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Hör auf zu flennen

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01.09.2005
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Hör auf zu flennen

„Maik ist tot. Hast du's schon gehört?“
Nein, habe ich nicht. Es ist Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal sah.
„Was ist passiert?“, frage ich.
Milenas Stimme am anderen Ende der Leitung klingt auf unangenehme Weise erregt. Ich dachte schon, du fragst nie, scheint sie mich anblaffen zu wollen.
„Er ist im Hudson River ertrunken. Erst haben sie gedacht, er wäre nachts besoffen reingefallen oder so was. Aber jetzt sieht's wohl nach Selbstmord aus.“
Maik erscheint neben mir in der Küche, dunkler Anzug, Triumphzigarre zwischen den Zähnen, eine Uhr am Handgelenk, die er sich eigentlich noch gar nicht leisten kann. So habe ich ihn in Erinnerung, so hat er bei seiner Abschiedsfeier ausgesehen. Er hat sein Abitur, sein Diplom, seinen Junior-Berater-Vertrag bei Morris & Cain. Sprosse für Sprosse die Leiter rauf, allen voran, ein Alphatier. Selbstmord ist doch ein Stigma der Verlierer.
„Wieso hat er das denn gemacht?“, frage ich, so als hätte Maik sich eine Glatze rasiert. In meinem Hals und in meinen Eingeweiden hat sich diese besondere Art der Trauer festgebissen, die den Tod gleichaltriger Freunde begleitet. Die Panik, die sie von dem Kummer nach Omas Ableben unterscheidet. Der Junge, mit dem du dir an endlosen Skateboard-Nachmittagen zusammen Blessuren geholt hast, ist tot. Wirklich jeder ist einmal dran – und danach nie wieder. Maik und ich gingen getrennte Wege, als er anfing, seine Vorbilder nach Erwachsenen-Kriterien auszuwählen. Er wechselte also von Jello Biafra zu Michael Douglas in Wall Street. Der Film war für das BWL-Studium, was Top Gun für die Luftwaffe war. Zu behaupten, wir hätten uns nach diesem Sinneswandel auseinandergelebt, wäre so, als würde man Hitler exzentrisch nennen.
„Irgendwas lief da krumm in der Bank, so hab ich es gehört“, sagt Milena. „Dieser Investment-Quatsch ist ja ziemlich kompliziert, aber unterm Strich, so wie ich es verstanden habe … Ich glaube, er hat geklaut. Darauf scheint es hinauszulaufen.“
Geklaut. Für meine Erinnerung ist das wie ein Codewort, das einen Al-Quaida-Schläfer in zwei Silben von null auf Massenmord bringt. Wir übten Ollies bei der Laderampe hinter dem E-Center-Supermarkt. Der Ollie ist ein einfacher Sprung mit dem Skateboard, das Fundament, ohne das nichts anderes gelingt. Da diese Grundübung den Praktizierenden als Anfänger outet, gingen wir ihr da nach, wo uns niemand sehen konnte, mit Ausnahme einiger Lagerarbeiter, die sich nicht für uns interessierten. Nach einer Stunde hatten wir Durst und beschlossen, einen Sechserträger Cola im Markt zu kaufen. Wir trugen verwaschene Bundeswehrshorts, unter die Arme hatten wir die Boards geklemmt, auf deren Unterseite wir mit Filzstiften die Namen kalifornischer Punkbands gekritzelt hatten. Punkbands und das Slayer-Logo. Heavy Metal galt unter Skatern eigentlich als inakzeptabel, aber Slayer durfte man nicht nur, man musste sie sogar hören. Wenn man mit Slayer nichts anzufangen wusste, konnte es ganz schnell heißen, man interessiere sich auch nicht für Brüste und Vaginae. Auf Maiks T-Shirts stand „Skateboarders suck“, wir stanken nach Schweiß und unsere Ellenbogen hatte der Asphalt blutig aufgeschürft. Wir waren wie Götter.
Die CDs im E-Center klauten wir aus Prestigegründen und Abenteuerlust. Manchmal warfen wir sie hinterher einfach in den Müll. Keiner von uns interessierte sich für Snap, Londonbeat, Kris Kross und Dr. Alban. Aber an einem heißen Sommertag auf der Haut das kühle Plastik der Hüllen zu spüren, die wir uns vor dem Bauch in den Hosenbund geklemmt hatten, das war unbeschreiblich. Der ahnungslosen Kassiererin drei Mark für die Cola in die Hand zu drücken und dann einfach rauszuspazieren, löste einen herrlich benebelnden Adrenalinrausch aus. Der letzte Meter vor der automatisch öffnenden Tür ließ sich aufregend traumgleich zurücklegen, manchmal war ich sicher, ich würde jeden Moment in meinem Zimmer aufwachen, womöglich mit einem Ständer.
Ich erkannte den muskulösen Typen mit dem Bürstenschnitt und der Trainingsjacke sofort, als er seine Riesenpfoten auf unsere Schultern legte und fragte, ob wir mal kurz mitkommen könnten. Er war schon seit drei Wochen immer wieder in der Elektronik-Abteilung aufgetaucht, wenn wir gerade da waren. Was für ein Zufall. Auch an diesem unglücklichsten aller Tage war er da gewesen, und später, als ich während meines Hausarrestes ohne Fernsehen auf dem Bett saß und grübelte, kasteite ich mich für unseren Mangel an Vorsicht, indem ich mit einer Skateboardrolle einen schmerzhaften Rhythmus auf meiner Stirn trommelte. Berauscht von unseren Erfolgen waren wir überheblich geworden, so wie alle großen Gangster, Banditen und Piraten. Bürste verdiente seinen Lebensunterhalt so offensichtlich als Ladendetektiv, dass er sich seine Expertise gleich auf die Trainingsjacke hätte nähen können. Eigentlich hatten wir es also nicht besser verdient, aber als wir da im Büro des Marktleiters saßen und uns das Blut ins Gesicht schoss, um dann wieder bis zum letzten Tropfen zurück in die Beine zu fließen, immer im Wechsel, das war der GAU, so was hat eigentlich niemand verdient.
Unsere Beute lag auf dem Schreibtisch zwischen uns und Herrn Bornemann, wie der Chef einem Namensschild auf seinem grünen Kittel nach hieß. Die Cover gemahnten uns daran, wofür wir das Grauen in Kauf genommen hatten. Dance Revolution. Pump it up. Jump. Ich wollte nur nach Hause. Bürste saß neben uns und spielte mit seiner Armbanduhr. Es hatte schon etwas Surreales zuzusehen, wie sein Alltag weiterging, während Maik und ich uns der Apokalypse stellten. Wir waren wie die Leute in Afrika, die verhungerten, damit aber keinen so richtig interessierten, außer an Weihnachten.
Ich fand es zunächst beruhigend, dass Bornemann nicht viel älter war als die Referendare, die sie manchmal in der Schule auf uns losließen. Wir waren fast vierzehn und insgeheim überzeugt davon, Menschen unter dreißig bildeten altersbedingt in ihrem Kampf gegen das Establishment eine Familie.
„Tja, Jungs, jetzt seid ihr gefickt.“ Das hat er wirklich gesagt, der Herr Bornemann. Mehr hatten wir nicht davon, dass die Standpauke generationenintern geschlagen wurde. Da stauchte uns jemand zusammen, der dieselben Filme gesehen hatte wie wir, und er haute uns die Sprüche daraus um die Ohren, die wir auch cool fanden. Bürste lächelte gequält, wenn Bornemann ihn nach einem besonders gelungenen Bonmot auf Anerkennung bestehend ansah. So sehr meine Gedanken in diesem Moment auch um das eigene furchtbare Schicksal kreisten, ich musste mich doch fragen, wie es wohl war, Bornemann zum Chef zu haben. Um mich in Bürstes Lage zu versetzen, stellte ich mir vor, von jemandem herumkommandiert zu werden, der halb so alt war wie ich. Ein Hosenscheißer aus meiner Sicht, obendrein einer, der lässige Zeilen von Bruce Wills dreist als die eigenen verkaufte. Eben noch hatte ich Bürste Cholera gewünscht, während mein angsterfüllt rasendes Herz aus meiner Brust zu explodieren drohte wie ein Alien. In jenem Moment aber tat er mir fast leid.
Bornemann leitete sein Abschlussplädoyer mit einem gehässigen „Tjaha“ ein, das die eigene miese Situation wieder in den Vordergrund meiner Überlegungen rückte. In Anbetracht unseres Alters wollte er nicht die Polizei, sondern unsere Eltern anrufen. Eine 1A-Begnadigung, kreuzigen kopfüber statt auf herkömmlichem Wege.
Dann geschah das Undenkbare. Ich schaute nach rechts zu Maik, mit einem Grinsen, das ich meiner Gesichtsmuskulatur unter Schmerzen abringen musste. Ich dachte, er würde Schleim hochwürgen um auszuspucken, Bornemann auf den Schreibtisch. Bei diesem Akt der Rebellion wollte ich ihn unterstützen, so gut ich konnte. Nie zuvor hatte ich eine so tiefgehende Bewunderung für Maik verspürt. Mir selbst schien der Gedanke immer weniger abwegig, auf Knien vor Bornemann herumzurutschen und ihn anzuflehen, mich gehen zu lassen, ich würde es auch nie wieder tun. Tatsächlich aber durften sich meine Mundwinkel wieder entspannen. Maik schluchzte. Er versteckte seine Schmach so gut es ging hinter vorgehaltenen Händen. Trotzdem liefen Tränen sein Kinn herab und tropften auf den „Skateboarders-suck“-Schriftzug. Ich hatte in einem Bumsmagazin mal etwas über eine ménage à trois mit zwei befreundeten Typen und einer Frau gelesen. Diese Perversion hatte mich wochenlang verfolgt, denn wer, um Gottes Willen, will in der Nähe sein, wenn ein Kumpel abspritzt? In diese mentale Schublade all dessen, worauf ich definitiv verzichten konnte, steckte ich an jenem Tag einen weinenden Freund.
„Willst du zur Beerdigung?“ Milena, jetzt.
„Was? Natürlich. Wir waren mal so was wie beste Freunde.“
Das war zu ungeduldig, zu grantig, ich sehe ihr eingeschnapptes Gesicht vor mir, als sie sagt: „Meine Güte, entschuldigung. Ich meine ja nur. Bester Freund, das hast du nie erzählt.“
„War lange vorbei, bevor wir uns kennengelernt haben.“
Wir verabschieden uns bis zum Abend. Ich laufe die drei Stockwerke durchs Treppenhaus in den Keller. In dem einen mir laut Mietvertrag zustehenden Raum stapelt sich der Krimskrams fast bis zur Brust, weil ich in einem Anfall geistiger Umnachtung alles zu mir geholt habe, was ich seit dem Auszug bei meinen Eltern noch bei ihnen zwischengelagert hatte. Es sollte so eine Art Schlussstrich sein, glaube ich, Ende einer Ära. Ich muss den hüfthohen Karton mit Masters-of-the-Universe-Figuren ein Stück zur Seite schieben, um an mein Skateboard zu gelangen. Ich werde mal schauen, ob ich den Ollie noch kann.

 

Hallo, Proof!

Mir hat die Geschichte grundsätzlich gefallen, dieses beinahe etwas Stand by me- hafte, allerdings hätte ich gerne mehr gelesen. Du umreißt die ganze Situation und auch die Erinnerung nur ganz kurz, fast schon skizzenhaft. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass da mehr passiert ist, mehr Gefühle, die beschrieben werden könnten, mehr Gedanken, die geäußert werden könnten. So liest sich die Geschichte irgendwie halbfertig.

Details:

Der letzte Meter vor der automatisch öffnenden Tür ließ sich aufregend traumgleich zurücklegen, manchmal war ich sicher, ich würde jeden Moment in meinem Zimmer aufwachen, womöglich mit einem Ständer.

Gefällt mir, so richtig schön rotzig und pubertär.

Es hatte schon etwas Surreales zuzusehen, wie sein Alltag weiterging, während Maik und ich uns der Apokalypse stellten.

YES. Mehr solche Äußerungen. Du beschreibst die Gefühlswelt eines männlichen Teenagers an manchen Stellen sehr präzise und anschaulich, und da hättest du meiner Meinung nach noch einiges mehr rausholen können. Mehr Fleisch an die Knochen!

...man interessiere sich auch nicht für Brüste und Vaginae.

"Vaginae"? Vaginas?

Yo, das war's dann auch schon.

Liebe Grüße und schöne Woche,

Patrick

 

Hallo Proof,

treffender Titel!

Für mich war es rund. Mehr Erinnerung brauche ich nicht. Bei dem Prot. verwandelt sich das Bild seines "Helden", als dieser im Büro anfängt zu flennen. Alle Coolnis geht ihm da verloren. Das fühlt sich an, als wenn der große Held im Actionfilm am Ende doch stirbt. Alle Illusionen gehen dahin. Ich fands toll.
Und natürlich denkt er genau daran, als er von seinem Selbstmord hört.

Selbstmord ist doch ein Stigma der Verlierer.
Genau wie damals.

Nein, habe ich nicht. Es ist Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal sah.

habe/hatte ? Ich weiß nicht ...

Ich dachte schon, du fragst nie, scheint sie mich anblaffen zu wollen.

Das ist schon reichlich kompliziert gestrickt, finde ich.

„Wieso hat er das denn gemacht?“, frage ich, so als hätte Maik sich eine Glatze rasiert.

Empfinde die Metapher jetzt irgendwie mehr drangeklebt, als wirkungsvoll. Ich musste das mit der Glatze erst mal für mich übersetzen und wieder einfügen.
Die Frage steht ja eigentlich für sich mit dem "das denn".

In meinem Hals und in meinen Eingeweiden hat sich diese besondere Art der Trauer festgebissen, die den Tod gleichaltriger Freunde begleitet. Die Panik, die sie von dem Kummer nach Omas Ableben unterscheidet.

Das habe ich nicht verstanden. Oma darf sterben - aber Freude nicht. Das fühlt sich nicht richtig an und macht ihm Angst, okay. Aber Selbstmord muss ihm doch keine Angst machen? Das heißt doch nicht, dass er der Nächste sein wird ... Also so hab ich die "Panik" gelesen und es fügt sich eben nicht.

... wir stanken nach Schweiß und unsere Ellenbogen hatte der Asphalt blutig aufgeschürft. Wir waren wie Götter.

mochte ich sehr ;)

... als wir da im Büro des Marktleiters saßen und uns das Blut ins Gesicht schoss, um dann wieder bis zum letzten Tropfen zurück in die Beine zu fließen,

das auch

Wir waren wie die Leute in Afrika, die verhungerten, damit aber keinen so richtig interessierten, außer an Weihnachten.

Hä? Fühlten die sich wirklich genau so? Ich finde Ladendiebstahl und Hunger dann doch einen zu weit hergeholten Vergleich. Obwohl der schön ist, aber hier empfinde ich es als over.

„Tja, Jungs, jetzt seid ihr gefickt.“ Das hat er wirklich gesagt, der Herr Bornemann. Mehr hatten wir nicht davon, dass die Standpauke generationenintern geschlagen wurde.

:)

Diese Perversion hatte mich wochenlang verfolgt, denn wer, um Gottes Willen, will in der Nähe sein, wenn ein Kumpel abspritzt? In diese mentale Schublade all dessen, worauf ich definitiv verzichten konnte, steckte ich an jenem Tag einen weinenden Freund.

wunderbar!

In der "zitieren" Fassung sehe ich zwar die Einrückungen - aber da die Lesefassung es hier nicht übernimmt, bin ich eindeutig für Absätze. Ich hab die schwer vermisst.

Hat mir gut gefallen, gern gelesen und auch etwas mit ihm gelitten.

Beste Grüße Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Aloa,

iPat:

Stand by me gehört zu meinen Lieblingsgeschichten, insofern ein nettes Kompliment.

Du umreißt die ganze Situation und auch die Erinnerung nur ganz kurz, fast schon skizzenhaft.

Die Geschichte ist ein Projektbeitrag. Eine Bedingung lautete: nicht mehr als 1500 Zeichen. Feines Training, sich mal so kurz fassen zu müssen.

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass da mehr passiert ist, mehr Gefühle, die beschrieben werden könnten, mehr Gedanken, die geäußert werden könnten.

Das stimmt mit Sicherheit. Allerdings, stimmt das so gesehen nicht immer?

"Vaginae"? Vaginas?

Ist der lateinische Plural, der aber laut Wikipedia (ich geb's ja zu) nur in der Fachsprache verwendet wird. Also bei Gynäkologikern. Sollte 'n Witz sein.

Summsisumm, liebe Fliege:

Empfinde die Metapher jetzt irgendwie mehr drangeklebt, als wirkungsvoll.

Schade, das ist eine meiner Lieblingsstellen.

Oma darf sterben - aber Freude nicht.

Man rechnet mit dem Tod alter Menschen, so traurig er ist. Solange man selbst nicht alt ist, scheint der Sensenmann unglaublich weit weg - irgendwie fühlt man sich wider besseres Wissen unendlich. Der Tod eines Gleichaltrigen und vor allem auch der der Eltern erinnern sehr viel stärker als das zitierte Ableben der Oma an die eigene Vergänglichkeit. Deshalb Panik.

Ich finde Ladendiebstahl und Hunger dann doch einen zu weit hergeholten Vergleich.

Ladendiebstahl und Hunger werden auch nicht miteinander verglichen, sondern die Situation der beiden Jungs mit denen hungernder Afrikaner, und beides lässt sich in der Formel zusammenfassen: Untergang der eigenen kleinen Welt (ja, das könnte auch wieder übelst gegen mich interpretiert werden) hier, Gleichgültigkeit da. Natürlich ist der Vergleich ein bisschen frech und provozierend, das ist jetzt aber auch nicht wirklich Zufall.

empfinde ich es als over.

Du sagst es. :)

Absätze. Einrücken geht hier ja nicht, und mit Leerzeilen sieht's immer so versprengt aus. Altes Leid in diesem Forum.

Vielen Dank euch beiden für die Kommentare!

Grüße
JC

 

Hallo Proof,

wie die meisten Deiner Geschichten gefällt mir auch diese sehr gut. Deine Figuren haben eine glaubhafte Vergangenheit und real wirkende Probleme. Dazu kommen Einzelheiten wie Schweißgeruch und aufgeschlagene Ellenbogen. Du kannst schon was! :)

Meine Lieblingsstelle ist die kaum zu überbietende Reduktion der Komplexität von Maiks Problem durch Milena:

Irgendwas lief da krumm in der Bank, so hab ich es gehört“, sagt Milena. „Dieser Investment-Quatsch ist ja ziemlich kompliziert, aber unterm Strich, so wie ich es verstanden habe … Ich glaube, er hat geklaut. Darauf scheint es hinauszulaufen.“

Für meinen Geschmack etwas übertrieben sind Vergleiche wie:
Zu behaupten, wir hätten uns nach diesem Sinneswandel auseinandergelebt, wäre so, als würde man Hitler exzentrisch nennen.
und
Eben noch hatte ich Bürste Cholera gewünscht, während mein angsterfüllt rasendes Herz aus meiner Brust zu explodieren drohte wie ein Alien.

Wunderschön der Übergang aus der Erinnerung in das Gespräch mit Milena!
Noch mehr hätte es mich gefreut, wieder einmal eine längere Geschichte von Dir zu lesen.

Beste Grüße vom

Berg

 

Hallo Proof,

ein starker Text. Gefühlvoll, plastisch, nachvollziehbar. Starke Szenen hast du dir da überelgt und gekonnt umgesetzt. Da kommen klare Bilder. Habe die beiden vor mir gesehen, ihren kurzen Höhenflug geteilt, ihre Angst und auch das Gefühl der Entfremdung. Das ist schon was. Respekt.
Besonders gelungen finde ich das ENde, als es zunächst so aussieht, als würde Maik aufbegehren - nur um dann zusammenzubrechen.

hehe und die Wahl der Musik - wie soll man da nicht mitfühlen ;)

Sehr gern gelesen

grüßlichst
weltenläufer

 

Moin Proof,

das Schema deiner Geschichte ist gängig; durch den Tod eines Freundes aus Kindertagen wird jemand von seiner Vergangenheit eingeholt.
Die großartige Geschichte Stand By Me wurde naheliegenderweise bereits ein paar Mal als Vergleich herangezogen und dem möchte ich mich anschließen.
Ein Jammer, dass du in der Wortanzahl so eingeschränkt warst, ich mag so gut gemachte Nostalgie und hätte gerne einfach immer weiter gelesen.. :)
Insgesamt eine richtig schön runde Sache.
Sehr gern gelesen!

Und eine Buchempfehlung an alle, die Stand By Me mögen: "Unschuld und Unheil" von Robert McCammon. Einfach ein Muss.

Viele Grüße,
Maeuser

P.S.: Vielen Dank für die Auszeichnung in digitaler Archäologie von neulich.. ;)

 

hallo Proof,

es ist schon alles gesagt worden, daher nur kurz: Super, hat mir prima gefallen dein Text! Das Lesen hat Spass gemacht, passte alles für mich.
lg Engelchen

 

Morgen,

Berg:

Für meinen Geschmack etwas übertrieben sind Vergleiche wie:

Du weißt, die Metaphern und ich, da verhaut es sich manchmal. Bin gar nicht mehr sicher, ob ich mir das wirklich mal abgewöhnen will. Kann ja auch ein amüsantes Alleinstellungsmerkmal sein, so wie Sprache sprechen mit Akzent.

Noch mehr hätte es mich gefreut, wieder einmal eine längere Geschichte von Dir zu lesen.

Ich sitze mittlerweile auf einem BERG (:rotfl: JAAAAAAAAAAAAAA! :rotfl:) aus Geschichten. Schreibe, schreibe, schreibe ... und bin dann immer zu faul zum Nachbearbeiten. Außerdem heißt es natürlich Zeit finden zwischen Beruf (lästig), Ausschreibungen (Probieren kann man's immer), Schlafen (geht nicht ohne), Stuhlgehen (man muss sich auch mal was gönnen) etc.

Maeuser:

Ja, äh, vielen Dank. So gern man's natürlich liest, es ist immer schwierig, auf so hundertprozentig positive Rückmeldungen mit mehr als "Danke" zu reagieren, ohne sich zum Affen zu machen ("Das war ziemlich gut, jaja, das hast du natürlich völlig richtig erkannt ...")

Engelchen:

War recht gut, ja, das hast du natürlich ganz richtig erkannt.

Danke für euer Feedback!

Grüße
JC

 

In meinem Hals und in meinen Eingeweiden hat sich diese besondere Art der Trauer festgebissen, die den Tod gleichaltriger Freunde begleitet. Die Panik, die sie von dem Kummer nach Omas Ableben unterscheidet. Der Junge, mit dem du dir an endlosen Skateboard-Nachmittagen zusammen Blessuren geholt hast, ist tot.
Starke Stelle, weil es ein komplexes Gefühl sehr gut beschreibt. Dazu brauchst Du wenig Worte. gefällt mir.

„Irgendwas lief da krumm in der Bank, so hab ich es gehört“, sagt Milena. „Dieser Investment-Quatsch ist ja ziemlich kompliziert, aber unterm Strich, so wie ich es verstanden habe … Ich glaube, er hat geklaut. Darauf scheint es hinauszulaufen.“
In meinen Augen sehr realistische lebendige wörtliche Rede

Punkbands und das Slayer-Logo. Heavy Metal galt unter Skatern eigentlich als inakzeptabel, aber Slayer durfte man nicht nur, man musste sie sogar hören. Wenn man mit Slayer nichts anzufangen wusste, konnte es ganz schnell heißen, man interessiere sich auch nicht für Brüste und Vaginae. Auf Maiks T-Shirts stand „Skateboarders suck“, wir stanken nach Schweiß und unsere Ellenbogen hatte der Asphalt blutig aufgeschürft. Wir waren wie Götter
Du hast eine tolle und vor allem eigene Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Mag ich sehr!

„Tja, Jungs, jetzt seid ihr gefickt.“ Das hat er wirklich gesagt, der Herr Bornemann. Mehr hatten wir nicht davon, dass die Standpauke generationenintern geschlagen wurde. Da stauchte uns jemand zusammen, der dieselben Filme gesehen hatte wie wir, und er haute uns die Sprüche daraus um die Ohren, die wir auch cool fanden
erinnert mich an Menace 2 Society.

Das Ende ist spitze. Leise, aufrichtig und irgendwie rührend.

Was mir nicht gefallen hat:
Er war schon seit drei Wochen immer wieder in der Elektronik-Abteilung aufgetaucht, wenn wir gerade da waren. Was für ein Zufall.
Das fette würde ich weglassen.Sonst einfach alles so lassen. Bin ein Fan dieser Geschichte

Gruß

Jan

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Tag,

erinnert mich an Menace 2 Society.

Oha. Ist das gut?

Ansonsten vielen Dank für dein Feedback und Aufzeigen der Holperstelle! (Klingt kurz angebunden, ist aber nicht böse gemeint. Ich reite wie gesagt nicht so gern auf Lob herum, auch wenn es mich natürlich sehr freut.)

Und Weltenläufer:

Sorry nochmal. Du bist irgendwie echt unter dem Radar geflogen.

Grüße
JC

 

Hallo Proof,

das ist natürlich ein "Klassiker", den du routiniert und unterhaltsam bewältigt hast, ohne diesem schon so oft verwendeten Thema einen neuen Blickwinkel, eine neue Wendung oder sonst irgendeine überraschende Nuance hinzuzufügen. Nicht, dass mich das irgendwie störte, aber der Text wird dadurch natürlich vorhersehbar und vertraut, als hätte man ihn bereits schon öfter gelesen.

Deine Art zu schreiben gefällt mir grundsätzlich gut, obwohl du stellenweise zu etwas komplizierten Satzbauten neigst und manchmal etwas sprunghaft wirst.

In folgendem Textbeispiel fand ich deine Beschreibungen etwas umständlich.

Der Ollie ist ein einfacher Sprung mit dem Skateboard, das Fundament, ohne das nichts anderes gelingt. Da diese Grundübung den Praktizierenden als Anfänger outet, gingen wir ihr da nach, wo uns niemand sehen konnte, mit Ausnahme einiger Lagerarbeiter, die sich nicht für uns interessierten.

Ich bin davon überzeugt, dass sich das bestimmt einfacher und fließender ausdrücken ließe.

An anderen Stellen konnte ich mich aber an sehr gelungenen Beschreibungen erfreuen. Allerdings gelingt es dir nach meinem Empfinden nicht, Maik genügend Profil zu verleihen, um mich als Leser wegen seines Todes wirklich betroffen zu machen (sofern das überhaupt dein Ziel war). Die Geschichte wirkt trotz des emotionalen Inhalts (Tod eines guten Freundes, Melancholie, Jugenderinnerungen, Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit) auf seltsame Weise etwas distanziert.

Aber egal, alles in allem gern gelesen!

Rick

 

Hi Proof

Ich hätte gern mehr übers Skateboarden gelesen und die ganze Kultur drumrum, meinetwegen hätte die Geschichte ruhig ein paar Zeichen mehr haben können. Auch wenn die Skater zum anderen Lager gehörten - wir sind auf ein paar Rollen mehr durch die urbanen Räume gegrindet - sind da trotzdem interessante Schnittmengen.

Gefällt mir auch vom Aufbau: Die Rahmenhandlung und die erinnerte Subgeschichte, dass in beiden geklaut wird und es beide Male so stark auf ihn wirkt.
Erst klaut er und weint heult flennt, als er erwischt wird und später springt er, weil er sich anscheinend in der Hinsicht nicht weiterentwickelt hat, sondern alles nur ein paar Nummern größer wurde. Da könnte man auch weiterdenken, dass ihn solche Klau-Aktionen und wie er sich als Weichei erlebt hat, dazu brachten, in die andere Richtung zu tendieren und ein harter und erfolgreicher Typ zu werden. Wobei er letztendlich aber am selben scheitert.

Ich glaube, er hat geklaut. Darauf scheint es hinauszulaufen.“
Geklaut

Das eigentliche Problem ist doch nicht der Diebstahl, sondern dass er dabei erwischt wurde. Das machte aus den Skateboardgöttern arme Würstchen und nachdem er sich die Leiter hochgekämpft hat, finde ich es unwahrscheinlich, dass er auf einmal ein Gewissen entdeckt hat. Das kommt jetzt vielleicht kleinkrämerisch rüber, aber ich halte das für einen wichtigen Unterschied.

„Wieso hat er das denn gemacht?“, frage ich, so als hätte Maik sich eine Glatze rasiert.

Das kommt gut.

Zu behaupten, wir hätten uns nach diesem Sinneswandel auseinandergelebt, wäre so, als würde man Hitler exzentrisch nennen.

Stark, treffend, bisher ungelesen.

Selbstmord ist doch ein Stigma der Verlierer.

Ein Zeichen, das man nicht mehr sieht, wenn der Selbstmörder begraben ist. Da macht Stigma nicht mehr viel Sinn. Schlichter: Selbstmord ist was für Verlierer.

man interessiere sich auch nicht für Brüste und Vaginae.

Vaginae? :D Wer so geschwollen spricht, macht sich doch selbst verdächtig! Bei uns hätte man zu bodenständigeren Bezeichnungen gegriffen, aber das mag ja regional unterschiedlich sein.

Für meine Erinnerung ist das wie ein Codewort, das einen Al-Quaida-Schläfer in zwei Silben von null auf Massenmord bringt.

Das ist auch so ein Ding. Hier sind ein paar echt gute und vor allem frische Vergleiche drin.

während mein angsterfüllt rasendes Herz aus meiner Brust zu explodieren drohte wie ein Alien.

Das ist zu viel und wirkt schief

Schöner Text

Grüße
Kubus

 

hey Proof,

ich mochte die Geschichte.
Und z.B. besonders diese Szene:

Die CDs im E-Center klauten wir aus Prestigegründen und Abenteuerlust. Manchmal warfen wir sie hinterher einfach in den Müll. Keiner von uns interessierte sich für Snap, Londonbeat, Kris Kross und Dr. Alban. Aber an einem heißen Sommertag auf der Haut das kühle Plastik der Hüllen zu spüren, die wir uns vor dem Bauch in den Hosenbund geklemmt hatten, das war unbeschreiblich. Der ahnungslosen Kassiererin drei Mark für die Cola in die Hand zu drücken und dann einfach rauszuspazieren, löste einen herrlich benebelnden Adrenalinrausch aus. Der letzte Meter vor der automatisch öffnenden Tür ließ sich aufregend traumgleich zurücklegen, manchmal war ich sicher, ich würde jeden Moment in meinem Zimmer aufwachen, womöglich mit einem Ständer.

Ein wenig schwer fiel mir der Einstieg in den Text. Ich finde ab dem Jugend-Teil geht es richtig los, ab hier mag ich alles..(Für mich wäre der längere Teil davor nicht nötig gewesen. Die Selbsttötung noch irgendwo in einen Satz einfließen lassen; und den Hudson-Zusammenhang kann ich nicht spüren. Ich sehe sie hinterm E-Center oder Aldi skaten und ihn dann vielleicht in Frankfurt arbeiten. Da wird der Investmentquatsch ja genauso gemacht. Erscheint mir beinahe wie etwas, das eher der Schreibende als eine Figur erlebt)
Also ab hier hab ich’s geliebt: Beste Grüße, T.

„Irgendwas lief da krumm in der Bank, so hab ich es gehört“, sagt Milena. „Dieser Investment-Quatsch ist ja ziemlich kompliziert, aber unterm Strich, so wie ich es verstanden habe … Ich glaube, er hat geklaut. Darauf scheint es hinauszulaufen.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin,

Rick:

Ich bin davon überzeugt, dass sich das bestimmt einfacher und fließender ausdrücken ließe.

Hm, die eigenen Sachen gehen einem ja immer so in Fleisch und Blut über, dass man die Stolpersteine gar nicht mehr sieht und beim Lesen wie von Zauberhand trotzdem nicht auf die Schnauze fällt. Aber ich werde mal mit der von dir gezeigten Stelle ein bisschen experimentieren, vielen Dank!

Kubus:

Auch wenn die Skater zum anderen Lager gehörten

Oha. Rollerblades? Da waren wir ja mal Todfeinde. Wenn ich heute so zurückdenke, wir ablehnend sich nahezu die gesamte Skateboard-Szene gegenüber den Bladern verhalten hat, das wäre glaube ich interessant für einen Soziologen zu untersuchen. Ich fand das damals total affig. Ehrlich. Ich hab nur nichts gesagt, weil die anderen alle mitgemacht haben. :shy:

Das eigentliche Problem ist doch nicht der Diebstahl, sondern dass er dabei erwischt wurde.

So und nicht anders ist es gemeint. Ist die Stelle irgendwie missverständlich?

Stark, treffend, bisher ungelesen.

Freut mich sehr, zeigt aber, wie subjektiv Kritiken sind. Berg war's an der Stelle zu dick. Das ist als Autor echt immer schwierig, den Mittelweg zwischen notwendigen Verbesserungen und "Ich lasse das jetzt so, weil es mir gefällt" zu finden.

Ein Zeichen, das man nicht mehr sieht, wenn der Selbstmörder begraben ist.

Stigma ist hier nicht im wortwörtlichen Sinne gemeint.

Vaginae?

Wie gesagt, war 'n Witz. Wir sprachen auch eher von, äh ... sind die Kinder schon im Bett?

Das Alien war dir also auch zuviel. Zwei von zwei wäre schon mal so ein Hinweis in Richtung "sollte geändert werden".

T Anin:

Für mich wäre der längere Teil davor nicht nötig gewesen.

Mit genügend Selbstkritik zurückblickend glaube ich auch ein bisschen, ich habe den Erwachsenen-Teil da reingebaut, um auf Deubel komm raus mehr Bedeutung reinzukriegen.

Erscheint mir beinahe wie etwas, das eher der Schreibende als eine Figur erlebt

Das habe ich nicht verstanden.

Vielen Dank für Eure Kritiken!

Grüße
JC

 

Hey Proof

So und nicht anders ist es gemeint. Ist die Stelle irgendwie missverständlich?

Da steht halt nur klauen/geklaut. Ich würde sagen, dass er ein Bauernopfer war oder so ... irgendwas, das weiterführt und wo Erwischtwerden drinsteckt.

Stigma ist hier nicht im wortwörtlichen Sinne gemeint.

Ja klar. Ich verstehe Stigma trotzdem als etwas, das sich auf Lebende bezieht.

Rollerblades? Da waren wir ja mal Todfeinde. Wenn ich heute so zurückdenke, wir ablehnend sich nahezu die gesamte Skateboard-Szene gegenüber den Bladern verhalten hat, das wäre glaube ich interessant für einen Soziologen zu untersuchen.

Also ich war deiner nicht. ;) Das hat sich glaub ich mittlerweile auch allgemein geändert. Wenn ich so zufällig am Skatepark vorbeikomme, scheinen die ganz friedlich nebeneinander zu fahren. Aber ich bin ja nur noch Zaungast.

Grüße
Kubus

 

Ganz kurz:
Excellent geschrieben. Ich fühlte mich sofort in meine (unsere) Vergangeheit versetzt und hätte es nicht besser beschreiben können.
Sehr geil und außergewöhnlich in diesen beschriebenen Momenten der erwartete Generationen-Bonus.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Proof,

habe jetzt einige Sache von dir gelesen, meistens Hörrör, damit kann ich aber leider nichts anfangen, ist einfach nicht mein Genre.

Diese Geschichte hier fand ich allerdings sehr gut, auch wenn sie jetzt nicht neu ist. Es gibt einige Paralellen, denn ich bin auch öfters beim Klauen von CDs erwischt worden, und ein Skateboard habe ich auch besessen. Die Stimmung ist dir gut gelungen, ein wenig nostalgisch, aber nicht melancholisch im negativen Sinne, nicht kitschig oder pathethisch. Gerne gelesen, rundes Ding, wie ich finde.

Habe neulich mit meinem alten Corey O' Brien noch mal einen Runde im Pool gedreht, aber mich derbe auf die Schnauze gelegt, seitdem lasse ich es bleiben.


Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh Gott, ich hab den Titel gelesen und wusste im ersten Moment nicht mal mehr, um was es geht. :)

O'Brien musste ich googeln, war der in den Neunzigern noch aktiv? Ich bin so Generation Chad Muska/Andrew Reynolds/Chris Senn ... und wenn ich noch ein bisschen grabe, fallen sie mir bestimmt alle wieder ein. Liegen eine Schicht über He-Man und Skeletor.

Dank dir für die Grabungsarbeiten.


Possessed to skate
Proof

 

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