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Herbst
Herbst.Kühle.Blätter fallen.
Eine traurige Abschiedsstimmung breitete sich in ihr aus. Eigentlich keine Trauer, sondern eher Wehmut. Wehmut nach den heißen Tagen, der sengenden Sonne, der gewärmten Haut.
Sie liebte Wärme, Helligkeit.
Früher war ihr die herbstliche Jahreszeit ein Greuel, früher, da war es Trauer, die ihr Gemüt ergriff, das Weichen allen Grüns, die Furcht vor dem Dunkelwerden, dem kalten Winter mit seinen vereisten Straßen. Im Laufe ihrer Jahre nahm sie den Herbst jedoch anders wahr. Er bot ihr Chancen auf die Stille. Vorläufer der Dunkelheit, die etwas Faszinierendes ermöglichte: Lichter anzuzünden, selbst zu bestimmen, welcher Teil des Raumes im Schatten bleiben sollte, welcher im Lichterglanz erstrahlen durfte.
Zu keiner Jahreszeit waren die Bäume bunter als im Herbst, das leuchtende Gelb, das rotgefärbte Laub, das sie früher nur als abgestorbene Vorstufe des Vermoderns gesehen hatte, blieb nun als frohgemuter Farbtupfer für ihre Augen auf dem Weg liegen. Die Herbststürme, und das wohlige Gefühl in ihrem warmen Haus Schutz zu finden. Eine flauschige Decke über sich gebreitet, selig darin eingehüllt zu verschlummern, während ihr das Buch langsam aus der Hand rutschte und ihr Kater ob dieses Friedens neben ihr Platz nahm, ihren Atem bewachend. Der Geruch des frisch gebrühten Tees und der sanft orange schimmernden Duftkerze zogen ihr in die Nase.
All das machte ihr bewußt, dass jede Jahreszeit ihre Bedeutung hatte. Alles machte Sinn, wenn man sich in den Fluß der Zeit begab und nicht mit beiden Beinen fest in den Boden gestemmt dagegen hielt.
So genoß sie es, mit dem Herbst mitzuströmen und ihre Wehmut verflüchtigte sich, wurde davon getragen, wie ein rotglühendes Blatt im herbstlichen Wind.
Und sie lächelte als die Sommersonne noch ein letztes Mal einen kleinen Strahl lang über ihre Wange strich.