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Hinter dem Rhododendron

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21.12.2015
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Hinter dem Rhododendron

Das kleine Einfamilienhaus mit dem schönen Namen „Hinter dem Rhododendron“ stand schon seit ein paar Jahren leer, sehr zum Ärger der Nachbarn links und rechts. Mit Unmut registrierten sie, wie sich der einst gepflegte Rasen allmählich in ein Unkrautfeld verwandelte und zu einem Müllabladeplatz für die Jugendlichen wurde, die hier ihre abendlichen Treffen abhielten. Das schmiedeeiserne Pförtchen zum Vorgarten hing schräg in den Angeln und schlug bei Sturm gegen den Zaun mit seinen abgebrochenen Staketen. Um so üppiger blühten die englischen Kletterrosen um die weißen Säulen der kleinen Veranda, von der aus zwei ebenfalls weiß gestrichene Sprossenwände zur Verandatür führten. Zu den Grundstücken der Nachbarn hin waren einmal Rhododendronhecken als Sichtschutz gepflanzt worden. Doch zeigten sie wegen mangelnder Pflege einige Lücken, so dass eine Katze oder ein Kind jederzeit durchkriechen konnte.

Nun also gab es neue Bewohner in der Bürgerwehrstraße. Ein älteres, deutschstämmiges Ehepaar aus den USA, hörte man, habe das Anwesen gekauft. Ein neues Messingschild am reparierten Gartentor verkündete in zierlicher Schreibschrift die Namen: Jonathan und Gesine Boisenberg.
„Boisenberg, Boisenberg, der Name sagt mir was, ich komm' nur nicht drauf.“
Frau Winkler, die Nachbarin von links, rückte die kleinen Scheibengardinen wieder zurecht, hinter denen sie an einem Nachmittag im späten April die Ankunft des Möbelwagens beobachtet hatte.
„Keine Ahnung.“ Frau Gutmann, die Nachbarin von rechts, trank ihren Kaffee aus und stand auf. „Ihr wohnt schon länger hier. Hauptsache, es passiert jetzt was mit dem Schandfleck. Wenigstens ist der Müll weg.“
„Ich glaub', ich frag mal auf dem Pfarramt nach, die führen doch so was wie eine Ortschronik. Es lässt mir einfach keine Ruhe.“

Auch die zahlreichen Kinder aus der Straße waren neugierig. Ungeniert stellten sie sich am Zaun auf und beobachteten die Männer im blauen Anton, wie sie Möbel, Lampen und Teppiche ins Haus schleppten. Weder ein älterer Herr, noch eine ältere Dame ließ sich sehen. Enttäuscht von der Ereignislosigkeit dieses Einzugs verzogen sich die Kinder wieder auf ihren Spielplatz und die Hausfrauen an den Herd, um das Abendbrot zu richten.
Kurz vor Mitternacht fuhr ein Mercedes vor. Der leise tuckernde Dieselmotor lockte Jörg, Winklers vierzehnjährigen Sohn, ans Fenster, nachdem er noch schnell sein Computerspiel ausgeschaltet hatte. Im spärlichen Licht der Straßenlaterne beobachtete er, wie ein hagerer Mann mit schütterem Haar ausstieg und die Haustür öffnete. Dann hob der neue Nachbar ein längliches Bündel aus dem Wagen und trug es, leicht nach vorne gebeugt, mit großen Schritten ins Haus. Von den Maßen her hätte das Bündel eine in Decken gehüllte Statue oder Person sein können. Herr Boisenberg schien leise auf sie einzureden. Mehr konnte Jörg nicht erkennen. Immerhin war es genug für ihn, um noch die eine oder andere SMS an seine Freunde loszuschicken.

Wenige Tage später bearbeitete ein Gärtner die verwahrloste Wiese ums Haus, zuerst mit der Sense, dann mit einem elektrischen Rasenmäher und zuletzt mit einem Moos vertilgenden Spritzmittel. Ringsum atmeten alle auf, denn nun war klar, dass in die Straße das normale Leben einer anständigen Vorstadtsiedlung zurückgekehrt war.
Auf der kleinen Veranda wurden zwei Korbstühle aufgestellt, dicht an dicht, der eine davon so unter die Rosenranken geschoben, dass die Sonne flimmernde Muster auf die blauen Kissen warf. Gegen Abend kam Herr Boisenberg mit einer Zeitung in der Hand und nahm Platz. Der zweite Stuhl blieb leer.
Nun hielt es Frau Winkler nicht länger aus. Schon gleich, nachdem Jörg von der nächtlichen Ankunft erzählt hatte, war ihr die Idee von einem Antrittsbesuch gekommen. Mit einem Laib Brot und einem Säckchen Salz bewaffnet, näherte sie sich dem Gartentor der Boisenbergs.
„Darf ich Sie einen Moment stören?“, rief sie und stand schon vor der Veranda. Herr Boisenberg ließ die Zeitung sinken und hob die Augenbrauen.
„Meine Frau ist sehr leidend und nicht in der Lage, Besucher zu empfangen. Sie hat sich schon zurückgezogen.“
„Oh, entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nur kurz willkommen heißen und Ihnen sagen, wie froh wir alle in der Straße sind, dass das Haus wieder bewohnt wird. Sagen Sie Ihrer Frau … also wir wohnen nebenan und Sie können jederzeit mit unserer Hilfe rechnen.“
„Danke.“ Der alte Herr nahm seine Zeitung wieder auf. Seine Hände zitterten. Er machte keinerlei Anstalten, aufzustehen oder gar einen Platz anzubieten.
Ganz schön hochnäsig, dachte Frau Winkler, einen so abblitzen lassen! Ich muss unbedingt aufs Pfarramt. Zu blöd, dass ich mich nicht erinnern kann. Schade, dass ich die Schwiegereltern nicht mehr fragen kann. Die wüssten vielleicht was über dieses Haus.

„Merkwürdige Leute sind das, irgendwie … anders.“ Immer wieder brachte sie beim Abendessen das Thema zur Sprache.
„Du hättest sie ja auch nicht gleich überfallen müssen. Mein Gott, lass sie doch in Ruhe, Hauptsache, wir bekommen keine Scherereien mit ihnen.“
„Aber es ist ein alter Brauch, noch von meiner Mutter her. Wir haben immer Brot und Salz gebracht. Ich erinnere mich, dass ...“
„Das war vielleicht auf dem Land so, hier in der Straße hat man Abstand gehalten und sich nicht mit jedem eingelassen. Ich will das nicht.“
„Das kapier' ich nicht. Du bist doch auch jedes Jahr bei unserem Straßenfest dabei. Es ist mir nicht aufgefallen, dass du dabei auf besonderen Abstand Wert legst.“
Die Kinder grinsten und stießen sich unter dem Tisch mit den Füßen.
„Das stimmt, Papi.“
„Schluss jetzt damit. Ihr nervt mich.“
„Deswegen musst du doch nicht gleich so heftig werden. Was ist denn in dich gefahren?“
Herr Winkler schnappte sein Bierglas und verzog sich ins Arbeitszimmer, wo er sofort den Sportkanal seines kleinen Fernsehers einschaltete.

Als das Wetter sommerlich schön wurde, kam auch Frau Boisenberg zum Vorschein. Sie musste wirklich gebrechlich sein, denn nicht ein einziges Mal war es ihr möglich, die wenigen Schritte zum Korbstuhl oder ins Haus zurück allein zu bewältigen; immer wurde sie behutsam getragen. So saß sie einige Stunden lang verborgen unter den Rosen. Ein lindgrüner Sonnenschirm mit weißen Streifen schützte sie zusätzlich vor neugierigen Blicken. Herr Boisenberg kümmerte sich rührend um sie, zupfte immer wieder den Kaschmirschal zurecht und legte ihr eins ums andere Mal eine gerade aufgeblühte Margerite oder einen Stängel Rittersporn auf den Schoß. Von den Nachbarn nahm er keine Notiz.

Frau Winkler schob das Bügelbrett näher ans Küchenfenster. So konnte sie besser mitverfolgen, was auf der Straße und bei den Nachbarn los war.
„Soll ich dir was verraten, Mama? Soll ich dir verraten, was der Boisenberg zu seiner Frau gesagt hat?“
„Was hat er denn gesagt, Benni?“ Frau Winkler sah ihren Jüngsten skeptisch an. Sie kannte die Neigung des Zehnjährigen zum Flunkern.
„Nun wird ja alles gut. Sieh doch nur, Gesine, genau wie auf den Bildern unserer Eltern, siehst du, ich habe es dir versprochen, und ich halte meine Versprechen.“
Frau Winkler schüttelte den Kopf.
„Und woher weißt du das so genau?“
„Da gibt es doch die Lücke in der Hecke. Wir sind da früher immer durch. Er sagt immer denselben Satz, Mama.“
„Also wirklich, eigenartige Leute sind das auf jeden Fall. Und du, Benni, bleibst mir von drüben weg. Ich glaube nicht, dass sie Kinder besonders mögen. Papa will sowieso keinen Kontakt mit denen.“
Frau Winklers Anruf auf dem Pfarramt hatte keinen Erfolg gebracht. Der Name Boisenberg stand nicht im Taufregister. Weitere Nachforschungen wagte sie nicht. Sie kannte ja die Vorbehalte ihres Mannes.

Bennis große Leidenschaft war Fußball. Meistens tobte er mit ein paar Jungen auf dem Bolzplatz neben der Schule herum. Wenn sich niemand fand, kickte er eben im Garten oder immer wieder gegen das Garagentor. Das brachte seine Mutter gewaltig auf die Palme. Sie wartete täglich darauf, dass Herr Boisenberg sich über das nervtötende Ballern beschweren käme. Als nichts dergleichen passierte, dehnte Benni seine fußballerischen Experimente weiter aus. Er übte jetzt hechten und fangen, sowie ein- und zweihändig fausten. Keeper war seine Lieblingsposition auf dem Platz.
„Du hörst jetzt damit auf, oder ich schick' dich zum Unkraut jäten. Und die Mülltonnen stehen auch noch immer an der Straße.“
Frau Winkler nahm gerade die trockene Wäsche von der Leine und blinzelte in Richtung Boisenbergs Haus. Sie sah, wie er die Verandatür hinter sich schloss, und hörte ihr Telefon klingeln. Also doch eine Beschwerde!
„Gleich, Mama, gleich. Nur noch ein Versuch.“
Benni nahm Anlauf und legte seine ganze Kraft in den finalen Schuss. Der Ball prallte zurück, und Benni lenkte ihn mit beiden Fäusten in hohem Bogen auf die Veranda der Boisenbergs. So ein Mist! Er hörte ein Krachen und Knirschen und einige Sekunden später einen entsetzten Aufschrei.
Benni wäre am liebsten abgehauen. Aber er musste unbedingt den Ball zurückholen und außerdem war er ja kein Feigling. Also kroch er durch die Lücke in der Hecke, um nach dem Schaden zu sehen.

Frau Boisenbergs Korbstuhl war umgekippt und hatte dabei ein Abstelltischchen mit Saftgläsern umgerissen. Die Scherben lagen überall herum. Eine rote Flüssigkeit sickerte in die Fliesenfugen. Herr Boisenberg hielt sich eine Hand, von der etwas Blut tropfte. Er starrte auf die gekrümmte Gestalt auf dem Boden. Als Benni sich bücken wollte, um der Frau aufzuhelfen, schrie ihr Mann: „Geh weg! Geh weg! Fass' ja nichts an!“ und stieß ihn schnell zur Seite. Aber nicht schnell genug. Benni hatte genügend Horrorfilme gesehen, um sofort zu erkennen: Unter den verrutschten Tüchern verbarg sich ein zerbrochenes, menschliches Skelett.
Benni gehorchte sofort, klemmte seinen Fußball unter den Arm und rannte zu seiner Mutter.
„Es ist eine Leiche, Frau Boisenberg ist eine Leiche, Mann o Mann, ist das gruselig.“
Frau Winkler musste ihm erst einmal ein paar Globuli zur Beruhigung geben. Dann ließ sie sich alles genau schildern.

Lange noch, nachdem Notarzt und Polizei mit den Überresten Gesines und ihrem völlig verzweifelten Bruder abgefahren waren, standen die Nachbarn vor Boisenbergs Haus zusammen.
„Die sind Geschwister. Habt ihr das gewusst?“
„Aber warum haben sie uns das verheimlicht?“
„Wieso verheimlicht? Wir haben halt einfach angenommen, dass sie verheiratet sind.“
"Na ja, wegen dem Namensschild. Da denkt man eben nicht weiter darüber nach.“
„Hat jemand mal mit dem Alten gesprochen?“
„Die haben doch niemanden ins Haus gelassen. Jedenfalls hat es die Winkler so erzählt.“
„Also, der Mann ist doch wohl krank. Das ist ja wie in der 'Wendeltreppe'."
„Was denn für eine Wendeltreppe?“
„Wie bitte, du kennst den Hitchcock-Film nicht?“
„Hallo, ich glaube, du verwechselst da was. Du meinst 'Psycho'."
„Ist ja egal. Ich hab' da neulich von einem ganz ähnlichen Fall gelesen, also der hat ...“
„Da fällt mir ein, Kino wäre nicht schlecht. Wer hat am Wochenende Lust dazu? Und um das Sommerfest sollten wir uns endlich auch kümmern. Wer geht noch mit auf ein Bier?“
Und so bekamen die Alltagsthemen allmählich wieder die Oberhand.

Im Hause Winkler herrschte eine gedämpfte Stimmung. Herr und Frau Winkler beteiligten sich nicht an den Diskussionen vor dem Haus. Benni ging freiwillig früher nach oben in sein Zimmer. Angst habe er keine, aber es sei schon noch was anderes, ein echtes Skelett zu sehen, sagte er zu seinem Bruder.
„Du kannst die Tür auflassen. Ich hör dich ja dann, wenn etwas ist.“
Jörg klopfte ihm abwesend auf die Schulter und zog sich in seine Computerwelt zurück.
Die Eltern verbrachten einen schweigsamen Abend. Erst viel später, als beide keinen Schlaf finden konnten, drehte Herr Winkler sich im Dunkeln zu seiner Frau herum und suchte nach ihrer Hand. Er räusperte sich und musste zweimal zum Sprechen ansetzen.
„Ich … ich hab' gewusst, wer die Boisenbergs sind. Meine Großeltern haben den Namen öfter genannt, als sie sich um den Kauf des Hauses bemüht haben. Da war ich noch ein ganz kleines Kind. Die Boisenbergs waren Juden. Soweit ich weiß, sind sie noch rechtzeitig in die USA emigriert. Aber das Haus konnten sie nicht mehr verkaufen.“
„Wer hat es dann bekommen?“
„Meine Großeltern. Aber sie haben es schnell wieder weiterverkauft. Mit dem Geld haben sie dann unser Haus gebaut.“
„Wieso hast du mir nie etwas davon erzählt? Spätestens dann, als die Boisenbergs eingezogen sind?“
„Ja und dann? Glaubst du, der alte Mann hätte mit irgendeinem aus der Straße was zu tun haben wollen? Schon gar nicht mit uns. Der wusste doch, wer damals hinter dem Haus her war.“
„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Jetzt ist es sowieso zu spät. Aber ich finde, mit den Kindern sollten wir schon mal ausführlich reden. Das sind wir ihnen schuldig. Und ihm auch. Oder bist du anderer Meinung?“
„Ich weiß nicht. Ich muss erst einmal darüber nachdenken. Wird nicht ganz einfach. Ich hab' auch nie mit meinen Eltern darüber gesprochen. Jetzt muss ich schlafen. Gute Nacht.“

Einige Wochen später verkündete Jörg beim Grillen im Garten:
"Hi Dad, wir haben ein neues Projekt in der Schule. Unsere Straße früher und heute. Was wissen wir darüber? Fotos und so. Ihr helft mir doch dabei, oder?"

 

Hej wieselmaus,

weil sich die Geschichte fließend lesen ließ, sind mir Tippfehler aufgefallen:

Abstellstischchen
verbrag
...hinter den Haus her war."

Und obwohl die Atmosphäre nicht sonderlich unheimlich war, musste ich relativ schnell an "Bates Motel" denken. Von Hitchcock. Woraufhin ich mir demnächst die "Wendeltreppe" ansehen werde.

Übrigens hat die eifrige Frau Winkler ja recht, wenn sie meint, Herr Boisenberg hätte verschwiegen, dass er mit seiner Schwester dort einzog, hat er doch von "seiner gebrechlichen Frau" gesprochen.

Also mächtig was los in der sauberen Vorstadtsiedlung.

Amüsante Geschichte. Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

ich habe mich sehr gefreut über deinen schnellen Kommentar. Ja die Druckfehler. Du hast wahrscheinlich noch jüngere Augen, ich muss manchmal kämpfen nach langen Stunden am PC. Danke für deine Mühe.

Du findest die Story amüsant. Das hat mich etwas stutzig gemacht. Ja, sie hat etwas Amüsantes, wie es wohl Vorstadtidyllen an sich haben. Dahinter kann aber auch ein herzloses Desinteresse am Schicksal von "Fremden" stehen, oder sogar Verdrängung. Diesen Aspekt habe ich jetzt versucht, stärker herauszustellen. Vielleicht reicht es aber noch nicht. Da wäre ich um weitere Kommentare sehr dankbar.

Ich finde auch, dass in der "Vorstadtsiedlung mächtig was los ist".

Vielen Dank und herzliche Grüße

wieselmaus

 

Hallo Wieselmaus, nur ein ganz kurzes Feedback, ich finde gar nicht, dass da so viel los ist in der sauberen Vorstadtsiedlung.

Also klar, die Tatsache, dass Winklers Eltern sich das Haus von emigrierten Juden unter den Nagel reißen woillten, ist nicht schön, und erklärt, warum der alte Mann mit den Nachbarn nichts zu tun haben will. Aber diese Sache taucht in deiner Geschichte erst ganz zum Schluss auf - wie so eine hinten angepappte Info. Wenn das noch stärker in die Gegenwart reichen würde und dort seine Stacheln hinterließe, ich hab jetzt auch keine zündende Idee, aber dann fänd ich das ehrlich gesagt brisanter.
Mir bleibt, wiewohl sie echt gut geschreiben ist, die Geschichte mit ihren Protagonisten etwas fern. Ich denke, das liegt an der Übersichtsperspektive, die du gewählt hast.
Mir ist schon klar, warum du das gemacht hast, trotzdem, für eine Aufklärung über dieses gesellschaftliche Phänomen - Enteignung jüdischen Eigentums im NS-Staat und das Mitprofitieren braver deutscher Bürger - nimmt es amS zu wenig Raum ein.
Mich würd das echt interessieren, wie das wirkt, wenn du eine einzige Perspektive wählen würdest, z, B, die von dem kleinen Buben, der schon immer gemerkt hat, dass sein vater sich verändert, seit die Nachbarn eingezogen sind.
Ich weiß weiß, das wäre das Schreiben einer neuen Geschichte, aber so finde ich s halt, egal aus welcher Richtung ich gucke, nur halb rund. Weder ist es eine moderne Horrorgeschichte, da ist so eine Perspektive nicht gut gewählt. Höchstens kann man das in einer Anfangssequenz so machen. Noch beschäftigt sich die Geschichte ernsthaft mit diesem zeitgeschichtlichen Phänomen der Enteignung, weil das eben viel zu marginal vorkommt.
Also die Idee, Vorstadtsiedlung, und nicht die neuen Nachbarn, sondern die alten haben Dreck am STecken und das entblättert sich jetzt schön. Das ist alles schön. Nur dann die Gewichtung empfinde ich noch als sehr unentschieden.
Liebe Grüße von Novak

 

Hallo Novak,

du triffst bei mir auf ganz weit offene Ohren. Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, als Kanji die Geschichte amüsant fand. Da kriegte ich ein schlechtes Gewissen, als ob ich hier die Enteignung von Juden für Unterhaltung missbrauchen würde. Mit dem Perspektivenwechsel werde ich mich tatsächlich auseinandersetzen. Vermutlich wird das dann eine ganz andere, schwergewichtigere Angelegenheit. Ich weiß nicht, ob mir das gelingt. Aber ich bin froh über deine Kritik. sie ist nur allzu berechtigt.

Nochmals danke und herzliche Grüße

wieselmaus

 

Hallo wieselmaus

deine Geschichte lässt mich etwas ratlos, was die Intention des Ganzen anbetrifft. Neben den recht nutzlosen Perpektivwechseln, ist da noch der Horror-Tag ohne dass du wirklich auf das Gruslige drauf hälst und dann auch noch das heikle Thema enteigneter Juden.
Zu viel gewollt, anstatt sich auf weniger zu konzentrieren (by the way: Ich erkenne darin denselben Fehler, den ich in meiner letzten Geschichte gemacht habe) und den Fokus entschlossener auf das zu richten, was du erzählen möchtest. Denn genau das erkenne ich nicht.
Die Geschichte könnte zum Beispiel sehr berührend werden, wenn du den Fokus auf den alten Boisenberg richtest und warum er seine Schwester mitbringt. Das kann dann auch von außen betrachtet werden, zum Beispiel aus Perspektive des Jungen, der Fußball spielt.
Mit ner Menge Umarbeitung und Konzentration lässt sich wirklich was aus der Geschichte machen.
Sprachlich ist das ja ein gutes Niveau.

Ich schau noch mal in den Text:

Mit Unmut hatten sie registriert, wie sich der einst gepflegte Rasen allmählich in ein Unkrautfeld verwandelte und zu einem willkommenen Müllabladeplatz für die Jugendlichen wurde, die hier ihre abendlichen Treffen abhielten.
beschreib doch hier wie es dort aussieht, bzw, schau ein bisschen genauer drauf: was liegt dort als Müll rum usw.

Es hatte sich herumgesprochen, dass das Haus von einem älteren Ehepaar gekauft worden war.
den Satz finde ich nachlässig formuliert, gerade weil du Passiv verwendest: vielleicht so: Die Jahre des Stillstands hörten auf, als ein älteres Ehepaar das Haus kaufte.

"Ich glaub', ich frag mal auf dem Pfarramt nach, die führen doch so was wie eine Ortschronik.
hier legst du eine Spur, die du später nicht mehr aufnimmst.

Auch die zahlreichen Kinder aus der Straße waren neugierig.
hier tauchen die Kinder auf, hier könntest du aus der Perspektive der Kinder weiter machen...

Wenige Tage später bearbeitete ein Gärtner die verwahrloste Wiese ums Haus,
jetzt kommt wieder der Erzähler... warum? die Kinder, bzw. Jörg können das doch auch sehen... zumindest spüre ich seine Perspektive nicht richtig... ist mir zu neutral, da könntest du mehr reinpacken, wenn du bei Jörg bleibst...

Mit einem Laib Brot und einem Säckchen Salz bewaffnet, näherte sie sich dem Gartentor der Boisenbergs.
wer macht denn das noch?

"Das war vielleicht auf dem Land so, hier im Viertel hat man Abstand gehalten, sich nicht mit jedem eingelassen. Ich will das nicht."
welches Viertel? Wo befinden wir uns überhaupt? auf dem Land?

Er las ihr aus der Zeitung vor, zupfte immer wieder den Kaschmirschal zurecht und legte ihr eins ums andere Mal eine gerade aufgeblühte Margerite oder einen Stängel Rittersporn auf den Schoß. Von den Nachbarn nahm er keine Notiz.
das ist rührend, aber du blendest zu schnell weg...

Bennis große Leidenschaft war Fußball spielen. Meistens tobte er mit ein paar Jungen auf dem Bolzplatz neben der Schule herum. Wenn sich niemand fand, kickte er eben im Garten oder immer wieder gegen das Garagentor.
zu viel tell: schreib doch, was für eine Leidenschaft Jörg hat, das reicht: so ungefähr zum Beispiel: Benni tobte wie jeden Tag... (ich komme jetzt durcheinander mit Benni und Jörg... )

"Also, der Mann ist doch wohl krank. Das ist ja wie in der 'Wendeltreppe'."
"Was denn für ein Wendeltreppe?"
"Wie bitte, du kennst den Hitchcock-Film nicht?"
für was brauchst du den Verweil auf Hitchcock?

"Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Jetzt ist es sowieso zu spät. Aber mit den Kindern sollten wir schon mal ausführlich reden. Das sind wir ihnen und ihm schuldig. Oder bist du anderer Meinung?"
"Ich weiß nicht. Da muss ich erst noch drüber nachdenken. Wird nicht ganz einfach. Ich hab' auch mit meinen Eltern nie darüber gesprochen. Ich muss jetzt schlafen. Gut Nacht."
der Schluss kommt so nebenher, der liest jetzt einfach die Zeitung und verdrängt das ganze Geschehen, ok... aber es lässt mich unberührt, weil ich irgendwie zu wenig bei dem alten Boisenberg war...

Hoffe du kannst was mit anfangen :D
liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

auch dir ein herzliches Dankeschön für die Mühe, etwas aus einem offensichtlich unentschlossenen Plot herauszuholen. Das sehen bisher alle so, und es überzeugt mich auch. Ich werde es also probieren. Wahrscheinlich wird es eine neue Geschichte. Mit dem Grundsatz zeigen statt erzählen habe ich so meine Schwierigkeiten. Ich befürchte immer, dass auf diese Weise eine Story künstlich aufgebläht wird. Ich weiß, dass meine Erzählweise altmodisch ist. Da muss ich ständig dagegen ankämpfen, auch macht mir der hier herrschende professionelle Jargon zu schaffen. Ich käme mir wie eine Hochstaplerin vor, wenn ich ihn imitiere. Na ja, ich bin ja noch nicht lange dabei. Vielleicht krieg ich noch die Kurve.

Was ich hier sehr schätze, sind die ehrlichen Kommentare und die große Bereitschaft zu helfen.

Nochmals danke und herzliche Grüße

wieselmaus

 
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"Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Jetzt ist es sowieso zu spät. Aber mit den Kindern sollten wir schon mal ausführlich reden. Das sind wir ihnen und ihm schuldig. Oder bist du anderer Meinung?"
"Ich weiß nicht. Da muss ich erst noch drüber nachdenken. Wird nicht ganz einfach. Ich hab' auch mit meinen Eltern nie darüber gesprochen. Ich muss jetzt schlafen. Gut Nacht."

Hallo wieselmaus,

da zieht also ein älteres Ehepaar in eine kleinbürgerliche Umgebung (Wörter wie „Unmut, Unkraut, Kletterrosen, Sichtschutz, Schandfleck“ usw.), aber auch ein Satzteil wie

das normale Leben einer anständigen Vorstadtsiedlung
verraten es, wie auch – zumindest am Anfang der Geschichte – das m. E. übermäßige Befolgen der Schülergrammatik und der Regentschaft der Hilfsverben im Gefolge der Gezeitenwechsel (was ja nicht bedeutet, dass sie „falsch“ wären). Da solltestu noch mal schauen, ob sich nicht das eine oder andere ändern lässt. Da muss ja einer wie Jonathan B. auffallen , wenn auch dieser Nathan der Unweise sich ein sehr ungewöhnliches (quasi die Gegenwelt zu Unmut und Unkraut), in des Wortes treffendster Bedeutungsvielfalt seltsames* Stück Erinnerung mitgebracht …

Trivialeres

Hier ist eine seltene Formatierung (wahrscheinlich nicht aus freiem Willen) geglückt

So saß sie einige Stunden lang unter den Rosen, vor der Sonne geschützt durch einen lindgrünen Schirm mit
weißen Streifen. Herr Boisenberg kümmerte sich rührend um sie. Er las ihr aus der Zeitung vor, zupfte immer wieder den Kaschmirschal

Hm, hier entbindet die Infinitivbildung ohne „zu“ nicht vom Komma vor der durchaus legitimen verkürzten Infinitivgruppe, erzwungen durch die Abhängigkeit des Infinitivs vom Substantiv
Bennis große Leidenschaft war[,] Fußball [alternativ: „zu“]spielen.
Warum aber nicht einfach: Bennis ... Leidenschaft war Fußball", womit ja nicht der Ball, sondern das Spiel mit ihm gemeint ist.

Abstell[...]tischchen
(besser ohne Fugen-s)

Hier ist m- E. das Komma zwischen gleichrangigen Adjektiven anzubringen

ein zerbrochenes[,] menschliches Skelett.
Der wusste doch, wer damals hinter de[m] Haus her war."

Hm, Hitchcock ist das sicherlich nicht. Aber der hatte oft Drehbuchschreiber, konnte wochenlang das Buch durchgehen und umsetzen, wurde durch Schauspieler insofern ergänzt, als sie die Figuren individuell darstellten usw. und - ganz entscheidend - eine Kurzgeschichte, die man 90 und mehr Minuten mindestens lesen muss, umfasste 30 und mehr Seiten. Hierorts würden sie nur die Härtesten der Harten durchackern oder ein sturer Kopf wie's

Dante Friedchen,
das gleichwohl sowohl den Text gerne gelesen hat und die Idee gut findet. Was mich natürlich interessierte, ob der andere Nathan jiddisch sprechen könne.

*
in diesem seltsam schwingt nicht nur das Adjektiv „selten“ mit, um die Bedeutungsvielfalt noch zu verdoppeln, sondern auch Synonyme wie (in alphabetischer Reihenfolge) „abenteuerlich, absonderlich, abwegig, auffallend, ausgefallen, außergewöhnlich, außerordentlich, beachtlich, befremdend, bemerkenswert, bizarr, eigenartig, eigentümlich, eigenwillig, einzigartig, entlegen, erstaunlich, exotisch, extravagant, fantastisch, grotesk, komisch, lustig, merkwürdig, närrisch, nicht alltäglich, originell, schrill, sonderbar, speziell, spleenig, überspannt, ungeheuer, ungewöhnlich, ungewohnt, unüblich, [ver]wunderlich, witzig; (gehoben) befremdlich, wundersam; (bildungssprachlich) kurios, skurril, unkonventionell; (umgangssprachlich) abgedreht, durchgeknallt, paradox, putzig, schleierhaft, schrullenhaft, schrullig, ulkig, verrückt; (umgangssprachlich, oft emotional übertreibend) pervers; (umgangssprachlich, oft abwertend) schräg; (abwertend) verschroben; (oft abwertend) eigenbrötlerisch; (salopp) irre; (landschaftlich) besonders; (veraltend) eigen; (bildungssprachlich veraltend) extraordinär“ gemäß Dudenredaktion mitschwingt

 
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Guten Morgen, Friedrichard,

da hast du mir ja ein üppiges Osternest mit bunten Adjektiven beschert. Du weißt wohl, dass ich Adjektive liebe, obwohl sie hier im Forum nicht sonderlich angesehen sind. Na ja, sie sind halt beschaulich, rennen nicht der Zeit hinterher wie die aufgeregten Verben. Und sie erlauben eine Distanz zwischen dem Autor und seinen Geschöpfen. Ich hatte früher immer den Spruch auf der Lippe, man müsse von Zeit zu Zeit zwei Meter hinter sich selbst treten, um das Wesentliche zu erkennen. Das entspricht wohl nicht dem Zeitgeist.
Genug gejammert. Über dein "gerne gelesen" und "die Idee gut" freue ich mich sehr. Aber der Plot muss tatsächlich noch eindeutiger umgesetzt werden. Verdrängung ist ein zu ernstes Thema; es sollte nicht in einer harmlos-amüsanten Geschichte untergehen.

Dein Vorschlag, auf das korrekte, aber schwerfällige PQP im ersten Abschnitt zu verzichten, werde ich aufgreifen, ebenso deine anderen Korrekturvorschläge.
Über das Komma zwischen "zerbrochenes, menschliches Skelett" hatte ich lange nachgedacht. Für mich bildet " menschliches Skelett" eine Einheit, die durch "zerbrochenes" näher spezifiziert wird. Aber man kann die Adjektive auch als gleichrangig auffassen, also Komma.

Jetzt zu etwas, was ich nicht einordnen kann, weil ich es nicht verstanden habe. Du hast den letzten Abschnitt meines Textes zitiert, aber nicht kommentiert; zumindest finde ich keine explizite Anmerkung dazu. Ist das nun als Kritik zu verstehen? Hier brauche ich nochmals deine Hilfe.

Ich danke dir recht herzlich für die Mühe, die du dir mit meinen Texten gibst.

Frühlingshafte Sonnenstunden wünscht
wieselmaus

 

Ja, wer liebt es nicht, das Adjektiv, das einem schmeicheln (andere dagegen kränken) kann und doch nur der mehr oder weniger genauen Beschreibung von wem oder was auch immer dienen soll,

liebe wieselmaus.

Und die Kurzgeschichte - von der es übrigens keine allgemein anerkannte Definition gibt, außer dass sie länger als die Anekdote und kürzer als die Novelle sein soll. Schon die soll-Wahl zeigt, dass es nur ein Gebot ist wie eines von den weitaus berühmteren vom Sinai, die ein bestimmtes Stammesleben von Nomaden regeln sollte, und zwischen (zB) dem absoluten "du sollst nicht töten" und dem dagegen relativierenden "du sollst nicht morden" (der HErr und wieselmaus mögen mir verzeihen) liegen Welten. Sollen ist der Keil zwischen können und müssen. Also nutz Deine Liebe und pfeif auf Purismus! Wenn's Gartenlaube wird, geb ich gern den Gärtner, der eh auf Distanz steht (denn was erkennt einer, der mitten im Trouble steckt, mitten in der Masse steckt?) Da ist die Haltung

... man müsse von Zeit zu Zeit zwei Meter hinter sich selbst treten, um das Wesentliche zu erkennen
. Der Zeitgeist hat in Mitteleuropa und dem Rest der Welt schon genügend Unheil angerichtet (und den ollen Hegel und den Weltgeist wollen wir gar nicht erst ausgraben).

Verdrängung ist ein zu ernstes Thema; es sollte nicht in einer harmlos-amüsanten Geschichte untergehen.
Genau darauf zielt's Eingangszitat. Selbst H. Schmidt hat in einem Gespräch mit Fritz Stern behauptet, nichts von Dachau (das erste KZ auf teutschem Boden) u. a. gewusst zu haben. Aber ist es nicht so, dass das Strafrecht (ein Teil davon waren die KZs) abschrecken soll? Abschrecken kann aber nur, was bekannt ist (darum wurde seit März 1933 auch nicht verheimlicht, wer ins KZ komme, was selbstredend eine gewisse Disziplinierung inclusive IM_Mentalität zur Folge hatte, sonst wäre das Prinzip KZ insbesondere die Lüge "Arbeit macht frei" nicht weiter immer erfolgreicher durchgezogen worden).

In den Gesprächsfetzen wird ja auf's nicht Nachfragen und Wissenwollen hingewiesen. Ich reduzier mal aufs Wesentliche:

"... Ich hab' auch mit meinen Eltern nie darüber gesprochen. Ich muss jetzt schlafen. Gut Nacht."

Den sonnenreichen Tag (bei lausigem Wind aus östlicher Richtung) hat der liebe Jung gehabt, der jetzt noch vorsorglich ein schönes Wochenende wünscht!

Friedel

 

Hallo wieselmaus,

vielleicht muss man älter sein, um von Deinen leisen Tönen betroffen zu sein.

mit den Kindern sollten wir schon mal ausführlich reden
Wer hats getan? Unser Geschichtsunterricht endete mit dem Beginn der Weimarer Republik. Und die Erwachsenen schienen auch einige Jahrzehnte verschlafen zu haben. "Der Krieg" kam immer als Erklärung und es hat lange gedauert, bis wir schon keine Kinder mehr waren und endlich erfuhren, was damals in unserem Städtchen geschehen war.

Es war kein Horror, aber eine Geschichte, die mich angerührt hat - auch und gerade dieser Versuch, die alte heile Welt wieder zum Leben zu erwecken.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,

leise Töne werden oft überhört, aber zum Glück nicht von allen. Für deinen Kommentar danke ich dir sehr. Ich habe jetzt beschlossen, die Geschichte doch nicht so radikal zu verändern, wie es einige Leser vorgeschlagen haben. Aber ein paar Akzente möchte ich schon noch deutlicher setzen, vor allem die Sache mit der Verdrängung, damit der Schluss nicht so aufgesetzt wirkt. Die Überblickperspektive möchte ich beibehalten, weil es meiner Meinung nach hier um ein kollektives Phänomen geht und nicht so sehr um individuelles Verhalten. Den Tag "Horror" habe ich gelöscht. Der eigentliche Horror hier ist nicht das Auftauchen eines Skeletts (oder einer Leiche, wie Benni meint), sondern die Tatsache, dass eine menschliche Tragödie hier nur mehr als Reminiszenz an einen Kinofilm wahrgenommen wird. Aber dieser Aspekt ist im Text wohl auch zu schwach gestaltet.
Mal sehen, ob mir das jetzt besser gelingt.

Danke, Jobär, und Grüße von einem Schwarzwaldort zum anderen, wo Gottseidank derzeit die Sonne scheint.

wieselmaus

 

Hej wieselmaus,

beim erneuten Lesen und jetzt mit all dem Wissen um deine Intention, fehlen mir wirklich Hinweise. Ich war tatsächlich auf einer ganz anderen Spur und der Hinweis auf die Herkunft der beiden und deren Familiengeschichte wirkte auf mich lediglich wie ein Verweis zur Dauer, die sie im Ausland verbracht hatten. Auf eine politische Botschaft war ich nicht gefasst, zu abgelenkt durch die geheimnisvolle Frau auf der Terrasse, die Beschreibung der bürgerlichen Vorgärten und spielende Kinder.

Ich denke, da braucht's keine ich-Erzählerin.

Ich wünsche dir ein glückliches Händchen und Leichtigkeit, das auszudrücken, was dir am Herzen liegt.

Liebe Grüße, Kanji

 

Hallo Kanij,

jetzt habe ich die überarbeitete Fassung von "Hinter dem Rhododendron" eingestellt. Du weißt, wie sehr man hofft, dass es gelungen ist. Deine Meinung dazu wäre mir sehr wichtig.

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende

wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,
Ich werde wohl keine so qualifizierte Kritik wie die anderen hier schreiben könen, aber möchte trotzdem etwas sagen. Ich finde, die Geschichte ist sprachlich sehr gut geschrieben und auch der Inhalt hat mich beim Lesen gefesselt. Jedoch finde ich, sind die letzten beiden Abschnitte (mit den Juden und der Schule) irgendwie nur angehängt. Ich fände es toll, wenn du noch mehr auf die Enteignung und co. eingehen würdest.
Liebe Grüße,
Luisa

 

Hallo,

ich mag deinen Stil. Liest sich gut, rund und "hält mich am Ball". Was sich mir persönlich nicht erschließt ist der Teil mit dem Skelett. Wenn ich mal das Verhältnis der anderen Gespräche nehme, dann sind die ausführlich, strukturiert und durchaus realistisch. Aber im angesprochenen Teil geht die gesamte Nachbarschaft nach wenigen Sätzen sang- und klanglos darüber hinweg. Keine Erklärung, was dahinter stecken könnte und die Neugier der Nachbarn - die an anderen Stellen so vortrefflich aufblitzt - ist auf einmal wie weggeblasen. Alles in allem bringt es die Geschichte für mich eher durcheinander; bleibt fast außen vor. Ich denke, der Hauptstrang - also die Enteignung der Juden durch die Nachbarn - hätte mehr Raum verdient und diesen könntest du aus meiner Sicht ziemlich leicht haben, wenn die Geschwister beide lebendig bleiben dürften.

Guten Abend Gruß von mir.

 

Hallo Schattenspringer,

Danke für dein Interesse und dein Lob.
Die Geschichte habe ich mehrfach bearbeitet. Es sollte um Verdrängung gehen und auch um das herzlose Desinteresse am Schicksal von "Nachbarn", selbst wenn deren Leben einen tragischen Verlauf genommen hat. Und das gerade in einer scheinbar idyllischen Umwelt.
Ich habe gehofft, das dieses Motiv jetzt deutlich geworden ist.
Ich freue mich aber auf jeden Fall über deinen Kommentar. Nur so kann man dazu lernen.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Luisa,

Auch dir danke für deinen Kommentar. Mir ging es gar nicht in erster Linie um das Problem der Enteignung der Juden, obwohl das natürlich ein wichtiges Thema ist. Ich wollte eher zeigen, wie schwierige Themen in der Gesellschaft verdrängt werden, entweder aus Schuldgefühlen (Herr Winkler) oder aus Desinteresse (Nachbarn). Beide Verhaltensweisen halte ich für problematisch, vor allem, wenn sie im Mantel einer Idylle daherkommen.
Ich freue mich auf jeden Fall über deinen Kommentar. Nur so kann man dazulernen.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Ja, da hat sich was getan und ich meine (insbesondere bei den Gesprächen) feine Ironie aufblitzen (Stichwort: Straßenfest) zu sehen,

liebe wieselmaus,

aber früh schon kommt für mich ein verschwiegenes Stichwort im Schlepptau der Ereignisse der letzten Silvesternacht.

Nun also gab es neue Bewohner in der Bürgerwehrstraße.
Ein Zugeständnis an den selbsternannten „anständigen“ Bürger oder ein Seitenhieb? Straßennamen werden allerdings i. d. R. von den Gemeinden vergeben (oft schon mit dem Bebauungsplan). Sicherlich werden auch schon mal Wünsche von Bürgern berücksichtigt bei der Namensvergabe- aber „Bürgerwehr“?

Hier hab ich wohl vorige Tage nicht so sehr auf das Bündel geachtet, wenn es heißt

Kurz vor Mitternacht ... Jörg, Winklers vierzehnjährigen Sohn, ans Fenster [des Nachbarhauses], nachdem er noch schnell sein Computerspiel ausgeschaltet hatte. Im spärlichen Licht der Straßenlaterne beobachtete er, wie ein hagerer Mann mit schütterem Haar ausstieg und die Haustür öffnete. Dann hob der neue Nachbar ein längliches Bündel aus dem Wagen und trug es, leicht nach vorne gebeugt, mit großen Schritten ins Haus ...
(das Bündel hatte wohl schräg im Wagen gelegen?)
Von den Maßen her hätte das Bündel eine in einen Pelzmantel gehüllte Person sein können. Dafür sprach auch, dass Herr Boisenberg beschwichtigend auf sie einzureden schien. Mehr konnte Jörg nicht erkennen. Immerhin war es genug für ihn, um noch die eine oder andere SMS an seine Freunde loszuschicken

Geht dem jungen Beobachter „im spärlichen Licht“ (vllt. trunken vom Spiel?) die Fantasie durch? Dass da ein älterer Herr ein längliches Bündel trägt und der Alte mutmaßlich Boisenberg, der neue Hauseigentümer, sei und mit dem Bündel spricht (oft sprech ich, wenn auch noch ein junger Bursche gegenüber B. , mit mir selbst oder auch schon mal für die Wand. Aber „Pelzmantel“ und „Person“ … Da hat Jörg ja schon einiges erkannt, vor allem, den Vorgriff aufs Ende der Geschichte … Wie wäre es mit Statue, Plastik?

Und ein animistischer Anflug in der Wahl des Verbs

Auf der kleinen Veranda erschienen zwei Korbstühle, …
Wäre da nicht eine Passiv-Konstruktion angebracht? Die Stühle „wurden“ bestenfalls gestellt – oder hatten die Nachbarn eine „Erscheinung“?

Hier wäre m. E. das Adjektiv abzuändern

Sagen Sie Ihrer Frau … also wir wohnen neben dran und Sie können jederzeit mit unserer Hilfe rechnen.“
Besser: „wir wohnen nebenan“

Einmal müsstestu noch ausl. Gänsefüßchen nachtragen

„Also, der Mann ist doch wohl krank. Das ist ja wie in der 'Wendeltreppe'.[“]
(und gleich nach „Psycho“ auch noch mal!

Jörg schaute seine Eltern erwartungsvoll an: „Hej Mom, hej Dad, ihr helft mir doch dabei, oder?“
Ironie?, oder sprechen die "Kids" heute so? Also meine Nichten nicht und der Enkel ist noch in der Gaga-Phase.

Ich sag's mal so, dass ich den Text jetzt eher durchwachsen sehe. Aber ich bin ja die Generation, die ohne Erläuterungen sich hineinfindet ...

Gruß

Friedel

 

Lieber Friedrichard,

es rührt mich wirklich, dass du dich noch einmal so ausführlich mit meinen Text befasst hast. Alle sprachlichen Hinweise habe ich berücksichtigt. Also das ist jetzt Feinstschliff;)
Nun zum Inhaltlichen. Sowohl im Freiburg als auch in Waldkirch gibt es eine Bürgerwehrstraße. Und zwar in genau solchen Wohngebieten, wie ich sie beschrieben habe. Freiburg ist eine kleine Großstadt und Waldkirch - nun ja - eine Kleinstadt. Falls du wissen möchtest, wes Geistes Kind die Bewohner sind, dann empfehle ich dir einen Blick auf die Wahlergebnisse vom Sonntag.
Ich habe eine halbe Nacht über einen passenden Straßennamen gegrübelt und war so erfreut über meinen Geistesblitz, dass ich dann fröhlich eingeschlafen bin.
Deine letzte Einschätzung der neuen Textfassung teile ich voll und ganz. Jetzt ist es halt Holzhammermethode, da die leisen Töne, wie ja auch Jobär geschrieben hat, nicht von vielen gehört werden. Immerhin freut es mich, dass der eine oder andere jüngere Leser ein Bedürfnis nach Aufklärung formuliert hat. Zumindest habe ich das aus den "Komms" entnommen.
Und ja, "Kids" sprechen heute so, sobald sie sich der Pubertät nähern. Ich weiß das, denn ich wohne mit zweien davon unter einem Dach.

Ganz grundsätzlich treibt mich schon die Frage um, wie weit man auf Änderunswünsche eingehen muss, um nicht als beratungsresistent zu gelten( siehe die derzeitige Forumsdiskussion).

Du weißt aber schon, dass mich jeder deiner Kommentare erfreut!

Herzliche Grüße vom Schwarzwald an den Rhein(?)
sendet wieselmaus

 

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