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Hindernisse

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24.02.2005
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Hindernisse

Xavers Hände hatten versagt. Mal wieder. Sie waren einfach zu weit entfernt von seinem Sprachzentrum. Xavers Zeigefinger zuckte, ohne Vorwarnung. Vielleicht war es auch gar nicht sein Zeigefinger. Wenigstens wehrte er sich nicht, als er ihn zusammen mit den anderen Schlawinern in Handschellen legte. Xaver beugte sich über den Schreibtisch, saugte den Bleistift an seinem hinteren Ende an, packte ihn mit den Backenzähnen und schrieb den ersten Gedanken nieder, der ihm in die Quere kam: „Der Zwang ist die Zangengeburt des Willens". Xaver hielt inne. Der Kardinalfehler beim automatic writing. Das wusste auch Xaver.
Er spuckte den Bleistift aus. Seine Hände juckten. Er ging mit ihnen durch die Gassen der alten Stadt und rasselte dabei mit der Kette, die die Schellen miteinander verband. Entgeisterte Passanten. Schrille Bilder. Ein Lärm aus Gedanken.
Xaver war froh, als er einen Freund traf, der eigentlich Schauspieler war, und sich gerade eine Auszeit nahm, um Karikaturen von Touristen zu zeichnen. In letzter Zeit würden seine Zeichnungen immer gegenständlicher, klagte der Freund, und sein Klagen klang in Xavers Ohren gespielt. Enweder er könne sich für die Rolle des Karikaturisten nicht mehr genügend begeistern - oder seine Motive trügen Schuld daran. Der Zeichner stach ein älteres Pärchen, das denselben Jogging-Anzug trug, mit wüsten Blicken auf und bat energisch um des Freundes Ohr. Er habe da einen Verdacht, den er - wenn überhaupt - nur flüsternd äußern wolle. Xaver näherte sich. Ob es in irgendeiner Weise zu bestreiten sei, dass DIE DA bereits Karikaturen seien? In letzter Zeit werde er nur noch von Karikaturen um Karikaturen gebeten. Er wolle sich da jetzt noch keinen Strick draus drehen, sei jedoch kurz davor. Xaver horchte auf. Auch er war gerade kurz davor gewesen. Kurz davor, sich für eine Pose zu entscheiden, die er einnehmen würde, wenn, ja wenn ihn sein Freund endlich auf die Handschellen anspräche. Doch das tat der Zeichner selbst dann nicht, als Xaver sich umständlich mit der Schulter die Nase kratzte.
Also ging Xaver weiter. Auf der Placa Major spielte eine Gruppe von Musikern, die er noch nie dort gesehen hatte und niemals wieder sehen sollte. Die Sängerin war eine hochaufgeschossene Brünette mit hoch ansetzendem Pferdeschwanz. Ihr Mund war von einem Streifen Klebeband verdeckt, durch den es sich schwer singen ließ. Dies schien jedoch weder sie, noch ihre Bandmitglieder, noch die Passanten zu stören, von denen die wenigsten stehen blieben. Vielleicht hätten sich die beiden helfen können. In dem Moment, in dem SIE IHN sah und sich seiner Lage bewusst wurde, wäre das wohl möglich gewesen. Schließlich wollten sie beide befreit werden. Doch der Gefesselte von der Geknebelten? Das wäre beiden zu kitschig gewesen.
Eine Reihe von Momenten war Händchen haltend ins Land gezogen, als Xaver sowohl seine Handschellen, als auch den Zwang, irgendetwas schreiben zu müssen, ablegte wie einen zerknitterten Hut. Er warf ihn aus dem Fenster, stieß die Türe auf und rannte auf die Gasse, um auch noch das letzte Leben aus ihm herauszutrampeln. Danach fühlte sich Xaver etwas freier. In etwa so frei wie ein Hofnarr, der gerade vom Hof gejagt wurde. Ein vogelfreier Hofnarr also. Jemand, den man quälen durfte, ohne dafür bestraft zu werden.
Eine Kutsche näherte sich. Sie wurde von einem schwarzen Hengst gesteuert, der mit einer langen Peitsche auf zwei vorgespannte Zigeuner einschlug.
Xaver rannte und floh, floh vor jedem Kopfstein, bis er auf einem Platz zum Stehen kam, auf dem er noch nie gewesen war. Er war von exotischen Bäumen und marmornen Bänken bestanden. Auf einer dieser Bänke, gleich neben einer stehengebliebenen historischen Uhr, hatte sich ein alter Schuhmacher niedergelassen, der eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten trug. Er hatte keine Kundschaft und vertrieb sich mit einem alten Schuh die Zeit, in dessen Sohle er lauter winzige Nägel schlug, ohne sich ein einziges Mal auf die Finger zu schlagen. Xaver wartete lange auf seinen ersten Fehlschlag, seinen überfälligen Schmerzensschrei. Doch alles was er hörte war ein metallisches Gelingen nach dem Anderen.

 

Hejho erdbeerschorsch,

mal schauen, was ich für dich tun kann..dazu muss ich jedoch sagen, dass mein Satz nicht nur einen Inhalt, sondern auch einen Zweck hat. Wie jeder erste Satz muss er "flashen". Ich hoffe du verstehst meinen 90er-Jahre-Sprech :) "Der Zwang ist die Zangengeburt des Willens." - da gehen doch erstmal ein paar Türchen zum Kreißsaal auf. Ein Wille soll geboren werden. Er steckt fest. Will er rein oder raus? Herr Doktor, wollen wir die Zange nehmen? Soll das Kind hinausgezwungen werden? Selbst die Mutter weiß es nicht. So weit so gut. Rainer ist offensichtlich für eine Zangengeburt, wie sonst käme er auf die Idee sich Handschellen anzulegen, damit er nicht mehr auf natürliche Weise "gebären" oder "schreiben" könne. Er zwingt sich, mit dem Mund zu schreiben, kommt aber auch so nicht weit. Vielleicht weil sein Baby, seine Geschichte, eine Totgeburt ist. Schließlich weiß er ja nicht mal, wofür er eine Story braucht.

Ich lass jetzt noch mal ein paar Groschen fallen. ;)

Sonnigen Gruß
N.

 

Hi Nicolaijewitsch,

der Groschen bewegt sich, aber klemmt noch ein bisschen. Das Ding ist halt: wenn man den Willen in die Zange nehmen will, muss man schon wollen, muss das Kind also schon da sein. Nun kann der Wille vielleicht weiterem Willen zur Geburt verhelfen, dann wäre das Problem überholt. Aber es bliebe bestehen, dass noch immer nicht der Zwang geboren werden soll.

Oder von der anderen Seite her: Wenn die Geschichte die (Tot-)Geburt ist, ist sie dann nicht zugleich auch die Zangengeburt? Und in diesem Sinne würde ich mich gar nicht beschweren, wenn etwa der Zwang die Geburtszange des Willens wäre (an welches Ende der Zange der Wille auch immer zu liegen käme), oder der Wille die Zangengeburt des Zwangs. Das wäre aus meine Sicht ein Bild ohne Kanten, um sich daran zu stoßen, das du aber womöglich schon zu plattgebügelt findest.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Nicolaijewitsch,

wahrscheinlich hilft Dir meine Kritik wenig und ärgert Dich höchstens, aber das ist das Risiko, wenn man seine Geschichte online stellt, dass auch jemand wie ich, seinen Senf dazu gibt.

Der Schock vorweg: Nach dem ersten Absatz war ich draußen:

Der Zwang ist die Zangengeburt des Willens, dachte Rainer, der sich Handschellen angelegt hatte, um mit dem Mund schreiben zu müssen. Er saugte den Kugelschreiber an seinem hinteren Ende an und biss mit den Schneidezähnen auf ihn, um ihn kontrolliert über das Papier führen zu können. „Wofür eine Story“ schrieb er und wusste die Antwort nicht. Er wusste damals auf so viele Fragen die Antworten nicht, dass er sich schon fragte, wofür er sich überhaupt noch etwas fragte.

Wie schon von erdbeerschorsch erörtert, erschließt sich auch mir der Sinngehalt des ersten Satzes nicht und damit "flasht" er mich auch in keiner Weise. Wie soll mich etwas flashen, das nur um des Flashen willens geschrieben ist und nicht um der Erkenntnis Willen und dessen Sinngehalt sich aufgrund fragwürdiger Bezüge auch gar nicht erschließen lässt, außer man bemüht sich vielleicht so nachhaltig um das Fallen des Groschens wie erdbeerschorsch es tut, der allerdings den Groschen auch nur mäßig vorangebracht hat?

Jetzt kann man natürlich sagen, dass dies der Gedanke des Rainer ist und der Typ halt so schräg denkt. Mei, klar, geht immer. Aber der Flash haut da bei mir nicht rein, um mal im 80er-Jahre-Sprech zu bleiben.

Warum ich dann nach dem ersten Absatz abgebrochen haben, ist durch Fettdruck hervorgehoben. Die ersten zwei Sätze bei einer so kurzen Kurzgeschichte in derselben grammatikalischen Konstruktion zu schreiben, ist für einen Leser wie mich einfach zu langweilig, vor allem, wenn der geschichtliche Inhalt der ersten Sätze bei mir eine Assoziation an männliche Späße hervorruft, die einen stark pubertären Anklang haben.

Du siehst, ich kann mit Deinem Geschichtsanfang leider wenig anfangen, aber der Zwang ist die Zangengeburt des Kommentars. Verzeih mir bitte den leicht ironischen Unterton. Nach Deinem Steckbrief gehst Du aber auf die 40 zu, da kann man so eine Kritik, so hoffe ich, ganz gut verkraften.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Nicolaijewitsch,

Ich muss gerade heraus sagen, dass ich mich schwer getan habe, Zugang zu der Story zu finden. Mir persönlich ist da zu viel Interpretationsraum drin. Ich brauch da mehr von einem roten Faden. Das heißt natürlich nicht, dass Andere sich auch so schwer tun.

In Teilen war mir das zu kompliziert, z.B. Enweder er könne sich für die Rolle des Karikaturisten nicht mehr genügend begeistern. Oder seine Motive trügen Schuld daran. Der Zeichner stach ein älteres Pärchen, das denselben Jogging-Anzug trug, mit den Blicken auf und bat um des Freundes Ohr. Er habe da einen Verdacht, den er - wenn überhaupt - nur flüsternd äußern wolle.

Dann lese ich mir die Kommentare durch und finde das:

Ob es traurig oder lustig ist, einem Sprachakrobaten dabei zuzuschauen, wie er sich im Spagat zwischen Größenwahn und Versagensangst die Eier klemmt, mag dahingestellt sein.

Ich kann dir sagen, ich hab mich weggeschmissen. Das werd ich Tage im Kopf haben. Das hat Power. Das hat Drive. Das ist authentisch. Warum machst du es dir schwer, wenn du solche Sachen einfach beim Kommentieren aus dem Ärmel schütteln kannst? Ich kenne deine Intensionen zum obigen Text natürlich nicht.
Wegen dem geilen Kommentar alleine schon, werd ich mir aber deine anderen Sachen zu Gemüte führen.

Keep going und einen schönen Abend,
Schwarz

 

Hejho @erdbeerschorch,
es tut mir leid, aber ich verstehe deinen kommentar gesagt nicht..aber eine Zangengeburt war die Geschichte auf jeden Fall, (wie so oft.) :)

Hi Geschichtenwerker,
danke für den Hinweis auf die Dopplung, das muss natürlich raus.
dein Senf schockiert oder verärgert mich nicht. Ist ja nur Senf :) Deine Assoziation fand ich interessant, auch wenn ich sie nicht ganz nachvollziehen konnte....den Sinn des ersten Satzes kann ich leider nicht besser erklären...geflasht hat er jedenfalls auch dich, wenn auch nicht in die beabsichtigte Richtung ;)

und damit Hallo Schwarz
und danke für die Blumen!
zur Kritik: ja, das ist eine GEschichte, die sehr viel Interpretationsspielraum lässt..ich persönlihc und andere Kommentatoren sehen da durchaus einen roten Faden...aber man muss ihn schon suchen, das ist wahr...war aber auch so gedacht....bei Body Secrets z.B. ist das anders....da gibt es auch keine komplizierten Sätze, die womöglich etwas gestelzt daherkommen..

Tjaja, die Zangengeburt... Ist nicht jeder Atemzug eine Zangengeburt, ein aus der Notwendigkeit geborener AKt?

Danke jedenfalls für eure Kommentare! Einen schönen Abend und frohes Schaffen!

N.

 

Hallo @erdbeerschorch und Geschichtenwerker

Ich habe noch mal drüber nachgedacht. Auch wenn der erste Satz flashen muss, bei jeder Geschichte, sollte er niemanden vor ein Rätsel stellen...

danke noch mal für den Senf!

und senfgelbe Grüsse
N.

 
Zuletzt bearbeitet:

"We skipped the light Fandango"
Daran erinnert mich deine Geschichte. Und falls dir das nichts sagt, es ist der Anfang eines Songs. A whiter shade of pale von Procol Harum. Urururalt. Aber gut. Und die meisten damals (ich auch) haben nie nix wirklich ganz verstanden - und den Song trotzdem geliebt.

So geht mir das auch mit deiner Geschichte. Dass es unbekannte Leerstellen gibt, sie mir trotzdem wegen ihrer Bilder gefällt. Denn nicht der inhalt ist es, was mich an den Song erinnert, sondern die Machart, da ist einerseits ein roter Faden, aber gleichzeitig wird er durch fragmentarische, traumartige Sequenzen ein bisschen verschoben und verbogen. Ich finde das schön, solange ich mit den Bildern etwas anfangen kann und diese zu dem Grundtenor der Geschichte passen.

Den Grundtenor der Geschichte empfinde ich so: Da will jemand, ein Protagonist schreiben, nichts als schreiben, sagst du, bleibt dann aber gar nicht bei dieser seiner eigentlichen Tätigkeit, sondern ersetzt sie durch die Suche nach Anerkennung von außen, hat vielleicht diese von vornherein im Sinn und findet gar kein Vergnügen am Prozess an sich, muss sich sogar dazu zwingen und reinlegen.
Er verlässt das Tun und begibt sich auf die Suche nach Würdigung durch äußere Aufmerksamkeit. Sehr skurril sein Versuch durch die Handschellen Aufmerksamkeit zu erregen, doch keiner geht so recht drauf ein, sondern hat nur sich selbst im Blick. Ich musste echt grinsen, als der Protagonist sich extra verrenkt, damit sein alter Freund, der Karikaturist, ihn endlich wahrnimmt. Aber nee, es wird nichts.
Als der Reisende Hilfe von einer stummen Sängerin bekommen könnte, scheuen beide zurück, weil sie Angst vor dem Kitsch und dem Klischee haben. Wieder ist es so, sie machen einfach nicht drauflos, sondern fragen sich, was könnten die anderen denken und sagen über sie, statt zu leben, urteilen sie sich selbst ab, bevor noch ein andereer es tun kann, weil sie methodische Maßstäbe im Kopf haben, wie etwas zu sein hätte - jedenfalls keinesfalls darf Kitsch.

Das Motiv, nicht verstanden, nicht wahrgenommen zu werden, sich selbst mit den Maßstäben, die man von außen als Werturteile übernommen hat, zu knebeln, das durchzieht deine Geschichte wie ein Band. Die Sängerin, die sich das Singen extra erschwert. Der Autor, der sich in der Ausübung seines Tuns extra behindert.
Das sind schon alles sehr traum- und wahnhafte Bilder, die an Surrealismus erinnern. Aber auch schon wieder an weitere Songtexte. Sound of Silence zum Beispiel? Aber was sag ich, es sind ja uralte Motive. Wahrscheinlich hat sie schon ein Steinzeitmaler an irgendeine Höhlenwand gepinselt.
Du schließt den Weg deines Protagonisten dann mit der Begegnung mit dem alten Schuster ab. Der ist wirklich blind, aber ihm unterläuft kein Fehlschlag. Vielleicht weil ihm äußerliche Anerkennung scheißegal ist?

Das ist natürlich ein sehr selbstreferentieller Text. Und das hat seine Tücken. Lust und Last des Schreibens, die Angst vor dem Versagen, der permanente Selbstzweifel bei gleichzeitigen Totalansprüchen an sich selbst - das ist ein beliebtes Thema bei Schreibersleut, und deswegen auch ein unendlich und furchtbar beackertes Thema. Und wahrscheinlich will/muss/wird jeder mal sowas schreiben. :)
Ja was sind die Tücken? Figurencharakterisieurungen finden nicht statt, man könnte böswillig sagen, der bloßen Idee des Themas geopfert. Das Thema an sich hat wenig Tragweite, es ist nicht überraschend. Es kommt dann schon immer sehr darauf an, was einer mit der Idee beginnt und wie er sie ausführt.
Ich persönlich finde solche Texte in aller Regel saulangweilig, obwohl viele gerade dieses Thema scheints für hochliterarisch halten.
Ich denke mir immer, wenn einer nix zu schreiben hat, soll ers halt lassen und lieber spazieren gehen, als die Menschheit mit diesem Methodikgesummse zu beeindrucken, irgendwann klopft schon wieder eine Geschichte an. Oder auch nicht.
Und trotzdem mag ich deinen Text. Er ist kurz und bietet (so verstehe ich den blinden Schuster wenigstens) auch einen Ausblick aus dem Jammertal des Selbstbespechtens, und wer mich so wie du an "A white shade of pale" erinnert, der hat einfach schon mal einen Stein bei mir im Brett.

Und jetzt noch ein paar Details:

Elegant gelöst, der neue Beginn. Ich hatte mich zwar schon immer darüber gewundert, dass der erste Satz auf solches Missfallen stieß, aber gut, so wie du jetzt kann man es natürlich auch machen. Dadurch hast du deinem Protagonisten den schwarzen Peter zugeschoben. Und dem Leser ist vielleicht klarer als vorher, worum es geht.

Nachträgliches Edit: Nachdem ich den Komm von Kanji gelesen habe, habe ich den alten Beginn noch einmal ganz genau gelesen. Und ich muss Kanji recht geben. Der alte Beginn hat Zauber, ich finde/fand ihn auch nicht unverständlich, aber da stehe ich wohl etwas alleine. Der neue ist verständlicher, aber auch herkömmlicher. Aber mach dir keinen Kopf, vielleicht ist das hier ja auch mal wieder ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, den Kommentaren und Kritiken gegenüber offen zu sein, aber auch herauszukriegen, wie und dass man selbst etwas haben will. Ich glaube, das ist einfach eine Sache des Probierens und Auslotens und der Geduld mit sich selbst.

Und jetzt gehts weiter wie gehabt.

Rainer beugte sich über seinen Schreibtisch, saugte den Kugelschreiber an seinem hinteren Ende an, biss mit den Backenzähnen auf ihn und schrieb den ersten Gedanken nieder, der ihm in die Quere kam: „Der Zwang ist die Zangengeburt des Willens".
Ganz ehrlich? Ich finde den Zangengeburtsatz köstlich. Ja. Ich mag den. Der ist so spinnert geschrieben, ich finde den auch nicht unklar, auch wenn ich mit meiner Meinung da alleine stehe. Zum Glück hast du ihn drin behalten.
Und zum Glück ist das zweimalige "um" Geschichtenwerker sei dank, draußen, aber ich hab noch was: "auf ihn" finde ich rhythmisch nicht so gelungen. Warum ersetzt du es nicht durch "darauf"? Schließlich beißt er ja auch nicht auf den gesamten Kugelschreiber ("auf ihn" bezöge sich auf den K. insgesamt, nicht nur auf das angesaugte Ende K) und so ist der grammatikalische Bezug nicht so klug gelöst, aber auch der Klang ist da nicht so dolle.

Dabei erregte er weniger Verwunderung KOMMA als er erwartet hatte.

Und die Verwunderung, die er erntete, verwunderte ihn mehr als die Verwunderten.
Bin ich gestolpert. Warum? Inwiefern? Nicht, dass du da was streichen oder ändern sollst. Ich bin nur gestopert und hab mich gefragt, ob er schon von vorneherein Zweifel an dem Handschellentrick hatte. Oder ob du noch was anderes meintest.

Enweder er könne sich für die Rolle des Karikaturisten nicht mehr genügend begeistern - oder seine Motive trügen Schuld daran.
Hehe, ich kenn die.

Der Zeichner stach ein älteres Pärchen, das denselben Jogging-Anzug trug, mit den Blicken auf und bat um des Freundes Ohr.
den - würde ich kürzen.

Er habe da einen Verdacht, den er - wenn überhaupt - nur flüsternd äußern wolle. Rainer näherte sich. Ob es in irgendeiner Weise zu bestreiten sei, dass DIE DA bereits Karikaturen seien? Er könnte schwören, dass er in letzter Zeit nur noch von Karikaturen um Karikaturen gebeten würde. Er wolle sich da jetzt noch keinen Strick draus drehen, sei jedoch kurz davor.
Der Satz "Er könnte schwören ..." wiederholt eigentlich nur das Vorhergehende und verwässert es dadurch. Ich weiß nicht, probier doch mal, ihn wegzulassen und einen anderen Anschlusssatz zu dem Stricksatz auszudenken. Der ist ja wieder ganz pfiffig.

Rainer war kurz ganz woanders gewesen.
Hmm, ich weiß schon, den Satz willst du haben, weil der so nett doppelsinnig mit den Posen weitergeht. Trotzdem - ich war drüber gestolpert, fand den Satz ungelenk und auch irritierend räumlich.

Doch das tat der Zeichner selbst dann nicht, als Rainer sich umständlich mit der Schulter die Nase kratzte.
:D

Vielleicht hätten sich die beiden helfen können. In dem Moment, in dem SIE IHN sah und sich der Tragik, die sich gleichmäßig in seinem Gesicht verteilt hatte, bewusst wurde, wäre das wohl möglich gewesen. Schließlich wollten sie beide befreit werden. Doch der Gefesselte von der Geknebelten? Das wäre beiden zu kitschig gewesen.
die beiden - fand ich holprig, ich hatte einen Bremsmoment, weil ich nicht gleich wusste, dass Rainer und die Sängerin gemeint sind. Du bist halt mit dem Satz vorher (dass Rainer diese Band nie wieder sehen sollte) aus der Perspektive gesprungen. Sie wirkte bis dahin sehr personal. Wenn man das mitmacht, also mehr von außen auf das Geschehen und aus dem Blick eines "Draufguckers" auf das Geschehen schaut, wird schneller klar, wer "die beiden" sind, wenn man das aber noch nicht verdaut hat, hat man (wie ich) vielleicht einen kleinen Ausreißer.

Was ich aber gar nicht gut finde, weil echt ungelenk formuliert, das ist die "Tragik, die sich in seinem Gesicht verteilt hatte". Puhh, das klingt wie Sonnencreme. Also klar, ich versteh natürlich, was du meinst, ich find nur, es klingt halt scheiße :D

Zahllose Momente waren Händchen haltend ins Land gezogen, als Rainer sowohl seine Handschellen, als auch den Zwang, irgendetwas schreiben zu müssen, abgelegt hatte.
Das Bild passt überhaupt nicht. Das Händchen haltend drückt ja nicht nur die verbundenen Zeitmomente aus, sondern Innigkeit und Verliebtheit. Und dieser Handschellennarr auf der Suche nach der Anerkennung verspürt mit Sicherheit weder Innigkeit noch Zuneigung.

Wie zur Feier spazierte er durch die alten Gassen. Wie ein Hofnarr hüpfte er um die Ecken. So gelangte er zu einem Platz, auf dem er noch nie gewesen war.
Auch das passt inhaltlich nicht zusammen. Das Aufgeben seiner Reise und seiner Schreibversuche wird davor nicht als ein bestimmter Moment beschreiben, sondern als Zeitraum.
Das Getanze und Gehüpfe aber unterstellt einen exakten Punkt der Erkenntnis.

Der Schuhmacher trieb kleine Nägel in die Sohle, ohne sich ein einziges Mal auf die Finger zu schlagen. Rainer sank auf die nächste Bank und wartete auf seinen ersten Fehlschlag, seinen überfälligen Schmerzensschrei. Doch alles KOMMA was er hörte KOMMA war ein metallisches Gelingen nach dem Anderen.
Hier gibts einen Leerschlag zuviel. ist dir öfters passiert. Auch schon vorher.
anderen - klein.
Der letzte Satz ist echt schön.

Bleibt mir eigentlich nur noch, dir ein herzliches Willkommen zu wünschen, denn wir kennen uns ja noch nicht. Und dir zu sagen, dass meine Hinweise natürlich Vorschläge sind. Spiegeln mein Lesegefühl wieder. Kannst nehmen, wenns dir logisch ist, oder auch fortschmeißen.
Außer den Kommas natürlich u.ä.

Machs gut - und die nächste Geschichte wird aber keine übers Schreiben. Versprochen? Erst die übernächste wieder. :D

Viele Grüße von Novak

 

Hej Nicolaijewitsch,

Der Zwang ist die Zangengeburt des Willens".

Und so hast du dich dem Zwang und dem Druck der Kritiker gebeugt und "erklärt", was deine Geschichte in der Urform humorvoll und abstrakt ausgedrückt hatte.

Zum einen hab ich jetzt auch verstanden, was ich bereits vermutet habe, zum anderen ist der Zauber deiner Sprache "futsch".

Das ' wohl die Gefahr in einer Werkstatt, wenn Schreiben optimiert wird. ;)

Freundlichster Gruß, Kanji

 

Was braucht es hier so lang, als wäre die Anzahl der Kommentare irgendein Kriterium von Qualität?
Am 27. März bemerkte ich

Fußkrank ist aller Laster Anfang
und kam zum Schluss
Kurz: Der Reiz und das Geheimnis der ersten Fassung ist dahin.

Auch das schafft Kültür ...


Wir haben nun alle miterlebt, wohin bloße Anpassung führt. Sie formt nicht, sondern de-formiert, wenn man dem Publikum gefallen bzw. dem Kritiker "gefällig" sein will. Um es auf den Punkt des guten Geschmacks aus der Kochkunst zu bringen: Viele Köche ... Zu viele, schließ ich daraus.

Nix für ungut

lieber Nicolaijewitsch,

ein Fähnchen weht immer nur mit der Windrichtung und im mainstream strandet man gelegentlich auf einer Sandbank. Nach der alten Fassung bin ich aber von überzeugt, dass es was werde.

Sonderlich unberechtigt fand ich die Empfehlung nicht ...

Tschüss

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, lieber Friedel, so mag ich das nicht stehen lassen, auch wenn wir in der Sache nicht so weit entfernt sein dürften.

Wir haben nun alle miterlebt, wohin bloße Anpassung führt. Sie formt nicht, sondern de-formiert, wenn man dem Publikum gefallen bzw. dem Kritiker "gefällig" sein will. Um es auf den Punkt des guten Geschmacks aus der Kochkunst zu bringen: Viele Köche ... Zu viele, schließ ich daraus.
Kommentare (von Grammatik- u.ä. fehlern mal abgesehen) haben doch immer, ich betone, immer einen geschmacklichen Anteil. Der Autor entscheidet, was ihm daran einleuchtet - und was nicht. Vielleicht haben ihn Argumente überzeugt, vielleicht will er was ausprobieren. Warum denn auch nicht? Jedenfalls das alles auf eine Anpassungsfrage zu fokussieren, als Deformation zu beschreiben, das finde ich schon sehr übertrieben und der Sache auch abträglich. Hier klingt das ja so, als müssten Kommentatoren sich für ihr feedback und die Autoren für ihre Überarbeitungen entschuldigen.

 

Hallo Nicolaijewitsch,

die Änderungen Deiner Geschichte sowie die Reaktionen der Forumsmitglieder sind unglaublich interessant, da aus meiner naiven Sicht eine Menge an Missverständnissen durch die Luft schwirren und die Sicht vernebeln.

Außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen - was natürlich völlig albern ist, weil ich keine Verantwortung für Deine Geschichte habe: Ja, der ursprüngliche Anfang war besser und die Originalität ist durch die Überarbeitung weg.

Allerdings - und das ist eines der Missverständnisse hier, habe ich - und soweit ich weiß auch kein anderer -, den Anfang umformuliert, sondern Du als Autor selbst. Insofern gibt es nur einen Koch und nicht viele Köche, um auf Friedrichard einzugehen, der sich über den Anfang nun auch ärgert, die Verantwortung aber auch bei den Kommentatoren sieht, die jedoch gar nicht mit kochen, sondern nur über die Schulter blicken und - in meinem Fall - den Senf reichen.

Es liegt aber in der Verantwortung des Koches, ob er den Senf zum Gericht hinzufügt oder nicht, um bei dem Bild zu bleiben.

Das bringt mich zum nächsten Punkt, über den ich sinniere, seitdem ich die erste Geschichte hier eingestellt habe: Wie geht man mit Kommentaren um?

Meine beste Antwort auf diese Frage ist bisher: Ausprobieren.

Und genau das hast Du getan, lieber Nicolaijewitsch, und das Feedback einiger, meines eingeschlossen, ist, dass die vorherige Variante besser war.

Was ist also passiert? Meines Erachtens ist das nichts weiter als der ganz normale Schreibprozess. Man bekommt Feedback, ändert und bekommt neues Feedback und daraus lernt man, ob die Änderung gut war oder nicht. Das ist aus meiner Sicht weder ein Grund sich zu ärgern, noch ein einer, den Autor oder die Kommentatoren zu verfluchen, sondern das ganz normale tägliche Leben.

Und ich freue mich, dass ich an diesem Prozess teilhaben kann und dadurch selbst auch lerne, was nur geht, weil Autoren ändern und Kommentatoren den Senf reichen.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Novak,

wir kennen uns lang genug, dass Du weißt, dass hier ein ziemlich sturer Bock schreibt, der aber eben auch keinem das Recht abspricht, eine eigene Meinung zu haben und sie zu äußern, wie auch das Recht des Autors an seinem Werk, mit ihm zu tun, wie's IHM und nicht unbedingt jedem anderen beliebt. Ich bin halt eine kullinarische Wildsau, die mit dem neuen Beitrag den älteren von vor zwo Wochen fortsetzt, als der Gang der Dinge sich bereits abzeichnete. Der Koch entscheidet, welche Würze ans Gericht kommt, nicht der kleine Friedel oder sonstwer. Ein Schulterzucken oder "Pech gehabt" wäre da zu wenig,

meint der

Friedel

Jetzt ist es bedauerlicherweise nur noch ein sonderbares Lehrstück ... Was ja auch schon was ist.
(wann hätt ich jemals vier Beiträge zu einer Geschichte geschrieben?)

 

Lieber Friedel,

wir kennen uns lang genug, dass Du weißt, dass hier ein ziemlich sturer Bock schreibt,
Hihi. Nein. Bist du nicht. Das weiß ich. Du bist höchstens ein Maibock. Aber den trinkst du eher - und ich mit dir.
Also - auf das Leben, die Geschichten und auf viele Beiträge. Friedel, Sorgen über die vielen Beiträge machen wir uns erst dann, wenn wir anfangen, nicht nur die Geschichten, sondern auch die Kommentare selbst zu schreiben.
Bis denn - sonst krieg ich auf den Hut wegen offtopic.

 

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