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Heimweh

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20.11.2001
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Heimweh

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»Mama, darf ich in den Hof spielen gehen?«
»Na klar, Gisi! Aber nimm dir deine Uhr mit, und komm um halb sieben wieder.«
»Ist gut, Mama!«
Kaum gesagt, entwischt er wie der Blitz zur Tür hinaus. Die so gewonnene freie Zeit kann ich gut nützen, denke ich, denn es wartet jede Menge Arbeit darauf, erledigt zu werden. Ich war während der letzten Tage krank, konnte daher nur das Notwendigste erledigen und um sechs kommen Freunde zu Besuch. Meine arbeitseifrigen Überlegungen werden jäh unterbrochen, als sich dieses unglaublich melodiöse „Täääät-täääät-täääät“ der Sprechanlage in meine Gehörgänge schneidet. Fast immer, wenn Gisi im Hof ist, läutet er in einem fort an, was mir eines Tages noch den letzten Nerv rauben wird. Ich rege mich innerlich kurz darüber auf und schicke dann ein freundliches »Ja?« durch die Leitung.
»Mama, ich bins, ich hol mir nur was.«
Mit einem Knopfdruck lasse ich ihn herein und warte, bis er aus dem Aufzug steigt. Mit einem Flummi, einer Frisbee-Scheibe und den Worten »Ich bin bei Harald im Hof« verlässt er die Wohnung kurz darauf wieder.

Ich stelle das Bügelbrett auf und verbinde das Bügeleisen mit der Steckdose. Dann schalte ich den Fernseher ein. Kurz sehe ich eine Konsumentensendung, in der über ein neues Spiel gesprochen wird, bei dem es offensichtlich »… durch einen Produktionsfehler des Herstellers bedingt …« irgendwelche Probleme gibt, über die sich gerade ein scheinbar dadurch geschädigter Vater kräftig mokiert: »Hören Sie, wenn ich in einem renommierten Geschäft etwas kaufe, dann vertraue ich darauf, dass es nicht zu derartig peinlichen Pannen kommen kann! …«
Ich schalte weiter – was interessiert mich das Geschwafel und Gejammer, wir kaufen ohnehin nur Qualität, da passiert uns sowas nicht; selbst Schuld, wer so ein Klumpert kauft – und lande in einem alten Hans Moser-Film. Gerade richtig zum Bügeln, da reicht es, wenn man zuhört und nur zwischendurch hinschaut. Ich lege gerade meinen Wickelrock über den Bügeltisch, als Hans Mosers Stimme plötzlich mitten in der schönsten Melancholie versagt.
Ich wende meinen Blick dem Fernseher zu und traue meinen Augen kaum, schließe sie kurz und mache sie wieder auf – der Apparat ist weg. Hab ich Halluzinationen? An seiner Stelle stehen Heiligenfiguren aufgereiht, die auch den Platz bevölkern, den vorher die Stereoanlage eingenommen hat. Darüber hängt ein Kruzifix – um Gottes Willen, was ist denn da los?! Die Wände des Zimmers sind nicht mehr gelb und orange, sondern mit weißem Kalkanstrich versehen. Kann man sich tatsächlich etwas so perfekt einbilden oder bin ich in einem schlechten Film? Versteckte Kamera? Nein, sowas können die nicht machen. Von einem Moment auf den anderen können selbst die nicht meine Wohnung verändern. Das muss eine perfekte Halluzination sein – besser als LSD, viel echter. Meine Möbel sind auf einmal alle aus rohem Vollholz, was mir zwar ganz gut gefällt, aber irgendwie wirken sie klobig und überhaupt will ich meine Möbel wieder! Kann es sein, dass ich auf die Tropfen, die mir der Arzt verschrieben hat, derart halluziniere? Vielleicht durch den Alkohol, der drin ist? Schließlich trinke ich seit über zwölf Jahren nicht mehr, da können sich ja dann geringste Mengen schon mal auswirken – aber so? Bin ich jetzt völlig übergeschnappt? Es wirkt alles so verdammt real und ich fühle mich zudem auch ganz nüchtern. Keine Spur von einem Alkoholrausch, und wie LSD fühlt es sich auch nicht an, ich kann ganz klar denken und fühle mich nicht, als hätte ich die Kontrolle über mich verloren. Aber ich bin mir doch ziemlich sicher, dass ich mir das hier nur einbilde. Ich sollte vielleicht einfach so tun, als wäre alles ganz normal. Sicher steht in Wirklichkeit auch noch immer der Fernseher da und es ist alles wie immer. Das wird wohl doch mit den Tropfen zu tun haben.
Verloren in den Gedanken, was ich mit dieser Situation nun anfange, ergreife ich ohne zu schauen mein Bügeleisen, das nun aufgeheizt sein müsste. Aber sogar hier haben die Veränderungen zugeschlagen: Mein eingesetzter Kraftaufwand reicht nicht aus, um dieses schwere Eisengerät anzuheben, dessen Griff ich festhalte. Es sieht nicht nur nicht aus wie mein Bügeleisen, es fühlt sich auch nicht so an. Was soll ich damit bloß anfangen? Würde ich mir das alles nur einbilden, dann wäre es doch wenigstens heiß, schließlich hatte ich es zuvor schon angesteckt. Das ist es aber nicht … Soll ich jetzt etwa heiße Kohlen einfüllen? Ich erschrecke beim Blick unters Fenster, wo sich sonst meine bequeme Fernwärme-Heizung befindet und jetzt nichts ist. Stattdessen steht an der Wand rechts von mir ein Kohleofen – ja hat mich denn der Teufel geritten – muss ich etwa in Zukunft Kohlen schleppen und mein Bügeleisen damit beheizen? Ich hoffe, dass ich das alles nur träume …
Ich staune auch nicht schlecht, als ich endlich bemerke, dass anstelle meines Bügelbrettes nun ein robuster Holztisch dasteht. Weißer Leinenstoff liegt ausgebreitet als Unterlage darauf und statt meinem geblümten Wickelrock, den ich vorhin gerade bügeln wollte, habe ich nun einen weißen Spitzenunterrock aus unheimlich viel Stoff vor mir.
Aber wer sagt eigentlich, dass ich unbedingt alles bügeln muss? Ist es eben ein bisschen verknittert, wen stört das denn schon? Ich heize bestimmt nicht jetzt, mitten im Sommer, ein – und mit glühenden Kohlen zu hantieren habe ich eigentlich auch keine große Lust. Wenn ich mir dann doch alles nur einbilde, zünde ich womöglich noch die Wohnung an, davon lass ich jetzt lieber die Finger. Besser räume ich alles ins Nebenzimmer.
Auch hier haben seltsame Veränderungen stattgefunden, der Computer ist weg, ebenso Schallplatten und Plattenspieler. Die Bücher und CDs sind samt den Regalen verschwunden. Um genau zu sein, stehen in dem Zimmer nur mehr zwei Sessel, auf denen ich nun die Bügelwäsche ablege. Worüber sollte ich mich noch wundern?
Diese komischen Heiligenfiguren – es kann doch keine Einbildung sein, wenn ich sie nehmen und in eine Schublade legen kann, oder? Stehenlassen will ich sie jedenfalls nicht, das wäre ja richtig peinlich, wenn abends Norbert und Grete kommen und es sich um keine Halluzination handeln sollte … Was die dann von mir denken würden, möchte ich gar nicht wissen. Die Veränderungen in meiner Wohnung weiß ich ohnehin schon nicht zu erklären, wie sollten die beiden dann zusätzlich auch noch einen derartigen Sinneswandel von mir verkraften, dass ich plötzlich Heilige hier ausstelle? Gespannt bin ich aber schon, ob sie die Veränderungen ebenso sehen wie ich. Dann wäre es mit Sicherheit keine Einbildung. Was davon allerdings beruhigender wäre, Halluzination oder Realität, weiß ich nicht so genau.
Um das Kruzifix von der Wand zu nehmen, brauche ich wohl die Leiter – ist bloß die Frage, ob die noch existiert … Ich gehe raus um sie zu holen und tatsächlich steht sie, wie immer, an ihrem Platz. Ich freue mich, dass wenigstens hier draußen noch alles beim Alten ist. Auch in der Küche ist scheinbar alles so wie sonst. Dann muss ich mir wenigstens ums Kochen keine Gedanken machen. Wenn ich plötzlich so einen alten Herd hätte, wüsste ich ja gar nicht damit umzugehen.
Mit der Leiter kehre ich ins Wohnzimmer zurück – und meine Ohren nehmen den Klang von Hans Mosers Stimme wieder auf, wie beruhigend! Fernseher, Möbel, Bügelbrett und Heizung – alles ist wieder wie immer! Diesmal bin ich es selbst, die dem alten Hans die Stimme raubt, denn ich schalte jetzt den Fernseher aus, mache Musik und tanze vor Freude eine Runde durchs Wohnzimmer und dann ins Zimmer nebenan: Da passt auch wieder alles – sogar mein PC steht wieder da, damit ich das alles später mal aufschreiben kann …

Die Lust aufs Bügeln ist mir aber trotzdem vergangen. Außerdem wird es Zeit, den Braten zu würzen und ins Rohr zu stellen, damit er zum Abendessen fertig wird. Beschwingt gehe ich in die Küche, hole das Fleisch aus dem Kühlschrank, wasche es, spicke es mit Speckstreifen und reibe es mit Salz, Pfeffer, Paprika und Knoblauch ein. Bis das Rohr vorgeheizt ist, können die Gewürze ein bisschen einziehen. Ich stelle mir die große Bratenpfanne zurecht, nehme das Stück Schwein und hebe es … Verdammt nochmal! Was ist denn das jetzt wieder?! Was soll das, wo bin ich denn da? Anscheinend mitten in der Wildnis? Ich drehe mich um, sehe ein paar Lehmhütten und sieben relativ kleine, leicht gebückte Menschen mit langen Haaren und Lederschurzen. Sie starren mich drei, vier Minuten lang an, als wäre ich der erste Mensch, den sie sehen – und ich sie ebenfalls. Ich bin nun sicher, dass die Veränderungen in meinem Wohnzimmer keine Einbildung waren, irgendetwas spielt da verrückt. Ich muß jetzt überlegt handeln, damit die mich nicht für einen Angreifer halten und sich zu verteidigen beginnen – sie müssen wissen, dass ich ein friedlicher Mensch bin. Vermutlich schauen sie ja wegen meiner Kleidung so verwundert, aber da ist ja auch noch der Braten in meiner Hand. Dass mir der erst jetzt auffällt, den wollte ich ja eben noch ins Backrohr geben … Nun, ich habe ja bereits die Erfahrung gemacht, dass sich alles ganz schnell wieder zurückverwandeln kann und deshalb sollte ich zusehen, dass ich wenigstens ein Feuer zustande bringe, damit das Essen um sechs fertig ist, wenn meine Gäste kommen und ich hoffentlich wieder in meiner Wohnung bin. Der Gedanke, dass Gisi womöglich die ganze Zeit an der Sprechanlage läutet, während ich hier bin, macht mich traurig. Er würde sich verlassen fühlen … Aber jetzt kann ich mich ohnehin erstmal nur mit der Frage befassen: Wie komme ich hier zu einem Feuer?
Die Leute starren mich immer noch an – vielleicht halten sie mich für eine Göttin? Es sind nur wenige Schritte, die ich langsam und vorsichtig auf sie zu gehe, als sie mir ihre Nasen entgegenstrecken – oder vielmehr dem Braten … Aufgeregt tuscheln sie miteinander und schon geht ein Mann in eine der Lehmhütten und holt seine Feuersteine, während die anderen Holz zusammentragen. Ich bin einigermaßen erleichtert. Sowie alles beisammen ist, was man für ein Lagerfeuer braucht, bitte ich sie mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen, da ich das Feuer gerne selbst machen möchte. Daraufhin setzen sie sich im Halbkreis mir gegenüber und begutachten fachmännisch, wie ich die abgebrochenen Äste zu einem Haufen schlichte. Der Mann, der die Feuersteine gebracht hat, bietet mir seine Hilfe an, nachdem ich mich damit wohl reichlich ungeschickt angestellt habe, und ich bedanke mich mit einem Lächeln.
In der Zeit vom Feuer bis zur Glut zeigen sie mir erst ihre Hütten, bevor wir wieder ums Feuer sitzen und nicht so recht etwas miteinander anzufangen wissen. Da habe ich die Idee, ihnen ein paar Lieder vorzusingen. Sie „stimmen mit ein“, doch ihre Stimmen sind nicht gerade auf reine Töne getrimmt. Es ergibt sich ein höchst seltsamer Chor und verdammt schade ist, dass das keiner aufgenommen hat – wir würden damit garantiert in alle Hitparaden kommen.
Sie starren mich jetzt anders an als zuvor. Erst stand Angst in ihren Augen, jetzt ist es Bewunderung. Beides ist mir ein bisschen unangenehm, aber wirklich nur ein bisschen. Eigentlich ist es unmoralisch, sie womöglich im Glauben zu lassen, ich sei sowas wie eine Göttin. Ich sollte sie aufklären – aber das erscheint mir echt zu kompliziert, sie verstehen ja meine Sprache nicht und ich die ihre auch um keinen Deut besser.
Ich schiebe die Glut immer wieder zusammen, bis sich eine schöne Fläche ergibt, und stecke zwei verzweigte kurze Äste links und rechts davon in die Erde, während daneben noch das Feuer prasselt. Meinen Braten stecke ich auf einen dünnen Ast und lege diesen über die Verzweigungen der beiden anderen, sodass ich ihn über der Glut drehen kann. Statt gebraten wird er nun eben gegrillt. Die mir gegenüber Sitzenden fächern sich den Bratenduft zu ihrer Nase. Ach, jetzt wird mir erst bewusst, dass die ja wahrscheinlich gar keine Gewürze kennen! Deshalb sind sie so angetan … Mir fällt ein, dass ich mich immer wieder an einen Geruch erinnere, den ich nur im Kindergarten gerochen habe und dass das etwas war, was mir sehr geschmeckt hat. Bis heute bin ich nicht draufgekommen, um welches Gericht es sich damals gehandelt hat – aber ich schätze mal, so ähnlich wird es den Leuten hier auch bald gehen, sie werden das Tier vergeblich suchen, das so gut gerochen hat …
Während ich wieder mal zu dem Ast greife, auf dem mein Braten feststeckt, um ihn zu drehen, kommt mir plötzlich der Gedanke, dass ich ihn vielleicht gar nicht los lassen sollte. Er ist ja vermutlich nur deshalb mit mir mitgekommen, weil ich ihn zuvor in der Hand hatte. Eigentlich warte ich schon sehr darauf, wieder in meiner Küche zu stehen – vielleicht funktioniert das aber nicht, wenn ich es mir wünsche? Also versuche ich, nicht dran zu denken, konzentriere mich auf das Drehen des Fleisches und die „Konversation“ mit den Einheimischen, die mir Geschichten erzählen, von denen ich kein Wort verstehe. Vielleicht sind es auch gar keine Geschichten, sondern Klagen – ich bin mir nicht sicher, wie ich den Klang der Worte deuten soll.
Dem Stand der Sonne nach müsste es auf siebzehn Uhr zugehen, verdammt, und ich bin immer noch hier. Ich habe noch nicht einmal ordentlich zusammengeräumt …
Das Fleisch ist nun auch fertig gegrillt und mir bleibt nichts anderes übrig, als jedem von ihnen ein Stück herunterzureißen – Messer gibt es hier ja keins. Erst gebe ich den beiden mageren Frauen etwas – und stehe plötzlich wieder in meiner Küche. Den restlichen Braten samt Ast halte ich in der linken Hand, das zuletzt heruntergerissene, dritte Stück in der rechten … Ich lege ihn nun, wie ich es vor hatte, in die Bratenpfanne und stelle alles zum Warmhalten ins Backrohr. Wenn diese Leute von eben sehen könnten, womit man heute kocht, würden sie vor Neid erblassen. Nein, es wäre ihnen unheimlich und Neid kennen sie wahrscheinlich gar nicht. Noch genau eine dreiviertel Stunde, bis meine Freunde kommen, weshalb ich hektisch durch die Wohnung eile und wenigstens ein bisschen Ordnung mache. Inzwischen kochen die Erdäpfel für die Knödel.

Norbert und Grete kommen fröhlich gelaunt und setzen sich ins Wohnzimmer. Was bin ich froh, dass es so aussieht, wie es soll und nicht … ich lass das Denken an meine Erlebnisse von eben lieber bleiben, womöglich beeinflusse ich dann doch etwas und wir sitzen plötzlich in einem Weltraumhotel mit nichts als Flüssignahrung und Tabletten an Bord. Ich sollte den Braten vielleicht sicherheitshalber stets festhalten, damit ich ihn auch dann noch mit habe? Quatsch, jetzt passiert nichts mehr. Wir sitzen hier und es ist alles ganz normal.
Um halb sieben läutet Gisi und kommt aufgeregt zur Tür herein.
»Mama, Mama! Der Harald hat heute ein Spiel mit im Hof gehabt, das ist ur-super! Wir sind richtig in den Zeiten herumgereist und es war gar nicht gefährlich. Kaufst du mir auch sowas?«
Es fällt mir nicht schwer, meine Erlebnisse, die Meldung im Fernsehen, und Gisis Zeitreise zu kombinieren.
»Ich glaube, darüber reden wir besser, wenn wir allein sind, Gisi. Es soll da einen schlimmen Produktionsfehler geben …«
»Ja, das weiß ich, Mama, das ist nur, wenn jemand Heimweh hat. Dann können nämlich die Eltern auch in die andere Zeit versetzt werden. Aber ich hab ja sowieso kein Heimweh, also kann das ja gar nicht passieren«, behauptet Gisi und ich kann mein Schmunzeln nicht verbergen.
Ich mache die Knödel fertig und teile das Fleisch gleich in der Küche gerecht auf, damit niemand sieht, dass hier schon Teile fehlen. Es ist aber trotzdem noch genug für jeden da. Norbert und Grete wundern sich etwas, dass der Braten wie am Lagerfeuer gegrillt schmeckt, halten es aber für einen Scherz, als ich sage: »Das ist er auch …«

 

Na, wer wagt sich denn das in die Sci-Fi Rubrik? :D

Hallo Susi

eine amüsante Geschichte hast du da gescrieben mit einer netten Pointe.

nur, dein Prot wundert sich ein bisschen zu wenig über die dinge die da passieren. was solls, sie hat eben das Bügeln und das Abendessen mit den Freunden im Kopf, da kann man sich nicht auf jede Kleinigkeit konzentrieren ;)

sonst ist sie vielleicht ein bisschen zu langatmig für die Handlung, aber das Lesen hat Spaß gemacht :)

Heli

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Susi,

die richtige Geschichte für einen Sonntagmorgen. Lustig und ich wollte dann doch wissen, was denn hier weiter passiert - spannung beibehalten. Science Fiction in der Küche hatte ich vorher auch noch nicht gelesen...:D

der schluß war dann schön rund - wer hätte denn gedacht, dass es nur ein konstruktionsfehler war.. auch wenn ich "Heimweh" als Grund etwas konstruiert empfand.. aber ich denke, das musste sein, weil es Dir als Botschaft wichtig war...

nur schön, dass du friedliche neandertaler erwischt hast....;)

liebe grüße, streicher

 

Liebe Susi,

Deine Geschichte regt zum Schmunzeln an :), vor allem, weil Du das "ungebührliche Benehmen" der Wohnungseinrichtung mit ganz praktischen Alltagsüberlegungen und Wortwitz verknüpfst.

als Hans Mosers Stimme plötzlich mitten in der schönsten Melancholie versagt
:D

An manchen Stellen gingen mir die rationalen, praktischen Gedanken allerdings eine Spur zu weit.

Aber wer sagt eigentlich, dass ich unbedingt alles bügeln muss? Ist es eben ein bisschen verknittert, wen stört das denn schon? Ich heize bestimmt nicht jetzt, mitten im Sommer, ein – und mit glühenden Kohlen zu hantieren habe ich eigentlich auch keine große Lust.
Wenn ich an der Stelle der Protagonistin wäre, würde ich wohl nicht auf diese Gedanken kommen, sondern mich weiterhin sehr wundern und mich fragen, wie das denn möglich ist, nachdem ich noch keine plausible Erklärung gefunden habe.
Außerdem würde ich wahrscheinlich nach draußen gehen und nachschauen, ob dort noch alles beim Alten ist. Und vor allem würde ich mir Sorgen um den Sohn machen (und vielleicht sogar ein bisschen in Panik geraten) und nach ihm sehen wollen - ich weiß ja nicht, wie es ihm gerade geht, und diese Veränderungen könnten ihn ja auch betreffen und ihm eine Höllenangst machen.

brauche ich wohl die Leiter – ist bloß die Frage, ob die noch existiert … Ich gehe raus um sie zu holen und sie ist auch tatsächlich an ihrem Platz.
evtl. "um sie zu holen und finde sie auch tatsächlich an..."

Beschwingt gehe ich in die Küche, hole das Fleisch aus dem Kühlschrank,
Vielleicht "Nachdenklich" anstelle von "Beschwingt"? Die Protagonistin hat sich ja vorher ausgiebig gefreut, dass alles wieder beim Alten ist. Wäre es nicht plausibler, wenn dann wieder das Nachdenken über das Geschehene in den Vordergrund tritt? Spätestens jetzt könnte sie sich ja wegen dem Sohn Gedanken machen.

Nun, ich habe ja bereits die Erfahrung gemacht, dass sich alles ganz schnell wieder zurückverwandeln kann und deshalb sollte ich zusehen, dass ich wenigstens ein Feuer zustande bringe, damit das Essen um sechs fertig ist, wenn meine Gäste kommen und ich hoffentlich wieder in meiner Wohnung bin. Der Gedanke, dass Gisi womöglich die ganze Zeit an der Sprechanlage läutet, während ich hier bin, macht mich traurig. Er würde sich verlassen fühlen … Aber jetzt kann ich mich ohnehin erstmal nur mit der Frage befassen: Wie komme ich hier zu einem Feuer?
Diese Gedanken sind mir wieder zu rational. Es ist ja jetzt eine ganz andere Situation. Vorher waren einige Dinge innerhalb der gewohnten Umgebung - der Wohnung - anders, aber jetzt befindet sich die Protagonistin an einem völlig anderen Ort in einer völlig anderen Zeit mit wildfremden, möglicherweise unberechenbaren Menschen. Würde sie nicht eher mit zumindest leichter Panik reagieren? Stattdessen ärgert sie sich, und kurz darauf verfällt sie in relativ rationales Denken.
Auch hier würde ich die Angst um den Sohn deutlicher herausarbeiten, nicht nur "Traurigkeit" wegen seines evtl. vergeblichen Anläutens erwähnen.

bitte ich sie mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen, da ich das Feuer gerne selbst machen möchte
:D Selbst ist die Frau, die können das bestimmt nicht ... :lol:

fächern sich den Bratenduft zu ihrer Nase.
sagt man nicht "in ihre Nase"?

So, nun aber genug gemeckert. :D
Amüsante Geschichte.

Liebe Grüße :kuss:
Dein Christian

 

Danke erstmal fürs Lesen und Kommentieren, porcupine, Streicher und criss! :)

Hab grad ur-lang geantwortet und genau als ich fertig war, wurde mein Explorer aufgrund eines Fehlers geschlossen - warum passiert das genau dann, wenn ich einmal etwas nicht im Word schreibe? ... Jetzt gibts aufgrund fehlender Zeit leider nur mehr die Kurzfassung:

Na, wer wagt sich denn das in die Sci-Fi Rubrik?
Mal eine Lockerungsübung zwischen den ernsten Themen. :D

Science Fiction in der Küche hatte ich vorher auch noch nicht gelesen...
Auf so eine Aussage hab ich ja gehofft! Danke! :)

Die Idee kam mir eigentlich bei diesem Posting, bzw. den letzten beiden Sätzen: "Das Phantastische ist "irgendwo da draußen", nicht lebensnach und nicht begreifbar (da bislang nicht realisiert). Das sehen besonders Frauen so." - Da dachte ich mir, jetzt schreib ich mal eine richtig lebensnahe Hausfrauen-SF-Geschichte... :D

Freut mich, daß sie Euch doch halbwegs gefallen hat, an der Glaubwürdigkeit usw. werd ich noch feilen.
Ursprünglich wollte ich sie ja viel ausführlicher schreiben, hielt es dann aber doch für besser, mich eher kurz zu fassen. Daher ließ ich auch den Blick aus dem Fenster aus, der Mengen von Text nach sich gezogen hätte... - Aber ich laß mir das nochmal durch den Kopf gehen. ;)

@Christian, auf Deine Punkte geh ich später nochmal ein. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Ich war ja auch überrascht, eine Häferl Geschichte im Science Fiction Bereich zu sehen.

Leider muss ich dir ganz ehrlich schreiben, liebe Häferl, dass mir die Geschichte von der Umsetzung nicht wirklich gefällt.
Ich finde die Idee sehr gut, allerdings ist mir dein Erzählstil ein bisschen zu sehr geplaudert. Es wirkt auf mich ein bisschen wie eine "Hört mal was mir heute passiert ist" Anekdote, die irgendwo beim geselligen Zusammensitzen erzählt wird. Dadurch fiel es mir schwer, konzentriert weiter zu lesen.

Insofern freue ich mich, dass anderen die Geschichte besser gefallen hat.

Liebe Grüße, sim

 

Hi Häferl,

von der Idee her finde ich die Geschichte wirklich gelungen, ich kann auch verstehen, dass die Prot. nach den ersten Veränderungen "beschwingt" in die Küche geht.

Ein Problem habe ich mit ihrer Versetzung in die Steinzeit - da müsste auf beiden Seiten wesentlich mehr Angst sein, und es hätte auch etwas passieren können.
So aber bleibt nur der Geschmack des Bratens als Erinnerung. Und natürlich die schöne Erkenntnis, dass der Sohn Heimweh hatte - obwohl ich das nicht so ganz glauben kann, wenn er nachmittags bei einem Freund ist.

Trotzdem: Hat mir Spaß gemacht!

LG
Aragorn

 

Lieber sim und Aragorn!

Danke Euch beiden auch fürs Lesen und Eure Kommentare! :)

@sim, könntest Du mir bitte ein paar Stellen sagen, wo Dein Urteil „Erzählstil ein bisschen zu sehr geplaudert“ ganz besonders zutrifft? Ich meine, ich weiß nicht, ob Du damit so Stellen wie z.B. die vom Geruch des Essens im Kindergarten oder insgesamt den Stil meinst? Klär mich bitte auf. :)

@Aragorn, die Stelle mit der Steinzeit gehört schon fix zu meinem Überarbeitungsplan – aber ich glaub, ich find erst am Wochenende wieder die richtige Ruhe dazu. ;)

@criss, die einzelnen Punkte können wir ja auch gleich am Wochenende gemeinsam durchgehen – aber: Sie fächern sich den Geruch zur Nase – jedenfalls in meiner Logik. In die Nase kommt ein Geruch erst durch die Atmung, bzw. riecht man nix, wenn man sich auch etwas hineinzufächern versucht, solange man die Luft anhält. Ich jedenfalls rieche nix, wenn ich nicht atme… Also fächert man den Duft nur zur und nicht in die Nase (und saugt ihn dann auf). :kuss:
Und zu „Selbst ist die Frau, die können das bestimmt nicht ...“: Ich bin natürlich die Göttin des Lagerfeuers, da muß ich es auf alle Fälle selbst machen – auch wenn die es möglicherweise besser könnten (da bin ich mir aber gar nicht mal so sicher :D). ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Liebe Häferl,

ich meine den Stil insgesamt, das lässt sich sehr schwer an einzelnen Stellen belegen. Es wirkt auf mich durchgängig, als erzähltest du die ganze Geschichte in wörtlicher Rede gemütlich deinen Freunden am Essenstisch.
Das muss ja nichts schlechtes sein, ich kann auch nicht erklären durch welche Formulierungen dieser Eindruck in mir entsteht, ich habe es beim Lesen intuitiv so empfunden. Vergiss also diese eher unsachliche Kritik ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Häferl,

Deine Geschichte ist leicht und locker geschrieben. Sie hat eine schöne Pointe, ob dieser `Heimweheffekt´ bei der Frau wirksam wird, weil da nur tiefenpsychologisch beschreibbare Dinge in ihr vorgehen? Oder meinst Du, der unbewußte Wunsch, aus den Haushaltsarbeiten ausbrechen zu können, zählt unter eine Art Heimweh?
Noch interessanter finde ich „Nun, ich habe ja bereits schon die Erfahrung gemacht, dass sich alles ganz schnell wieder zurückverwandeln kann.“
Dieses Generalisieren bei einer so kleinen `Stichprobe´ zeigt ein typisches Denkmuster auf, das Bestreben, die Welt zu kategorisieren, um sie logisch erfassen zu können (obwohl kein Ding wirklich gleich ist, nur mit sich selbst identisch).Schön, so einen prinzipiellen Aspekt in einer auf alltägliche Situationen bezogenen Geschichte zu finden, kein Wunder, bei der bewundernswerten Gelassenheit der Protagonistin.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon, ich hatte es eigentlich eher so verstanden, das Gisi das Heimweh hatte, und sich deshalb für die Mutter die Welt so verändert hat, wie Gisi sie mit diesem Spiel gerade spielte.

 

Hallo sim,

Du hast Recht: Es heißt, "auch" die Eltern können in eine andere Zeit versetzt werden, und er "behauptete", kein Heimweh zu haben. War beim Lesen dieses Abschnitts wohl grade im falschen Parallel- Universum...

Tschüß... Woltochinon

 

Danke auch Dir, Wolto, für Deinen Kommentar - sim hat Dich ja schon über Deinen ersten Irrtum aufgeklärt (danke sim!), da bleibt mir nur noch, die neue Version zu posten. :) Uno momento ...

 
Zuletzt bearbeitet:

»Mama, darf ich in den Hof spielen gehen?«
»Na klar, Georg! Aber nimm dir deine Uhr mit und komm spätestens um halb sieben wieder.«
»Ist gut, Mama!«
Kaum gesagt, saust er wie der Blitz zur Tür hinaus. Die so gewonnene freie Zeit will ich nützen, denn es wartet jede Menge Arbeit auf mich. Ich war während der letzten Tage krank, konnte daher nur das Notwendigste erledigen und um sechs kommen Freunde zu Besuch. Meine arbeitseifrigen Überlegungen werden jäh unterbrochen, als sich dieses unglaublich melodiöse „Täääät-täääät-täääät“ der Sprechanlage in meine Gehörgänge schneidet. Fast immer, wenn Georg im Hof ist, läutet er in einem fort an, was mir eines Tages noch den letzten Nerv rauben wird. Aber ich schicke trotzdem ein freundliches »Ja?« durch die Leitung.
»Mama, ich bins, ich hol mir nur was.«
Mit einem Knopfdruck lasse ich ihn herein und warte, bis er aus dem Aufzug steigt. Mit einem Flummi, einer Frisbee-Scheibe und den Worten »Ich bin bei Harald im Hof« verlässt er die Wohnung kurz darauf wieder. Wenn er bei Harald ist, werde ich mit meiner Arbeit vorankommen, denn da bleibt er oft länger, manchmal stundenlang, sodass ich mir dann sein Läuten schon wieder sehnlichst herbei wünsche.

Ich stelle das Bügelbrett auf, verbinde das Bügeleisen mit der Steckdose und stelle den Regler auf Stufe zwei. Dann schalte ich den Fernseher ein, denn beim Bügeln lasse ich mich gern berieseln. Es läuft gerade eine Konsumentensendung, in der über etwas gesprochen wird, bei dem es offensichtlich »… durch einen Produktionsfehler des Herstellers bedingt …« irgendwelche Probleme gibt, über die sich ein anscheinend dadurch geschädigter Mann kräftig mokiert: »Hören Sie, wenn ich in einem renommierten Geschäft ein Spiel kaufe, dann vertraue ich darauf, dass es nicht zu derart peinlichen Pannen kommen kann! …« Aha, es handelt sich also um ein Spiel, sicher irgend so ein fernöstliches Zeug, das sie billig produzieren, den Markt damit überschwemmen und nach drei Wochen kann man es wegschmeißen. Aber das Geschimpfe und Gejammer interessiert mich jetzt nicht. Wir kaufen ja ohnehin nur Qualität, da passiert uns sowas nicht; selbst Schuld, wer so ein Klumpert kauft.
Ich schalte weiter und lande in irgendeinem alten Hans Moser-Film. Gerade richtig zum Bügeln, da reicht es, wenn man zuhört und nur zwischendurch hinschaut. Während ich meinen Wickel-Minirock über den Bügeltisch lege, versagt plötzlich Hans Mosers Stimme mitten in der schönsten Melancholie.
Rasch wende ich meinen Blick dem Fernseher zu und traue meinen Augen kaum, schließe sie kurz, um sie sogleich wieder auf zu machen. – Der Apparat ist weg.
Hab ich Halluzinationen? An seiner Stelle stehen jetzt Heiligenfiguren aufgereiht, und sie bevölkern auch jenen Platz, den vorher die Stereoanlage eingenommen hat. Darüber hängt ein Kruzifix an der Wand. – Um Gottes Willen, was ist da los?! Die Wände des Zimmers sind auch nicht mehr gelb und orange, sondern mit weißem Kalkanstrich versehen! Ich stehe da und fasse es kaum, staune mit offenem Mund. Kann man sich tatsächlich etwas so perfekt einbilden oder bin ich in einem schlechten Film? Versteckte Kamera vielleicht? Nein, solche Veränderungen, von einer Sekunde auf die andere, sind selbst dem besten Filmteam nicht möglich. Das ist besser als LSD, viel echter – ich habe auch nicht dieses unangenehme Gefühl, dass ich die Macht über mich verloren hätte. Ist es gar eine Nachwirkung? Aber diese Sünden sind doch schon fast zwanzig Jahre her … Spielt mir vielleicht mein schlechtes Gewissen diesen Streich? Und warum sehe ich ausgerechnet Heiligenfiguren? Diese Möbel hier – alle aus rohem Vollholz, klobig und plump – sind mir ebenfalls fremd. Ich will meine Einrichtung wieder!
Sind es womöglich gar die vom Arzt verschriebenen Tropfen, die bewirken, dass ich derart halluziniere? Liegt es am darin enthaltenen Alkohol? Schließlich trinke ich seit über zwölf Jahren keinen Tropfen, da können sich schon geringste Mengen auswirken – aber gleich so extrem? Bin ich am Ende tatsächlich völlig übergeschnappt? Es kann, objektiv betrachtet, ja nur so sein, dass ich mir das alles einbilde. Ich sollte vielleicht einfach so tun, als wäre alles ganz normal, als wäre ich normal, meine Wohnung normal … Sicher steht in Wirklichkeit auch noch immer der Fernseher da und es ist alles wie immer. – Das wird wohl doch mit diesen Tropfen zu tun haben.
Hoffentlich merkt Georg nichts von all dem. Gut, dass er heute ausnahmsweise nicht alle zehn Minuten raufkommt. Kann ich es überhaupt hören, wenn er anläutet?

Verloren in den Gedanken, was ich mit dieser Situation nun anfangen soll, ob ich vielleicht aus dem Fenster hinunter auf die Straße schauen sollte und warum ich dafür zu feige bin, ergreife ich ohne zu schauen pflichtbewusst mein Bügeleisen, das nun aufgeheizt sein müsste. Oh Schreck! Mein eingesetzter Kraftaufwand reicht nicht aus, um dieses schwere Etwas anzuheben, dessen dicken hölzernen Griff ich nun fest halte. Ein Blick verrät mir: Es handelt sich um ein Kohleeisen, und wenn ich nicht irre, hatte man sowas ungefähr im achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert! Der Griff wird getragen von zwei geschmiedeten Drachen, am seitlichen, oberen Rand zieren es geschwungene Lüftungsschlitze. Und Kohlen will es, um warm zu werden. Was soll ich damit bloß anfangen? Würde ich mir das alles nur einbilden, dann wäre es doch wenigstens heiß, schließlich hatte ich mein Bügeleisen zuvor ja schon angesteckt. Aber es ist kalt … Automatisch wandert mein Blick unters Fenster, wo sich sonst meine bequeme Fernwärme-Heizung befindet – da ist jetzt nichts. Stattdessen steht an der Wand rechts von mir ein gusseiserner Kohleofen – ja hat mich denn der Teufel geritten? Ich beginne bereits zu beten, dass ich das alles bloß träume …
Langsam bin ich der Verzweiflung nahe, als ich endlich bemerke, dass anstelle meines Bügelbrettes nun ein robuster Holztisch dasteht. Naja, eigentlich war das ja zu erwarten. Weißer Leinenstoff liegt ausgebreitet als Unterlage darauf und statt meinem geblümten Wickelrock, den ich vorhin gerade noch bügeln wollte, habe ich einen weißen Spitzenunterrock aus unheimlich viel Stoff vor mir.
Ich beschließe, dieses Spiel nicht mitzuspielen und beende das Bügeln für heute. Ich heize bestimmt nicht jetzt mitten im Sommer ein, um mit glühenden Kohlen zu hantieren, das ist mir obendrein zu gefährlich. Wenn ich mir das alles wirklich nur einbilde, zünde ich womöglich noch die Vitrine an, die sonst hier steht, und dann würde schließlich die ganze Wohnung abbrennen. Besser räume ich den Bügelberg, der ja nicht einmal aus meinem Gewand besteht, ins Nebenzimmer.
Auch hier haben seltsame Veränderungen stattgefunden: Der Computer ist weg, ebenso Schallplatten und Plattenspieler – aber ich wundere mich nicht mehr. Ich muß die Situation akzeptieren, um mit ihr zurecht zu kommen. Die Bücher und CDs sind samt den Regalen verschwunden. Um genau zu sein, stehen in dem Zimmer nur mehr zwei Sessel, auf denen ich nun die Wäsche ablege. Worüber sollte ich mich noch wundern?
Diese komischen Heiligenfiguren – verdammt, es kann ja wirklich keine Einbildung sein, wenn ich sie nehmen und weglegen kann, oder? Stehen lassen will ich sie jedenfalls nicht, das wäre ja richtig peinlich, wenn abends Norbert und Grete kommen und es sich um keine Halluzination handeln sollte. Was die dann von mir denken würden … Die Veränderungen in meiner Wohnung weiß ich ohnehin schon nicht zu erklären, wie sollten die beiden dann zusätzlich auch noch einen derartigen Sinneswandel von mir verkraften, dass ich plötzlich Heilige hier ausstelle? Gespannt bin ich aber schon irgendwie, ob sie die Veränderungen ebenso sehen wie ich. Dann hätte ich immerhin Gewissheit, ob es Einbildung oder Wirklichkeit ist. Was davon allerdings beruhigender wäre, Halluzination oder Realität, weiß ich nicht so genau.
Um das Kruzifix von der Wand zu nehmen, brauche ich die Leiter. Gespannt, ob die noch existiert, gehe ich raus um sie zu holen. Tatsächlich hängt sie, wie immer, an ihrem Platz im Klo. Erleichtert stelle ich fest, dass wenigstens hier draußen noch alles beim Alten ist. Auch die Küche dürfte unverändert sein. Dann muss ich mir wenigstens ums Kochen keine Gedanken machen. Wenn ich plötzlich so einen alten Herd hätte, wüsste ich ja gar nicht damit umzugehen.
Mit der Leiter kehre ich ins Wohnzimmer zurück – und meine Ohren nehmen den Klang von Theo Lingens Stimme auf, wie beruhigend! Fernseher, Möbel, Bügelbrett, Heizung – alles ist wieder wie immer! Den Fernseher schalte ich jetzt aus, mache Musik und tanze vor Freude eine Runde durchs Wohnzimmer und auch gleich ins Zimmer nebenan, wo ebenso wieder alles passt – sogar mein PC ist zurückgekehrt, zum Glück! Ich muss das demnächst unbedingt alles aufschreiben …
Ein Knacksen lässt mich aufhorchen. Es ist jenes mir vertraute Knacksen, das mein Bügeleisen immer macht, wenn es aufheizt oder auskühlt. Die „Lust“ aufs Bügeln ist mir aber trotzdem vergangen und ich ziehe den Stecker aus der Dose. Da erreicht mich ein äußerst beruhigendes „Täät-tääät-tääät“ – bin ich froh, dass Georg sich meldet!
»Mama, ich komm nur schnell was trinken!« Mein Herz pumpert so fest, dass ich instinktiv die Hand darauf lege, um es festzuhalten, während ich warte, bis Georg im dritten Stock ist. Er trinkt ein Glas Wasser und sieht mich dabei prüfend an. »Is was, Mama?« – »Nein, Schatz, es ist alles in Ordnung.« Ein Busserl bekomme ich noch, dann ist er wieder am Weg nach unten, zum Nachbarhof, wo Harald wohnt.
Es wird Zeit, den Braten zu würzen und ins Rohr zu stellen, damit er zum Abendessen fertig wird. Mit etwas weichen Knien – die Aufregung von eben macht sich erst jetzt im Nachhinein so richtig bemerkbar – gehe ich in die Küche, hole das Fleisch aus dem Kühlschrank, wasche es mit zittrigen Händen, spicke es mit Speckstreifen und reibe es mit Salz, Pfeffer, Paprika und Knoblauch ein. Bis das Rohr vorgeheizt ist, können die Gewürze einziehen. Ich stelle mir die große Bratenpfanne zurecht, nehme das Stück Schwein und hebe es … Verdammt nocheinmal! Was soll denn das jetzt wieder?! Wo bin ich denn jetzt plötzlich? Anscheinend mitten in der Wildnis. Ein paar Tränen rinnen meine Wangen hinunter, meine Nerven sind heute schon etwas überfordert.
Ich drehe mich langsam um, sehe ein paar Lehmhütten und sieben relativ kleine, leicht gebückte Menschen mit langen Haaren und Lederschurzen. Hoffentlich tun die mir nichts. Als wäre ich der erste Mensch, den sie sehen, starren sie mich an – und ich sie ebenfalls. Das gibt mir Zeit, nachzudenken.
Irgendetwas spielt da verrückt, erst die Veränderungen in meinem Wohnzimmer – und jetzt das! Hoffentlich halten die mich nicht für einen Angreifer und beginnen, sich zu verteidigen. Ich muss überlegt handeln – sie müssen wissen, dass ich ein friedlicher Mensch bin. Vermutlich schauen sie ja wegen meiner Kleidung so verwundert? Aber da ist ja auch noch der Braten in meiner Hand! Dass mir der erst jetzt auffällt, den wollte ich ja eben noch ins Backrohr geben … Nun, ich habe ja bereits die Erfahrung gemacht, dass sich alles ganz schnell wieder zurückverwandeln kann und werde einfach darauf vertrauen, dass ich bald wieder zuhause bin. Deshalb sollte ich zusehen, dass ich wenigstens ein Feuer zustande bringe, damit das Essen um sechs fertig ist, wenn meine Gäste kommen. Der Gedanke, dass Georg womöglich die ganze Zeit an der Sprechanlage läutet, während ich hier bin, macht mich traurig. Was wird er sich denken, wo ich hingekommen bin? Ich will nach Hause!
Die Leute starren mich immer noch an – vielleicht haben sie Angst vor mir oder halten mich für eine Göttin? Es sind nur wenige Schritte, die ich langsam und vorsichtig auf sie zu gehe. Ein leichter Wind bläst mir in den Rücken und sie strecken mir ihre Nasen entgegen – oder vielmehr dem vorbereiteten Braten … Aufgeregt tuscheln sie kurz miteinander. Während die anderen beginnen, Holz zusammenzutragen, geht ein Mann in eine der Lehmhütten und kommt mit ein paar Feuersteinen wieder. Ich bin einigermaßen erleichtert. Bald ist alles beisammen, was man für ein Lagerfeuer braucht, und ich bitte sie mit einladender Handbewegung, Platz zu nehmen. Es macht mir nämlich Spaß, das Feuer selbst zu machen und ich hatte schon lange keine Gelegenheit dazu. Im Halbkreis setzen sie sich mir gegenüber und begutachten fachmännisch, teilweise mit hochgezogenen Augenbrauen, wie ich die abgebrochenen Äste zu einem Haufen schlichte. Der Mann mit den Feuersteinen bietet mir beim Anzünden seine Hilfe an, nachdem er meine ersten Versuche beobachtet hat, und ich bedanke mich mit einem Lächeln. Ich nehme mir vor, in Zukunft immer ein Feuerzeug bei mir zu tragen.
Da es eine Zeit lang dauert, bis wir die zum Grillen benötigte Glut haben, zeigen sie mir erst ihre Hütten, bevor wir wieder ums Feuer sitzen und nicht so recht etwas miteinander anzufangen wissen. Leise beginne ich, vor mich hinzusummen, schließlich fange ich zu singen an. Sie „stimmen mit ein“, doch ihre Stimmen sind nicht gerade auf reine Töne getrimmt. Es ergibt sich ein höchst seltsamer Chor und verdammt schade ist, dass das keiner aufgenommen hat – wir würden damit garantiert in alle Hitparaden kommen.
Sie starren mich jetzt anders an als zuvor. Erst stand Angst in ihren Augen, jetzt ist es Bewunderung. Beides ist mir ein bisschen unangenehm, aber wirklich nur ein bisschen. Eigentlich ist es unmoralisch, sie womöglich im Glauben zu lassen, ich sei sowas wie eine Göttin. Ich sollte sie aufklären – aber das erscheint mir echt zu kompliziert, sie verstehen ja meine Sprache nicht und ich die ihre auch um keinen Deut besser.
Endlich ist genug Glut vorhanden und mein „Freund“ mit den Feuersteinen hilft mir, den Braten mittels Ästen so darüber zu hängen, dass ich ihn drehen kann. Statt gebraten wird er nun eben gegrillt. Den Ast, den er durch das Stück Fleisch steckt, umwickelt er zuvor mit Majoran und anderen Blättern – das muss ich mir merken.
Die mir gegenüber Sitzenden fächern sich den Bratenduft zu ihrer Nase und atmen die Luft tief ein. Ach, jetzt wird mir erst bewusst, dass diese Leute die von mir verwendeten Gewürze wahrscheinlich noch gar nicht kennen! Deshalb sind sie so angetan … Ich erinnere mich oft an den Geruch eines Essens, das mir im Kindergarten sehr geschmeckt hat – bis heute bin ich nicht draufgekommen, um welches Gericht es sich damals gehandelt hat. Ich stelle mir vor, dass es diesen Leuten bald ähnlich gehen wird: Sie werden diesen Duft lange vergeblich suchen …
Während ich wieder mal zu dem Ast greife, auf dem mein Braten feststeckt, und ihn drehe, kommt mir plötzlich der Gedanke, dass ich ihn besser gar nicht los lassen sollte. Er ist ja vermutlich nur deshalb mit mir hierher gekommen, weil ich ihn zuvor in der Hand hatte, so, wie auch das Gewand, das ich an habe, dasselbe geblieben ist.
Langsam werde ich ungeduldig und warte darauf, wieder in meiner Küche zu stehen – vielleicht funktioniert das aber nicht, wenn ich es mir wünsche? Alle Veränderungen bisher geschahen ja ohne mein Zutun. Also versuche ich, nicht dran zu denken, konzentriere mich auf das Drehen des Fleisches und die „Konversation“ mit den Einheimischen, die mir Geschichten erzählen, von denen ich kein Wort verstehe. Vielleicht sind es auch gar keine Geschichten, sondern Klagen – ich bin mir nicht sicher, wie ich den Klang der Worte deuten soll.
Dem Stand der Sonne nach müsste es schon ziemlich spät sein, verdammt, und ich bin immer noch hier. Georg wollte sich jetzt bestimmt schon einmal melden und ich war nicht da …
Der Duft des Bratens reißt mich aus meinen Gedanken. Ich stelle fest, dass das Fleisch bereits durch ist und beginne, es mit den Händen zu zerteilen – ein Mann bietet mir zwar einen geschliffenen Stein an, aber es geht auch so. Erst gebe ich den beiden mageren Frauen etwas – und stehe plötzlich wieder in meiner Küche. Den restlichen Braten samt Ast halte ich in der linken Hand, das zuletzt heruntergerissene, dritte Stück in der rechten … Erst einmal lege ich alles, so wie mein Plan ursprünglich gewesen ist, in die Bratenpfanne, ziehe den Ast heraus und stelle es zum Warmhalten ins Backrohr. Dann setze ich mich auf meinen Hocker, wo ich das soeben Erlebte verwirrt überdenke und hoffe, dass Georg in der Zwischenzeit nicht vergeblich angeläutet hat und dass es ihm gut geht. Ich fasse mich wieder und rufe bei Haralds Eltern an, die mir bestätigen, dass Georg noch immer mit ihrem Sohn beisammen ist, beide seien gerade gekommen, um etwas zu trinken.
Ich muss jetzt endlich eine rauchen, um mich zu beruhigen, und setze mich dazu ins Wohnzimmer.
Wenn diese Ur-Menschen von eben sehen könnten, womit man heute kocht, würden sie vor Neid erblassen. Nein, es wäre ihnen unheimlich und Neid kennen sie wahrscheinlich noch gar nicht. In einer halben Stunde werden meine Freunde vor der Tür stehen, weshalb ich nach den letzten Rauchschwaden hektisch durch die Wohnung eile und wenigstens ein bisschen Ordnung mache. Inzwischen kochen die Erdäpfel für die Knödel.

Georg läutet früher als erwartet und kommt aufgeregt zur Tür herein.
»Mama, Mama! Der Harald hat heute ein Spiel mit im Hof gehabt, das ist ur-super! Wir sind richtig in den Zeiten herumgereist und …« Ich sehe ihn mit großen Augen an und hole tief Luft. »Du brauchst dich nicht aufzuregen, Mama, es war überhaupt nicht gefährlich. In der Anleitung steht, dass man in keine gefährlichen Situationen kommen kann. Kaufst du mir auch sowas?«
In meinem Kopf fügen sich langsam die Puzzleteile zusammen. »Ich glaube, das lassen wir lieber, Georg. Es soll da einen schlimmen Produktionsfehler geben …«
»Ja, das weiß ich, Mama, das kommt aber nur vor, wenn jemand Heimweh hat. Dann können nämlich die Eltern auch in die andere Zeit versetzt werden. Aber ich hab ja sowieso kein Heimweh, also kann Dir das ja gar nicht passieren«, behauptet er und ich kann mein Schmunzeln nicht verbergen. »Soso, du hast also die ganze Zeit nicht an zuhause gedacht?«
»Nein. Nur ein bisschen gefürchtet hab ich mich, da hätte ich dich gerne dabei gehabt … Und Hunger hab ich bekommen, da hätte ich gern was von dir Gekochtes gegessen … Aber richtig Heimweh hatte ich nicht. Nächstes Mal wollen Harald und ich es bis zu den Dinos schaffen. Was gibts denn heute?«
Ich nehme Georg in den Arm. »Schweinsbraten, aber heute ohne Saft. Ich hab ihn nämlich gegrillt statt gebraten …«

Norbert und Grete kommen fröhlich gelaunt und setzen sich ins Wohnzimmer. Was bin ich froh, dass es hier so aussieht, wie es soll und nicht … Ach, ich lass die Gedanken an meine Erlebnisse lieber bleiben, womöglich finden wir uns dann plötzlich in einem Weltraumhotel wieder – mit nichts als Flüssignahrung und Tabletten an Bord. Es schüttelt mich bei der Vorstellung, es könnte so sein. Ich mache noch schnell einen Salat und die Knödel fertig, während Georg mit Norbert und Grete Domino spielt. Das Fleisch teile ich gleich in der Küche gerecht auf, damit niemand sieht, dass hier schon Stücke fehlen.
Wenig später sitzen wir alle beisammen. Da gerade Nachrichten sind, schalte ich den Fernseher ein und nach zwei Meldungen aus der Politik warnt die Sprecherin vor eben diesem Spiel. Mit der Fernbedienung drehe ich lauter: »… Zeitreise-Experimentierkasten aus dem Verkehr gezogen. Für die Kinder selbst …«
»Jö! Sowas will ich auch!«, staunt Grete und schaut begeistert wie ein kleines Kind.
Norbert wundert sich, dass der Braten wie am Lagerfeuer gegrillt schmeckt. Er und Grete schauen mich aber komisch an, als ich sage: »Das ist er auch …«

 

Hi Häferl (oder darf ich Susi sagen?)!

Super geworden, viieel besser!

Eingefallen sind mir nur zwei Dinge:

Die Urmenschen kannten durchaus Gewürze, wenn auch vielleicht keinen Paprika - wie wäre es, wenn sie der Prot. etwas von ihren eigenen Gewürzen anbieten?

Und als sie wieder in der Küche ist, hält sie in der Hand ein abgerissenes Stück Fleisch, aber das geht unter. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich hinsetzt, um eine zu rauchen, und dabei gedankenverloren an dem Stück Fleisch herumkaut.

Aber das ist alles nebensächlich und nicht relevant, die Geschichte ist jetzt enfach gut!

Liebe Grüße,
Julia

 

Hallo Häferl

ich glaub, ich hab bei der ersten Version gesagt, die Reaktionen sind ein bisschen unrealistisch oder so?

ja, hier hat du dir nun die Mühe gemacht das zu ändern, was dir auch gut gelungen ist. Die Gedanken sind so viel besser nachvollziehbar.

Aber sei mir bitte nicht bös, wenn ich sage, ich les lieber die alte Version, die ist viel heiterer und netter. Realistische Gedankengänge können ja richtig deprimierend sein. Man weiss eben erst was man will, wenn man Vergleiche anstellen kann. :D

viele Grüße

Heli

 

Danke erstmal für Eure Rückmeldung, Julia und Heli! :)

Zum Antworten komm ich erst später - nur eine Frage, Julia: Kannst Du mir Genaueres bezüglich der Gewürze verraten? ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Zum Beispiel Liebstöckel, Majoran, Beifuß, Knoblauch, Zwiebeln, diverse Blütenblätter, und wenn sie hatten auch Salz.

LG
Julia

 

Liebe Julia!

Danke für Deine Tips mit den Gewürzen - das hab ich wirklich nicht gewußt, werde morgen versuchen, da noch was einzubauen. ;)

Freut mich, daß sie Dir jetzt gefallen hat! :)


Lieber Heli!

Vielleicht schaff ich es ja, noch ein bisschen von der Heiterkeit der ersten Version in die zweite herüberzuretten... :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Ach was Häferl

das musst du nicht, die zweite ist auch so gut.

Ich glaube, Salz war eines der ersten bekannten und wichtigsten Gewürze. Weil man damit auch das Fleich haltbar machen konnte.

Heli :)

 

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