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Himbeereis

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08.01.2002
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Himbeereis

"Was soll ich machen?", fragte sie, "jetzt, wo du hier liegst, kannst du das Himbeereis nicht essen."
Sie hatte ihren Stuhl nahe an das Krankenbett ihres Mannes herangezogen, damit sie seine leisen Worte besser verstand.
"Es liegt doch im Gefrierschrank", sagte er matt, "da kann es noch eine ganze Weile bleiben. Mach dir keine Sorgen."
"Meinst du?" Sie prüfte aufmerksam sein fahles Gesicht und hätte am liebsten einfach nur geheult.
"Mein ich." Wiegand ergriff Margittas Hand und betastete ihre knochigen Finger und die pergamentene Haut. Der Rubinring, das einzig Schwere an dieser federleichten Hand, rutschte von ihrem Finger.
"Hast du wieder abgenommen?", fragte er. "Der Ring sitzt so locker."
"Das tat er schon immer. Ich hab nicht abgenommen."
"Versprich mir, wenigstens ein bisschen zu essen, egal was. Du weißt, was Dr. Hanel gesagt hat. Noch zwei Kilo..."
"Hör auf! Du setzt mich unter Druck. Der Hanel arbeitet nur nach Tabellen und Formeln." Sofort tat es ihr leid, dass sie so laut geschimpft hatte.
Wiegand seufzte und fiel schwer zurück in das Kissen.
"Versprich es mir."
"Ich versprechs. Ich bin gleich mit Helga bei Antonio verabredet."
Er lächelte.
"Hm...Antonios Paella. Das wärs jetzt."
Sie strich ihm zärtlich über den Arm und fühlte sich so ohnmächtig, nichts für ihn tun zu können.
"Wenn du das alles hier überstanden hast, gehen wir zu Antonio. Aber was soll ich bloß mit dem Eis machen?"
"Iss es auf."
"Nein! Ich esse kein Eis, das weißt du doch."
"Ach, deine Liste ist so lang. Da kann unmöglich auch noch Eis draufstehen."
"Ich werde nachher bei Antonio Pulpo essen, mit diesen dicken Kartoffelstücken und der Mojo pikante."
Er betrachtete sie aufmerksam.
"Mach das", sagte er resigniert.
"Ich werde Helga fragen, ob sie das Himbeereis haben möchte."
"Ja, frag sie."
"Oder esse ich einen großen Salat, den mit dem Thunfisch und den Käsestückchen? Was meinst du?"
"Was macht unser Kater, vermisst er mich?"
"Die ersten Tage ist er durch alle Räume, hat dich gesucht. Nachts hat er auf deiner Bettseite geschlafen. Wenn Helga das Himbeereis nicht möchte, kennt sie bestimmt jemanden, der es isst."
"Was machst du dir tausend Gedanken um das bescheuerte Eis? Von mir aus wirf es weg."
Sie schwieg betreten.
"Soll ich dir morgen ein Stück von deiner Lieblingstorte mitbringen?"
"Nein, lass mal. Die sorgen hier gut für alles."
"Bei Antonio gibt es auch die leckeren Scampi. Ich könnte die ja essen."
Er blickte in ihr Gesicht und tief einatmend sagte er:
"Hauptsache, du isst überhaupt etwas."
"Jaaa, mach ich doch. Ich muss jetzt."
Sie küsste ihn.
"Werd mir bloß schnell wieder gesund."


"Schön dich zu sehen." Margitta umarmte Helga.
"Erzähl, wie geht es Wiegand?"
"Die Ärzte sagen, er hatte Glück. So einen schweren Herzinfarkt überleben nicht viele."
"So schlimm? Wie lange muss er noch im Krankenhaus bleiben?"
"Keine Ahnung, haben sie nicht gesagt. Sag, hättest du für eine Packung Himbeereis Verwendung? Die liegt jetzt zu Haus im Gefrierschrank rum."
"Himbeereis?"
"Ist noch unangebrochen. Wiegand isst dieses Eis immer, aber jetzt muss es weg."
"Wieso? Lass es doch einfach im Gefrierschrank."
"Das kann da nicht bleiben. Es stört mich."
"Wiegand freut sich bestimmt, wenn er zurückkommt."

Margitta schwieg. Als der Kellner ihre Bestellungen aufgenommen hatte, ging sie zur Toilette. Sie ließ den Wasserhahn laufen, dann holte sie aus ihrer Handtasche einen faltbaren Plastikbecher. Den schob sie so oft unter den Wasserstrahl, bis sie zehn randvolle Becher getrunken hatte.
Das Essen hatte man schon serviert, als sie zum Tisch zurückkam.

Margitta teilte ihren Teller in Sektionen auf. Rechts außen kam zum Schluss dran, dort legte sie alle Scampi ab. Links unten waren die Pommes, die aß sie langsam, nach jedem Kartoffelstück wartete sie eine Weile.
Das Gemüse dazwischen durfte sie erst anrühren, wenn sie alle Kartoffeln gegessen hatte. Zudem gab es eine strenge Reihenfolge: zuerst die Tomaten und am Ende die Maiskörner, jedes einzeln. Margitta achtete sorgfältig auf diese Regeln. Sie musste unbedingt diszipliniert sein.
"Ich bin fertig und bei dir ist noch nicht viel vom Teller weg. Du hast keinen richtigen Hunger vor Sorge, nicht wahr?"
"Ich esse sehr langsam. Mir geht das Himbeereis durch den Kopf. Was mach ich damit?"
Helga lachte schallend und Margitta schaute von ihrem Teller irritiert auf. Sie zögerte. Dann lächelte sie.
"Naja, ich werde schon eine Lösung finden."

Nachdem sie das letzte Pommesstückchen gegessen hatte, atmete sie auf.
Das Gemüse kam dran. Weil sich etwas Scampisud unter dem Salat ausgebreitet hatte, bugsierte Margitta alles in einen trockenen Bereich ihres Tellers.
Sie durfte sich keinen Fehler leisten.
Zum Schluss teilte sie die Scampi in drei gleichgroße Stücke. Misslang ihr ein Schnitt, beförderte sie das Teil an den linken Tellerrand in die Abfallsektion.
Mit dem letzten Bissen, den Margitta in ihren Mund beförderte, hob sie den Kopf und strahlte Helga fröhlich an.
"Du musst unbedingt noch ein Dessert bestellen", sagte sie, "die sind hier richtig gut."
"Und du?", fragte Helga.
"Nein, ich esse nie Süßes, das bekommt mir nicht. Entschuldigst du?"

Auf der Toilette holte Margitta ihren Becher hervor und löste etwas Pulver in Wasser auf. Sie trank und wartete ein paar Minuten, bevor sie in eine der Kabinen trat, um dort in eruptiven Stößen ihr Essen in das Becken zu spucken. Hätte jemand die Toilette betreten, hätte sie unverzüglich die Spülung betätigt, um sich nicht durch Brechgeräusche verdächtig zu machen. Das war eine überflüssige Vorsichtsmaßnahme, sie kotzte seit Jahren kaum hörbar.


Zu Hause angekommen, zog sich Margitta nackt aus und betrachtete sich im Spiegel. Der Kater strich um ihre streichholzdünnen Beine und maunzte.
"Ich mache dir gleich das tollste, leckerste und größte Futter der Welt zurecht. Du kannst dann essen, bis du platzt, mein Katerchen."
Doch dann fiel ihr das Himbeereis ein. Sie ging zum Gefrierschrank, öffnete ihn und zog die Packung heraus.
Sie betrachtete die Schachtel, während ihre Finger kleine Schmelzspuren auf dem Deckel hinterließen. Ungestüm riss sie die Gefrierschranktür auf, warf die Packung mit Schwung hinein und knallte die Tür zu. Sekundenlang blieb sie unbeweglich stehen.
Der Kater strich mit seinem Köpfchen über ihre nackten Füße.
"Hau ab! Ich will das jetzt nicht!" Sie hob die Füße nacheinander an, als liefe sie auf der Stelle, und vertrieb ihn damit.
Sie starrte weiter auf das Weiß des Gefrierschranks bis ihre Augen flimmerten. Ein Speichelfaden tropfte aus ihrem Mund. Sie zog die Gefrierschranktür auf, riss das Eis heraus und zerrte am Deckel. Ihre Finger glitten ungelenk ab, als das Telefon klingelte.

"Ach, du", sagte sie matt, "hm ja, wir waren bei Antonio. Ich? Ich hatte die Scampi. Ja. Haben gut geschmeckt. Und was gab es bei dir zum Abendbrot? Nein, das ist nicht langweilig. Was gab es denn nun? Drei Scheiben? Wow! Und zum Nachtisch? Eis? Da hattest du ja richtig Glück. War es lecker? Na, das Eis. Ich muss Schluss machen. Muss mich jetzt um das Himbeereis kümmern. Na, du weißt doch. Es muss weg! Gute Nacht, Wiegand. Ja klar, ich vermiss dich auch. Kuss."

Margitta nahm ihre Versuche, den Deckel zu öffnen, wieder auf. Ein Fingernagel knickte um und tat höllisch weh. Sie lutschte an dem lädierten Finger.
Frau Schmidt von nebenan, dachte sie. Das war die Rettung. Sie betrat das Treppenhaus und klingelte.
Frau Schmidt war schwerhörig. Margitta presste ihr Ohr an die Tür und hörte Geräusche aus der Wohnung. Erneut klingelte sie, aber nun im Stakkato eines sich wiederholenden Dingdongdingdongdingdong. Sie trat von einem Bein auf das andere. Die eisige Packung schmerzte in ihrer Hand.
"Wer ist denn da bitte?"
"Ich bins, Ihre Nachbarin Margitta."
Die Wohnungstür wurde umständlich geöffnet und das faltengefurchte Gesicht einer kleinen Frau kam zum Vorschein.
"Frau Schmidt, Sie müssen bitte dieses Eis nehmen."
"Ja, was ist denn los? Sie haben ja gar nichts an?"
"Das macht nichts, Frau Schmidt. Ich bin in der Klemme, mein Mann ist im Krankenhaus."
"Oh Gott, was Schlimmes?"
"Herzinfarkt. Und nun kann er dieses Eis nicht essen. Bitte nehmen Sie es."
"Das geht nicht, ich bin doch Diabetikerin, aber Sie müssen sich unbedingt etwas anziehen. Sie holen sich sonst noch was weg."
"Sie haben doch bestimmt Enkel. Nehmen Sie es für die Enkel."
"Da läuft Ihr Kater die Treppe runter, sehen Sie? Darf er raus?"
"Frau Schmidt, nehmen Sie's für Ihre Enkel." Margitta hielt die Eispackung direkt vor die Augen der Nachbarin.
"Aber die leben doch alle in Kanada, die sind doch ausgewandert."

Margitta seufzte und betrat wieder ihre Wohnung. Ihr war eiskalt.
Ab in den Müll damit, dachte sie fieberhaft. Das Eis muss ganz tief im Container verschwinden. Im Schlafzimmer riss sie ein Kleid vom Bügel und schlüpfte hinein.
Unten öffnete sie vorsichtig die Haustür, spähte zum Container und zuckte zurück. Im Kegelschein einer Straßenlampe stand ausgerechnet Herr Simmer, der verhasste dickwanstige Nachbar, der sie einmal als Knochenfrau bezeichnet hatte, vor dem randvollen Container und drückte mit seinen Fäusten auf einen Müllbeutel. Kein Platz mehr für das Eis.

Schwer atmend kroch Margitta die Treppe hoch. Sie war erschöpft, aber das Eis
musste weg, weit weg. Sie nahm ihre Handtasche, griff die Eispackung und verließ das Haus.
"Hallo?", rief Herr Simmer, "ist das zufällig Ihr Kater?" Gleich neben der Haustür hatte sich ihr Kater fauchend vor einem ihn unbeweglich fixierenden Pitbull in Angriffsstellung gebracht. Margitta eilte wortlos weiter Richtung Hauptstraße. Sie musste ein Taxi finden.
Eine Ewigkeit lang fuhr keines vorbei. Dann tauchte eine Kette gelb beleuchteter Taxischilder auf. Margitta hielt eines an und öffnete die Beifahrertür.
"Würden Sie bitte diese Eispackung wegfahren?"
Der Fahrer stutzte. "Wohin soll ich Sie fahren?"
"Nein, nur diese Packung, also vielleicht bis nach Bergedorf?"
"Ich versteh nicht, was Sie wollen? Steigen Sie doch erst mal ein. Wohin denn nach Bergedorf?"
Margitta seufzte.
Nach ein paar Minuten Fahrt, in denen sie fieberhaft nachdachte, wo sie das Taxi anhalten lassen sollte, um das Eis zu entsorgen, stieg ihr der Geruch von Himbeeren in die Nase. Vermutlich hatte sie nicht bemerkt, dass die Packung schon offen war und sie untersuchte sie. Sie zog den Deckel ab und danach ein Stück von der Klarsichtfolie, die als Schutz direkt über dem Eis klebte.
Der unbändige Himbeerduft vermengt mit Vanille und Sahnigem klebte sich in ihre Nase, die Lippen und den Gaumen. Sie musste einen Finger in die Eismasse stecken.
"Was machen Sie da? Bitte essen Sie hier kein Eis."
Ertappt zog Margitta ihren Finger aus ihrem Mund.
"Haben Sie einen Löffel für mich?"
"Wie bitte? Ich bin doch keine Eisdiele. Da drüben ist ein Imbiss, da können Sie fragen."
"Dann halten Sie da", sagte Margitta und hatte mit der freien Hand bereits die Tür geöffnet, bevor das Taxi angehalten hatte.

 

Hey lakita,

"Was soll ich machen", sagte sie, "jetzt, wo du hier im Krankenhaus liegst, kannst du das Himbeereis nicht essen."
Hier hatte ich das Gefühl, dass geht zu sehr an den Leser. Also das Krankenhaus.

Bei dem Anfang bin ich übrigens schwer ins Schleudern gekommen, wer wer ist. Ich dachte erst Margitta liegt im Krankenhaus, wegen ihrer Magersucht und wird von ihrem Mann besucht. Vielleicht könntest du da eine kurze Beschreibung einfügen, dass er im Bett liegt und sie daneben sitzt oder so. Jetzt bleibt das rechtlange mehrdeutig. Aber kann sein, dass es nur mir so geht.

"Hör auf! Du setzt mich unter Druck. Der Hanel arbeitet nach Tabellen und Formeln. Individuen gibt es für den nicht."
Also die ersten zwei Sätze finde ich da toll. Das ist so ein verschanzen hinter Lehrmeinungen: keinen druck ausüben. Die letzten beiden Sätze schwächen das für mich schon ab. Vielleicht den Anfang für sich stehen lassen.

Was ich auch gut fand, dass es die ganze Krankenhausszene nur ums Essen geht und überhaupt nicht um seinen Herzinfarkt. Immer Essen, essen. Und essen gehen bei Antonio. Das zeigt gut den Fokus ihrer Gedanken, dieses ewige Kreisen, um das gleiche.

Rechts aussen kam zum Schluss dran, dort legte sie alle Scampi ab. Links unten waren die Pommes, die aß sie langsam, nach jedem Kartoffelstück wartete sie eine Weile. Das Gemüse dazwischen durfte sie erst anrühren, wenn sie alle Kartoffeln gegessen hatte.
Würde sie nicht eigentlich das Gemüse essen: Weil das ja viel weniger Kalorien hat als die Pommes. Oder ist das quasi ihr Rehabilitierungsprogramm: Ich esse das fettige zu erst, dann das gesunde? Dazu würden das Wassertrinken aber nicht so passen.
Das ist aber jetzt kein großer Kritikpunkt, sondern ich frage nur, weil ich mich das selbst gefragt habe. Kann auch einfach, die Ambivalenz der Figur sein. Wenn das so beabsichtigt ist, passt es so.

Helga kannte das. Margitta ging fünfmal mehr am Tag auf die Toilette als sie und all ihre Freundinnen. Das konnte man ihr nicht vorwerfen. Trotzdem war es nervig. So wie es Folter war, ihr beim Essen zuzusehen. Hatte sie das Recht, dies zu kritisieren?
Hier springst du für mich in der Perspektive.
Eigentlich bist du die ganze Zeit bei Margitta und da ist es Helga. Eigentlich bin ich niemand, den solche Sprünge sonderlich stören. Aber anmerken schadet ja nicht.

Das Eis darunter war geschmolzen.
Hier hab ich gedacht, wieso? Hab ich was überlesen? Das Eis lag doch im Gefrierfach, oder nicht?

Also die Geschichte ist nicht schlecht geschrieben, aber so richtig warm geworden bin ich damit auch nicht. Du zeigst halt eine Frau, die unter Anorexia leidet. Aber mir fehlt da ein bisschen das besondere, das neue. Ich hab mal eine Geschichte zu dem Thema gelesen, da hat das Mädchen immer farbige Sachen wie Heidelbeeren am Anfang einer Fressattacke gegessen, um später zuwissen, wann sie aufhören kann mit dem kotzen. Sowas hat mir bei deiner Geschichte ein wenig gefehlt, dieses eigene Detail, der neue Blickwinkel. So läuft das bei mir ein bisschen unter: Noch ne magersucht-geschichte. Was wirklich schade ist. Weil ich mir sicher bin, dass das Thema noch viel zu bieten hat, und das du das auch umsetzen kannst.
Was eine Möglichkeit wäre, dass mit dem Herzinfarkt noch stärker ausspielen und das ganze einfach länger machen. Dieser krasse Gegensatz, dass der Mann im Krankenhaus liegt und fast gestorben wäre, aber alles geht immer noch ums essen. Das ist doch der eigentlich interessante Teil der Geschichte, daraus kannst du viel mehr machen. Das Essengehen mit der Freundin ist dagegen viel schwächer. Wenn du dagegen den Fokus etwas anders setzen würdest, wäre das wirklich spannend und neu. Dann hättest du deine "Heidelbeeren" mit drin.
Ich weiß, das führt jetzt wieder arg weit weg von deiner Geschichte. Aber ich denke, es würde nen Versuch lohnen. So bleibe ich halt mit dem Gefühl zurück, da wäre mehr drin gewesen.

Ich hoffe, du kannst damit was anfangen.

Gruß,
Kew

 

Tag lakita,

Himbeereis, da klickt es schon vor dem click ins Alltägliche. Besonders dieser Sommertage. Und schon findet man sich wieder an der Bettkannte böser Zivilisationsgebrechen, Herzinfarkt und Bulimie, von wegen lecker Eis, da hilft auch der Besuch bei Antonio um die Ecke wenig, was sind das bloß für Zeiten!

Der Handlunsstrang deiner Geschichte beginnt da, wo wir alle nicht so gern hinwollen, an ebd. Bettkannte und auch ich verhedderte mich auf der Infarktstation in der Dialogzuordnung. Bei aller sonstigen handwerklichen Fertigkeit des Textes, braucht´s hier etwas Klarheit, sonst bedroht lästiges Dialogzuordnungsraten den Flutsch des Lesers, der, wie ich hiererorts zunehmend feststelle nur allzu oft herummeckert, dass es ihn mal wieder rausgehauen hat, auch eine Art der Brechsucht, die nicht immer auf die Qualität eines Textes schliessen lässt, ich schweife..

Es ist schon ein wenig erheiternd, wie sehr das Himbeereis die Szene im KH durchwirkt, angesichts solcher Begebenheiten wie eines knapp überlebten Infarkts, aber gelogen und verdrängt wird viel im Umfeld schwerer Leiden, und die Kg heisst ja auch nach der Beere.
Dann gehts zum Italiener und uns wird die vertuschende Handlungsweise Magersüchtiger an die tollen Scampis kredenzt, ehe wieder Himbeeren in den Dialog gestreut werden und das Finale dann daheim per Himbeereisbombe bestritten wird, wobei eine gut befütterte Hauskatze mit einem Fußtritt aus dem showdown befördert wird, welchem ein Komma fehlt:

Und dann sackten ihre Beine weg, ihre Hände rutschen von der Tischkante KOMMA und sie schlug der Länge nach auf die Küchenfliesen.

Ich muß bekennen, dass ich diese Story nach dem ersten Lesen zwar nicht erbrochen habe, aber währenddessen auch nicht verschlungen. Ich fragte mich: Warum eine solche Geschichte? KH, Italiener, Daheim, Zivilitasionsleiden - Himbeereis. Ich las sie dann noch mal und fand sie dann "okay", ihres Titels und, naja, Margittas Katze wegen.

Hier noch ein , :

Zum Vorschein kam die Schutzfolie KOMMA und aufstöhnend nestelte Margitta an dem winzigen

Gruß
7miles

 

Liebe lakita,

mir hat es grade einen schon längeren Kommentar an dich zerfatzt, weil ich auf eine falsche Taste geraten bin. Mist.

Jetzt halt noch mal in Kurzform:
Das Himbeereis ist eine Bedrohung für Margitta, denn sie liebt es, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. Nun ist Wieland nicht da, der nur schon durch seine Anwesenheit vermeiden würde, dass sie es aufisst.
Der Leser erfährt, dass nur noch zwei Kilo bis zum Kollaps oder ähnlichem fehlen, die sind natürlich schon unten, denn der Ring rutscht.
Prompt nimmt dann das himbeerfarbene Schicksal seinen Lauf.

Wiegand und Helga sind mir zu gleichgültig. Wiegand ist ganz weit weg von seiner Frau - sonst hätte er ihr mal gesagt, dass das Gequatsche über das Essen nervt.
Helga ist ihre Freundin - und weiß aber nicht, dass sie (offiziell) nie was Süßes ist? Die zwei Charaktere sind mir zu oberflächlich gezeichnet. Vielleicht war das auch Absicht?

Nun ja, mir geht es ein Stückweit wie Kew. Da fehlt ein neuer Aspekt, ich hatte nicht das Gefühl, dass mir die Geschichte etwas Neues gibt. Anfangs dachte ich erst, Margitta hat es an den Nerven, oder ist plemplem und/oder schon sehr alt (ich stellte mir eine Dame über 80 vor) , da der Dialog sehr humorig auf mich wirkte - auch mithin, weil Wiegand so teilnahmslos damit umging.

Die Beschreibung des umständlichen Essens wurde mir auch nicht ganz klar - ist das eine Manie oder hat das auch pragmatische Aspekte?

Die Geschichte ist handwerklich gut geschrieben, aber inhaltlich ist mir nicht so ganz klar, wo du den Reiz gesucht/gefunden hast, sie so zu schreiben.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Liebe lakita,
eine sehr ungewöhnliche Sommeralltagsgeschichte. Und leider Gottes dann doch nicht so ungewöhnlich.

Es gibt ganz viele Stellen, die mir gefallen. Als Beispiel, möchte ich ganz besonders betonen, wie du Margittas Umgang mit den verschiedenen Essenssachen herausgearbeitet hast. Das gefiel mir. Da sind auf der einen Seite all die normalen zerschneidbaren Essenssachen, wie das Gemüse, die Pommes, die Scampi usw. Da hat sie durch das Zerschneiden und das Platzieren der Stückchen auf dem Teller einen Umgang mit der Nahrung gefunden. Sie händelt sie, macht sie bewältigbar, so, dass sie nicht die Oberhand gewinnen, über sie, die Esssüchtige. Aber das weiche, schlüpfrige Eis, noch dazu so angeschmolzen, das kann man nicht so schön händeln. Und das weiß sie, und deswegen setzt ihr das blöde Eis die ganze Zeit zu, als wäre es der Erzfeind. Das Weiche Sahnige, das kann sie nur verschlingen und hat prompt schon verloren. Also das so zu machen, das gefiel mir sehr, könntest du von mir aus rihig noch ausbauen, aber ich bin da vielleicht auch immer ein bisschen aussschweifend.

Insgesamt aber geht es auch mir so, dass da noch was fehlt. Ich will mal versuchen, das genauer zu fassen.

Zum Einen ist mir sehr stark aufgefallen, dass du in deiner Geschichte praktisch nur zeigst. Also Dialoge und kameramäßiges Präsentieren ihrer, also Margittas, Reaktionen. Das wolltest du bestimmt auch so. Und dennoch habe ich mir gewünscht, (aber das wünsche ich mir auch manchmal bei anderen Geschichten, deshalb weiß ich nicht, ob das nicht auch Geschmackssache ist, ) dass da ein paar ihrer Gedanken vorkommen. Ich finde halt immer, dass die Kombination aus dem Zeigen des Verhaltens und den Gedanken der Protagonisten ganz besonders gut funktioniert. Oder anders herum, die Gedankenwelt der Protagonisten unterscheidet die Literatur ja vom Film und warum soll man sich diese einzigartige Möglichkeit des Wortes nehmen?
Und damit komme ich zum zweiten Punkt, mir fehlt hier zu sehr ihr innerer Kampf, du beschreibst sehr stark, wie sie diesen Kampf verliert gegen das weiche klebrige Eis und alles in sich hineinschlingt. Das ist toll gemacht. Und wie sie vor dieser Wand steht und es gibt nichts außer ihr und der Wand. Dieses blöde Eis bestimmt ja so sehr ihr Denken, dass nichts anderes mehr Platz hat, noch nicht mal ihr todkranker Ehemann. Aber bevor sie sich über das Eis hermacht, da wär für mich der Ort, wo etwas prozessmäßig mit ihr passiert, dass sie das Eis anstarrt, mit sich selbst spricht, ich hab keine Ahnung, was man da macht, aber vielleicht verstehst du, worauf ich rauswill.

Zu den Dialogen am Anfang, die die anderen schon moniert haben, möchte ich sagen, dass es mir zwar nicht so ging wie 7miles und Kew, ich konnte die Personen schon zuordnen, aber trotzdem fehlte mir ein bisschen der Schauplatz, der background und die Aktion der beiden Sprechenden. Also mehr sowas wie diese Stelle hier:

"Mein ich." Wiegand ergriff ihre Hand und befühlte ihre knochigen Finger. Die Haut fühlte sich wie Pergament an. Der Rubinring, das einzig Schwere an dieser federleichten Hand, rutschte von ihrem Finger.
Von daher trifft sich das dann doch wieder mit dem Eindruck der beiden anderen, da doch ein bisschen informativer zu werden.
Hinzu kommt, dass du da noch ein bisschen diese Selbstbezogenheit der kranken Frau zeigen könntest, das ist ja eine Wahnsinnsidee, dass der herzkranke Mann, der grad mal dem Tod von der Schippe gehüpft ist, sich mehr Sorgen um seine Frau macht, als um sich selbst. Was ist das denn für eine Beziehung?
Verstehst du, das hast du ordentlich Komfliktpotential drin, aber es ist nicht eingelöst. Der Ehemann bei dir hat sich mit seiner Rolle schon längst abgefunden, aber auch das könnt man noch ein bisschen ausreizen.
Also ich habe jetzt auch keine Ahnung, in welche genaue Richtung ich gehen würde, ich will einfach sagen, dass du da noch eine ganze Menge mehr an Zündstoff gelegt hast, als man auf den ersten Blick denkt.

Dann ist mir bei deinen Dialogen etwas aufgefallen, was ich auch oft mache. Nämlich diese Anreden.
Ich habs nie kapiert, warum das nicht so gut kommt, aber ich denke, ich weiß es jetzt. Das wirkt künstlich. Weil die Leute sich gar nicht dauernd mit dem Namen anreden, wenn sie miteinander sprechen. Vielleicht macht man das als Autor, weil man sich selbst nicht über den Weg traut und denkt, die Leser würden die Leute sonst nicht auseinanderhalten können?
Lass mal bei deinen Dialogen hier diese häufigen Anreden weg, ich finde, das wirkt gleich besser und du erkennst die Leute auch nicht schlechter als vorher. Und wenn man will, kann man ja so eine Handlung der jeweils sprechenden Person einbauen. Hat mir Fliege mal den Tipp gegeben, ich find den total gut.

Helga beobachtete verstohlen Margittas Seziererei.
Mit dem letzten Bissen, den Margitta in ihren Mund beförderte, hob sie den Kopf und strahlte Helga fröhlich an.
Hier hast du tatsächlich den Perspektivwechsel drin, ist nicht schlimm, aber ich fände es stärker, wenn du Margitta dieses Beobachtetwerden merken lässt, also weiter aus Margittas Sicht schreibst und ihr Ausweichen, ihre Unruhe, weil sie beobachtet wird, zeigst. Das hat den Vorteil, dass du dich nicht der Frage stellen musst, warum die langjährge Freundin das alles nicht merkt, sondern kannst dich auf das Forschende der Freundin konzentreiren. Und dass das Margitta hektisch macht. Sie muss doch unangenehme Fragen oder gar Nachhaken befürchten.

Margitta nickte kräftig, ohne aufzublicken, während sie ihre Speisenaufnahme akribisch fortsetzte.
Das find ich zu alllgemein audgedrückt, zu beschreibend. Du hast das vorher so schön beschreiben, wie sie alles in diese kleinen Winzstückchen schneidet und es stapelt und einteilt, davon hätt ich mir auch hier noch mehr gewünscht.

"Ich mach dir gleich das tollste, leckerste, größte Futter der Welt zurecht. Du kannst gleich essen, bis du platzt, mein Katerchen."
Auch das ist eine geile Idee, wie selbst der Kater von ihre Krankheit eingebaut wird. Alle um den Kranken sollen essen, essen, essen. Sogar ein armes Katerchen.
Und dass sie dann den Kater versucht so rauszuschubbern, wenn das Eis sie in ihrer Gewalt hat, das fand ich auch gut. Da könnst sie von mir aus ruhig noch aggressiver sein.

Ja ich finde auch, dass da noch viel mehr drinsteckt in deiner Geschichte.

Ich wünsch dir noch ein schönes Wochenende, lakita und viele Grüße

 
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Hallo Kew,

lieben Dank für deine Kritik.
Ich habe den Anfang etwas mehr lesetauglich umgeschrieben und hoffe, dass jetzt niemand mehr ins Schleudern wegen der wörtlichen Rede gerät.

Bei den beiden Sätzen, die du als "zuviel" empfunden hast, gehe ich einen Kompromissweg und habe den letzten gestrichen. Von mehr mag ich mich momentan nicht trennen. Aber meist geht es mir so, dass ich nach gehörigem Zeitabstand meine Texte unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten vermag.

Die Szene im Restaurant war mir wichtig, weil ich Margitta nicht so eindimensional anlegen wollte. Es dreht sich nicht nur die ganzes Leben ums Essen, ob nun für sich oder für andere, sondern sie isst auch, aber sie erlaubt sich nicht, genussvoll zu essen. Sie muss Regeln einhalten. Oder anders gesagt, wenn sie schon isst, dann muss es kontrolliert geschehen.

Den Perspektivwechsel habe ich rausgenommen und auf Margitta umgeschrieben. Du hast mit deiner Anmerkung vollkommen Recht.

Für deine sog. Eisfrage, weshalb es schon geschmolzen ist, kann ich im Moment keine Lösung anbieten. Ich dachte, es sei das Telefonat genügend lang, um in der Zwischenzeit das Eis zu verflüssigen.
Vielleicht fällt mir noch eine elegante Lösung ein, denn in einem Punkt stimme ich dir unumwunden zu: wenn ein Plot anfängt unlogisch zu werden, ist das ein Punkt der unbedingt in Ordnung gebracht werden muss.

Und nun zum Wichtigsten:
Ich kann jeden Satz deiner Kritik zur Geschichte nachvollziehen.
Für Personen, die sich bereits mit der Magersucht/Bulimie auseinander gesetzt haben, bietet dieser Plot wirklich nicht genug. Die "Heidelbeeren" ( :D könnte man glatt zum geflügelten Wort küren) fehlen hier eindeutig und mir fehlt eine zündende Idee, die Geschichte mit mehr Esprit zu füllen.

Ich glaube, es liegt daran, dass ich selbst immer noch in dem Zustand des Entsetzens über diese Erkrankung bin und jedes Detail ihrer Auswirkungen mich beeindruckt. Unter meinen besseren Bekannten befindet sich so eine Frau.
Ich war damals schockiert als ich von ihr hörte, ihr Ehemann sei im Krankenhaus und sie im gleichen Atemzug fragte, was sie nun mit den ganzen Lebensmitteln tun solle.
Ich kann dieser Geschichte wohl erst dann mehr Gehalt und Sinn geben, wenn ich eine andere Sichtweise zu dieser schweren Erkrankung bekomme.
Aber, wie schon oben gesagt, ich verstehe deine Kritik und somit den Wunsch nach "Heidelbeeren".

Lieben Dank für deine erklärenden ausführlichen Worte.


Hallo 7miles,

ich habe die Dialogpassagen ein wenig lesetauglicher umgeschrieben. Hoffe, das reicht. Ich fürchte mich immer davor, dass jemand kritisiert, ich würde den Leser für völlig bekloppt halten, wegen all der Regieanweisungen, die er von mir erhält.
Ich hoffe, ich habe es jetzt weder unter-, aber vor allem nicht übertrieben.

: Warum eine solche Geschichte? KH, Italiener, Daheim, Zivilitasionsleiden - Himbeereis. Ich las sie dann noch mal und fand sie dann "okay", ihres Titels und, naja, Margittas Katze wegen.
Du triffst den Hauptkritikpunkt dieser Geschichte.
Deine Frage deckt sich mit denjenigen von Kew und bernadette und ich bitte dich meine Antwort auf Kews Kritik dazu zu lesen.

Was ich aber nicht ganz verstehe, es sei denn, es war nur scherzhaft gemeint, ist deine Bemerkung, dass du die Geschichte wegen des Titels und der Katze ok gefunden hast.

Auf jeden Fall danke ich dir sehr für dein Feedback und deine kritischen Anmerkungen.


Liebe bernadette,


das kenn ich auch, dass Kritiken durchs Klicken auf die falsche Taste weghuschen und nicht mehr rückzuholen sind. Das ist zum in die Tischkante beißen. Danke, dass du trotzdem nochmals angesetzt hast. Das weiß ich deswegen besonders zu schätzen, weil ich in solchen Situationen meist dazu nicht mehr in der Lage bin, vor lauter Enttäuschung über die verlorene Arbeit.

Danke für deine Kritik.

Ich habe Kew schon dazu geantwortet und verweise darauf. Ich fürchte, ich kann der Geschichte nicht mehr Tiefe verpassen.

Was mir allerdings auffiel, nachdem ich die drei Kritiken gelesen habe, ist die Kühle mit der ich die Protagonistin beschreibe. Ich habe den Text insoweit versucht, etwas zu verändern und hoffe, es ist mir gelungen, sie ein wenig näher heran zu holen. Jemand, der an dieser Krankheit leidet, kann dafür so wenig wie jemand, der sich das Bein gebrochen hat.

Ich wollte darstellen, wie allumfassend so eine Krankheit jemanden in Beschlag nimmt. Selbst der schwere Herzinfarkt des Ehemannes vermag daran nichts zu ändern.

Wie ich schon Kew mitteilte, sehe ich ein, dass dies für den Leser eindeutig zu wenig Motiv ist.
Für mich ist das eine wichtige Erfahrung, weil es mir gewiss für zukünftige Geschichten einen kritischeren Blick darauf abfordern wird, ob das, was ICH für schreibenswert halte, auch wirklich das Interesse des Lesers wecken kann.

Herzlichen Dank für deine Kritik.


Lieben Grüße an euch


lakita


Nachtrag:

Liebe Novak,


während ich auf die ersten drei Kritiker antwortete, warst du fleissig. Ich füge jetzt meine Antwort an dich, einfach hier mit ein und nehme dafür kein Extrakästchen.

Zunächst habe großen Dank für deine ausführliche Kritik und die ganzen Anregungen, die ich von dir erhalte.
Du bringst mich an manchen Punkten zum Nachdenken und ich habe auch auf manches noch keine richtige Antwort.

Der Gedanke, dass man in der Literatur ja ganz im Gegensatz zum Film die Möglichkeit hat, die Gedanken der Beteiligten zuzufügen muss von mir noch eine Weile im Kopf bewegt werden.
Da ist etwas dran.
Wenn ich Romane lese, da wird jede Menge Gedankengut der Protagonisten eingestreut und das Gebot "Show, don't tell" wird ununterbrochen unterlaufen.
Oft empfinde ich das als billiges Hilfsmittel des Autoren, dem es eben nicht gelungen ist, nur mit dem, was er mich sehen lässt, die Stimmungen, Gefühle und geheimen Gedanken der Personen aufleben zu lassen.
Ich glaube, ich muss noch mehr darauf achten, wie das auf mich wirkt. Mir fällt es meist nur dann auf, wenn es mich stört, dass mir plötzlich der Autor die Regieanweisung erteilt und mitteilt, was seine Romanfigur denkt.
Ich danke dir sehr für deine Anregung. Ich werde mich garantiert damit befassen.


Zu deinem Hinweis, dass ich ein wenig mehr deutlich machen könnte, wer gerade spricht, kann ich nur mitteilen, dass ich den Text schon geändert habe. Aber das konntest du nicht wissen, das hat sich komplett mit deiner Kritik überschnitten.

Ich habe sogar versucht, Margitta mehr Leben einzuhauchen.

Den Perspektivwechseln habe ich auch eliminiert und Helgas Status als Freundin entfernt, so dass keine Logikfehler auftreten können in Bezug auf ihr Wissen über Margitta.

Vielleicht reicht dir das schon?


Der Punkt mit den Anreden ist in Arbeit. Ich bin deiner Meinung und habe sofort hochgescrollt und mal geschaut, was man da alles weglassen könnte. Jetzt habe ich aber das Problem, dass ich nicht weiß, an welcher Stelle ich die Namen einführe, denn so ganz ohne ihre Namen? Ich weiß nicht, ob das funktioniert.
Bevor ich also alles tilge an Anreden muss ich mir erst dazu Gedanken machen, wie ich die Namen reinbaue, ohne dass es künstlich wirkt. Also an diesem Punkt arbeite ich gleich.

An der Stelle, an welcher ich aufhöre, quasi die Kamera auf sie zu halten, muss ich mal schauen, wie ich das umformulieren kann. Klar macht es Sinn, in diesem Punkt einheitlich zu bleiben in der Darstellung. Das werde ich also noch ändern.

Während die drei ersten Kritiker meinen, es fehle in der Geschichte Entscheidendes, sagst du, es stecke mehr in ihr drin.
Da gibt es eine gewisse Schnittmenge in euren Ansichten.

Ausführlicher wollte ich nicht werden, fand es schon fast zu umfangreich, aber ich verstehe trotzdem gut, was du meinst.

Um noch mehr Selbstbezogenheit Margittas zu zeigen, muss ich mehr Abstand zur Geschichte haben. Vielleicht gelingt mir später eine Intensivierung. Es ist richtig, dass ich die Beziehung der beiden nicht nutze, weil er eher eine Statistenrolle hat, auch da muss ich nachdenken, ob das noch konfliktbeladener werden kann.
Ich wollte den Ehemann jedoch allein schon wegen seiner schweren Erkrankung nicht kriegerischer werden lassen, aber erst recht, weil er sich abgefunden hat mit dem ewigen Dilemma seiner Frau.
Meine Antwort soll aber keine Rechtfertigung sein, ich ahne, dass ich das unter Beibehaltung meiner Grundidee dennoch mit viel mehr Brisanz versehen könnte.
Ich hoffe, ich finde dahin.

Manchmal rutscht mir so eine Geschichte auch einfach aus dem Kopf und lässt sich nicht mehr formen. Das allerdings sage ich schon vorbeugend zu meiner Entschuldigung, falls es mir nicht gelingt, die Geschichte besser auszuloten.

Ich freue mich, dass du so viel in der Geschichte gesehen hast. Das ist mir Bestätigung.
Herzlichen Dank für deine konstruktive Kritik mit der ich viel anfangen kann.

Dir und allen anderen ein schönes Wochenende

Lieben Gruß

lakita

 

Liebe lakita,

handwerklich, das heißt, sprachlich und erzähltechnisch ist deine Geschichte sehr solide, und Zuordnungsprobleme hatte ich keine. Inhaltlich konnte sie mich allerdings nicht überzeugen. Nach den ersten wenigen Absätzen war ich mehr damit beschäftigt, dem Text das unbewusst aufgeklebte Etikett »Betroffenheitsliteratur« wieder abzuschaben und mich zur Unvoreingenommenheit zu ermahnen, dennoch hatte meine Empathie die Handbremse angezogen wie auf einem 25%-Gefälle. Das tut mir leid, aber vielleicht fehlt dem Text ja wirklich einen Hauch Augenzwinkern oder derlei.

Auf logischer Ebene sind mir zwei Details aufgefallen:

  • Wie schon angemerkt wurde, das Eis hatte in der Tat bei so einem kurzen – d.h. kurz wirkenden – Telefonat gar keine Zeit, auch nur an den Rändern zu schmelzen. Wobei ich das allerdings kaum wissen kann, so nie ich Tiefkühleis selbst esse. Habe mich bloß gewundert. Hast du auch überlegt, ob nicht mehr Zeit vergehen könnte, sagen wir eine Stunde, während der sie durch die Wohnung und um das Eis herumappetiert und sich der aufkommenden Fressattacke zu erwehren sucht? Sie könnte das Eis auch in die Spüle stellen und brühheißes Wasser anstellen, sich dabei in einem Weinkrampf ergehen und just mit der Überlegung, dass das Eis nur mit Magensäure versetzt bestimmt keine Ratten aus der Kanalisation anlocken würde ... das wär doch konsequent überlegt von einem Verstand, der im Suchtkartell zwischen den Ohren Komplize spielen muss. Sicher ist Drama bei einer solchen Thematik durchaus mit Vorsicht zu genießen, dennoch denke ich, dass, wenn dir der Ansatz mit dem Augenzwinkern schon nicht zusagt, eine solche Wendung der Geschichte zu Gute käme.
  • Auf die Gefahr hin, dass ich hiermit eklatantes Un-/Halbwissen zur Schau stelle, allerdings habe ich mich auch etwas aufgehangen an dem Ring, der ihr vom Finger rutscht, fand das intuitiv komisch und habe darüber nachgedacht, so à la Haarspalterei zum Frühstück: Kann es sein, dass die Margitta eine eher adipöse Vergangenheit hat? Wenn das so ist, vermisse ich an Hintergrund, wie es zur Entstehung der Bulemie über die Zeit gekommen ist. Wie ich darauf komme: Nur bei extremen »Wurstfingern« mag der Umfang der Fingerglieder den der Fingerknöchel derart übersteigen, dass es bei Gewichtsabnahme zu dem Phänomen kommt – vermute ich, während ich so meine eigenen schlanken Finger betrachte und mir dickere vorstelle. So fänd ich es näher liegend, wenn Margitta ständig den Rubinstein nach oben zurückdrehen muss, nachdem er dem Gesetz der Schwerkraft gehorcht und an ihren dünnen Fingern keinen Halt findet.

-- floritiv

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo floritiv,

herzlichen Dank für deine Kritik, die mir hilft, vielleicht aus der Geschichte mehr zu machen.
Wie schon alle Kritiker vor dir, da seid ihr euch unisono einig, gehst auch du darauf ein, dass der Geschichte etwas fehlt.

Und in diesem Zusammenhang finde ich deine Vorschläge, die sog. Eisszene auszubauen, gar nicht mal übel. Ich werde darüber nachdenken, ob ich nicht mehr dazu schreiben könnte. Im Grunde genommen passiert am Ende nichts, was der Leser nicht sowieso erwartet, nicht wahr? Das ist der Anfang von Langweiligkeit, denn als Leser, möchte man ja gerade nicht in vertrauten Gefilden dümpeln.

Es müsste also etwas sein, was nicht in das Schema passt, über das, was der Normalbürger über Magersucht und Bulimie weiß. Also etwas Ungewöhnliches, Überraschendes.
Darüber muss ich nachdenken.

Insoweit danke ich dir sehr, dass du ein kleines Türchen in meinem Kopf öffnen konntest, wobei sicherlich auch die Vorkritiker schon an genau dieser Tür gerüttelt haben. :D

Die Sache mit dem Ring werde ich ändern. Du hast es schon richtig gesehen, Margitta ist bereits schon an der äußersten Kante des Untergewichts angekommen, noch 2 Kilo und sie würde ins Krankenhaus müssen. Der Ring ist garantiert immer schon an ihrem Finger runter gerutscht.

Die Sache mit dem Eis, du bist jetzt der zweite Kritiker, der es anmerkt, erledigt sich automatisch, wenn ich diese Szene ausbaue. Nur zu deiner Info sei aber mitgeteilt, dass diese aus der Gefriertruhe stammenden Eissorten seltsamerweise total schnell weich werden. Keine Ahnung was die da reinmurksen, aber man kann bereits sofort Eis entnehmen und beinahe dabei zusehen, wie es immer weicher wird. Bevor es allerdings wirklich zur Eissuppe aufgetaut ist, vergeht schon noch eine kleine Zeiteinheit.
Danke für deine Hinweise.

Fröhlichen Sonntag

lakita


Winziger Nachtrag: Dass mit dem Ring habe ich schon geändert, war ja nur eine kleine OP. ;)

 

Hallo lakita!

Nur gut, dass die Geschichte nicht „Schokoladeneis“ heißt. In dem Fall wäre ich wohl zwischendurch nach nebenan ins Eiscafe gegangen.
Dagegen ist Himbeereis Margittas große Schwäche, was man aber erst ganz zum Schluss erfährt – dazu weiter unten mehr.

Ihr Gespräch mit Wiegand bringt hervor, dass Margitta unter Essstörung leidet. Ich habe das Gefühl, es ist ihr egal, welches Gericht sie bei Antonio bestellen wird. Nur um Wiegand zu beruhigen, zählt sie irgendwelche Speisen auf.

Und immer wieder ihr Hauptanliegen: Wie werde ich das Himbeereis los? Um das Problem zu lösen, gibt Margitta alles, aber es will ihr nicht gelingen. Das nimmt im Laufe der Handlung schon lustige Züge an.

Im Lokal sortiert sie ihr Essen auf dem Teller. Da ich mit dem Thema Magersucht nicht vertraut bin, weiß ich nicht so recht, warum Margitta es tut. Ist das Sortieren eine dem Krankheitsbild begleitende Manie, ist es lediglich Verzögerungstaktik oder hat das Sortieren und das anschließende Essen nach einer festen Reihenfolge kotztechnische Gründe? etwa so, wie das Trinken von zehn Bechern Wasser vor dem Essen.

Zuhause angekommen, gibt sie ihrem Kater das tollste, leckerste, größte Futter der Welt. Da fällt mir ein: Sie wollte Wiegand mit Torte „füttern“ – was ich bei einem Herzpatienten seltsam unpassend finde – und Helga zu einem Dessert überreden. Ist dieses Füttern eine Art Ersatzhandlung?
Margitta spricht auch fast nur übers Essen. Andere Themen sind für Margitta anscheinend uninteressant. Es sei den, die Wertung „Sie plauschten über belanglose Themen“ ist die der Erzählerin.


Ja, dann endlich die Begegnung mit dem verflixten Himbeereis. Showdown – den find ich sehr gelungen. Und Überraschung: Das Eis gewinnt. Margitta kommt nicht einmal dazu, sich vorzubereiten.
Warum sie dann umkippt, ist mir nicht klar. Folge ihrer Unterernährung oder Zuckerschock? Oder hängt beides zusammen? Vielleicht kann so ein entwöhnter Körper auf eine große Menge Zucker nicht mehr naturgemäß reagieren.

Den Bogen in der Geschichte, von der Lüge „ich mag kein Eis“ bis hin zur Wahrheit, ist sehr gut gemacht. Überhaupt zeigt die Geschichte durch Margitta, dass Magersüchtige genauso lügen, um ihre Sucht zu verbergen, wie Spiel- und Drogensüchtige. So habe ich auch den leisen Verdacht, dass auf Margittas „schwarzer Liste“, entgegen ihrer Behauptung, Dinge stehen, die sie mag, die ihr also „gefährlich“ werden könnten.

Die Geschichte bietet interessante Einblicke auf unterhaltsame Weise. Hat mir sehr gefallen.
Für Unkundige bleiben Fragen offen, aber ich fürchte zugleich, ein Zuviel an Antworten machten aus der Geschichte einen Erklärbärtext. Das wäre schade.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,

hach du meine Fresse! :D

Während ich mich um ein neues, vielleicht interessanteres Ende bemühe, lobst du diese Geschichte?
Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Geschichten aufgenommen werden.
Deine Fragen zum Thema Magersucht/Bulimie sind berechtigt, können aber, wie so oft im Leben nur so beantwortet werden:

Es gibt nicht nur das eine einzige Verhalten bei diesen Erkrankungen. Es gibt weder dir nur Magersüchtige, die straight nur jede Nahrung verweigert, egal wie das ihr gelingt und am Ende von Hungerportiönchen lebt, es gibt nicht nur die fressattackengepeinigte Überesserin, die am Ende immer alles auskotzt, es gibt alles Mögliche dazwischen. Gemeinsam ist allen Erkrankungen jedoch, dass man sich zwanghaft immerzu mit Essen beschäftigt, Kochrezepte sammelt, Kochorgien für Freunde veranstaltet, jede Menge über das Essen redet und so ist auch Margitta an Essen interessiert und kennt kein anderes Thema mehr.

Dein Hinweis, dass Helga und sie dann doch miteinander Belangloses plauschen ist wichtig für mich, denn genau das ist gar nicht möglich, es wird auch bei Belanglosem immer wieder nur ums Essen gehen. Ich werde den Satz noch ändern müssen.

Auf jeden Fall danke ich dir sehr für dein freundliches positives Feedback.

Ich habe ein neues Ende geschrieben und werde die überarbeitete Version
gleich mal posten. Vielleicht gefällt die insgesamt besser und wirkt etwas interessanter.

Lieben Gruß

lakita

 

sie kotzte seit Jahren kaum hörbar.

’s gibt schon seltsame Methoden, um unter die Erde oder zumindest auf den Küchenboden zu kommen,

liebe lakita

aus welchem Grund auch immer in einer vor Überfluss und zugleich überdrüssigen Welt. Grund genug, mal bei Dir vorbeizuschauen, wobei Asterix' Einlassungen durchaus gefolgt werden kann. Dass dann die Kleinkrämerseele auch noch'n bissken Futter bekommt, war nicht absehbar:

"Wiegand freut sich bestimmt, wenn er zurück kommt."
M. E. Zusammenschreibung beim „zurückkommen“

Rechts aussen kam …
Du hast doch diese Taste mit dem schönsten Buchstaben deutscher Zunge auf dem Schlüsselbund, pardon, der Tastatur:
„außen“
analog ziemlich gegen Ende
Füsse
„Füße“

"Ist das ok für dich, wenn ich rauchen gehe?"
Scheint sich SMS-Kürzel hier an Bord durchsetzen zu wollen: dieses „ok“ und ganz unten nochmals
– besser Okay/okay oder, wenn schon abgekürzt O. K./o. k.

Gruß & schönen Restsonntag vom

Friedel

 

hi lakita,

ich fand den einblick in die denk- und handlungsstrukturen einer essgestörten interessant und authentisch; ich würde mal behaupten, ich weiß etwas über bulemie oder magersucht, aber ich hatte noch keine kurzgeschichte darüber gelesen, was mich natürlich zu einem perfekten leser macht, der sich allein durch den einblick in diese fremde welt in irgendeiner art und weise vom text befriedigt fühlt. vorkommentatoren, die schon die ein oder andere geschichte mit dem thema gelesen haben kann ich verstehen, wenn ihnen allein dieser einblick nicht genügt, und sie mehr story oder spannung empfehlen. für mich hat's aber genügt und geklappt.
allerdings waren da ein paar stellen, die für mich nicht so funktioniert haben, z.b. was der mann so isst oder essen soll:

"Soll ich dir morgen ein Stück von deiner Lieblingstorte mitbringen?"
"Nein, lass mal. Die sorgen hier gut für alles."
Wow! Und zum Nachtisch? Eis? Da hattest du ja richtig Glück. War es lecker?
irgendwie wollte ich das nicht glauben. ein schwerer herzinfarkt, und dann gibt es eis als nachtisch und sie will ihm ein stück torte mitbringen? das ist doch gift für ihn.

"Ist noch unangebrochen. Wiegand isst dieses Eis immer, aber jetzt muss es weg."
"Wieso? Lass es doch einfach im Gefrierschrank."
"Das kann da nicht bleiben. Es stört mich."
"Wiegand freut sich bestimmt, wenn er zurück kommt."
spätestens da müsste die freundin irgendwie merken, dass die freundin irgendein problem mit dem eis hat, dass sie es weghaben will, aber nicht wegschmeißen kann. ein schwer herzkranker kann doch nicht mal einfach 'nen liter eis essen, wenn er aus dem krankenhaus kommt, dachte ich mir jedenfalls ...

"Wollen wir zahlen? Ich muss jetzt nach Hause, Kater Tom wartet und das Laufband."
ich finde, das fette hört sich zu sehr nach autor an. dass mit tom der kater gemeint ist, wird die freundin sicherlich wissen, und das laufband, mhm, wie gesagt, las sich für mich irgendwie zu sehr nach autor, der mir als leser nochmal klarmachen möchte, dass es sich hier um eine frau mit essstörung handelt.

Das Eis darunter war geschmolzen.
jo, das geschmolzene eis wurde ja schon einige male als logikfehler bemängeld, ich kann mich da nur anschließen.
Und dann sackten ihre Beine weg, ihre Hände rutschen von der Tischkante, und sie schlug der Länge nach auf die Küchenfliesen.
das ende war mir auch nicht ganz schlüssig. wieso bricht sie zusammen? weil ihre psyche zusammenklappt, weil sie den kampf gegen die lust nach essen verloren hat? oder weil ihr körper es biochemisch nicht mehr verträgt, diese große menge an glukose auf einmal aufzunehmen? ich erinnerte mich daran, dass nachdem die kzs in deutschland befreit wurden (ich weiß, ist vielleicht ein komischer vergleich, aber ich musste daran denken) die amerikaner den ausgemerkelten gefangenen zuckersäcke hingestellt haben, weil sie nichts anderes für sie zum essen hatten ... und viele gefangene sind daraufhin (tot) zusammengeklappt, weil da irgendetwas (was ich gerade nicht genauer beschreiben kann) biochemisches sich in ihrer verdauung nach der langen zeit des nichtessens gewandelt hat, dass ihren körper zum kollaps brachte, als sie große glukosemengen aufnehmen wollten ...

mir hat die geschichte gefallen, finde deine schreibe liest sich flüssig herunter, und den einblick in die persönlichkeit der frau fand ich interessant, besonders dieses gedankenkarussel, das sich ständig um das thema essen dreht, die vermeidungsstrategien, die klugen versuche, vor nahestehenden personen so dazustehen, als ob man essen würde ... fand ich gut.

grüße,
zigga

 

Hallo Friedrichard,

lieben Dank fürs Fehler raussuchen. Werde mich sofort an die Korrekturen machen.
Diese Schreibweise mit dem O.k., tja, da sträubt sich irgendwie mein Internethirn :D obgleich es schon richtig ist, dass der Duden eine andere Schreibweise erwartet.

Dein Hinweis hat mich allerdings auf die Idee gebracht, mal zu "wikipedien" und da ergab sich doch so einiges Ungereimtes.

http://de.wikipedia.org/wiki/Okay

Im Grunde genommen ist nichts ok, noch nicht mal der Ursprung ist geklärt, geschweige denn die wahre Bedeutung.

Ich muss schon sagen, das grenzt schon an ein kleines Wunder, dass diese beiden Buchstaben gleichwohl so häufig Verwendung finden, nicht wahr?

Hallo zigga,

ich wollte grad meine abgeänderte Version reinstellen, da kamen deine und Friedrichards Kritiken neu rein.

Auch dir herzlichen Dank für dein ausführliches Feedback. Es scheint fast so als würden heute Nachmittag die überwiegend positiven Kritiker an der Reihe sein. ;)

Ich habe mich gefreut, dass du auch als jemand, der Einblick in diese Erkrankungen hat, nichts groß zu bemängeln hattest. Dein Vergleich mit den KZs und dem Zucker ist zwar einer, der einen schlucken lässt, aber da ist etwas dran, dass eine plötzliche Überlastung des Kreislaufs, der ja zuvor auf absoluter Sparflamme läuft, durch ein Zuviel an Kalorien vom Körper kaum verkraftet wird.
An KZ musste ich leider auch immer denken, wenn ich die Frau aus meinem Bekanntenkreis nackt sah. Gerippeähnliche Arme und Beine, überall Knochen sichtbar und ein dagegen aufgebläht wirkender Bauch, der aber letztendlich nur deswegen so groß wirkte, weil die inneren Organe und Därme ja irgendwo bleiben mussten. Ich kann dich gut bei diesem Vergleich verstehen.

Das Ende habe ich umgeschrieben. Ich glaube, ich setze es jetzt einfach mal die neue Version in das nächste Kästchen. Deine Kritik , dass dir das Ende nicht ganz schlüssig vorkommt, ist vielleicht bei dem neu umgeschriebenen Ende eher zu akzeptieren.
Mein Fokus liegt auf der Niederlage, den die Protagonistin erleidet. Im Grunde ist für mich die Geschichte an dieser Stelle zuende.

Nochmals lieben Dank.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Dies ist die ursprüngliche Fassung.


Himbeereis

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"Was soll ich machen?", sagte sie, "jetzt, wo du hier liegst, kannst du das Himbeereis nicht essen."
Sie hatte ihren Stuhl so nahe an das Krankenbett ihres Mannes heran gezogen, damit sie seine leisen Worte besser verstand.
"Es liegt doch im Gefrierschrank", sagte er matt, "da kann es noch eine ganze Weile bleiben. Mach dir keine Sorgen."
"Meinst du?" Sie prüfte aufmerksam sein fahles Gesicht und hätte am liebsten einfach nur geheult.
"Mein ich." Wiegand ergriff Margittas Hand und betastete ihre knochigen Finger. Die Haut fühlte sich wie Pergament an. Der Rubinring, das einzig Schwere an dieser federleichten Hand, rutschte von ihrem Finger.
"Hast du wieder abgenommen?", fragte er, "der Ring sitzt so locker."
"Das tat er doch schon immer. Ich hab nicht abgenommen."
"Versprich mir, wenigstens ein bisschen zu essen, egal was. Du weißt, was Dr. Hanel gesagt hat. Noch zwei Kilo..."
"Hör auf! Du setzt mich unter Druck. Der Hanel arbeitet nur nach Tabellen und Formeln." Sofort tat es ihr leid, dass sie so laut geschimpft hatte.
Wiegand seufzte und fiel schwer zurück in das Kissen.
"Versprich es mir."
"Ich versprechs. Ich bin gleich mit Helga bei Antonio verabredet."
Er lächelte.
"Hm...Antonios Paella. Das wärs jetzt."
Sie strich ihm zärtlich über den Arm und fühlte sich so ohnmächtig, nichts für ihn tun zu können.
"Wenn du das alles hier überstanden hast, gehen wir zu Antonio. Aber was soll ich bloß mit dem Eis machen?"
"Iss es auf."
"Nein! Ich esse kein Eis, das weißt du doch."
"Ach, deine Liste ist so lang. Da kann unmöglich auch noch Eis draufstehen."
"Ich werde nachher bei Antonio Pulpo essen, mit diesen dicken Kartoffelstücken und der Mojo pikante."
Er betrachtete sie aufmerksam.
"Mach das", sagte er resigniert.
"Ich werde Helga fragen, ob sie das Himbeereis haben möchte."
"Ja, frag sie."
"Oder esse ich einen großen Salat, den mit dem Thunfisch und den Käsestückchen? Was meinst du?"
"Was macht unser Kater Tom, vermisst er mich?"
"Die ersten Tage ist er durch alle Räume, hat dich gesucht. Nachts hat er auf deiner Bettseite geschlafen. Wenn Helga das Himbeereis nicht möchte, kennt sie bestimmt jemanden, der es isst."
"Was machst du dir tausend Gedanken um das bescheuerte Eis? Von mir aus wirf es weg."
Sie schwieg betreten.
"Soll ich dir morgen ein Stück von deiner Lieblingstorte mitbringen?"
"Nein, lass mal. Die sorgen hier gut für alles."
"Bei Antonio gibt es auch die leckeren Scampi. Ich könnte die ja essen."
Er blickte in ihr Gesicht und tief einatmend sagte er:
"Hauptsache, du isst überhaupt etwas."
"Jaaa, mach ich doch. Ich muss jetzt."
Sie beugte sich über ihn und küsste ihn.
"Werd mir bloß schnell wieder gesund."


"Schön dich zu sehen." Margitta umarmte Helga.
"Erzähl, wie geht es Wiegand?"
"Die Ärzte sagen, er hatte Glück. So einen schweren Herzinfarkt überleben nicht viele."
"So schlimm? Wie lange muss er noch im Krankenhaus bleiben?"
"Keine Ahnung, haben sie nicht gesagt. Sag, hättest du für eine Packung Himbeereis Verwendung? Die liegt jetzt zu Haus im Gefrierschrank rum."
"Himbeereis?"
"Ist noch unangebrochen. Wiegand isst dieses Eis immer, aber jetzt muss es weg."
"Wieso? Lass es doch einfach im Gefrierschrank."
"Das kann da nicht bleiben. Es stört mich."
"Wiegand freut sich bestimmt, wenn er zurückkommt."
Margitta schwieg. Als der Kellner ihre Bestellungen aufgenommen hatte, ging sie zur Toilette. Sie holte aus ihrer Handtasche einen faltbaren Plastikbecher und ließ den Wasserhahn laufen. Stetig schob sie ihren Becher darunter und trank zehn randvolle Becher mit Wasser.
Das Essen kam zeitgleich mit ihrer Rückkehr zum Tisch.

Margitta teilte ihren Teller in Sektionen auf. Rechts außen kam zum Schluss dran, dort legte sie alle Scampi ab. Links unten waren die Pommes, die aß sie langsam, nach jedem Kartoffelstück wartete sie eine Weile.
Das Gemüse dazwischen durfte sie erst anrühren, wenn sie alle Kartoffeln gegessen hatte. Auch gab es ebenfalls eine strenge Reihenfolge: zuerst die Tomaten und am Ende die Maiskörner, jedes einzeln. Margitta achtete sorgfältig auf diese Regeln. Sie musste unbedingt diszinpliniert sein.
"Ich bin fertig und bei dir ist noch nicht viel vom Teller weg. Du hast keinen richtigen Hunger vor Sorge, nicht wahr?"
"Ich esse sehr langsam. Mir geht das Himbeereis durch den Kopf. Was mach ich damit?"

Helga lachte schallend und Margitta schaute von ihrem Teller irritiert auf. Sie zögerte. Dann lächelte sie.
"Naja, ich werde schon eine Lösung finden."
Sie senkte ihren Kopf wieder über den Teller. Helgas Weigerung, sie von diesem Himbeereis zu befreien, versetzte sie in große Unruhe.

Nachdem sie das letzte Pommesstückchen gegessen hatte, atmete sie auf.
Das Gemüse kam dran. Die Scampi hatten Saft verloren, der sich unter dem Salat ausgebreitet hatte.
Margitta bugsierte alles in einen trockenen Bereich ihres Tellers.
"Ist das ok für dich, wenn ich rauchen gehe?"
Margitta nickte, ohne aufzublicken. Konzentriert aß sie Bissen für Bissen weiter. Sie durfte sich jetzt keinen Fehler leisten.

Als Helga nach einer ganzen Zeit an den Tisch trat, teilte Margitta gerade die Scampiteilchen in drei winzige Portionen. Die Stücke mussten gleichgroß sein. Misslang ihr ein Schnitt, beförderte sie das Teil an den linken Tellerrand in die Abfallsektion.
Helga beobachtete sie verstohlen.
Mit dem letzten Bissen, den Margitta in ihren Mund beförderte, hob sie den Kopf und strahlte Helga fröhlich an.
Sie plauschten über belanglose Themen und Margitta drängte Helga dazu, ein Dessert zu bestellen.
"Und du nimmst keines?", fragte Helga.
"Nein, ich esse nie Süßes, das bekommt mir nicht. Entschuldigst du?"

Margitta ging auf die Toilette. Sie musste so oft am Tage auf die Toilette, dass sie stets unruhig wurde, wenn sie nicht wusste, wo es die nächste Möglichkeit gab.

Auf der Toilette holte Margitta ihren Becher hervor und löste etwas Pulver in Wasser auf. Sie trank und wartete ein paar Minuten, bevor sie in eine der Kabinen trat, um dort in eruptiven Stößen ihr Essen in das Becken zu spucken. Hätte jemand die Toilette betreten, hätte sie unverzüglich die Spülung betätigt, um sich nicht durch Brechgeräusche verdächtig zu machen. Das war eine überflüssige Vorsichtsmaßnahme, sie kotzte seit Jahren kaum hörbar.

"Wollen wir zahlen? Ich muss jetzt nach Hause, Kater Tom wartet und das Laufband."


Zu Hause angekommen, zog sich Margitta nackt aus und betrachtete sich im Spiegel. Kater Tom strich um ihre streichholzdünnen Beine und maunzte.
"Ich mache dir gleich das tollste, leckerste, größte Futter der Welt zurecht. Du kannst gleich essen, bis du platzt, mein Katerchen."

Ihr fiel das Himbeereis ein. Sie ging zum Gefrierschrank, öffnete ihn und zog die Packung heraus.
Sie betrachtete die Schachtel, während ihre Finger kleine Schmelzspuren auf dem Deckel hinterließen. Ungestüm riss sie die Gefrierschranktür auf, warf die Packung mit Schwung hinein und knallte die Tür zu. Sekundenlang blieb sie unbeweglich stehen.

Kater Tom strich mit seinem Köpfchen über ihre nackten Füße.
"Hau ab! Ich will das jetzt nicht!" Sie hob die Füße nacheinander an, als liefe sie auf der Stelle und vertrieb ihn damit.

Sie starrte weiter auf das Weiß des Gefrierschranks bis ihre Augen flimmerten. Ein Speichelfaden tropfte aus ihrem Mund. Sie zog die Gefrierschranktür auf, riss das Eis heraus und zerrte am Deckel. Ihre Finger glitten ab und je mehr Versuche sie unternahm, desto ungelenker wurde sie. Das Telefon klingelte.

"Ach, du", sagte sie matt, "hm ja, wir waren bei Antonio. Ich? Ich hatte die Scampi. Ja. Hat gut geschmeckt. Und was gab es bei dir zum Abendbrot? Nein, das ist nicht langweilig. Was gab es denn nun? Drei Scheiben? Wow! Und zum Nachtisch? Eis? Da hattest du ja richtig Glück. War es lecker? Na, das Eis. Ok. Dir auch eine gute Nacht. Ja, ich vermiss dich auch. Kuss."

Der Deckel ließ sich jetzt leicht von der Packung reißen. Zum Vorschein kam die Schutzfolie und aufstöhnend nestelte Margitta an dem winzigen Plastiküberstand, mit dem man die Folie abziehen konnte. Das Eis darunter war geschmolzen.

Fahrig ergriff sie ein Messer aus der Küchenschublade, mit dem sie in die Folie stach und sie zerschnitt. Eiscremesuppe schwappte durch die Schlitze und bildete rosa Kleckse auf dem Küchentisch. Rasch beugte sich Margitta über diese Pfützen und leckte sie weg.
Sie schwang die Packung in die Höhe, legte ihren Kopf in den Nacken, und träufelte sich das klebrigsüße Rinnsal in den Mund. Als nichts mehr aus der Packung tropfte, ließ sie sie fallen. Wie eine Schwankende auf einem Boot krallte sie sich am Küchentisch fest und starrte die Wand an. Es gab nur sie und diese gelblich gestrichene Wand, nur die Wand und sie.
Und dann sackten ihre Beine weg, ihre Hände rutschen von der Tischkante, und sie schlug der Länge nach auf die Küchenfliesen.

 

Hi lakita,

ich möchte nicht behaupten, dass das runderneuerte, ausgeweitete Ende die KG jetzt gerettet hätte - so schlimm stand es um sie ja nicht. Und der Ritt auf der Himbeereisbombe zur Nachbarin und nach Bergedorf (von Eppendorf?/ Neue Nahrung für die Schmelzzeittheoretiker) und dortselbst unter einen Parkbaum, die ja mehr denn je sowohl die Story als auch ihre Protagonistin beherrscht, beschert der Geschichte ein nicht unbeträchtlich Komödiantisches. Natürlich, vor dem Hintergrund dieses dramatischen, bizarren Ringens mit der tödlichen Krankheit erscheint das Schmunzeln makaber. Andererseits sind solche Inhalte, das klang hier schon mal unter dem Stichwort "Betroffenheitskultur" o.s.ä. an schwer verdaulich. Warum es also nicht versetzen mit dem Klassiker, "ich hab, was, will es loswerden und es will nicht gelingen". Dein Umschreiben hat sich, wie ich finde, gelohnt. Ich konnte die Geschichte nun alles in allem, trotz ihres schweren Gehalts, vergnüglicher lesen.
Was den Kater anlangt, so meinte ich es übrigens durchaus ernst. Zwar wurde er durch das furiose Finale etwas entbehrlicher, macht aber immer noch einen guten Job am Rande.

Frau Schmidt war schwerhörig. Drinnen war etwas zu hören. E

Diese Konstruktion würde ich ein wenig umschreiben, klingt doppelig-hölzern.

kalte Packung gefor ihr

gefror


Herr Simmer zeigte auf Tom, der sich gleich neben der Haustür fauchend in Angriffstellung vor einem Pitbull befand, der ihn unbeweglich fixierte.

Hier noch mal den Syntax-Klemptner kommen lassen ...
neben dem Baum liegend, neben sich eine leere Packung Himbeereis.

unschöne Dopplung, vielleicht das zweite "neben" durch ein "ihr zur Seite" o.ä. ersetzen

Gruß
7miles

 

Hallo 7miles,

herzlichen Dank für dein Feedback zu veränderten Geschichtenversion.

Ich atme etwas auf, dass du es nicht für komplett überzogene Verschlimmbesserung hältst.

Die Fehler und Textschwächen werde ich selbstverständlich zügigst beseitigen.

Lieben Dank!

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,

ich kenne die alte Version nicht, und habe auch die anderen Kommentare nicht gelesen, also mal extremst subjektiver Leseeindruck. Sehr fiese Geschichte, finde ich. Also, du kommst da so langsam rein, dieses Himbeereis als totale Überhöhung, als permanente Verführung, und dann dieses Umgehen mit Nahrung an sich - das hast du sehr gut gemacht und gut beobachtet. Man liest ja sehr häufig von Esstörungen, aber wie soll man sich das vorstellen, so als Unbedarfter? Ich finde, diese Manie hast du gut dargestellt.

Ich würde das Ende allerdings anders gestalten, düsterer. Der letzte Satz, den brauch es nicht. Ich würde dies der Imagination des Leser überlassen; was mit ihr geschieht, bleibt im Verborgenen, im Dunkeln. Fände ich persönlich, treffender, so eine Punchline als Abschluss.

Du zeigst viel in dieser KG, ich finde das sehr passend. Diese Kameraperspektive passt hier gut, weil ein in den Kopf des Protagonisten sehen hier wahrscheinlich extrem schwierig wäre, und die KG auch nicht weiterbringt. Also, du hast da die Schnittstelle gut hinbekommen, finde ich.

Sehr gern gelesen.

Gruss, Jimmy

 

Hallo jimmysalaryman,

wow, ein Lob. :)
Das freut mich sehr, ach das trag ich gleich in mein Glückstagebuch ein.

Der letzte Satz gefällt mir ehrlich gesagt auch nicht so recht. Aber ohne?
Hm... darüber denke ich nochmals nach.

Herzlichen Dank für dein Feedback.


Lieben Gruß

lakita

 

Liebe lakita,

ich mag die Himbeereisidee! Die hat was. Und sie tut auch weh, wenn sie da am Krankenbett an nichts anderes denken kann und wie verzweifelt sie es versucht loszuwerden, und niemand will es. Das ist wirklich hübsch gemacht und ausgedacht. Da kommt in dieses schwierige Thema auch ein Schmunzelhauch hinein, mir gefällt das gut. Ich kenne auch nur die aktuelle Version.

"(fehlen)Was soll ich machen?", sagte sie, "jetzt, wo du hier liegst, kannst du das Himbeereis nicht essen."

mir gefiele ein fragte sie besser als ein sagte sie

Sie hatte ihren Stuhl so nahe an das Krankenbett ihres Mannes heran gezogen, damit sie seine leisen Worte besser verstand.

Das klingt irgendwie komisch.
Entweder: Sie hatte ihren Stuhl ganz nah an das Krankenbett ihres Mannes heran gezogen, um seine leisen Worte besser zu verstehen.
Oder: Sie hatte ihren Stuhl sehr nahe an das Krankenbett ihres Mannes heran gezogen, damit sie seine leisen Worte besser verstand.

"Hast du wieder abgenommen?", fragte er, "der/Der Ring sitzt so locker."

neuer Satz, groß beginnen

"Die ersten Tage ist er durch alle Räume, hat dich gesucht. Nachts hat er auf deiner Bettseite geschlafen. Wenn Helga das Himbeereis nicht möchte, kennt sie bestimmt jemanden, der es isst."

Es ist wirklich bezaubernd, wie sich das Himbeereis da immer wieder Platz bahnt. Und tragisch natürlich. Vor allem tragisch.

Sie holte aus ihrer Handtasche einen faltbaren Plastikbecher und ließ den Wasserhahn laufen. Stetig schob sie ihren Becher darunter und trank zehn randvolle Becher (mit Wasser).

Ja klar. Womit auch sonst, wenn sie ihn zuvor mit Wasser gefüllt hat ;).

Margitta teilte ihren Teller in Sektionen auf. Rechts außen kam zum Schluss dran, dort legte sie alle Scampi ab. Links unten waren die Pommes, die aß sie langsam, nach jedem Kartoffelstück wartete sie eine Weile.
Das Gemüse dazwischen durfte sie erst anrühren, wenn sie alle Kartoffeln gegessen hatte. Auch gab es ebenfalls eine strenge Reihenfolge: zuerst die Tomaten und am Ende die Maiskörner, jedes einzeln. Margitta achtete sorgfältig auf diese Regeln. Sie musste unbedingt diszinpliniert sein.

Das mochte ich auch, diese Regeln des Essens, gegen die nicht verstoßen werden darf. Es ist halt mehr Arbeit, als Genuss so ein Teller - das kommt gut rüber.

Helga lachte schallend und Margitta schaute von ihrem Teller irritiert auf. Sie zögerte. Dann lächelte sie.
"Naja, ich werde schon eine Lösung finden."
Sie senkte ihren Kopf wieder über den Teller. Helgas Weigerung, sie von diesem Himbeereis zu befreien, versetzte sie in große Unruhe.

Nachdem sie das letzte Pommesstückchen gegessen hatte, atmete sie auf.
Das Gemüse kam dran. Die Scampi hatten Saft verloren, der sich unter dem Salat ausgebreitet hatte.
Margitta bugsierte alles in einen trockenen Bereich ihres Tellers.
"Ist das ok für dich, wenn ich rauchen gehe?"
Margitta nickte, ohne aufzublicken. Konzentriert aß sie Bissen für Bissen weiter. Sie durfte sich jetzt keinen Fehler leisten.

Als Helga nach einer ganzen Zeit an den Tisch trat, teilte Margitta gerade die Scampiteilchen in drei winzige Portionen. Die Stücke mussten gleichgroß sein. Misslang ihr ein Schnitt, beförderte sie das Teil an den linken Tellerrand in die Abfallsektion.
Helga beobachtete sie verstohlen.
Mit dem letzten Bissen, den Margitta in ihren Mund beförderte, hob sie den Kopf und strahlte Helga fröhlich an.
"Du musst unbedingt noch ein Dessert bestellen", sagte Margitta, "die sind hier richtig gut."
"Und du?", fragte Helga.
"Nein, ich esse nie Süßes, das bekommt mir nicht. Entschuldigst du?"


In diesen drei Absätzen (wieso eigentlich hier Absätze?) kommt nichts Neues. Ich würde die drastisch einkürzen, vielleicht auf ein Drittel ...

Margitta ging auf die Toilette. Sie musste so oft am Tage auf die Toilette, dass sie stets unruhig wurde, wenn sie nicht wusste, wo es die nächste Möglichkeit gab.

Auf der Toilette holte Margitta ihren Becher hervor und löste etwas Pulver in Wasser auf.


Der Übergang klingt sehr holprig für mein Empfinden. Ich weiß auch nicht was ich mit der Info soll, dass sie sich unwohl fühlt, wenn das nächste Klo nicht in Sichtweite ist. Nach zehn Becher Wasser vor dem Essen ist klar, dass die ein Klo braucht und nach dem essen ja sowieso, das ist an dieser Stelle des Textes auch kein Geheimnis mehr.

Margitta ging auf die Toilette, holte ihren Becher hervor und löste etwas Pulver in Wasser auf.
Würde voll und ganz genügen.

"Wollen wir zahlen? Ich muss jetzt nach Hause."

Bräuchte es streng genommen auch nicht, dafür gibt es ja den Absatz um auf Ort-/Zeitwechsel aufmerksam zu machen.

Ihre Finger glitten ungelenk ab. Das Telefon klingelte.

Ihre Finger glitten ungelenk ab, als das Telefon klingelte.
Empfinde ich als geschmeidiger.

Margitta nahm ihre Versuche, den Deckel hochzureißen wieder auf.

den Deckel zu öffnen - kommt mir für den Ansatz der Tätigkeit erst mal plausibler vor. Wenn sie wirklich so zerrend ansetzen wollte, dann hätte sie es während des Telefonates nicht weggelegt, sondern den Hörer eingeklemmt, damit die Hände frei sind. Weil hochreißen klingt nach jetzt gleich und unbedingt. Und jetzt gleich und unbedingt kann nicht warten, wenn ich "nur" telefoniere.

Ein Fingernagel knickte um und tat höllisch weh. Sie lutschte an dem lädierten Finger.

Lese das mal laut. Das hat was von Protokoll :).

Die Begegnung mit Frau Schmidt ist dann wieder toll gemacht. Da stimmt für mein Gefühl Inhalt und Zeilenmenge ganz genau.

Oh Herzinfakt
-Himbeereis
sie sind nackt
-Himbeereis
ihr Kater läuft weg
-Himbeereis

Das ist wirklich hübsch, alle Katastrophen der Welt sind kleiner, als eine blöde Packung Himbeereis. Und gleichzeitig wird damit auch deutlich, wie verschoben die Wahrnehmung ist. Wo die Probleme gesehen werden, und welche als solche gar nicht mehr wahrgenommen werden. Dieses Missverhältnis, was der Krankheit zugrunde liegt.

Margitta eilte wortlos weiter Richtung Hauptstraße. Sie musste ein Taxi finden.

Ab hier schaltet der Text zwei Gänge zurück. Das ist schade. Eigentlich könnte man an dieser Stelle auch schon aus dem Text gehen, nachdem der Taxifahrer sich weigert, das Eis als Fahrgast zu akzeptieren. Er könnte zwei Ampeln weiter einen Blick in den Rückspiegel werfen und die Frau mit den Fingern das Eis löffeln sehen. So als letzten Satz. Nur so als fixe Idee.

Habe ich wirklich gern gelesen.
Liebe Grüße, Fliege

 

Hallo lakita!

Die Nachbarin und die Taxifahrt bringen in der Sache nix Neues für mich, nur mehr Handlung – und eine kleine Verschiebung. So bringt das neue Ende das Himbeereis-Drama mehr in den Vordergrund. Vorher lag mehr Gewicht auf dem Zwischenmenschlichen, meine ich. Also Margittas lügen und täuschen ihrer Mitmenschen. Das tritt nun mehr in den Hintergrund.
Auch ist es von Margitta nicht klug, das Taxi fahren zu lassen und mit dem Eis im Park zu bleiben. Warum dann, aus Margittas Sicht, dieser Aufwand? Die Absicht der Erzählerin ist dagegen klar, das verflixte Eis muss auftauen.

Lieben Gruß

Asterix

 

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