Oskar kann das nicht, doch jetzt muss ich sagen ‚konnte das nicht‘ - obwohl es ihn ja noch gibt, Gott sei Dank.
Einen Tag vor seinem Abtransport verhält er sich ganz anders als gewohnt. Weicht mir nicht von der Seite, geht sogar mit zur Toilette, behält mich immer im Blick. Auch als sie am nächsten Morgen kommen.
Eigentlich rast er, sobald die Klingel schellt, zur Tür – und wenn die im Sommer offensteht, bis zum Gartentor und vollführt einen Mordsspektakel.
Jetzt legt er sich flach auf den Boden und macht keinen Mucks. Trotzdem gelingt es mir, ihm das Halsband umzulegen und die Leine einzuklicken. Mit viel Mühe – gebuttertes Knäcke mit Gouda wird ignoriert – ziehe ich Oskar zum Tor.
Ich streichle ihm noch mal über die seidigen Schlappohren, gebe den zwei jungen Leuten vom Tierheim die Leine und rede beruhigend auf ihn ein. Sage das dümmste Zeug, wie eine Beschwörung, dunkel und tief – in der Hoffnung, meine Stimme werde seine Panik dämpfen. Widerwillig geht er mit den beiden runter zum Auto.
Auf halbem Wege bleibt Oskar noch einmal stehen und dreht sich um. Wir schauen uns an.
Mein Mund zuckt, das Wasser schießt mir in die Augen.
Bald fährt auch das Taxi vor, ich hole meine Reisetasche. Die anderen Sachen sind schon im neuen Quartier.
Quartier klingt gut, irgendwie neutral. Besser als ‚Heim‘ oder ‚Residenz‘ – im Briefkopf steht sogar ‚Senioren-Residenz‘. Es ist nun mal ein Altersheim, da können sie noch so schöne Worte bemühen. Die letzte Station, Widerstand zwecklos.
Ich war ja oft ein Idiot. Hab Luftsprünge gemacht und Pirouetten gedreht, als andere studierten. Außer in Neu-Guinea war ich überall. Die anderen feierten zu dieser Zeit schon Richtfest.
Das hat bei mir länger gedauert, und ohne Rose wäre es nie passiert. Ganze acht Jahre haben wir dort herrlich gelebt, direkt am Wasser, im ausgedienten Haus des Schleusenwärters. Was haben wir geschuftet, bis es bezugsfertig war!
Als dann Rose starb, ging‘s mit mir böse bergab. Ohne sie wollte ich nichts mehr vom Leben.
Dass ein Mensch so viel saufen kann, ohne zugrunde zu gehen, ist mir bis heute ein Rätsel. Aber vielleicht war ich noch nicht an der Reihe.
So kurven meine Gedanken durch die Jahrzehnte, bis der Wagen hält. Fehlt noch das Schnarren eines Bahnhofsvorstehers: ‚Endstation, alles aussteigen!‘ – das klingt noch von Zugreisen in meiner Kindheit nach. Ich erinnere mich an das ständige Tack-Tack der Schienenstöße, und dass man ein Lid nach unten zieht, wenn man Ruß im Auge hat. Der flog bei jeder langgestreckten Kurve durchs Oberfenster ins Abteil.
Man ist sehr freundlich zu mir, ich habe es gut getroffen. Mein Zimmer liegt in der sechsten Etage, große Fenster und ein winziger Balkon. WC und Dusche neben der Schlafnische. Und das Essen ist sensationell; kleine Portionen, aber köstlich.
Auf dem Korridor überhole ich zwei Herren, schnappe ‚metaphysisch‘ und ‚Beispiel Dostojewski‘ auf und denke, dass ich hier gebildete Leute treffen werde, vielleicht ergeben sich gute Gespräche statt gemeinsamen Fernsehens. Muss zur Seite treten, der Wagen der Putzkolonne kommt mir entgegen.
„Schönen guten Tag, Herr Mölders. So viel Sonne heute! Ist ja ganz ungewohnt“, höre ich hinter mir.
Diese Stimme ist unverwechselbar. Ziemlich tief für eine Frau – obwohl ich ‚Dame‘ sagen sollte; sie gehört einer Dynastie an. Schwerreiche Schausteller mit millionenteuren Attraktionen, wie sie mir schon in den ersten Tagen anvertraute. Und auch, dass man ständig investieren müsse, weil man sonst von der Steuer aufgefressen würde.
Ich werde unruhig, es ist Kaffee- und Kuchenstunde. Ich weiß, dass sie mich ausgeguckt hat, doch daraus wird nichts. Ich bringe mich in Sicherheit, sage, dass ich spät dran sei, muss zu meinem Prof – nein, darüber möchte ich, „ … Ihr Verständnis vorausgesetzt ...“, nicht sprechen. Ich riskiere, dass meine Geheimniskrämerei Frau Beier umbringt, doch ich deute weder tückische Krankheiten an, noch Probleme anderer Art, die nur eine Koryphäe lösen könnte.
Sie hat mir von ihrem tiefen Glauben an die Heilhypnose erzählt, auch gefragt, ob ich vielleicht … Ihr Schwiegersohn übe diesen Beruf aus, in einem Privatsanatorium.
Nein, ich glaube nicht, dass ich interessiert bin.
Ich fahre wieder zu Oskar.
Schade, der Mann aus Ghana mit dem breiten Lachen – Yes, Sir! I‘am your best driver! – kommt nicht. Der heutige Chauffeur hat schwäbischen Akzent.
Seit meiner Tübinger Zeit mag ich das – was ich jedoch nicht mag, sind aggressive Tattoos.
Die kann er wegen mir bis in den Schritt haben, die sichtbaren jedoch sind hässlich. Ich kenne diese Symbole nicht, es gibt Zahlen und Dreiecke, Zahnräder und Runen – auf den Armen, am Hals, auf den Handrücken, nicht einmal die Finger sind verschont. Es juckt mich gewaltig, ein paar Bemerkungen zu machen; ich bilde mir sogar ein, er warte darauf. Hin und wieder schaut er mich im Rückspiegel an, doch ich blicke desinteressiert aus dem Fenster. Wort- und trinkgeldlos endet die Fahrt.
Oskar teilt einen Zwinger mit vier anderen Hunden, Mischlinge allesamt. Ein Rottweiler ist der Blockwart, Oskar muss sich fügen. Ich bleibe für ihn unsichtbar; verblüffend, dass mein uraltes Opernglas noch eine sinnvolle Verwendung erfährt.
Oder ist das sinnlos – unvermeidbare Veränderungen aufweichen zu wollen, zu schummeln, sich selbst zum Hütchenspieler zu machen?
Nach einer Weile geht Oskar in die Hütte. Die Kissen auf ‚seinem‘ Sofa wird er vermissen, und das Knäcke mit Gouda. Und mich?
Ich rufe ein Taxi.
Auf der Heimfahrt denke ich, dass es doch Blödsinn ist, mir das Herz schwer zu machen, meinem verlorenen Freund hinterherzutrauern. Wir können es nicht ändern, basta. Schrecklich, wie oft ich mir die Augen wischen muss.
Ein bisschen benommen gehe ich durch die Drehtür, direkt in die Arme von Frau Beier.
„Hallo, Herr Mölders! Na, was sagt der Professor?“
„Non est spe.“
„Nur das?“
„Aber das sagt doch alles!“
„Und was?“
„Wenig Hoffnung.“
Auch wenn ich ihre Steuertipps nicht brauche, so wäre ein Nachmittag mit ihr doch erträglicher, als Oskar zuzuschauen, wie er vom Prinzen zum Untertan degradiert wird, oder sich zu erinnern, wie wir uns mit Blicken verständigten, nur mit Blicken. Piano, pianissimo – harmonisch, kein herrisches Wort, einfach wunderbar. Und unsere Spaziergänge am Wasser, dem Spalier der Pappeln entlang …
Der Lift kommt, die Tür öffnet sich. Ich darf nicht zu geschmeidig hineinschlüpfen, sonst hält sie mich womöglich für einen guten Tänzer.
Frau Beier macht mir ein aufmunterndes Handzeichen, als ich nach oben entschwinde.
Es will mit mir nicht besser werden.
Sich selbst weh zu tun, ist krank. Ich weiß. Bin ich ein Ritzer, ein Maso? Tausende Leute müssen ihre Hunde abgeben, ihre Katzen, ihre Vögelchen – und ich verbrate ein Vermögen, um Oskar jeden Nachmittag zu sehen, mit verschwommenem Blick.
Frau Beiers Stimme scheint mir heller, und leiser. Der arme Mann, wird sie denken, jeden Tag zum Professor – was er nur hat? Und gelacht hat er auch noch nie ...
Ich lache wirklich nicht. Dabei hätte ich allen Grund, schließlich geht es mir gut. Ein bisschen Prostata zwar, und Rücken und Herz, harte Leber, Gicht – na wenn schon. Die nassen Augen am Nachmittag machen mir mehr zu schaffen.
Nach dem Comeback meines Opernglases taucht jetzt mein Laptop wieder auf. Innerhalb einer Woche werde ich sogar fündig: Ein ehemaliger Bauernhof bietet Unterkunft für Senioren mit einem Haustier. Blitzschnell bin ich am Telefon. Ja, nächsten Freitag, gegen 16 Uhr.
Es ist ein angenehmer Nachmittag, das Anwesen befindet sich unweit des Bahnhofs. Ich gehe zu Fuß. Die Straße mit den verspielten Fassaden liegt unbelebt wie die Kulisse eines Filmstudios während der Drehpause. In den Schaufenstern hängen Schilder: ‚Zu vermieten‘.
Die Farben von Malven und Astern bleichen aus, doch der Südwind macht glauben, der Sommer habe kein Ende. An der Pergola des gastlichen Hauses schaukeln die ersten Weinblätter mit rubinrotem Rand.
Ich läute, über mir öffnet sich ein Fenster und eine junge Frau mit Bob und grellrotem Mund sagt: „Hallo, Herr Mölders! Einen Moment bitte, ich komm‘ runter.“
Sie öffnet die Tür. „Ja, das trifft sich gut. Unser Erkerzimmer ist freigeworden, aber Frau Sommerfeld war immerhin achtundneunzig.“
Sie bittet mich hinein und nimmt mich beim Ärmel: „Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Zimmer.“
Schon nach den ersten Stufen vermisse ich den Lift der Residenz, doch ich schaffe die Treppe auch ohne technische Hilfe. Wir gehen bis zum Ende des Ganges, sie macht die Tür auf – es ist hell und freundlich. Durch die großen Fenster geht der Blick hinaus in die schöne Landschaft und ich bin beeindruckt. Stelle mir für einen winzigen Augenblick schon den nächsten Sommer vor, wie ich dort mit Oskar … „Gefällt es Ihnen?“, fragt sie.
„Also, auf den ersten Blick ganz bestimmt“, antworte ich zuversichtlich, „ich schau mal nach dem Bad.“
„Ehm, das Bad befindet sich auf dem Flur. Wir sind hier in einem Altbau und kommen mit der Renovierung nur langsam voran.“ Fügt mit Schulterzucken noch hinzu: „Ist eine Frage des Geldes.“
„Wie alles auf der Welt.“ Ich sage das so als kluger, lebenserfahrener Herr und komme ins Grübeln. Doch eigentlich ist das unnötig, denn ich weiß es schon: Oskars Korb hätte Platz neben dem Bett.
„Tja“, sage ich, „die anderen Details hab ich ja auf Ihrer Website gefunden. Übrigens: Kochen Sie selbst?“
„Ja, selbstverständlich. Also – mein Mann kocht, ich bin höchstens die Beiköchin.“
„Und der ist Koch?“
„Er ist ein sehr guter Koch, aber kein gelernter. Eigentlich ist er Agraringenieur. Sein Institut ist nach England verlegt worden, und das hat uns beiden nicht gepasst. Wenn schon Ausland, dann im Süden.“
„Ein vernünftiger Standpunkt. Da hat‘s mich auch immer hingezogen.“
Während des Gesprächs sind wir zum Fenster gegangen. Im Garten wird alternativ gewirtschaftet, klar zu erkennen. Daneben Erdbeerbeete, dann eine Art Truppenübungsplatz mit wühlenden Schweinen und dahinter ein Teich oder See mit alten Bäumen.
Viel Auslauf für den Hund. Nur fällt mir jetzt ein, dass es für mich ein wenig eintönig werden könnte. Die Bahnhofswirtschaft war geschlossen, das ‚Café Wisserath‘ ebenfalls.
Wir hören Schritte im Gang. „Ah“, sagt sie, „da kommt mein Mann. Er fährt nebenbei Taxi, damit wir über die Runden kommen.“
Die Tür geht auf – tatsächlich, wir kennen uns.
„Tach“, sagt er.
„Guten Tag“, sage ich.
„Ich hatte letztlich das Gefühl, dass Sie eher ungern mit mir gefahren sind. Erinnern Sie sich?“
„Ja, gewiss. Ich muss keinen Hehl daraus machen, dass ich eine Abneigung gegen Tattoos dieser Art habe. Das hat nichts mit Ihnen als Person zu tun. Schließlich hab ich selbst ein Tattoo.“
„Nicht Ihr Ernst!?“
„Doch. Warum sollte ich das erfinden?“ Dabei öffne ich das Hemd und sage „Tonga, 1966.“
„Das ist wirklich hübsch“, sagt Frau Feindle, ihr Mann meint: „Ja, kann man so lassen.“ Dann fällt ihm noch ein: „Aber Sechsundsechzig? Da war ich ja noch gar nicht auf der Welt!“
„Deshalb haben Sie noch alles vor sich!“, sage ich mit theatralischem Timbre und breite die Arme aus, als wollte ich ihm die ganze Welt zu Füßen legen.
Er schaut mich misstrauisch an, schneuzt sich und lacht: „Haha, der ist gut. Ich glaube, ein Schluck auf unser Kennenlernen wäre jetzt angebracht.“ Er sieht mich fragend an.
„Gute Idee, ganz Ihrer Meinung. Wozu möchten Sie mich denn überreden?“
„Ei, das ist schnell aufgezählt: Schiller, Grauburgunder und Trollinger. Oder haben Sie Angst vor Literflaschen?“
„Nicht im geringsten, es ist nur manchmal der Inhalt.“
„Also für den lege ich meine Hand ins Feuer. Nicht, dass einem der Abendstern aufgeht, aber alle drei sind grundehrlich.“
„Tja dann“, sage ich und zeige hinaus, „bei Tageslicht wäre der Weiße wohl der Richtige, oder?“
Wir gehen nach unten, er noch tiefer in den Weinkeller, und seine Frau zum Kühlschrank.
Ich polstere meinen Sessel, um schmerzfrei sitzen zu können, und als ich damit fertig bin, stehen Wein und Vesper auf dem Tisch.
Da ich der Älteste bin, erhebe ich das Glas: „Danke für die freundliche Aufnahme. Ich heiße Erhardt.“
Zwei Gläser streben meinem entgegen: „Erich“ und „Clara – unter Freunden ‚Clara, die Wunderbare‘.“
„Was für ein schöner Name!“, sage ich, „ist es nicht anstrengend, immer wunderbar zu sein?“
„Das ist nur offiziell. Wenn ich alleine bin, kann ich auch fluchen, wenn etwas daneben geht.“
„Ah naa“, sagt Erich und schaut keck, „sie ist schon klasse. Gell, Mausi?“
„Du sollst nicht Mausi zu mir sagen!“ Sie verwüstet seine Frisur und reicht mir das Brot.
Ich probiere von der Leberwurst im Glas – und muss gleich an Onkel Karl denken. Der konnte das auch, mit reichlich Zwiebeln und Majoran. Herrlich! Und es gibt noch zwei Gläser: Schweinskopf in Riesling-Aspik und Rotwurst mit Räucherzunge und blütenweißen Speckstückchen. Unschlagbar gut. Das könnte man in Brüssel oder Paris zu Höchstpreisen verkaufen, an echte Feinschmecker.
„Saugut!“, sage ich. „Darauf könnt ihr euch etwas einbilden.“
Ich nehme noch etwas vom Griebenschmalz, Clara schenkt nach.
Es dämmert. Wir stoßen ein letztes Mal an, trinken den letzten Schluck, picken die letzten Krümel auf. Dann nehme ich mein Jackett und verabschiede mich von Clara.
Allerdings wird Erich draußen handgreiflich und schiebt mich trotz meines Widerstandes – ich verweise in bestem Advokaten-Deutsch auf Freiheitsberaubung und auf das Recht eines jeden Bürgers auf einen Spaziergang in der guten Abendluft – in sein Taxi und fährt mich zum Bahnhof.
Es vergeht einige Zeit, bis ich alle Ab-, Um- und Anmeldungen zusammenhabe. Frau Beier meint, dass es doch ein recht kurzes Intermezzo war und sie mein Weggehen sehr bedauert. Ich verdränge den Verdacht, sie könne vielleicht etwas vorgehabt haben mit mir und erwidere:
„Bin ja selbst erstaunt, wie sehr mir Oskar fehlt.“ Dann tritt mich der Übermut und ich trällere: „Folge deinem Herzen, das kennt den Weg ...“ Die letzten Töne summt sie mit, und ich entdecke eine neue Seite an ihr – sie hat die Augen passend zum Text wie Kristallkugeln aufleuchten lassen.
„Sehr schön, gnädige Frau!“, sage ich und applaudiere ohne Geräusch.
Sie ist schon eine interessante Person. Wäre ich geblieben, hätte ich sicherlich bald Brüderschaft mit ihr getrunken.
Erich holt mich ab. Er fährt konzentriert, der Verkehr fließt.
Ich gehe ins Büro, unterschreibe die Übergabe, stecke einen Schein in die Spendendose und folge einem Jungen zum Zwinger.
Oskar ist in der Hütte; drinnen ist es schummrig, ich erkenne nichts. Rufen will ich ihn nicht; vielleicht riecht er mich, oder er ahnt mich – früher ist er öfter ans Gartentor gelaufen, ohne dass der Besucher schon zu sehen war. Ich warte.
Dann schnalze ich mit der Zunge, das war unser Startsignal beim Frisbeewerfen.
Keine Reaktion. Ich halte noch einen Moment inne, rufe seinen Namen.
Langsam, sehr langsam kommt er durch die Tür, schaut mich aber nicht an.
Ich hatte mir eine stürmische Begrüßung ausgemalt, mit freudigem Gewinsel und Gebell – aber nein, nichts. Er wirkt bedrückt und lustlos, wo ist sein Temperament?
Der Rottweiler kläfft ununterbrochen und rast hin und her, die anderen dösen auf einer Matte.
Meine Stimmung ist arg umgeschlagen, Verwunderung geht in Ärgerlichkeit über. Dann kann ich mir‘s erklären: Er ist es, der enttäuscht wurde. Ich muss vieles wieder gutmachen.
Der Junge legt ihm das Halsband um und übergibt ihn mir.
Erich faltet die Zeitung zusammen und sagt: „Ihr kommt ziemlich angeschlichen. Hat er was?“
„Ja, hat er.“
„Und was genau?“
„Den falschen Herrn.“
„Aber wieso denn? Hast ihn wieder rausgeholt und das schöne Leben geht weiter, oder nicht?“
„Das werden wir sehen, er ist ziemlich geknickt. Hauptsache, er muss nicht hier bleiben. Bei euch wird er sich schon einleben.“ Ich nehme auf der Rückbank hinter Erich Platz, Oskar neben mir.
„Das wird er ganz bestimmt. Morgen kommt noch eine Dame mit Dackel, aber der macht einen äußerst friedlichen Eindruck. Ein Veteran mit Hüftproblemen.“
Ich kraule Oskars Rücken, so, wie er es am liebsten hat. Ein Ohr richtet sich auf, dann das andere. Langsam hebt er den Kopf. „Ach, mein Schöner“, sage ich, „reden wir doch wieder miteinander?“ Erich richtet den Rückspiegel ein wenig, um nichts zu verpassen, und meint: „Na siehste, sag ich doch. Das wird schon.“
Er biegt links in die Hauptstraße ein. Plötzlich hochtouriges Kreischen, ein Scheinwerfer blitzt auf, Metall scheppert, Glas zerspringt. Mit dumpfem Knall wird die Tür von Oskars Seite fast bis zu mir gepresst. Ein kurzes Jaulen.
Oskars Körper ist verdreht; er hat die Vorderzähne entblößt, die Augen halb geschlossen.
Ich weine mit zusammengepressten Augen und Lippen, es schmeißt mich wie starker Schüttelfrost. Ich beuge mich tief über ihn, unsere Wangen berühren sich.
Da verspüre ich … einen Hauch? Fast nicht wahrnehmbar. Ich rühre mich keinen Millimeter. Seine Zunge wischt über meine Nase.