- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 24
Hol's der Teufel
Max Dorm trat die Tür zum letzten Kellerabteil auf.
Staub, Gestank, Finsternis.
Die Pistole im Anschlag aktivierte er den Halogenstrahler seiner Brustpanzerung, um den Raum mit gleißendem Licht zu füllen. Spätestens jetzt wäre jeder Gegner blind gewesen.
Vorsichtig schob er sich Meter für Meter in das fünfeckige Gemäuer.
„Alles klar, keiner hier! Sind schon weg!“, rief er über seine Schulter.
Langsam ließ er die Waffe sinken, öffnete das Visier und versuchte das Chaos zu überblicken.
„Oh Mann, was zum Teufel war denn hier los?“, sprudelte es aus Sene Corb heraus.
Dorm’s Partner war ein 25-jähriger Neuling. Ungestüm, idealistisch und heillos überfordert.
Wer in seine Abteilung versetzt wurde, war entweder ein Fanatiker oder geisteskrank.
Schließlich war eigentlich nur mehr er selbst die Abteilung gewesen.
Das Department zur Abwehr der neosatanistischen Befreiungsbewegung.
Max dimmte das Licht.
In der Mitte dieser Müllhalde stand eine große Holzkiste.
Auf ihr prasselten fünf schwarze Kerzen an den Spitzen eines Pentagramms aus Blut.
„Verdammt, was ist das für eine Kiste?“, sagte Sene hektisch und zielte auf sie.
„Das ist ein Sarg. Da kriecht keiner mehr raus“, knurrte Dorm, den Blick auf Corb’s Gewehr gerichtet.
Sene senkte seine Waffe und begann den Rest des Raums zu durchforsten.
„Riechen sie das?“, schnupperte Corb in der Luft herum.
„Verbranntes Blut, sag ich mal“, gab Dorm zurück.
In jeder Ecke war eine Statue der neuen Jünger Satans aufgestellt und im spitzen Winkel gegenüber der Tür, der Herr der Finsternis selbst.
„Sehen sie mal hier!“, sagte Sene und reichte Captain Dorm einen Zettel.
„Verflucht seist du, der du die neue Zeit nicht mit deinem Blut grüßt und die Ruhe der Bewegung störst. Verflucht seien deine Taten und deine Ziele. Baal-Sebub sei dein Verderben!“, las Max laut vor.
„Ein Fluch“, flüsterte Sergeant Corb.
Dorm zischte verächtlich: „Machen sie weiter.“
Während sein Untergebener die alten Kleidungsfetzen aus dem Dreck des Bodens grub, zückte Max den 40 cm langen, biomagnetischen Detektor und untersuchte die Umgebung.
Das Gerät zur Messung organischer Dichte sprengte fast seine Skala.
„Wir haben hier mindestens sechs Leichen, Sene!“, rief er.
„Aber in dem Bekennerschreiben stand doch…“
„Schnauze!“, herrschte Max Sene an.
„Hörst du das?“
Die zwei Polizisten lauschten. Irgendwoher drang tiefer Gesang an ihre Ohren.
„Das kommt von unten“, sagte Sene. Beide blickten unsicher auf den Boden.
Direkt unter dem Sarg vibrierte die Erde.
Vorsichtig schob Max die Eichenkiste zur Seite.
Auf dem öligen Teppich hüpften die Staubkörnchen einen Tanz des Todes.
Sene rollte den alten Vorleger auf und legte neun Holzdielen frei.
Der Gesang wurde lauter.
Max zog seine Waffe, schloß das Visier und schaltete den Halogenstrahler ein.
Unter den Brettern tat sich ein Schlund auf.
Dorm kroch in die Unterwelt.
Am Ende des Ganges eröffnete sich ein Gewölbe aus Knochen. Schädel mit drei Hörnern, in rotes Bindegewebe gehüllt, Gedärme, Urin.
Max und Sene standen fassungslos in einer Kathedrale des Todes.
„Sehen sie mal, sind das torilanische Gebetskokons?“
„Ja. Angeblich enthalten sie die Seelen der Krieger Satans. Seit dem fünften vatikanischen Konzil,
seit Einführung des torilianischen Glaubenssatzes der Seelenverteilung, hat sich die NSB auf alles geschmissen, was nicht den rechten Glauben hat.“, erklärte der Captain.
„Aber die Torilianer gelten doch als die Urväter der NSB, oder?“, fragte Corb.
Dorm brummte zustimmend.
„Seit dem Konzil sind sie integriert. Wir suchen ja nur die Abtrünnigen.“
In dem runden Saal, dröhnten fünf Lautsprecher, mit Gesängen der Band „Lucifers Erweckung“.
Sene feuerte einige gezielte Schüsse ab und beendete das teuflische Gelächter des Sängers.
„Danke“, sagte Max.
Die zwei Spezialisten gingen ans Werk.
Ein aus Schädeln gemauertes Pentagramm zierte den Großteil des Gewölbes.
An den Wänden waren hölzerne Sarkophage mit den Fratzen der fünf Jünger Satans aufgebaut.
Max schwenkte den Detektor durch den Raum. Ein plötzlicher Aufschrei schreckte ihn hoch.
Sene lag ein paar Meter von ihm entfernt im Schmutz und wand sich vor Schmerzen.
„Was ist los?“, schrie er.
„Da, eine Messerfalle! Verdammte Schweine!“, brüllte Corb.
Im oberen Teil seines Panzers hatten sich drei lange Dolche ins Fleisch gebohrt.
„Das ist der Fluch, der beschissene Fluch.“
Max griff nach seinem Arm und aktivierte die Notfallversorgung von Senes Rüstung.
Mechanische Bälge begannen rhytmisch seine Waden zu bewegen, um die Blutzirkulation am Laufen zu halten.
„Ich bring dich hier raus“, beruhigte ihn Dorm.
Als er versuchte Corbs schweren Körper zu bewegen, fiel sein Blick auf einen Zettel.
Mit Blut geschrieben, in knappen Zeilen.
„Dies ist euer Ende. Ihr werdet die Leichen der Abtrünnigen an diesen Orten finden…“
Darauf folgte eine Beschreibung wo und in welchen Stellungen, mit welchen Verstümmelungen und Beschneidungen die Präsidenten zu finden seien.
Captain Dorm schulterte seinen Partner und humpelte mit ihm zum Ausgang.
Er hievte den Wimmernden über den Rand der Öffnung.
„Max?“
„Was?“
„Max, die Kerzen!“, keuchte Sene.
„Was ist mit den Kerzen?“
„Sie sind abgebrannt und zischen…“
In einer gewaltigen Explosion wurden die beiden Polizisten auf submolekularer Ebene neu angeordnet.
Wo früher ein Wohnblock stand blieb nur mehr ein Berg aus Geröll und totem Fleisch zurück.
***
Eine Stunde später traf das Räumkommando ein.
Fünf vermummte Gestalten standen vor den Überresten des Gebäudes.
„Haben wir sie doch noch gekriegt“, grunzte ein untersetzter Priester.
„Aber zu welchem Preis. Wieder eine Außenstelle weniger. Was sagt der Detektor?“, meldete sich ein Kollege aus dem schwarzen Kleinlaster.
„666 organische Einheiten! Das Department achtet auf alles, aber nicht auf primitives Schwarzpulver“, grinste ein Anderer zurück und machte sich daran nach den Gebetskokons zu suchen.
„In Ordnung! Die Seelen sind verteilt“, sagte ein torilianischer Priester vom Beifahrersitz aus, während er seine Zähne mit einer Feile zurechtschliff.