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Heute Nacht
Heute Nacht
Tiefe Nacht. Gebannt liege ich in meinem Bett. Bewege mich nicht. Lausche in die Dunkelheit.
Wirst du heute Nacht wieder zu mir kommen?
Ich sehne mich danach. Sehne mich nach deinen Zärtlichkeiten, deinen sanften Berührungen.
Ich wünsche mir deine anwachsende Heftigkeit, deine unverhohlen stürmische Zuneigung herbei.
Du wartest meistens bis es im ganzen Haus still geworden ist, bis alles schläft und uns niemand mehr stören kann.
Ich versuche dein Ankommen zu erspüren. Schärfe meine Sinne für die leisesten Töne der Nacht. Mein Körper liegt angespannt unter der wärmenden Decke. Die Augen fest geschlossen lausche ich, harre in der Stille, ob du wohl kommen wirst. Da, endlich, ich höre deine zarten Schritte auf dem Holzfußboden. Du bewegst dich rasch, fast als hättest du es ein wenig eilig. Mein Herz hüpft. Noch liege ich unbeweglich im Bett. Mag den Zauber deiner Ankunft nicht zerstören. Fürchte, du könntest wieder umkehren. Mein Puls steigt. Du bist so radikal in deinen Entscheidungen, so unumstößlich. Die geringste Störung läßt dich umkehren. Ich verharre, warte, dass du neben mir aus dem Nichts der Dunkelheit auftauchst. Und dann bist du da. Urplötzlich. Mein Körper spannt sich. Erregung erfasst mich, so als hätte ich gleich auf die Bühne zu gehen, vor tausend Augen zu erscheinen.
Noch immer traue ich mich nicht, mich zu bewegen. Laufe Gefahr, dass du blitzartig wieder gehst, genauso plötzlich wie du aufgetaucht bist.
Ich spüre deinen Blick. Er ruht fest auf mir. Meine geschlossenen Augen zittern ein wenig, aber ich wage nicht, sie zu öffnen. Eindringlich betrachtest du mich. So wie du es tust, betrachtet mich sonst keiner. Ich fühle, dass du tiefer blickst als andere, du durchschaust mich, aber ich erfahre nie, was du siehst.
Ich fasse nun Mut, mich zu bewegen. Meine rechte Hand rutscht ganz langsam unter der Bettdecke hervor. Behutsam drehe ich meinen Arm so, dass ich dich erreichen, berühren kann. Unbeweglich lässt du es geschehen. Du stehst seitlich über meinem Kopf und hast deine Vorderpfoten in mein Kissen gedrückt. Ganz vorsichtig ertastet meine Hand deinen Bauch. Dort ist dein Fell zart und seidigweich. Dein Bauch ist feinfühlig, sensibel, jedes Haar dort ein winziger Sensor. Meine Fingerspitzen schieben sich in dein Fell und streichen leicht entlang. Ein sanftes Glücksgefühl durchströmt mich. Viel zu schön, um es in Worte zu fassen. Du hast deinen Kopf etwas tiefer geneigt. Zart berühren deine Barthaare meine Wange, kitzeln sie. Gleichzeitig höre ich dein leise beginnendes Schnurren. Ich entspanne mich, fühle Glück, Wonne und fliege in die Unendlichkeit mit dir.
Ich weiß jetzt, dass du bleiben wirst, heute Nacht.