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Hass

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26.06.2004
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Hass

Das Gefecht hatte sich im Verlauf der Nacht gesteigert, von den Rheinhöhen gegenüber feuerte die zurückweichende deutsche Armee pausenlos aus ihren schweren Geschützen in die kleine Stadt.
Sie war sinnlos, diese letzte verzweifelte Gegenwehr, und traf in ihrer Brutalität nur noch die eigene Bevölkerung.

Sie saß zitternd vor Angst und kalt bis in die Knochen auf dem hölzernen Deckel des Plumpsklos im Hinterhof.

Eine laute, streitsüchtige Stimme ertönte aus dem Kellerraum gegenüber, dessen Fenster zu ebener Erde lagen.

Lisa hielt sich die Ohren zu, aber dieser entsetzlichen Stimme war nicht zu entkommen.

"Wo ist das Luder?" schrie ihr Vater wütend, und die ängstliche Stimme der Mutter antwortet etwas, das Lisa von ihrem unbequemen Platz aus nicht verstehen konnte.
Sie wußte, was nun kam und da waren sie auch schon, brutale, klatschende Geräusche.
Er schlug Mama wieder, und diesmal hörbar härter, wütender, und unbarmherziger als je zuvor.
Und sie, Lisa, war schuld; mal wieder.

Entschlossen stand die Elfjährige auf, verließ ihren kalten Sitz und rannte hinüber zum Haus.
Das mußte aufhören, sofort! Haß und Wut hatten ihre Vorsicht beiseite gefegt, sie zitterte nicht mehr, dies war nicht die Zeit, Angst zu haben.

Sie platzte wie ein kleiner Feuerball in ihrem roten Strickjanker in das enge Kellergelaß, das von einigen im Luftzug flackernden Kerzen notdürftig erhellt wurde.
Ihre langen, dünnen Beine steckten in übergroßen kratzenden Strümpfen, die faltig über die knöchelhohen Schuhe fielen.
Die klaffenden Sohlen brachten sie auf dem glatten Betonboden fast zu Fall.

Der muffige Raum, in die Reste der alten Stadtmauer eingelassen, war feucht und kalt, es roch nach Mäusedreck und Schimmel.
Ein unwirtlicher, abstoßender Ort .
Aber die Mauern waren dick und boten mehr Schutz als normale Kellerwände.

Ich bin hier," schrie Lisa, "hier bin ich und ich werde nicht dahin gehen, ich gehe nicht, nicht, nicht!"

Ihre Stimme überschlug sich, sie war außer sich vor Wut, und der drahtige Mann ließ überrascht von seiner verschüchterten Frau ab, die er gegen die Wand geschleudert hatte.

Als er sich wütend dem Kind zuwandte, hatte Lisa sich zum Schutz vor den erwarteten Schlägen schon hinter das Kopfende der kleinen Chaiselongue gedrückt, die hier für die kalten Bombennächte aufgestellt worden war und fast den gesamten winzigen Raum einnahm.

"Du gehst, und zwar auf der Stelle," schrie er, "und wage es nicht, ohne Tauschware wiederzukommen, oder ich werde euch allen zeigen, was es bedeutet, mir zu widersprechen!"

Verzweiflung überfiel das Kind, wie eine schwarze, jeden Atem erstickende Decke. Sie begann zu keuchen.
Nicht jetzt, auf keinen Fall durfte sie ausgerechnet jetzt einen Asthmaanfall bekommen, oder sie war verloren.
Nicht zum erstenmal hatte ihr der Vater den Weg zu
dem rettenden Inhalationsapparat versperrt, um
ihren Willen zu brechen - bitte nicht heute!

Der Mann sah sie aus zusammengekniffenen Augen an: jetzt hatte er sie.
Es gelang Lisa mit fast übermenschlicher Anstrengung, den drohenden Anfall aufzuhalten, sie ergab sich nicht, aber jetzt flüsterte sie nur noch:
"Diese Männer dort, das sind alles Verbrecher, sie zwingen mich Schnaps zu trinken, ehe sie mir die Ware geben wollen und sie fassen mir zwischen die Beine", sie schluchzte wild auf "...und niemand kommt
jetzt bei dem Beschuß über die Rheinwiesen."

"Hab dich nicht so, Fräulein," sagte der Vater höhnisch, "noch hat dich ja keiner vernascht, außerdem kann keiner rennen wie du. Wer der Polizei entkommt, wird doch wohl diese fetten alten Säcke austricksen, strenge dich an, oder gehe unter, die Welt ist nicht für Feiglinge gemacht..."

"Ist sie doch, ist sie doch..!" Lisa schrie es wieder, "Sonst wärst Du längst tot, tot, tot, tot..." ihre Stimme überschlug sich erneut, und die Tränen rannen über das blasse Gesicht.

"Das hättest Du wohl gern," er sah sie bösartig an, und dann, fast überredend, "sie schießen nicht auf Kinder."

Sie wußte, daß das nicht stimmte.
Immerhin hatte ihre Freundin Carola gestern noch gelebt, und heute war dort, wo das Nachbarhaus gestanden hatte, nur noch Schutt und Asche.
Sie antwortete nicht, sondern preßte die Arme fest an den Körper, wie um sich selbst den Schutz zu geben, den niemand sonst ihr zugestand.

Plötzlich warf sich der Vater nach vorn, ergriff einen ihrer dicken blonden Zöpfe und zog sie daran erbarmungslos aus der schützenden Ecke.

Sie schrie vor Schmerz und trat wild um sich.

Im gleichen Moment zerbarst ihre Welt zu einem Chaos aus Staub, Steinen und krachend herabstürzenden Balken.
***
Es dauerte einige Zeit bis sich der Staub lichtete und ein verirrter morgendlicher Sonnenstrahl durch eine Lücke in der eingestürzten Decke zu Mutter und Tochter drang, die eng umschlungen und staubbedeckt unterm Türrahmen kauerten.

Etwas abseits lag der Mann, die Beine eingeklemmt unter einem schweren Deckenbalken.
Steinquader aus der alten Stadtmauer waren auf seine Brust gefallen.

"Helft mir," stöhnte er, und blutiger Schaum sickerte aus seinem Mundwinkel.
"Hilfe, Hilfe..." Die Stimme wurde schwächer...

Doch die Frau schirmte die Tochter mit ihrem Körper ab.
Beide Hände auf den Ohren des Kindes, sperrte sie diese Stimme aus, unerbittlich und haßerfüllt, bis sie gänzlich erlosch.

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Lore!

Er schlug Mama wieder, und diesmal hörbar härter
Während einer Bombadierung???

mit fast übermenschlicher Anstrengung, den drohenden Anfall aufzuhalten
Ob das mit reiner Anstrenung geht, wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich muss man sich eher beruhigen...

sen, strenge dich an, oder gehe unter
Grammatikalisch vollkommen korrekt, ohne Zweifel, aber es liest sich schrecklich. Schreib doch lieber: Streng dich an, oder geh unter...


Irgendetwas stimmt mit dem Layout nicht ganz. Manche Sätze sind auseinandergerissen und es sind erstaunlich viele Leerzeilen im Text. Ist das Absicht?

Zur Geschichte: sprachlich gewandt erzählt, aber die Story vermag mich nicht wirklich zu beeindrucken. Irgendwie ist sie etwas leblos. Der böse, böse Vater ist zu sehr Stereotyp, als dass man ihn als wirklichen, wahrhaftigen Charakter begreifen könnte.
Gut gefällt mir hingegen die Protin.
Auch das Ende finde ich etwas - übereilt. Eigentlich rundet es die Geschichte nicht wirklich ab.
Der Kreigsschauplatz hingegen ist gut beschrieben.

In diesem Sinne
c

 

Während einer Bombadierung???

Du musst bedenken, eine Bombardierung war damals die Tagesnorm, nein sogar die Norm von Stunden, es ist nicht anzunehmen, dass da auf Dauer alles unterblieb, was ansonsten zur Lebensnormailtät gehörte, für den hier war das Prügeln seiner Ehefrau normal.

Ob das mit reiner Anstrenung geht, wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich muss man sich eher beruhigen...

O ja, das muss man, und es bedarf ernormer Anstrengung das zu tun.


Grammatikalisch vollkommen korrekt, ohne Zweifel, aber es liest sich schrecklich. Schreib doch lieber: Streng dich an, oder geh unter...

Komisch, ich musste zweimal hingucken, um den Unterschied wahrzunehmen:-)


Irgendetwas stimmt mit dem Layout nicht ganz. Manche Sätze sind auseinandergerissen und es sind erstaunlich viele Leerzeilen im Text. Ist das Absicht?

Die Leerzeilen nicht, das Auseinanderreissen stört mich auch, ich habe noch nicht herausgefunden, wie man es vermeidet.

Zur Geschichte: sprachlich gewandt erzählt, aber die Story vermag mich nicht wirklich zu beeindrucken. Irgendwie ist sie etwas leblos. Der böse, böse Vater ist zu sehr Stereotyp, als dass man ihn als wirklichen, wahrhaftigen Charakter begreifen könnte.

Schön, wenn man solche Typen nicht kennt, sie existieren dennoch.

Gut gefällt mir hingegen die Protin.
Auch das Ende finde ich etwas - übereilt. Eigentlich rundet es die Geschichte nicht wirklich ab.
Der Kriegsschauplatz hingegen ist gut beschrieben.

Ich fand nicht, dass man sie ausbauen sollte, ein Schrecken der kein Ende nimmt, wäre zu etwas geworden, das nicht meiner Absicht entsprochen hätte. Ich wollte deutlich machen, wie schnell sich in diesen Zeiten die Dinge auf eine Weise regeln, die für den Antagonisten jede Hoffnung auf Hilfe vergebens sein lassen und für die Protags klären, dass sie vielleicht diese Situation schon viel früher durch Trennung hätten klären müssen, ehe ihr Hass sie selbst zu Monstern werden lässt.

Danke Dir für den Kommentar, er macht klar, dass die Story nicht so verstanden wurde, wie sie beabsichtigt war.
Das zu wissen, kann nie schaden.

Gruß Lore
In diesem Sinne

 

Hi Lore!

eine Bombardierung war damals die Tagesnorm, nein sogar die Norm von Stunden, es ist nicht anzunehmen, dass da auf Dauer alles unterblieb, was ansonsten zur Lebensnormailtät gehörte, für den hier war das Prügeln seiner Ehefrau normal.
Punkt für dich.

Schön, wenn man solche Typen nicht kennt, sie existieren dennoch.
Mag sein. Dennoch finde ich den Charakter nicht gut. Habe einfach zu viele Geschichten gelesen, in denen ein solcher vorkam.

Danke Dir für den Kommentar, er macht klar, dass die Story nicht so verstanden wurde, wie sie beabsichtigt war.
Wart erst mal auf die anderen Kritiken. Vielleicht bin ich nur etwas schief gewickelt.

In diesem Sinne
c

 

Mag sein. Dennoch finde ich den Charakter nicht gut. Habe einfach zu viele Geschichten gelesen, in denen ein solcher vorkam.

Den Charakter finde ich auch nicht gut.
Muss daran liegen, dass der Kerl keinen solchen hatte.
Gröhhhhhhl

Aber meinst Du nicht, die Tatsache, dass Du schon so oft von dieser Sorte gelesen hast, bestätige, dass sie zahlreich zu sein scheinen?

Aber ich habe Dich jetzt verstanden, Du meinst nicht, dass der Antagonist überzeichnet ist, denn das müsste ich als Autorin dann ja ändern, sondern Du kannst ihn einfach nur nicht leiden.
Das kann ich verstehen, ich mag ihn auch nicht:-)

Gruß Lore

 

Aber ich habe Dich jetzt verstanden, Du meinst nicht, dass der Antagonist überzeichnet ist, denn das müsste ich als Autorin dann ja ändern, sondern Du kannst ihn einfach nur nicht leiden.
Doch, ich meine sehr wohl, dass er überzeichnet ist.
Scheinbar habe ich mich nicht klar ausgedrückt.
Das ist genau der Punkt, der mich stört. In vielen Geschichten gibt es diese Stereotypenbösewichte, die einfach nur böse sind und sonst nichts.

Ob du das jetzt ändern willst oder nicht bleibt nur dir selbst überlassen. Ich persönlich würde es tun, aber das spielt hier keine Rolle.

c

 

@ chazar

Das ist doch immer so, dass es dem Autor obliegt, zu ändern oder es zu lassen.
Niemand erwartet sicher, dass der Texter die Ansichten seiner Leser immer teilt, das ergäbe ja ein heiloses Durcheinander, denn man sieht ja, wie unterschiedlich die Meinungen sind.

Nein, nein, keine Sorge, ich sehe mir andere Meinungen durchaus an, sie sind wichtig, aber was ich dann letztlich tun werde, spielt sich sicher nicht mehr hier ab. Ich arbeite an meinen Texten nicht hier, sondern wenn, dann erscheinen sie - mit den Anregungen die ich akzeptabel finde - verändert auf meiner Homepage.

Ich denke, das machen sicher die meisten Autoren so, sonst würde da hier ja etwas unübersichtlich.

Feedback führt also durchaus zu anderen Einsichten, aber es 1:1 umzusetzen, das geschieht wohl eher selten.
Oder siehst Du das anders?

Gruß Lore

 

@ Jo

Du bist im Vorteil, ich sagte es schon, da ich immer meinen Realnamen verwende. :-)
Da ist es kein Problem, mich zu erkennen.
Ich frage mich allerdings langsam, ob die Autoren von Kurzgeschichten gar nicht so zahlreich sind, wie das zumeist den Anschein hat, denn man trifft sich ja eigentlich immer wieder.
Sich im Netz umzusehen ist aber etwas, das wir wohl alle tun, wenn man irgendwo hängenbleibt, ist wohl die Suche nach einer literarischen Heimat, wenn mans mal großkotzig so nennen darf, beendet:-)

Wie ich hier sehe, mögt Ihr meinen Antagonisten nicht, die Meinung teile ich, bin aber anweichend der Ansicht, dass es diese Schurken, die in keiner Beziehung etwas anderes sind als Schurken, nicht nur gibt, sondern dass dieser hier nur der Aufhänger für das Gefühl *Hass* ist.
Ein solch tödlicher Hass kann aber nicht aufkommen, ohne dass der Antagonist ihn zu verdienen scheint.

Die Story heisst nun mal *Hass* ich sehe mich daher außerstande, diesem Antag. auch nur die Spur Menschlichkeit zu verleihen, er hat sie zudem nicht verdient, denn ich kenne/kannte ihn.

Danke Dir für dies hier:

Aber davon abgesehen überzeugt mich auch diesmal dein sicherer Umgang mit den Worten.

Es ist mir wichtig.

Gruß Lore

 

Hallo Lore,

keine schlechte Geschichte, aber auch keine ganz gute, finde ich.

Was mir gefällt, ist die Atmosphäre des Januars 45 - die bringst du recht glaubwürdig rüber. Der Schluss trieft nicht - wie sonst so oft - von Moral, sondern wirkt einfach realistisch. Allerdings könnte man einwenden, dass die Bombe ein wenig Deus ex machina spielt.

Eine Sache ist mir sehr gegen den Strich gegangen, und das ist ein Perspektiveproblem. Du schreibst nicht aus der Perspektive von Lisa, sondern auktorial. Einer Elfjährigen würde ich den Satz Bemerkungen über den Sinn des letzten deutschen Widerstandes nicht zutrauen. Die auktoriale Erzählweise möchte ich nicht kritisieren. Aber zuerst schreibst du "Vater" und sogar "Mama" (also aus der Sicht von Lisa), und dann von einem drahtigen Mann. Da frag ich mich, ist der auktoriale Erzähler gedächtnisschwach? Hat er vergessen, dass diese Mann der Vater von Lisa ist? Dieses Problem gibt es an zwei Stellen:
- und der drahtige Mann ließ überrascht von seiner verschüchterten Frau ab
- Der Mann sah sie aus zusammengekniffenen Augen an


Ein zweiter Kritikpunkt:
Haß und Wut hatten ihre Vorsicht beiseite gefegt, sie zitterte nicht mehr, dies war nicht die Zeit, Angst zu haben.
Hier trifft es der alte Satz: Show, don't tell. Du sagst mir was über Lisas Gefühle, statt sie mir zu zeigen.

Noch ein Drittes. Was du zu chazars Kritik (Stereotypenbösewicht) gesagt hast, erinnert mich an eine Stelle, die ich kürzlich in einem Buch gelesen hab. Rebecca McClanahan, Schreiben wie gemalt, Verlag 2001. Ich geb es mal mit meinen Worten wieder.

Stell dir vor, du müsstest eine Schnecke beschreiben. Das Klischee wäre dann das, was jeder über Schnecken denkt: eklig, schleimig, bäh! Aber wenn du dir die Schnecke genauer ansiehst, z.B. eine Weinbergschnecke, siehst du, wie schön sie ist, wie sanft und elegant sie sich fortbewegt, wie stetig sie ihre Bahn durch die Salatbeete zieht. Wenn man sich etwas Hässliches genau genug ansieht, entdeckt man positive Aspekte. Sonst muss man eben länger gucken. Genauso ist es mit den schönen Dingen. Ein Sonnenuntergang sieht zunächst furchbar romantisch aus. Aber in der Literatur würde ich hinter einen romantischen Sonnenuntergang ein dickes Fragezeichen malen.

So, genug geschwafelt. Deine Antworten auf chazar lassen mich sowieso fürchten, hier gegen eine Wand zu reden.

Grüße,
Stefan

 

So, genug geschwafelt. Deine Antworten auf chazar lassen mich sowieso fürchten, hier gegen eine Wand zu reden.

Darauf gibt es dann nicht wirklich etwas zu erwidern.
Du gibst Dir ja Deine Antworten schon selbst, da möchte ich es natürlich dabei belassen um Dich nicht zu enttäuschen.:-)

Gruß Lore

 

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