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Hallo Reeperbahn!

Monster-WG
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10.09.2014
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Hallo Reeperbahn!

Bin wieder mal da, total hippelig.
Ist wohl eine Macke, die mich auf diesem Pflaster überkommt. Dieses Aufgedrehte, Flattrige – wie zu Knabenzeiten, wenn man was Verbotenes tat. Oder in den Jahren vor der Scheidung. Aber jetzt? Vertraut mit dem Leben und allem, was dazugehört – und immer noch so eine Art schlechtes Gewissen, als ob’s der Herrgott nicht sehen dürfte? Ziemlich verrückt.
Rosi, Jennie, Gerti, Babette winken schon. Das tun die seit dreißig Jahren. Ich bin mittlerweile grau geworden, sie haben sich für andere Farben entschieden. Macht mir nichts, dass sie jedem winken.
Bei Gerti liefert der Chinese gerade Nasi mit Spiegelei – wer arbeitet, muss auch essen.
Ich muss erst was trinken.

Stunden später hab’ ich keine Lust auf die alten Freundinnen. Ehen erkalten, Eintopf erkaltet.
Lieber was Dunkles, Schokolade.

Heaven, was für ein Weib! Kommt direkt von Jamaika. Touristin, sozusagen im Gegenzug zu den vielen blonden Frauen besten Alters, die Jamaika wunderschön finden und am liebsten bei ihrem Rastalehrer am Strand wohnen, einfach und mit persönlichem Bezug.
Meine Jamaikanerin ist sehr freundlich zu mir – mütterlich, wie eine Bäckersfrau, beugt sie sich über mich und ich ersticke fast in ihren Brüsten.
Ich geh’ dann noch ein bisschen weiter, um auch die kleineren Gassen zu besuchen,
mit hundert Kneipen, stimmungsvoll und heiter, bunt wie ein Geburtstagskuchen.
Ich woge und ich dränge in der triebgetrieb’nen Menge.
Diese Nacht muss es bringen – jetzt oder nie. Da sind wir uns alle einig; denn morgen sind wir wieder zurück an den Orten unserer Qual: auf dem Eisenschiff, in der Fabrik, im dröhnenden Maschinensaal.
Dann schmerzt der Kopf – und das verprasste Geld. Da ist keiner, der uns tröstet und zu uns hält, der seine Hand auf die Schulter legt und sagt: Schiet drupp, kann doch passieren, dass man sich ungeliebt und unverstanden fühlt, dass man das eigene Grübelgesicht satt hat und sich mal was gönnen will.
Kann doch passieren, dass man nach all der Alltagskacke mal so richtig auf den Putz hauen will, wie es die Chefs tun; dass man eine Bestellung auf Großmannsweise über die Theke schmettert, bei jeder Runde mehr ausgeschmückt mit Brocken, die man bei der Seefahrt aufgeschnappt hat. Da weht die große Welt herein und lässt die eigene Person wachsen und immer origineller und interessanter erscheinen, bis der Schankkellner dieses Sprachgehäcksel nicht mehr versteht und in bestem Englisch zurückfragt, was denn nun wirklich gewünscht werde.
Das kann ich nicht wechseln, werde schadenfroh angeschaut und verliere augenblicklich Überschwang, Gönnertum und Sektlaune. Ernüchtert bin ich wieder einer in der Menge.

Für einen zweiten Besuch bei einer der Schönen aus Altona oder Afrika reicht es weder finanziell noch konditionell, wiewohl es nur zum Schmusen und Trösten gedacht wäre. Es ist schon spät – oder früh, doch hier auf der Wallstreet des Lebens sind die Nächte dehnbar.
Zwar ist die Luft raus – alles ging wieder mal viel zu schnell – doch die Antenne ist noch ausgefahren. Nach Spielerart will ich der Nacht noch etwas abgewinnen, irgendwas, um noch nicht zurückzumüssen zu all dem, was ich wenigstens für dieses Wochenende hinter mir lassen wollte.
Zu dieser Stunde ist „Ludowig“ die beste Adresse.

Wie ein gutes amerikanisches Frühstückslokal öffnet das Etablissement 4.00 Uhr, allerdings wird nur flüssiges Frühstück serviert. Die klassenlose Gesellschaft drängt und knubbelt sich am Tresen, wähnt sich noch am Leben. Die anderen am Rande, an den Tischen, könnten ebenso auf dem Mond sitzen, auf dem Mars, oder als tiefgefrorene Kügelchen durchs Weltall schweben – es wäre ihnen egal. Sie sind gekentert und ersaufen.

Ich kratze noch etwas Klimpergeld für ein großes Bier zusammen; diejenigen aber, die weniger oder gar nichts mehr haben, erspüren wie ein Trüffelhund den scheinbar Wohlhabenden und werfen sich ihm zu Füßen. Geschminkt wie ein Clown umfasst mich eine Vettel, fährt mit vibrierender Zungenspitze über ihre roten Gummientenlippen und verspricht mir den Himmel auf Erden, wenn ich ihr doch nur einen ausgeben würde, und ein Stiefbruder des Herrn Jesus Christus versucht, mich in die psychologische Mangel zu nehmen, indem er an Edelmut und Christenpflicht appelliert.

Das Gedränge nimmt zu und es wogt ein Meer von Leuten, die kein Rettungsboot aufnehmen möchte oder könnte. Ein quadratischer Kerl schwingt sich auf die Theke und will „Oh Shenandoah“ anstimmen, kracht stattdessen auf die Dielen, weil Schankkellner und Schwerkraft das so wollen.

Irgendwann schimmert zartes Hellgrau durch die Fensterscheiben – ein mysteriöses Licht wie die Ankündigung des Weltuntergangs, bedrohlich und einschüchternd. Die Gäste fühlen sich unbehaglich. Auch dieser letzte, sicher geglaubte Winkel wird sie verraten, preisgeben der immer heller werdenden Wirklichkeit. Ein Blick in den Spiegel wird sie vernichten.
Sie haben dem Leben nichts mehr zu sagen, und dem Tod wahrscheinlich auch nicht.
Einer aber begehrt auf. „Was ist das nur für ein Leben!“, sagt der Mann neben mir. Ein magerer Mensch um die Fünfzig; Tonsur und fettige Klamotten. Seine Brillengläser sind stark wie Teleskope, riesige Augen blicken mich an.
Er streckt die Hand aus und sagt „Ich bin Josef aus Tirol.“ Nein, er sei kein Schmarotzer, habe immer hart gearbeitet, bevor das mit den Augen passierte. Sein Beruf war Heizer.
Unter der Flagge Panamas sei er gefahren, als das mit der Kesselexplosion passierte und ihn fast das Augenlicht kostete. Die Reederei habe vergessen, für ihre Mannschaft die Krankenversicherungsbeiträge zu überweisen, also musste er den Notarzt von seinem Geld bezahlen, die Medizin, andere Ärzte – bis es eben nicht mehr ging. Und jetzt steht er hier, nimmt seine dicke Brille von der Nase, poliert sie noch einmal, hält sie hoch und sagt: „Für fünf Mark gehört sie dir. Ich will noch nicht nach Hause gehen müssen. Bitte!“
Ich bin betrunken, schaue ihn verständnislos an.
Wenn er mir seine Schuhe angeboten hätte, seine Jacke, sein Hemd – aber das eigene Augenlicht?! Will er die Welt nicht mehr sehen wie ein kriegsmüder Soldat, der sein Gewehr ablegt, das Bajonett, die Schulterklappen – in Erwartung des Erschießungskommandos? Wirft er sich nach einem letzten Schnaps vor den Zug?
Mir steigen Tränen in die Augen und die Welt wird unscharf und verschwommen. Ich weiß nicht mehr, ob ich ihn wirklich umarmt habe in plötzlich aufflammender Brüderlichkeit, oder eher aus Mitleid, oder ob ich das nur wollte.

 
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Hola wieselmaus,

für Deine Zuschrift meinen besten Dank! Geistreich und heiter erreicht mich ein jedes Deiner Worte.

... eine Welt, die ich nur, aber wirklich nur vom Hörensagen kenne.
Braves Mädel. Obwohl – mal einen Blick riskieren wäre erlaubt ;).
Wir Männer schauen ja auch nur.
Und da glaube ich, dass du ein zuverlässiger Reiseführer bist, ein Insider, der hinter den glitzernden Lichtern auch das Schäbige, Verlorene, Unerfüllte erfahren hat.
Zu meiner Zeit hätte ich tatsächlich einen interessanten Rundgang organisieren können, allerdings liegt das beinahe fünfzig Jahre zurück. St. Pauli hat seit damals viele Veränderungen durchgemacht, die mich aber – seit ich mein Leben an Land ausgerichtet hatte – nicht die Bohne interessierten. Auch wenn ich oft in Hamburg war, auf die Idee, dort noch mal eine Runde zu drehen, kam ich nie mehr.

Es gefällt mir auch, dass du deine Anteilnahme für die Gestrandeten in poetischen Bildern zeigst, nicht moralisierend, sondern mitfühlend
.
Ja, bei all den vielen Bieren und Schnäpsen war viel menschliches Elend nicht zu übersehen. Trotzdem konnte man in den ‚richtigen’ Lokalen ordentlich Spaß haben. Harmlose Zeiten waren das. Was später dann mit dem Kiez passierte, wurde ja in den Medien ausgiebig breitgetreten. Deifel noch!
In einem muss ich @Eisenmann zustimmen. Ich hätte auch gedacht, dass die heutigen Mädchen internationaler daherkommen, insgesamt das Geschäft auf der Reeperbahn härter, unpersönlicher und kommerzialisierter abläuft.
Da hast Du völlig recht! Ich hab’s ihm ja geschrieben:
Josefelipe: schrieb:
Das war wohl ein Fehler, die Geschichte nicht deutlicher zeitlich zu verorten; allein das Brillen-Kaufangebot von fünf Mark war offensichtlich nicht genug.
Rosi, Jennie, Gerti, Babette – ja, so hießen sie damals. Lang, lang ist’s her. Es ging – im Vergleich zu später – beinahe gemütlich zu: Bei Radau gab’s auf die Fresse, aber keine Messerstechereien oder Schießereien wie nach der ‚Machtübernahme’ durch ausländische Gangs, die Frauen gingen ihrem Beruf nach – von Drogen weit und breit nix zu sehen etc.
Aber das ist fast gar nicht mehr wahr.
Warum kommt mir immer Toulouse-Lautrec in Sinn? Das muss ein Verwandter von dir sein.
Zuviel der Ehre! Meine Bilder wären als Zahlungsmittel ungeeignet. (Deshalb hab ich auch Pinsel Pinsel sein lassen und mich in der Schreibwerkstatt angemeldet:)).

Wieselmaus, es hat mich wieder einmal gefreut, von Deinen Gedanken zum Text zu erfahren - und ich werde sofort den Kurs wechseln, damit niemand auf die Idee kommt, ein alter Mann schreibt davon, wie heil und schön früher alles war.

Schöne Grüße und alles Gute!
José


PS.:
Hola lakita, vielen Dank erst mal; ich antworte Dir die nächsten Tage. Leider finde ich es sehr schade, dass Du keinen Blick auf meine Antworten zu den Komms geworfen hast. Das könnte die Sache ins rechte Licht rücken – vielleicht hast Du mal fünf Minuten?
Bis dann.

 

Hola@Eva Luise Groh,

... ob das mit wirklicher Wirklichkeit zu tun hat, was und wie du beschreibst? Kann ich nicht beurteilen, bin aber skeptisch.
Ja und nein. Die wirkliche Wirklichkeit gibt es vermutlich nicht – meiner Meinung nach auch nicht außerhalb des Kiez. So ist auch ...
... dieses wundersam gedachte St. Pauli.
eine Illusion. Je mehr wahr scheint, desto mehr ist getürkt. Wäre ich philosophisch beleckt, würde ich Szenen aus dem Milieu eins zu eins mit dem Leben im Allgemeinen vergleichen, denn Panoptikum sehe ich hier und dort.
Feine Sache, wenn mir auch ein bisschen was fehlt.
Muss ich Dir Recht geben – das hätte ich in alle Richtungen ausdehnen können. Aber müssen? Ist halt eine nostalgische Fotografie – besser: Photographie:).

Vielleicht ein besonderes Wiedererkennen, mehr vom Tiroler oder irgendwas, das mich hinter eine der Oberflächen schauen lässt.
Je nun, ich dachte, in der gebotenen Kürze wäre Josefs Schicksal ausreichend – den Vorlauf brauchte ich, um dahin zu kommen. Und das soll auch das Sujet der Geschichte sein.
Doch wie’s beim Leser ankommt, liegt wie immer in den Sternen. Jedoch, wenn Du sagst:
... habe ich auch an deiner Skizze, so wie sie ist, ein großes Vergnügen.
... dann ist für mich alles in Butter.

Danke Dir, Eva, für Deinen Kommentar und hoffe, Du bleibst mir weiterhin gewogen.
José

 

josefelipe

wunschgemäß habe ich mir deine Antworten auf die Feedbacks durchgelesen und herausgelesen, dass du die Reeperbahn noch zu D-Markzeiten meinst.
Ok, da ging es noch deutlich betulicher zu. Dein Text wird nach dieser Information von mir etwas anders eingeschätzt.

ABER ich meine, dass in all den Jahren, damals wie heute, nicht AUF der Reeperbahn jemals Huren gestanden haben, es warn immer die Seitenstraße und ok, natürlich das Eros-Center, aber das war kein Straßenstrich im eigentlichen Sinne. Die gesamte Reeperbahn entlang wurdest du von den Koberern angequatscht, damit du ihr Kunde in einem dieser Erotikshow-Läden wirst. Diese "Reinschmeisser", wie wir sie genannt haben, waren damals noch werbetechnisch echt unterentwickelt drauf. Die sind immer ein paar Schritte mitgelaufen und haben furchtbar unterirdische Sprüche geklopft. Die fehlen mir in deiner Beschreibung DER Reeperbahn.
Da hat sich mittlerweile ein echter Generationswechsel aufgetan, heutzutage wird mit aktuellen Werbemethoden gekobert und im Vergleich zu früher, also zum Zeitpunkt deiner Geschichte, sind die heute fast schon eloquent. :D
Mir fehlt als gestandene Hamburgerin die Genauigkeit in deinem Text. Auch, wenn ich 40-50 Jahre zurückrechne, stimmt nicht alles aus deiner Erinnerung.


Aber, das gebe ich gern zu, wenn ich diese Zeit unterstelle, dann ist einiges klarer, als es beim ersten Mal des Lesens war.
Ich würde unbedingt ziemlich zu Beginn der Geschichte einflechten, wann sie spielt. Du kannst doch den Protagonisten ein wenig andeuten lassen, von was für einer Art Schiff er an Land gegangen ist. Und anstelle des allgemeinen Begriffs "Geld" kannst du ja von D-Mark oder Mark reden.
Das wären alles Hinweise auf die Zeit.

Gerade, weil sich mittlerweile Völkerscharen auf der Reeperbahn tummeln. Da wirst du auch hier gewiss auf ein paar mehr Leser stoßen, die mitreden können und sich wundern, von welcher Reeperbahn du schreibst.
Wärst du heute hier, du würdest rückwärts in die Elbe gehen. :D Kein Wochenende, an welchem nicht mindestens pro Tag 10 bis mehr Junggesellenabschiede, männlich, wie weiblich, stattfinden. Und Heerscharen von Touristen. Die "Große Freiheit" ist Fußgängerzone und das "Salambo" ist ebenfalls Vergangenheit. Auch darüber und über die Herbertstraße schreibst du nichts. :D
Ich finde, wenn du schon mit Lokalkolorit arbeitest, dann auch richtig. Das bleibt insoweit also meine Kritik neben den anderen Punkten.


Ok, meine Hausaufgaben habe ich hiermit erledigt. Jetzt bist du dran. Nur Mut! :D


Lieben Gruß
lakita

 

Hola Freegrazer,

immer wenn ich denke, jetzt isser endgültig abgetaucht, dann taucht er zu meiner Freude wieder auf! Ist auch zufrieden mit dem Text, weil er schreibt:

Sehr gut gemacht. Kann mich reinfühlen und habe es gern gelesen.
Danke, das zergeht auf der Zunge.

José, da hats mich geschmissen! Aber sowas von !!!
Na ja, das berührende Ende war unumgänglich, sozusagen als Kontrast zum scheinbar lebensfrohen ‚Hallo Reeperbahn!’.

Wirklich ein großer Moment! Vielen Dank! Das ist ganz großes Kino!
Ich weiß, ich bin eitel – deswegen musste ich das noch mal zitieren:shy:. Das ist doch immer das Beste, wenn eine – mit der üblichen Ungewissheit – eingestellte Geschichte beim Leser gut ankommt.

... deine Geschichte, ein typischer José, hätte ich beinahe geschrieben.
Hier bin ich auf dem Glatteis (‚Dünnes Eis’:)), denn manchmal muss ich einen Seitensprung machen, um nicht zu oft als ‚typisch’ dazustehen. Kann schnell langweilig werden für den Leser – das ist zumindest meine Befürchtung.
Aber für heute passt alles!

Freegrazer, bedankt für die aufbauenden Worte. Ich hoffe, dass Dich der heutige Rosenmontag total vereinnahmt und Du am Aschermittwoch tausend Gründe hast, Dir ein dickes Aschekreuz auf die Stirn zu malen.

Viel Spaß, mein Lieber!
José

 

Hola rieger,

für Deinen Kommentar danke ich Dir. Deinem Leseeindruck kann ich nicht viel beifügen, denn so, wie Du den Text aufgenommen hast, war er gemeint.

Für meinen Eindruck ergibt sich also weniger eine Geschichte als eine atmosphärische Studie.
Stimmt. Ich wollte diesen mentalen Temperaturabfall vom aufgedrehten Start bis zur totalen Ernüchterung (trotz einigen Alkohols) darstellen.

Im Bezug auf die genaue Recherche eines Settings muss ich ebenso @lakita zustimmen. Man könnte den Text aber ohne weiteres allgemein titulieren und auf ein x-beliebiges Vergnügungsviertel beziehen.
Das könnte man, ohne Frage. Doch was würde das ändern?
Da ich mich aber für eines entscheiden muss, wähle ich das mir vertraute. Außerdem: ‚Reeperbahn’ zieht immer, schon seit Hans Albers’ Zeiten;).

Da ist eine ganz lose Handlung und am Ende wirkt dann tatsächlich der etwas tiefer gehende Blick auf den sehbehinderten Tiroler berührend, weil er sich von der allgemeinen Milieuschilderung abhebt.
Ich glaube, so eine leichte Fokussierung ist erforderlich zum Ende hin, sonst wäre der Ausflug ins Nachtleben sehr banal.
rieger, es freut mich, dass Du mit dem Text einigermaßen klargekommen bist. Wir sind noch in der Phase der Schreibübungen – bis wir dann eines Tages die perfekte Geschichte raushauen!

Ich fürchte, das kann noch dauern.
José

 
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Hola lakita,

ich muss ein bisschen sortieren, um nicht durcheinanderzukommen bei Deinen beiden Posts. Doch so kompliziert ist es gar nicht.

Trotzdem hat mir diese Geschichte ein bisschen gefallen und zwar, losgelöst von dem Ort, in dem du es angesiedelt hast. Es ist eine melancholische Geschichte eines Getriebenen, der aber bereits in seiner Erzählung sich darüber im Klaren zu sein scheint, wie vordergründig, wie unnütz das ist, was er tut.
Dass er trotz dieser Erkenntnisse nicht anders kann, als sich so zu benehmen, macht ihn wiederum sympathisch.

Wenn ich diese Geschichte loslöse von dem etwas zwanghaft gewolltem Lokalkolorit, dann komme ich also mit ihr gut klar.
Ja, prima! So wollte ich es darstellen – und so hast Du es verstanden. Perfekt.
Und damit könnte es eigentlich gut sein.

Liebe lakita, vielen Dank und schöne Grüße!
José


Aber wenn eine echte Hamburgerin mit dem Thema ‚Reeperbahn’ konfrontiert wird, gibt es Reibeflächen:

Sollte es ... ... dir aber unbedingt darum gegangen sein, die Reeperbahn darzustellen, dann würde ich dir an dieser Stelle einiges um die Ohren pfeifen, weil du nicht mal ansatzweise richtig liegst.
Nein, es ist mir nicht darum gegangen – die Reeperbahn ist nur der Aufhänger. Eine viel zu breite, langweilige Straße für Busgesellschaften und Touris. Natürlich haben wir im ‚Zillertal’ gejodelt und im Café Keese die Damen geschwenkt, aber das waren andere Veranstaltungen.

Das, was Du oben so treffend schreibst, sollte die Geschichte ausmachen. Ab und zu sticht einen der Hafer und dann zieht man los.
Die Reeperbahn hat mich noch nie interessiert, die Große Freiheit ebenso wenig.
Mein Stammlokal war ‚Zur Kuhwerder Fähre’, besser bekannt als ‚Bei Tante Hermine’, Hafenstraße. Da hab ich das Akkordeon strapaziert; bei der Kapitänswitwe, in den späten Sechzigern. Viele Jahre später machten sich die Autonomen dort breit, da hatte ich mit Hamburg nichts mehr am Hut.

Zweimal "fast".
Ist repariert.

Das kann ich nicht wechseln? Was meinst du inhaltlich mit dieser Aussage. Was kann der Protagonist nicht wechseln? Mir kommt es so vor als fehlte dort etwas.
Der Prot konnte nicht mit einem guten Englisch antworten, weil sein ‚Seemännisch’ nur aus Brocken verschiedener Sprachen bestand, ungefähr so wie bei Ringelnatz’ Kuddel Daddeldu.

... Schönen aus Altona oder Afrika ...
So muss ich ja denken, der Prota glaubt, Jamaika liegt in Afrika.
Du solltest den Prot nicht für so doof halten. Und mich auch nicht:
St.Pauli ist nicht Altona!
Wer hätte das gedacht? Alle Wetter! Und dazu noch – wohl für alle Fälle – der Stadtplan:
Entzückend.

Altona grenzt an St. Pauli und die dort befindliche Reeperbahn. Aber wenn dein Protagonist nun eine Hure in Altona hätte aufsuchen wollen, wofür sein Geld nicht reicht, dann ginge es garantiert nicht mehr um den Straßenstrich oder um einen Bordellbesuch, sondern um mehr oder weniger Einzeletablissements in irgendeiner Wohnung. Ich finde, auch in solchen an sich Nebensächlichkeiten muss man als Autor korrekt bleiben. Mich stört jedenfalls diese Ungenauigkeit.
Ich weiß wirklich nicht, was Du hier erzählst. Davon ist doch nie und nimmer die Rede! Das ist doch völlig daneben und hat mit der Geschichte nicht das Geringste zu tun.
Möglicherweise fällt Dir das mit einem gewissen Abstand auch auf.

Wenn er mir seine Schuhe angeboten hätte, seine Jacke, sein Hemd – aber das eigene Augenlicht?! Will er die Welt nicht mehr sehen wie ein kriegsmüder Soldat, der sein Gewehr ablegt, das Bajonett, die Schulterklappen – in Erwartung des Erschießungskommandos? Wirft er sich nach einem letzten Schnaps vor den Zug?
Hier erörterst du dem Leser etwas, was der Leser sich selbst schon gedacht hat. Ich halte daher diese Passage für überflüssig.
Ich aber nicht! Dieser Absatz ist der Höhepunkt der Geschichte. Das ist auch so verstanden worden. Außer von Dir.

... wunschgemäß habe ich mir deine Antworten auf die Feedbacks durchgelesen und herausgelesen, dass du die Reeperbahn noch zu D-Markzeiten meinst.
Das hättest Du auch dem Text entnehmen können:
... nimmt seine dicke Brille von der Nase, poliert sie noch einmal, hält sie hoch und sagt: „Für fünf Mark gehört sie dir ...

ABER ich meine, dass in all den Jahren, damals wie heute, nicht AUF der Reeperbahn jemals Huren gestanden haben, ...
Wieso ABER? Hat doch niemand gesagt, und ich schon gar nicht. Worauf beziehst Du Dich? Das geht doch ganz klar an meinem Text vorbei.

... und ok, natürlich das Eros-Center, aber das war kein Straßenstrich im eigentlichen Sinne.
Aha. Das Eros-Center war also kein Straßenstrich im eigentlichen Sinne! Wieder was gelernt, sehr interessant.
Lakita, was zum Kuckuck erzählst Du mir? Das ist wirklich krass daneben.
Die gesamte Reeperbahn entlang wurdest du von den Koberern angequatscht, damit du ihr Kunde in einem dieser Erotikshow-Läden wirst. Diese "Reinschmeisser", wie wir sie genannt haben, waren damals noch werbetechnisch echt unterentwickelt drauf. Die sind immer ein paar Schritte mitgelaufen und haben furchtbar unterirdische Sprüche geklopft. Die fehlen mir in deiner Beschreibung DER Reeperbahn.
Mit keiner Silbe habe ich an eine Beschreibung DER Reeperbahn gedacht. Was soll der Quatsch mit den Koberern? Dass Du mächtig stolz bist auf Deine Hamburg-Reeperbahn-Kenntnisse, ist nicht zu übersehen, aber zu meiner Geschichte haben sie nicht den geringsten Bezug.

Mir fehlt als gestandene Hamburgerin die Genauigkeit in deinem Text.

Mein Text benötigt keine Genauigkeit bei der Beschreibung der Örtlichkeit, denn ich schreibe kein Informationsblatt für Hamburg-Besucher. Ich benutze lediglich die Kulisse, denn das Sujet ist ein grau gewordener Mann, der es wieder mal so richtig krachen lassen will, und seine sich verändernde Befindlichkeit in dieser Nacht. Mehr nicht.
Ich würde unbedingt ziemlich zu Beginn der Geschichte einflechten, wann sie spielt. Du kannst doch den Protagonisten ein wenig andeuten lassen, von was für einer Art Schiff er an Land gegangen ist.
Da hast Du wirklich Recht, das hätte ich machen können.
Wenn er an Land geht, muss er zur See fahren. An einen Seemann hatte ich zwar nicht unbedingt gedacht, sondern an einen x-beliebigen Mann ...
... an den Orten unserer Qual: auf dem Eisenschiff, in der Fabrik, im dröhnenden Maschinensaal.
Allerdings bleibt der Ablauf der Geschichte unverändert der gleiche – früher wie heute. Ich denke, der Text beschreibt den Prot nachvollziehbar als ganz normalen Kiez-Kunden, weil sich Menschen nicht ändern. Ob es das ‚Salambo’ noch gibt oder nicht, spielt keine Rolle..

Die "Große Freiheit" ist Fußgängerzone und das "Salambo" ist ebenfalls Vergangenheit. Auch darüber und über die Herbertstraße schreibst du nichts.
Das hatte ich nicht vor und würde es auch gegen Bezahlung nicht schreiben. Welche Art Text soll das denn werden?

Ich finde, wenn du schon mit Lokalkolorit arbeitest, dann auch richtig.
Der Titel ‚Hallo Reeperbahn’ ist in Männerköpfen Synonym für Ramba-Zamba einschließlich ‚einmal gründlich abschalten’. Welche Tür sich wo für sie öffnet, ist egal.
Wenn ich Deine Erwartungen nicht erfüllt habe, dann ist das kein Weltuntergang. Jedenfalls weiß ich immer, worüber ich schreibe – und knappe sechs Jahre war meine Adresse die Gärtnerstraße in Eimsbüttel, mit Direktverbindung Hoheluft – Kiez:shy:

. Ok, meine Hausaufgaben habe ich hiermit erledigt. Jetzt bist du dran. Nur Mut!
Du bist richtig süß:schiel:! Wozu brauchte ich Mut?
Doch wenn es einmal eine Situation gäbe – ich hätte ihn.

So, für heute sind wir durch. Ich hoffe, keine Antwort schuldig geblieben zu sein.
Hab Dank für Feedback und eingebrachte Emotionen. Vielleicht hätte ich mich auch ereifert, wenn ein scheinbar Ahnungsloser über meine Domaine schreibt.

Lakita, schöne Grüße und einen angenehmen Frühling!

José
Und vielen Dank für den Stadtplan:D! Es hätte seiner nicht bedurft.

 

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