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Homo Physicensis

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30.10.2003
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Homo Physicensis

Homo Physicensis

Inmitten unserer Gesellschaft wandelt eine eigentümliche Kreatur, die eines besonderen Umgangs bedarf. Im Gegensatz zur Normalschöpfung, die sich selber mit dem Titel des Doppel-Sapiens zu krönen erdreistet, schaut die Gattung, die wir nachfolgend vorstellen wollen, bei solch einer Selbstverherrlichung beschämt zu Boden. Weil sie nämlich ihre unzweifelbar überragenden Leistungen in der Weltgeschichte nie zugeben würde. Zumindest nicht öffentlich. Die Rede ist vom >Homo physicensis<.

Durch Körperbau unterscheidet er sich durch nichts von den übrigen Hominiden. Er ist keine finanzielle Last, genausowenig wie er eine militärische Bedrohung oder religiöse Sekte darstellt. Zu Lebzeiten fristet er ein Schattendasein unter Verblendeten. Höchstens bei Sonnenfinsternissen wird man seiner gewahr, wenn er für wenige Minuten ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Dann beeindruckt er diejenigen, deren Hypophyse größer als der Rest des Hirns ist, mit seiner ultimativen Weisheit über die Nichtexistenz allen Seins. - Wen juckt's?

In der Masse erkennt man ihn äußerlich an seinem modebewußten Auftreten in zerschlissenen Jeans und karierten Hemden, an deren gekrümmten Muster er die Wirkung der Leibesgravitation hautnah erlebt. Natürlich dürfen da die Öko-Sandalen nicht fehlen, die er beim letzten Anti-Atom-Protest von einem getroffenen Bullen gegen 200 Euro einlösen mußte. Sein zersaustes Haar, ein morgendliches Relikt seiner Träume vom organisierten Chaos, würde selbst bei Windstille der Vergewaltigung durch einem Kamm standhalten.

Bar einer Nudelrollenschwingerin im Haus, sind für ihn süße Tischdeckchen sowie reizend ausgearbeitete Fenstervorhänge unpragmatischer Luxus. In der Küche, dem Hauptlabor zum Nachweis experimenteller Talente, sieht es aus, als hätte El Nino gewütet, und aus dem Muster des Bestecks läßt sich die Kreativität mehrerer, bereits verstorbener Designer erschließen. Die kulinarischen Gaumenfreuden dieses Zweibeiners ergötzen sich werktags an Spaghetti mit Sauce, wobei die Gewürztüte der Vorratspackung unbedingt beiliegen muß. An Sonn- und Feiertagen gibt's auch mal Tiefkühlpizza, denn eins muß ja schon sein: Sich abwechslungsreich ernähren wie Gott in Grönland.

Doch das wesentliche Merkmal solcher Paranormalen ist ihr Charakter: Sie sind aufgrund ihres eigenwilligen Sozialverhaltens nicht gerade pflegeleicht -- und das bei steigenden Gesundheitskosten. Tatsächlich kommt es ab und zu vor, daß ein Element dieser Gattung krank wird. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung besteht nämlich das seltsame Subvolk moderner Zivilisation immer noch nicht aus unsterblichen Göttern. Nehmen wir mal an, ein Arzt nimmt so ein Individuum in der Ambulanz eines Krankenhauses ahnungslos auf. Er stellt fest, daß an diesem Subjekt eine Bypass-Operation durchgeführt werden müsse. Zu jeder Operation ist nun mal ein Aufklärungsgespräch vorgeschrieben, in dem eine Erläuterung des Befundes und Schilderung des Eingriffs zur Sprache kommen. Bei Normalhominiden dauert es höchstens zehn Minuten. Nicht so beim Homo physicensis! Oder glauben Sie etwa, dieser gibt sich mit einer simplen Erklärung über das Wann und Wo zufrieden?
"Wenn sich ein Bypass verschließt, dann doch an der Nahtstelle?" fragt der wißbegierige Patient.
Die Augen des Arztes rollen zur Stirn... Man muß also dem armseligen Wicht zunächst erklären, daß es prädestinierte Stellen sind, an denen so etwas passiert, weil durch die Naht eine Porosität entsteht und keine laminare Strömung im Blut herrscht. Das Problem muß nun im Detail erörtert werden.
"Gibt es Wahrscheinlichkeitstabellen über Nebenkomplikationen während der Operation?" fragt der Patient und malt auf ein leeres Blatt ein Koordinatensystem und wartet auf Daten, um eine Verteilungsfunktion über die möglichen Fälle zeichnen zu können.
Der Arzt, inzwischen leicht genervt, schaut auf die Uhr, denn der nächste Patient wartet schon seit 20 Minuten, dennoch erklärt er dem verrückten Theoretiker, daß er sich keine Sorgen zu machen brauche:
"Ein Arzt stützt sich auf seine Erfahrung," sagt er, "und leitet schon beim geringsten Verdacht die ersten Maßnahmen zur Behandlung ein. Manchmal muß er sogar schlicht therapieren, ohne die Diagnose je herausgefunden zu haben. Wenn er nämlich über irgendwelche Wahrscheinlichkeiten herumphilosophieren würde, wäre der Patient schon tot."
Nach einer Stunde weiterer Fragerei ist der Arzt geschafft. Sein langjähriges Studium hat er repetieren müssen, ungeahnte biochemische Zusammenhänge zwischen endokrinem Aldosteron und desmoplastischem Fibrom sind aus seinem dorsalen Cortex zum Vorschein gekommen. Wenn er das Zimmer traumatisiert verläßt, hofft der Medicus mehr denn je, daß gerade dieser Patient schnell genesen möge.

Der Homo physicensis ist in permanenter Lernbereitschaft. Gibt man ihm einen Kugelschreiber, so ist er den ganzen Tag mit der Demontage beschäftigt, um anschließend das Schreibwerkzeug von Grund auf neu zu erfinden. Die darauffolgenden Konstruktionsversuche dienen als Vorlage für die nächste Episode von Mr. Bean. Und falls wider Erwarten doch ein funktionierender Griffel zum Vorschein kommen sollte, so ist die Glückseligkeit in seinem Gesicht die größte Extase seit dem Recycling von Schnappdeckeln. Mit stolzgeschwellter Brust meint er dann, den Aufbau des Kosmos nach der Hadronen-Ära verstanden zu haben. Unter diesen Wesen erwirbt man sich den Status des Intellektuellen nicht durch den Verleih von Blechmedaillen sondern durch Selbsternennung. In diesem Sinne: Gehabt euch wohl!

 

Hallo ababwa,

leider hat mir deine Charakterisierung nicht sonderlich gefallen. Ob es an den langen Sätzen lag, die etwas Auflockerung gut vertragen könnten oder allgemein am Vorgehen, diese uns sehr wohl bekannte Spezies so treffend zu charakterisieren, dass es fast schon einer wissenschaftliche Abhandlung sein könnte - ich weiß es nicht.
Mir fehlte der spontane Witz, der ungeplante Brüller, das Unkonstruierte an sich.

Sorry, war nicht mein Fall.

G
Jan

 

Hallo ababwa,


"Sich abwechlsungsreich ernähren wie Gott in Grönland"

Ein schöner Vergleich.

"Sein langjähriges Studium hat er repetieren müssen, ungeahnte biochemische Zusammenhänge zwischen endokrinem Aldosteron und desmoplastischem Fibrom sind aus seinem dorsalen Cortex zum Vorschein gekommen. Wenn er das Zimmer traumatisiert verläßt, hofft der Medicus mehr denn je, daß gerade dieser Patient schnell genesen möge."

Oder er hofft, dass dieser Patient schnell stirbt, am besten auf der Stelle...
Dieser Abschnitt ist gelungen, der Stress des Mediziners wird greifbar, das Verrückte schaukelt sich auf. (Exokrines Aldosteron gibt´s ja wohl nicht...).
Leider sind solche Highlights zu selten, so einem Physiker hätte man schon mehr Spleeniges in seine Öko-Schuhe schieben können, als seine Füße. Der Nudelrollen-Absatz z.B. wiederholt nur typische Vorurteile, birgt keine Überraschungen. Anstatt alle Facetten dieses Physicus-Wesens darzustellen, wäre der Ausbau der Begegnung des Physikers mit der ärztlichen Art sicher fruchtbar gewesen. Zumindest der letzte Absatz sollte den oben zitierten Gedanken weiter führen.
Leider heute keine besseren Nachrichten von mir,

liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

Ergänzungen:


"Umganges" - Umgangs

"Durch Körperbau unterscheidet er sich durch nichts von den übrigen Hominiden. Er ist keine finanzielle Last, genausowenig wie er eine militärische Bedrohung oder religiöse Sekte darstellt"
"Er ist keine" - das kommt so unvermittelt, hat keinen Bezug zum Körperbau. Deshalb mein Vorschlag: Er ist auch keine ...
(genauso wenig).

"Anti-Atom- Protest von einem getroffenen Bullen" - Anti-Atom-Protest. Von was wurde der "Bulle" getroffen?

"Sich abwechlsungsreich ernähren wie Gott in Grönland - abwechslungsreich

"ein Individuuum" - Individuum

"Bypass- Operation durchgeführt werden müsse. Zu jeder Operation ist nun mal ein Aufklärungsgespräch vorgeschrieben, in dem eine Erläuterung des Befundes und Schilderung der Operation zur Sprache kommen."
- Bypass-Operation; und die Schilderung der Operation (des Eingriffs - wegen Wortwiederholung).

"Porösität entsteht und keine laminare Strömung im Blut herrscht. Das Problem muß nun im Detail erörtert werden.
"Gibt es Wahrscheinlichkeitstabellen über Nebenkomplikationen während der Operation?" fragt der Patient und malt auf ein leeres Blatt ein Koordinatensystem und wartet auf eine Verteilungsfunktion über die möglichen Fälle"
- Porosität. "Nebenkomplikationen" wären Komplikationen mit geringer Bedeutung im Vergleich zu den (Haupt-)Komplikationen.
- Er wartet auf Angaben oder Daten, um eine Verteilungsfunktion zeichnen zu können.

""und leitet schon beim geringsten Verdacht" - auf eine Krankheit, eine Komplikation ...

 

Hallo Jan,
danke für dein Statement. In der Tat könnte man das eine oder andere noch gewitzter gestalten. Beim Schreiben habe ich festgestellt, wie schwer es sein kann, humorvolle Texte zu verfassen. Daher bewundere ich die Experten, die beinahe monatlich einen brüllend komischen Text aus dem Ärmel schütteln.


Hallo Woltochinon,
ja, es war meine Absicht, gerade auf Klischees aufzubauen und sie durch den Kakao zu ziehen (immerhin darf ich das). Der Krankenhausteil ist so entstanden, daß mir ein Arzt über seine Erlebnisse mit einem Physiker erzählt hat, und wie dieser alles und jedes wissen wollte. Für sich allein genommen, würde der Absatz irgendwie in der Luft hängen, oder? Aus diesem Grund sollte das Vorhergehende stückweise auf seinen Typus vorbereiten. Was meinst du denn mit >noch mehr Speelings in die Schuhe schieben<? Sind das nicht schon reichlich Speelings?

Fehler sind ausgebessert, danke fürs Lesen und schöne Grüße,
Emil

 

Hallo ababwa,

natürlich würde der Arztteil `in der Luft hängen´, wenn man den Rest einfach streichen würde. Ich denke, dieser Teil ist das stärkste Stück Deiner Geschichte. Die `hinführenden Abschnitte´ sind für meinen Geschmack zu lang. Natürlich willst (und musst) Du Klischees bedienen, doch die karierten Hemden, die zerzausten Haare usw. sind inzwischen schon zu oft benutzt. Vielleicht kannst Du sie in einem neuen Zusammenhang bringen: Karierte Hemden, die dem Eingeweihten selbstverständlich einen verborgenen mathematischen Algorithmus verraten, sein zerzaustes Haar lässt ihn unweigerlich Theorien über die Chaostheorie entwerfen.
Die charakterlichen Aspekte Deiner Figur finde ich aber viel ergiebiger, sein nervendes Nachfragen, bis hin zur Absurdität („auf ein leeres Blatt ein Koordinatensystem und wartet auf Daten, um eine Verteilungsfunktion über die möglichen Fälle zeichnen zu können.“).
Der Schlussabsatz holt mich, dramaturgisch gesehen, wieder auf den Boden des Alltags des „Homo physicensis“ zurück, die im Arztteil aufgebaute nervöse Spannung verpufft.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hmmm, okay. Deine Vorschläge sind gut. Die Umsetzung wäre jedoch mit größeren Einschnitten verbunden. Ich stelle eine Überarbeitung mal in Aussicht -- auf eine unbestimmte Zeit, da ich momentan mit anderweitigen Projekten beschäftigt bin. Vielleicht gibt's ja bis dahin noch weitere Rückmeldungen. Hinsichtlich des letzten Absatzes, so sollte er einen prägnanten Schlußpunkt setzen, und so, wie er ist, gefällt er mir eigentlich.

Herzlichen Dank für deine nützlichen Tipps. Bis bald,
Emil

 

Hi ababwa,

auch ich fand den Arztteil deiner Geschichte am lebendigsten.
Obwohl die Beschreibung des Wesens eines Physikers, für mich auch sehr interessant war. Ich kenne nämlich keinen. Und wenn diese "Sorte" Mensch alle so sind, wie du sie beschreibst, könnte ich mir eine Bekanntschft auch sehr schwierig vorstellen.

Wenn in deiner Geschichte auch kein Brüller war, so finde ich sie doch auf eine trockene Art, witzig geschrieben.
Werde deine "Anderen" auch noch lesen und hoffe auf etwas leichtere Kost. ;)
Anregungen kann ich dir leider nicht geben, da mir Homo Physicensis, zu fremd sind.
Hoffe, du freust dich trotzdem über einen weiteren Kommentar.

glg, coleratio

 

Homo Physicensi

ach du lieber Gott, habe gerade dein Provil angesehen.
Du bist ja auch so ein H.P.
Macht ja nix, würde dich trotzdem gerne mal kennenlernen :)

 

@coleratio,
ich kann Dir bestätigen, dass es unter dieser Sorte Menschen durchaus sehr umgängliche gibt. Schließlich sorge ich mit der Nudelrolle dafür, dass einer davon die wichtigsten Regeln der Kleidung und Körperpflege einhält! :D

@ababwa,
Witze werden meistens über andere gemacht. Wahrer Humor zeigt sich jedoch, wenn man auch über sich selber lacht! Da Du hiermit bewiesen hast, dass Du das kannst, macht Dich noch sympathischer!
Mein Göttergatte soll schon als Kind unterirdische Sprengstoffexperimente durchgeführt haben und hat seine Mutter bei einer neuen Spielzeugeisenbahn angebettelt, wann er den endlich "richtig" damit spielen darf, d. h. auseinandernehmen, notfalls mit einem Hammer! Und auch an anderen Stellen mussten schon breit grinsen, obwohl es nicht zutraf.
Doch auch ich würde dir raten, die Sprache für den Rest der Menschheit verständlicher zu gestalten. Und auch hier wäre die Schilderung eines Einzelschicksals spannender. Vielleicht ein Physiker, der während einer Sonnenfinsternis die Aufmerksamkeit einer netten Frau erregt und schon anfängt davon zu träumen, bald nicht nur Tiefkühlpizza essen zu müssen.....
liebe Grüße
Tamara

 

@Woltochinon:
Habe deine Vorschläge in etwas veränderter Form umgesetzt. Zwei kleine Zusätze betreffen nur den Absatz mit den Klamotten. Ein erneutes Dankeschön für die Ideen!


@coleratio:
Herzlichen Dank für deinen Beitrag. Selbstverständlich freue ich mich über jeden Kommentar und beanspruche dabei keineswegs nur Lorbeeren. Ich muß sogar zugeben: Je länger das Geschriebene zurückliegt, desto mehr zerläuft der Witz, erst recht für mich als Autor. Die Geschichte ist mal aus einer Laune heraus entstanden, und momentan wüßte ich nicht, wie ich sie noch weiter verbessern sollte. Vielleicht nehme ich mich ihrer zu einem späteren Zeitpunkt noch mal an.


@tamara:
Du irrst dich hinsichtlich des Humors: Typen wie der Homo Physicensis sind eigentlich zum Heulen... (hehe). Dein Verbesserungsvorschlag wäre eher eine Idee zu einer neuen Geschichte, denn diese hier wollte ich absichtlich unpersönlich gestalten. Obwohl sicherlich das eine oder andere Element von mir eingeflossen ist, sollte man hieraus nicht direkt auf mich schließen (z.B. bin ich immer artig gekämmt). Danke dir für deinen Beitrag!

 

Hallo ababwa,

das ist gar nicht so einfach, einen etwas verschrobenen Menschentyp darzustellen, weil man einerseits immer Gefahr läuft sich als intoleranten Autor zu outen und andererseits darauf angewiesen ist, dass der Leser diesselbe Sichtweise oder Toleranzgrenze innehat.
Eigentlich ein Projekt, welches nur schief gehen kann, weshalb Witze über andere Personen meistens dort am besten aufgehoben sind, wo sich die entsprechende Zielgruppe befindet. Aber damit erzähl ich dir gewiss nichts Neues.

Deine Geschichte, nein fange ich einfach mal damit an, es ist keine Geschichte aus meiner Sicht, sondern ein Bericht über den Zustand einer Person. Es fehlt die klassische Handlung mitsamt einem Beginn einer Handlung, einer Art Spannungsboden und der Fortführung bis zum Ende.
Hier in deinem Text wird quasi ein statischer Zustand beschrieben und tamara hat es schon ein wenig durch ihre gute Anregung, den Text zu verbessern, indirekt angedeutet: mit einer Handlung wäre alles lebendiger.
Gewiss, lieber ababwa, dann wäre es ein völlig anderes Unterfangen und wahrscheinlich kannst du dann gleich eine neue Geschichte schreiben. Aber du verschenkst hier in dem vorliegendem Text Potential und zwar unnötig.

Was hat dich gehindert, aus der statischen Darstellung heraus zu gehen und eine Geschichte mit Handlung z.B. viel wörtlicher Rede zu bringen? Es hätte schon eine Ecke mehr an Lebendigkeit gegeben, wenn du schlicht dich des Hilfsmittels des Protagonisten bedient hätttest, der irgendwo z.B. in einem Cafe sitzt und nun diesen Physicus sieht und erlebt und vielleicht mithört, was der so von sich gibt und sich dann seine Gedanken dazu macht.

Bescheinigen möchte ich dir gerne, dass dein Text eine Gratwanderung zwischen Humor und Satire ist. Ich bin wie du der Meinung, dass man nie eine feste Grenze wird zwischen diesen beiden Genres ziehen können, zumal sich der eine vom andern auch gerne Elemente ausleiht. Ich würde deinen Text auch eher wegen seiner deutlichen Ironie mehr in den Bereich des satirischen Inhalts, denn Humoristischen einsortieren, aber eine Satire ist er ganz gewiss nicht!
Deswegen nicht, weil du eigentlich nichts anderes in deinem Text tust, als in geraffter konzentrierter Form einen Menschentyp zu beschreiben und dich wertend über ihn zu mokieren.
Wolltest du eine Realsatire schreiben, bitte schaue dir dazu an, was ich unter Blackwoods neueste Geschichte geschrieben habe zur Frage der Realsatire, wären sämtliche Wertungen völlig fehl am Platze.
Du müsstest quasi in aller Nüchternheit nur Darstellen, was dieser Mensch tut und wie er sich gebährdet.
So hat man in deinem Text jedoch allzusehr den Eindruck, dass du eigentlich diesen Menschentyp gar nicht so arg sympathisch findest. Nicht wahr? ;)

Ich bin mir sicher, dass du mit noch mehr Abstand zu deinem Text, in der Lage sein wirst, eine ironisch kritische Betrachtung gekleidet in eine spannende Handlung über solch einen Menschen zu schreiben. Nur Mut!

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita,

das ist gar nicht so einfach, einen etwas verschrobenen Menschentyp darzustellen, weil man einerseits immer Gefahr läuft sich als intoleranten Autor zu outen und andererseits darauf angewiesen ist, dass der Leser diesselbe Sichtweise oder Toleranzgrenze innehat. Eigentlich ein Projekt, welches nur schief gehen kann, weshalb Witze über andere Personen meistens dort am besten aufgehoben sind, wo sich die entsprechende Zielgruppe befindet.
In abawas Profil steht, dass er Physiker ist, also selber zu dieser Gattung gehört. Deshalb halte ich persönlich es dann als legitim, Witze über sich selber zu machen. Mein Mann und ich als "Nudelrollenschwingerin" fühlten sich jedenfalls angesprochen und konnten durchaus schmunzeln!
Gruß Tamara

 

Sagt der eine Physiker: Alle Physiker sind chaotisch.
Sagt der andere: Ach, du bist auch Physiker?

Ich sehe hier die Beschreibung eines Klischees, leicht überzogen, aber nicht so überzeichnet, dass es witzig wäre. Zumal überzeichnete Klischees als Dampfhammer des Humorgeschäfts gelten könnten - man bringt sie immer dann, wenn einem nichts wirklich witziges einfällt.

Außerdem schreibst Du ganz explizit nicht exemplarisch, sondern allgemein. "Die Physiker sind..." Wir wissen ja alle, dass Schubladendenken kaum dazu geeignet ist, Vorurteile abzubauen. Mir fehlt in Deinem Text vor allem der Bruch. Physiker sind, wenn man denn pauschalisieren will, vor allem eins: Immer für eine Überraschung gut. Und die fehlt in Deinem Text. Es ist (lassen wir mal den Aspekt der Ironie außen vor) eine Sammlung leicht absurder Eigenheiten, die vielleicht für x % der Physiker gelten, für den Rest nicht. (Dabei ist x eine Zahl, die deutlich kleiner als 100 ist, auf einen genauen Wert lege ich mich nicht fest)

Zudem tue ich mich schwer mit dem Begriff "Kurzgeschichte" im vorliegenden Fall. Es gibt keinen Protagonist und keine Handlung. Als Glosse könnte das vielleicht durchgehen, daher mag es in der Rubrik Humor stehen bleiben, aber unter Kurzgeschichte verstehe ich was anderes.

EDIT: Ja, ich bin auch Physiker ...

 

@lakita:
Liebe Elvira, ich danke dir für deinen Kommentar und die Mühe, die du dir gemacht hast. Leider ist die Kritik so allgemein gehalten, daß ich faktisch kaum etwas verwerten kann.
Der Kritikpunkt, daß eine Geschichte eine Handlung enthalten müsse, wird ständig bei KG wiederholt. Manchmal paßt dieses Argument, manchmal nicht. Es gibt nämlich genügend Beispiele, in denen man auch mit minimaler Handlung ein hervorragendes Szenario bauen kann, d.h. einen Zustand beschreiben und diesem eine sinnvolle Intention mitliefern. Eine Handlung ist zwar schön, aber bei weitem nicht das einzige, was eine Geschichte ausmacht.


@tamara:
Danke sehr... Wir haben ja die Sache vor Ort und in E-mails schon besprochen.


@Uwe:
Hi Uwe! Alles, was du geschrieben hast, ist richtig. In den obigen Kommentaren ist es freilich bereits enthalten und teilweise verarbeitet. Schön, daß du dich zu Wort gemeldet hast.

 

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