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Highscore
Schlurfend zieht er sich durch sein Zimmer. Schritt für Schritt. Die Haltung ist gebeugt. Das Leben dort draußen zieht ihn runter. All diese Hektik, die Leute reden viel, doch machen nichts. Alles wirkt wie ein Chaos. Man kann nicht speichern und etwas ausprobieren, man kann den Level nicht wiederholen. Das nervt, es macht ihn wütend. Die Suche nach den Cheats hat er schon längst aufgegeben. Mittlerweile flüchtet er nur noch.
Als er den großen Knopf an seinem Computer drückt, spürt er, wie es langsam leichter wird. Das leise Summen des Lüfters beruhigt ihn. Der Geruch von alten Verpackungsresten steigt in seine Nase, seine Hände beginnen bereits zu zittern. Auf einmal ist sein Blick wachsam, er ist bereit. Noch einmal in die Tüte Chips greifen, bevor es losgeht. Sie schmecken alt, pappig. Er fragt sich nicht, wie lange sie dort schon liegen. Gar nicht schnell genug kann es gehen, dass er einfach seine Hand austreckt und Enter drückt. Er ist jetzt drin, das Spiel beginnt.
Eine Schweißperle tropft von seinem angespannten Gesicht. Er muss den Level schaffen, sonst verliert er alles. Er haut stärker auf seine Tastatur. Er beginnt zu schreien. Plötzlich, für nur eine Sekunde, steht seine Welt still. Der letzte Schuss ist gefallen. Sieg. Seine Mimik entspannt sich wieder. Das ist, was ihm wichtig ist. Häufig fragen ihn die Leute, was er denn mit seinem Leben mache, ob er auch noch an was anderes denkt. „Ich bin nicht süchtig, falls ihr mir das damit sagen wollt. Es entspannt mich einfach.“ Das ist seine stete Antwort.
Heute spielt er im Team. Mit Anderen. Normalerweise ist er eher weniger der Teamspieler. Doch heute lebt er nur für das Team. Wir müssen gewinnen, das WIR ist ihm wichtig. Häufig fragen ihn die Leute, was denn seine Freunde aus dem richtigen Leben machen, und ob er sich noch mit ihnen trifft. „Ich hab auch noch ein Privatleben, falls ihr sowas andeuten wolltet. Es ist nur so, dass mich die Leute dort verstehen, sie verstehen meine Art zu leben.“ Jedes Mal war dies seine Antwort.
Es ist spät in der Nacht. Daran müde zu werden, darf er noch nicht mal denken. Er trinkt den kalten Kaffee aus. Der ist noch von gestern übrig geblieben. Er wird heute den Highscore knacken, egal was es kosten wird. Er muss es einfach schaffen. Die Augen sind auf den Bildschirm gebunden. Nicht ablenken lassen. Häufig fragen ihn die Leute, warum er ständig so müde sei, ob er nicht früher ins Bett gehen wolle. „Keine Sorge, ich kann noch selbst entscheiden, wann ich spiele und wann nicht. Aber ihr versteht das nicht. Ihr werdet nie so viele Erfahrungspunkte haben wie ich.“
Es ist spät. Er sollte sich ausruhen gehen. Doch er hat Angst. Der Escape-Knopf hat ihn unter Kontrolle, flüstert ihm leise zu, er solle bloß wiederkommen. Er krallt seine Hand in seine fettigen Haare, er will noch nicht gehen. Wenn die Leute fragen wie es ihm geht, wie es so läuft, so würde er antworten „ Gut. Danke. Bei mir geht alles seinen geordneten Gang.“