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Gummizelle

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07.10.2015
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Gummizelle

Der Mann sitzt aufrecht und hat die Hände auf den Knien. Unter dem Bett liegen Blatt und Stift. Er rührt sie nicht an. An der Tür kratzt Metall, zwei mal: Schrapp. Schrapp. Auf und zu.

Schrapp, schrapp. Fünf Minuten, dann wieder. Immer ganz genau. Schrapp. Schrapp. Man kann eine ganze Menge fertig bringen in dieser Zeit. Sie schauen nie zwischendurch. Nie. Der Mann sitzt auf dem Bett, genau wie er sollte. Aufrecht. Hände auf den Knien. Komm, denkt sich der Mann, kuck doch mal durch. Mach doch. Dann siehst du mich genau nach Vorschrift sitzen und ärgerst dich. Aber da ist gar kein Triumph dabei, als er das denkt.

Auf dem Steinboden unterm Bett liegt das Papier mit den Versen. Das lässt der Mann liegen. Sonst nimmt er das oft in die Hand. Schrapp, schrapp. Kurz warten. Griff unters Bett, das Papier geholt, den Stift. Wörter geformt. Nachgedacht. Schnell noch ein Wort. Und schließlich, ganz automatisch geht das, runter gebeugt, das Papier unters Bett geschoben, vorsichtig ohne Geräusch den Stift dazu. Rücken gerade und Hände auf die Knie. Und: Schrapp. Und wieder von vorn. Das hat er drin. Ganz automatisch. Da ist gar keine Angst mehr dabei. Die Zeitspanne hast du drin nach den ersten Wochen. Und zwischendurch kucken die nie.

Aber jetzt ist erst mal nichts mehr mit Wörtern. Gestern war der Mann zum Verhör. Das ist an sich gut, zum Verhör müssen, man geht draußen über den Hof in den anderen Block, und gestern war frischer Geruch nach Asphalt und feuchter Luft, weil es die ersten warmen Tage sind und weil es geregnet hat.

Am Tisch saß eine Frau. Zum ersten Mal eine Frau, jung war die und freundlich. Die schrie gar nicht, ganz leise hat sie geredet, hat sich zu dem Mann vorgebeugt, hat so ein Kribbeln gehabt in der Stimme. Sie zeigte mit der offenen Hand auf die Tasse an der Tischkante, auf seiner Seite, und lächelte. Earl Grey, ausgerechnet, als könnte sie das wissen. Er verbrannte sich die Lippen, als er daran nippte, und er schmeckte gleich, dass da sogar Honig im Tee drin war.
Wie es ihm geht, hat die Frau gefragt, und er hat natürlich nichts weiter gesagt, nur soso, ja schon, und so was, war auf der Hut. Sie sagte: Herr Albrecht. Ich habe nichts unternommen, hat er gesagt. Sie hat auf nichts bestanden, die junge Frau. Überlegen Sie sich’s, hat sie nur gesagt, dabei hat sie ganz am Ende, als er ging, seine Hand berührt. Sie hat ihm die Hand nicht geschüttelt, das doch nicht, aber sie ist daran gestoßen mit den Fingern. Vielleicht kann ich was für sie tun. Wenn es rechtzeitig ist.

Danach, auf dem Weg zurück in die Zelle, war es viel schwerer, über den Hof und den Asphaltdunst zurückzugehen, da hätte es nicht so schnell vorbei sein dürfen, da hätte er noch Zeit gebraucht, um den Gedanken auszumalen und für später aufbewahren zu können, wie er im Frühling nach dem Regen durch die Stadt geht, und er trifft jemanden, er stellt sich vor: diese Frau, und sie sagt: Herr Albrecht. Und für einen Augenblick war es fast so. Wenn er vor sich auf den Boden schaute, über den er ging, dann war da - und der Asphalt konnte ja so bleiben, der war ja so, wie er überall sein könnte - war da fast um ihn herum die Stadt, und die Schritte neben ihm, die gehörten fast schon nicht den Wärtern, sondern der jungen Frau. Aber dann kam die Treppe, die Tür, der glatte Steinboden und sie waren wieder drin.

Und dann war die Kati auf dem Gang. An jeder Seite ein Wärter. Ein halbes Jahr lang kein Mensch, und dann führen sie die Kati über den Gang.

Wie er dann geheult hat, auf seinem Bett. Ganz aufrecht und die Hände auf dem Knien. Und immer schrapp, schrapp, die Metallscheibe vor der Linse. Der kuckt jetzt, wie ich da sitze und heule, hat der Mann gedacht, scheißegal, hat er sich gedacht, der weiß nichts, der glaubt, es wär wegen dem Verhör. Aber der Earl Grey und die freundliche Frau, daran war plötzlich gar nichts mehr gut zum Erinnern. Das verfiel. Sie hatten jetzt die Kati. Die hatten die Kati. Nicht dran denken. Hilft ja nichts. Sie haben die Kati, ging dem Mann immer im Kopf rum. Und wie die Frau ihn berührt hat, das war ihm schnuppe. Und auch sein Blatt, mit den draufgeschmierten Versen.
Das war also gestern. Er heult jetzt nicht mehr. Vielleicht sehe ich sie wieder, hat er sich am Morgen gedacht, da war er noch nicht richtig wach, nie ist man wach, weil sie einen hier nicht schlafen lassen, schrapp, schrapp, auch in der Nacht, und wehe du liegst nicht richtig. Und dann, im halben Traum noch und als er im Liegen den blauen Himmel sah und als das Sonnenlicht so schön auf die weiße Wand schien: Dass er sie vielleicht hier drin sogar wieder sehen kann, die Kati, und das ist richtig warm geworden um die Brust wie eine Umarmung, wie früher, als wäre sie wirklich gerade im Moment bei ihm, die Kati, da ist er richtig froh gewesen und das hat sogar angedauert, auch als er sich am Becken gewaschen hat, wie er ja musste. Und als er längst schon aufrecht wieder dasaß und die Hände auf den Knien lagen, hat es immer noch angedauert. Als ob es ihre Knie wären, auf denen seine Hände lagen.

Dann war es erst nur weg. Es waren dann einfach wieder seine Knie und sonst nichts und keine Wärme. Weg war das, wie ein Gedicht, das man aufsagen will, und es geht nicht mehr, und es gibt keine Antwort darauf, wann man es vergessen hat.

Stattdessen kam was anderes. Kam von innen heraus das: Die Kati verraten. Das war erst eine stille Überlegung: Wie wäre das? So fing das an. Mach ich ja nicht. Und dann kamen die Gründe, kamen so versuchsweise angeschlichen: Die ist doch eh geschnappt. Ändert doch nichts. Wie das wäre: Der Kati alles anhängen. Das hat doch die junge Frau am Verhörtisch gemeint: Wenn es rechtzeitig ist. Die wissen ja alles. Der Earl Grey mit dem Honig. Die wissen doch über alles Bescheid. Die Kati steht doch bis zu den Knien im Dreck, sowieso, wenn sie die haben. Die Kati verraten! Immer so. Unsinnig. Aufdringlich.

Verse schreiben!, denkt er. Das hilft. Aber er beugt sich nicht runter unters Bett. Gleich, denkt er, gleich mach ich das. Schrapp. Schrapp. Jetzt! Gibt sich aber keinen Ruck. Beim nächsten Mal. Er kann nicht. Er bringt den Körper nicht runter. Scheinheilige Verse, denkt er. Lügenverse. Da geht vor seinen Augen nur immer die Kati durch den Gang. Was es dafür geben könnte: Wenigstens Bücher. Irgendwas gibt es dafür. Sich bewegen dürfen. Durchschlafen. Dann bohrt sich das rein: Dass er dafür rauskommt. Dass sie ihn freilassen. Unsinn. Aber kann doch sein. Warum sollte er nicht rauskommen können dafür. Er hat ja nichts unternommen. Aussagen! Und das weiß er ja, dass das Quatsch ist, aber so kommt das ständig, er kriegt das nicht weg. Verse schreiben, lenkt ab, hilft. Aber er beugt sich nicht nach unten. Er hält sich aufrecht.

Das Gift muss raus, denkt er. Die Dunkelzelle, da muss er hin. Rund ist die Zelle, da kann er im Kreis gehen und mit der Hand rundum über die dicken Gummimatten streichen, die den Raum abdichten, eins, zwei, bis dreizehn, und draufschlagen, wenn man einmal rum ist. Hinter einer Matte ist die Tür, man vergisst, hinter welcher. Die Dunkelzelle soll ihm das austreiben. Zeit zum Nachdenken. Zeit zum Verrücktwerden.

Der Mann weiß, was er tun muss. Er beugt sich doch unters Bett, fasst nach dem Blatt, hält es ganz hoch, mit beiden Händen über den Kopf, und reißt es mitten durch, langsam.
Nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Er hält die Schnipsel in der flachen Hand vor sich hin. Er schnauft durch die Nase. Da quillt eine gallige Genugtuung auf, dass er sich das zerstört hat, dass das endgültig ist und unersetzlich. Und dann: Schrapp. Der kuckt aber lange. Na endlich: Schrapp, wieder zu. Schlüssel, Tür auf.

Der Wärter schreit unnötig laut. Nummer 104! Woher hast du das! Was war das! Verboten! Nummer 104! Her damit! Beweismittel! Verstoßen! Nummer, Nummer, Nummer! So schreit der. Durch die Luke kucken ist sein Job und schreien ist auch sein Job, und das ist gut, das lässt eine Wut aufsteigen, einen guten, so einen richtig guten Zorn, den man sich unten aus der Leib schlagen kann, gleich im Dunkeln, immer gegen die Gummiwand. Der Mann steht jetzt da, sagt nichts, den Kopf geduckt, vorgebeugt wie zum Stoß, mit gespannten Armen. Er fühlt am ganzen Körper, dass er Kraft hat, die braucht er gleich unten. Und der Wärter muss sich jetzt bücken, da kommt der nicht drumrum, weil er ein paar von den Papierschnipseln, die er zu schnell an sich gerissen hat, auf den Boden gewischt hat. Die darf der nicht liegen lassen. Da muss er auf die Knie. Und das gibt Kraft.
Dann knallt die Tür zu.
Jetzt gibt es gleich Alarm. Der kann den Mann ja nicht selbst wegbringen, der Wärter da, der kann ja nicht weg von seiner Linse. Zu hören ist nichts, das ist stiller Alarm. Da leuchtet jetzt eine Lampe auf, und dann kommt ein anderer angerannt, nein, zwei sind es immer, die bringen ihn weg. Und ab geht’s nach unten, und dann immer drauf mit der Faust auf die Gummiwand. Rundrum und drauf. Eins, zwei, bis dreizehn und drauf. Und wann kommen die denn? Da steht der Mann, vor der zugeknallten Tür, in seinem zu großen Trainingsanzug, in den zu großen Filzschuhen. Er hat die Fäuste geballt, aber was er quetscht, ist nur Luft. So steht er: Trainingsanzug, Filzschuhe, klebrige Haare. Die Hosenbeine stauchen sich über den Pantoffeln. Da steht der Mann und lässt die Hände baumeln. Und wo ist jetzt die Wut? Das pocht immer noch, immer noch pocht der Leib, aber das kommt nicht mehr aus dem Bauch, wo die Wut sitzt, das kommt ganz flach aus der Brust, das ist jetzt nicht mehr weit, sondern eng.

Und dann kriegt er einen Schreck, der Mann, weil es ja längst Zeit ist.
Da huscht er aufs Bett und setzt sich, ganz schnell setzt er sich, ganz gerade. Bloß rechtzeitig. Kuckt zur Tür, und wieder weg, nach vorne, gerade auf die weiße Wand. Rechtzeitig. Er hat es geschafft.
Aber die Klappe vor der Linse geht gar nicht auf. Die muss doch jetzt aufgehen. Die müssen doch hier sein, die zwei andern, die ihn holen, es gibt doch Alarm. Die müssen ihn doch nach unten schaffen. Keine Schritte draußen. Der kuckt ja gar nicht, da draußen. Was hat denn das zu bedeuten? Der Mann zieht den Kopf ein zwischen den Schultern. Was machen die nur. Der kuckt ja gar nicht mehr.

 

Und dann war die Kati auf dem Gang. An jeder Seite ein Wärter. Ein halbes Jahr lang kein Mensch, und dann führen sie die Kati über den Gang.

Moin, erdbeerschorsch,

wo bleiben da Fußfessel und Zwangsjacke?

Da schau ich ahnungslose hier rein und find ‘ne Gummizelle – und nicht etwa als Spielraum - als Titel in Weichsprech Time Out Raum oder – schon ein wenig härter in Neusprech Isolationsraum genannt wird. Wir leben ja nicht mehr im 20. Jh., selbst wenn wir noch an den Auswirkungen des 19. leiden.

Als junger Mensch wollt‘ ich mal alles ausprobiert haben. So recht hat das nie geklappt, bis ich hierorts mal wegen gemäßigter Kleinschreibung (übrigens, das ursprüngliche Ziel der sprachwissenschaftlichen Teilnehmer der dank ministerialer Bürokratien eher missglückten Rechtschreibreform) ins KC kam und mit Lautschrift wieder raus.

Aber diese Erfahrung einer Gummizelle kann wahrlich kein Gefängnis oder die Klappsmühle ersetzen. Nun muss ich mich daraf verlassen, dass es so sei, wie Du es darstellst. Was ja auch so sein kann, wie ich denke. Und da gibt‘s nix zu motzen, find ich. Was kümmert einen in der Isolation, welche Regeln sich die Welt da draußen aufstellt?, denn zugegeben, direkt am Anfang hätt ich hier

Man kann eine ganze Menge fertig bringen in dieser Zeit.
fragen wollen, wer „man“ sei und ob „man“ sich selbst nicht fertig macht i. S. der Selbstzerstörung. Klar, kommt dann auch gar nicht erst der Verdacht,
..., es wär wegen dem Verhör.
da könne Genitiv gefordert sein.
Danach, auf dem Weg zurück in die Zelle, war es viel schwerer, über den Hof und den Asphaltdunst zurückzugehen, da hätte es nicht so schnell vorbei sein dürfen, da hätte er noch Zeit gebraucht, um den Gedanken auszumalen und für später aufbewahren zu können, wie er im Frühling nach dem Regen durch die Stadt geht, und er trifft jemanden, er stellt sich vor: diese Frau, und sie sagt: Herr Albrecht.

Die Frage, die jetzt gleich folgt, soll und kann auch nicht das Werk schmälern - die Frage, nach der Innenansicht - die Geschichte als innerer Monolog Albrechts, der Name - eigentlich eine Variante zum "Adalbert" (auch schon mal mit zwo e statt zweier a), - denn die Gummizelle wäre jedem ein "Alb".

Bis dann

Friedel


Wäre gespannt, wie der Text als innerer Monolog aussähe

 

Hallo @erdbeerschorsch

Eine Variation auf das Gefangenendilemma?
Macht man nichts, bleibt alles wie es ist. Verpfeift man einen Mitinsassen gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man kommt frei, falls der Andere den Mund gehalten hat, oder es wird schlimmer und man kommt in die Gummizelle oder wird hingerichtet, falls der Andere auch gesungen hat.
Hier dir ist allerdings die Gummizelle, und die Agression die man darin abladen kann ein Schutz vor der eigenen Versuchung. Nicht schlecht.
Sehr klaustrophobisch zu lesen.
Der Schluss ist offen und funktioniert so. Mir wäre eine kleine Richtungsvorgabe am Ende aber lieber gewesen.

Besten Gruß
K.

 

Hej @erdbeerschorsch ,

ja Mensch, warum kucken die denn nicht mehr? :sconf: Ich bin ganz atemlos, ich leide ja so mit dem Mann und scheinbar ist es mir auch egal was Kati und er angerichtet haben. Das war eine richtig tolle Achterbahnfahrt. Die schrappen doch mit Absicht, oder? Wie du dich in jemanden versetzen kannst. Ich kenne diese Männer aus Filmen, man zeigt sie von außen, manchmal zeigen sie Nerven, meistens sind sie cool. Du zeigst mir das Auf und Ab, diese Nerven, die durch die Ungewissheit zum Zerreißen gespannt sind und dann wieder labberig herabhängen, wie es sich in ihm staut und drückt. Als er auf die Wut wartet - herrje, Schorsch, da lief es mir kalt den Rücken runter. :(
Natürlich drängt sich mir wiem @Friedrichard die Frage auf, wie wäre es näherdran? Warum wählst du diese Distanz, die zwangsläufig auftritt, wenn nicht in der ersten Person erzählt wird. Wolltest du wissen ,ob das funktioniert? Oh ja, das tut es.

Auf dem Steinboden unterm Bett liegt das Papier mit den Versen. Das lässt der Mann liegen. Sonst nimmt er das oft in die Hand. Schrapp, schrapp. Kurz warten. Griff unters Bett, das Papier geholt, den Stift. Wörter geformt. Nachgedacht. Schnell noch ein Wort. Und schließlich, ganz automatisch geht das, runter gebeugt, das Papier unters Bett geschoben, vorsichtig ohne Geräusch den Stift dazu. Rücken gerade und Hände auf die Knie. Und: Schrapp. Und wieder von vorn. Das hat er drin. Ganz automatisch. Da ist gar keine Angst mehr dabei. Die Zeitspanne hast du drin nach den ersten Wochen. Und zwischendurch kucken die nie.

Ich war mächtig im Tunnel, folgte dir auf den Versen :D, aber hier fielen mir dennoch diese bannig vielen das auf.

Und für einen Augenblick war es fast so. Wenn er vor sich auf den Boden schaute, über den er ging, dann war da - und der Asphalt konnte ja so bleiben, der war ja so, wie er überall sein könnte - war da fast um ihn herum die Stadt, und die Schritte neben ihm, die gehörten fast schon nicht den Wärtern, sondern der jungen Frau.

Wenn der Verstand sich so in einem Zwischenstadium befindet - gruselig, der arme Kerl. (er ist kein Mörder - ich weiß das)

Das verfiel.

Mach das bitte weg. :shy:

Vielleicht sehe ich sie wieder, hat er sich am Morgen gedacht, da war er noch nicht richtig wach, nie ist man wach, weil sie einen hier nicht schlafen lassen, schrapp, schrapp, auch in der Nacht, und wehe du liegst nicht richtig. Und dann, im halben Traum noch und als er im Liegen den blauen Himmel sah und als das Sonnenlicht so schön auf die weiße Wand schien:

Man sucht eben überall Fixpunkte, die schön sind, und wenn es nur das Sonnenlicht an einer weißen Wand ist. Du machst das so gut.

Als ob es ihre Knie wären, auf denen seine Hände lagen.

Dann war es erst nur weg. Es waren dann einfach wieder seine Knie und sonst nichts und keine Wärme. Weg war das, wie ein Gedicht, das man aufsagen will, und es geht nicht mehr, und es gibt keine Antwort darauf, wann man es vergessen hat.


Wie eben alle Gefühle einfach vergehen.

Stattdessen kam was anderes. Kam von innen heraus das: Die Kati verraten.

Klar kommt das. Von innen heraus - mag sein, aber ich will mehr an dieser Stelle. also ginge es nach mir. Ich will wissen, woher er weiß ob es vom Kopf kommt, aus dem Bauch, ob es ausgelöst wurde durch Licht oder einem neuen Gefühl, das er bisher nicht kannte ... weil ich weiß, du könntest das. :D

Er hält die Schnipsel in der flachen Hand vor sich hin. Er schnauft durch die Nase.

Nichts bleibt - er wird gebrochen. Ein Drama.

Der Wärter schreit unnötig laut.

Hier dachte ich, dass ich auch überlegt hätte, unnötig zu nutzen. Ob er zu diesem Zeitpunkt noch differenziert ...

Und ab geht’s nach unten, und dann immer drauf mit der Faust auf die Gummiwand.

Jetzt versteh ich glaub, es muss eine Distanz geben, er selbst muss eine zu sich selbst aufbauen, um das alles zu ertragen. Er beobachtet sich selbst.

Und wo ist jetzt die Wut? Das pocht immer noch, immer noch pocht der Leib, aber das kommt nicht mehr aus dem Bauch, wo die Wut sitzt, das kommt ganz flach aus der Brust, das ist jetzt nicht mehr weit, sondern eng.

Herrschaftszeiten, Schorsch! Ich bin fix und fertig. Fühle beinahe also genauso nach.

Was machen die nur. Der kuckt ja gar nicht mehr.

Es ist nicht schwer, einen Menschen zu brechen. :sad:

Du machst Sachen. Ich hab die Geschichte verschlungen ,wundere dich nicht, falls was fehlen sollte, Kanji

 

Hallo @erdbeerschorsch,

los geht's ...

Der Mann sitzt aufrecht und hat die Hände auf den Knien.
Gefällt mir als erster Satz gar nicht, dieses "der Mann" .

Fünf Minuten, dann immer wieder ...
Immer ganz genau.
Das würde ich umstellen, klingt umständlich und unglücklich.

Immer ganz genau. Schrapp, schrapp ... bis dahin würde ich das an den oberen Absatz anhängen, dann die Leerzeile setzten und mit "Man kann ..." weiter machen.

Aber da ist kein Triumph dabei, als er das denkt.
Auch unglücklich, Vielleicht, das Gefühl des Triumphs stellt sich bei dem Gedanken nicht ein oder sowas.

Das lässt der Mann liegen. Sonst nimmt er das oft in die Hand.
Auch nicht so schön. Vielleicht " Diesmal lässt er es liegen, obwohl er sonst oft in die Hand nimmt.

Den Rest dieses Absatzes mag ich total. Das sprunghafte erzählen, nicht ganz ausgeschriebene Sätze ... love it :)
Nur kucken=gucken

..., und gestern war frischer Geruch nach Asphalt und feuchter Luft, weil es die ersten warmen Tage sind und weil es geregnet hat.
Wie wäre es so in der Art ...
Gestern lag der Geruch des Asphalts in der feuchten Luft, weil es geregnet hatte.

Zum ersten Mal eine Frau, jung war die und freundlich. Die schrie gar nicht, ganz leise hat sie geredet, hat sich zu dem Mann vorgebeugt, hat so ein Kribbeln in der Stimme gehabt.
Auch das klingt nicht so schön. Vielleicht eher in der Art ...
Zum ersten Mal eine Frau, jung und freundlich. Sie beugte sich vor, sprach ganz leise mit ihm. Dabei hörte er so ein Kribbeln in ihrer Stimme.

... hat die Frau gefragt, und er hatte natürlich ...
Hier würde ich nach gefragt einen Punkt machen und das und streichen.

Ich würde er war auf der Hut schreiben und davor dann einen Punkt machen.

Dann kommt sie sagte, Herr Albrecht ... hier fehlen Anführungszeichen und aus diesen Sätzen werde ich auch nicht schlau.
Wer sagt was? Und was meinen die?
Meinst du ...
Sie sagte: "Herr Albrecht."
"Ich habe nichts unternommen", hat er gesagt. ?
Oder hat sie beides gesagt?
Immer wenn jemand neues spricht, beginnt man eine neue Zeile.
Warum schreibst du in diesem ganzen Teil keinen richtigen Dialog? Macht das ganze doch anschaulicher. Ich meine irgendwie so ...
"Wie geht es Ihnen?" fragte die Frau. Er sagte natürlich nichts weiter, nur soso, ja schon und sowas. Er war auf der Hut.
"Herr Albrecht", sagte sie. (Hier würde ich den Begleitsatz nach hinten stellen, klingt besser.)
"Ich habe nichts unternommen", antwortet er.

So kannst einige hat, hatte einsparen. Generell finde ich Redebegleitsätze nicht so toll und vermeide sie wo es nur geht. Du kannst die Person die als nächstes etwas sagen soll, vorher etwas tun lassen, muss nichts wildes sein, nur das klar wird wer spricht. Dann kannst du auf Begleitsätze verzichten. Zum Beispiel so ...

Sie warf ihm einen strengen Blick zu.
"Herr Albrecht." Er starrte auf die Tischplatte.
"Ich habe nichts unternommen."

Wenn du jemanden innerhalb der Geschichte Mal einen einzelnen Satz sagen lässt, ist der Redebegleitsatz okay, aber ich würde ihn immer hinten anstellen.

Überlegen sie sich's, hat sie nur gesagt, dabei hat sie ganz am Ende, als er ging, seine Hand berührt. Sie hat ihm die Hand nicht geschüttelt, dass doch nicht, aber sie ist daran gestoßen, mit ihren Fingern.
Ich sage jetzt nur kurz etwas zu diesen hat, hatte weil ich später noch Mal darauf zurück komme.
Das ist generell nicht schön und du hast das ziemlich viel. Diese Stelle habe ich mal als Beispiel rausgesucht. Wie findest du klingt das ...
"Überlegen Sie sich's", meint sie und berührt meine Hand. Sie schüttelt sie nicht, dass doch nicht, aber ihre Finger waren daran gestoßen.

"Vielleicht kann man ..." wörtliche Rede.

Ich würde diese hat, hatte Sätze überarbeiten.

Du schreibst sehr oft und, in vielen deiner Sätze kannst du es einfach streichen, anstatt dem Komma einen Punkt machen und das zweite Wort verwenden. Am Satzanfang genauso, einfach weg und das zweite Wort wird zum Ersten.
Klappt fast immer.

Die angemerkten Dinge ziehen sich durch den ganzen Text, daher jetzt zur Geschichte selbst.

Das wirkt viel gemeckert, ist aber gar nicht böse gemeint, denn die Geschichte gefällt mir. Thema gut, Ansätze gut, super Idee, daher mache ich mir die Mühe, denn textlich ist es bissel hakelig.
Ein wenig mehr zum Hintergrund wäre interessant, Kati und so weißt du.

Um noch einmal auf das hat, hatte zu kommen, ich bin nicht sicher ob die von die gewählte Zeitform so optimal für die Geschichte ist, vielleicht wäre das im Präteritum besser. Oder du wechselst die Erzählperspektive, die Geschichte schreit fast nach der Ich-Perspektive. Dann wäre auch das "der Mann" weg. Wirkt so weit weg und auf Distanz, dass ich nicht nach genug ans Geschehen rankomme.

Puh ... glaube das war der längste Kommentar den ich hier bislang schrieb :)
Hol dir einfach was dir sinnvoll erscheint.

Liebe Grüße
Charly

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @erdbeerschorsch,

heute Morgen habe ich deine neue Geschichte entdeckt und konnte es kaum abwarten, sie zu lesen. Jetzt komme ich endlich dazu.

Schon den Titel finde ich sehr ansprechend.

Sie schauen nie zwischendurch.

Hier bin ich mir unschlüssig, ob mir der Satz gefällt. Klar, das denkt man so, das sagt man so, aber schreibt man das so? Ich weiß nicht, ich bin jedenfalls ein bisschen gestolpert an dieser Stelle. "Zwischendurch" - zwischen was?

Aber diese "Eigenarten" sind wohl Teil des Schorschstils, auch hier:

Das hat er drin.

9 von 10 Autoren würden das nicht so schreiben. Aber man kann und darf, also warum nicht?

Mit dem "kucken" hingegen kann ich mich nur schwer anfreunden. Ja, auch das kann man und darf man - auf mich wirkt es aber trotzdem falsch.

und gestern war frischer Geruch nach Asphalt und feuchter Luft, weil es die ersten warmen Tage sind

"Gestern war Geruch" und "es sind Tage" - ich beschwere mich nicht, ich nehme das so hin. Mich würde nur interessieren, ob du diese Dinge absichtlich machst - ähnliche Besonderheiten, also das, was ich als Schorschstil bezeichne, sind mir auch schon in frühreren Texten aufgefallen - oder ob du einfach schreibst, wie dir die Finger gewachsen sind und gar nicht wahrnimmst, dass das oftmals sehr speziell ist.
Vielleicht treibst du es in dieser Geschichte hier auch bewusst auf die Spitze, um zwischen Schreibsprache und Gedankensprache des Protagonisten zu unterscheiden.

Natürlich hat mich dein Herr Albrecht an Karol erinnert, noch so einer mit viel zu überspannten Nerven. Und das macht die Geschichte auf ähnliche Weise faszinierend, diese Art des "Wahnsinns" in Worte zu fassen ist keine leichte Aufgabe, es reicht nicht, jemanden in eine Gummizelle zu sperren und ihn den Weltuntergang verkünden zu lassen, das muss subtil passieren, der Übergang von Normalität - ein schreckliches Wort, wenn man von Menschen spricht - und diesem "Drüber", der muss fließend sein, irgendwie ... ich kann es nicht in Worte fassen, aber das hast du ja zum Glück für mich übernommen.

Ja, faszinierend ist sie allemal, deine Geschichte, auch das Tempo, schrapp, schrapp, da kommt man gar nicht zur Ruhe, da fühlt man sich gleich ähnlich angespannt wie "der Mann". Bravo, oder so.

Aber - jetzt kommt's - aber trotzdem reißt die Geschichte mich nicht vollkommen mit. Ja, sie ist spannend, faszinierend, hab ich ja schon gesagt, aber ... Mir fehlt ein bisschen der menschliche Bezug, glaube ich. Du hast da diese Momente eingebaut, die einem Herr Albrecht näher bringen, also den "normalen" Herr Albrecht, aber mir persönlich reichen die nicht aus, für mich bleibt er "der Mann". Ich leide nicht mit, ich beobachte diese Szene fast abgestumpft, meine Gefühle kommen dabei kaum in Wallung.

Wäre Herr Albrecht jetzt tatsächlich Karol, also einer, den ich zu kennen glaube, und ich hätte ihn dort in der Gummizelle besucht, dann wäre das wahrscheinlich eine wirklich erschütternde Erfahrung gewesen.

Liebe Grüße,

Lani

Ein kleiner Nachtrag noch, @erdbeerschorsch: Bitte nicht falsch verstehen, ich bin der Ansicht, dass du das perfekt umgesetzt hast, diese Distanz, die Herr Albrecht zu sich selbst aufbaut, um die Situation zu überstehen, wie @Kanji das so treffend formuliet hat, seine Wandlung zum gesichtslosen "Mann". Die Geschichte braucht keinen stärkeren Background, das würde das Besondere, das diese hier ausmacht, zerstören.
Nur - meinen persönlichen Vorlieben entspricht es eben nicht. Das braucht dich aber nicht zu jucken.

 

Schalom Friedel,

tja, da kann einem viel passieren, wenn sich hier herumtreibt.
Ein innerer Monolog - ja, das könnte ich mal ausprobieren. Also so für mich, ohne das gleich hochzuladen und auszutauschen. Ich hab mir das ja mal zwischendurch überlegt, ob ich den Text in die Ich-Perpektive versetzen soll (was immer noch ein Stück vom inneren Monolog entfernt wäre), und meine Motivation ist dabei unter anderm gewesen, dass ich "denkt der Mann" usw. einsparen kann. Ich hab das dann sogar auch angefangen umzuschreiben, aber aus irgendeinem Grund - den ich komischerweise nicht mehr sagen kann - hab ich dann doch nicht so gut gefunden. Mal kucken.

Besten Gruß und herzlichen Dank für den Kommentar!
erdbeerschorsch

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Hi @ViertelVorKebap,

schon dich hier anzutreffen und schön, dass dir der Text zusagt. "Klaustrophobisch zu lesen" ist ja in dem Fall schon gar nicht schlecht. Den Schluss hättest du gerne mit Richtungsvorgabe. Hm, eine kleine Richtungsvorgabe ist ja drin, aber nur eine kleine. Wahrscheinlich wird es so bleiben. Und da freut es mich natürlich, dass der Schluss auch für dich in Ordnung ist.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi @Kanji

schön, dir noch schnell vor deiner Abreise zu begegnen.
Hierzu:
"ist es mir auch egal was Kati und er angerichtet haben" muss ich ja fast was sagen. Ich hab mir das nämlich auch so gedacht, zumindest vorerst, zum Ausprobieren, jede echte Andeutung wegzulassen. Im Hintergrund denke ich mir, dass die gar nichts angerichtet haben ... Aber pssst, das verrate ich jetzt noch gar nicht, und so lange die Geschichte es nicht verrät, ist es auch noch gar nicht wahr.

"aber hier fielen mir dennoch diese bannig vielen das auf." Ei, kuck mal an, mir nicht!

"Mach das bitte weg." Ja gut, versprochen. Was soll ich denn stattdessen hinsetzen? Einfach nichts? Hatte ich erst, dann dachte ich, es fehlt was, ein Mini-Übergang oder so.

"ob es ausgelöst wurde durch Licht" - Aha, ja, schöne Idee. Ob es das Licht wird oder etwas anderes - aber das könnte ne schöne Sache sein. Falls du mir das zurecht zutraust.

"Jetzt versteh ich glaub, es muss eine Distanz geben, er selbst muss eine zu sich selbst aufbauen, um das alles zu ertragen." Das steckt da in jedem Fall drin. Schön, dass das so bei dir ankommt!

"Ich bin fix und fertig." Stell dir vor: ich hab gar Mitleid, sondern das macht mir sogar Spaß.

Bis demnächst.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi @Charly1406,

schön, dich hier anzutreffen. Das war der längste Kommentar, den du geschrieben hast? Na, wenn ich dir den indirekt entlockt habe, ist das doch schon was wert. Für mich wird es der - bisher - am schwersten zu beantwortende, weil er nicht nur ausführlich sondern auch der kritischste ist (werden aber sicher noch mehr kommen).

Ganz allgemein, würde ich sagen, willst du viele Stellen glätten, die dann auch aus meiner Sicht wirklich glatter sind, die ich aber nicht so glatt haben wollte. Ob das gut ist, weiß ich nicht. Besser geht es ganz sicher noch. Aber wenn ich das glätte, fehlt mir was. Straffen und verbessern werd ich das gerne, soweit ich kann. Ganz auflösen bringe ich nicht über mich.

"Kucken" schreibe ich übrigens immer, weil es ja von der Rechtschreibregel erlaubt ist und weil ich niemanden kenne, der "gucken" sagt. Das sieht für mich falsch aus. Ich schreibe natürlich wie alle anderen auch nicht nach Gehör, aber in dem Fall nehme ich halt die Form, die näher dran ist.

Mit dem Herrn Albrecht hat es etwas besonders auf sich. Da geht es nicht darum, abzubilden, was die Frau sagt, sondern darum, dass sie ihn mit dem Namen anredet (und zwar höflicherweise mit dem Nachnamen). Alle anderen sagen nur "Nummer 104". Der Name ist also der Inhalt, der für den Mann Bedeutung hat, deswegen stellt er das so raus. Der Rest ist in dem Zusammenhang mehr oder weniger wurscht.
Ich habe allerdings befürchtet, dass das nicht deutlich wird. In einer Vorversion habe ich "Doktor Albrecht" versucht, das dürfte wenigstens einen Tick klarer sein, oder ich könnte zur Not sogar den Doktor kursiv setzen. Ich hab aber probieren wollen, ob's auch ohne Doktor geht. Er könnte ja eine Titel haben. Ich wollte den Mann aber nicht aus einem sachfremden Grund darauf festlegen.

Du sagst:
"Ich würde diese hat, hatte Sätze überarbeiten."
Wir sind uns darin einig, dass ich die Zeiten auch nicht überall perfekt gesetzt finde. Allerdings hast du gewissermaßen das Pech, dass ich gegenüber der zusammengesetzten Vergangenheit ziemlich unempfindlich bin. Wenn ich einen Text in solchen Zeitformen sehe, dann lese ich die ungefähr so weg, als wäre das eine Wortendung. Wenn man im Präteritum schreibt, hat man ja z.B. meistens die Endung "-te" (allerdings mit Variationen wegen der starken Verben). Das stört mich dann vergleichbar wenig. Das ist jetzt kein Argument, es würde eh niemanden überzeugen. Ich versuche nur, das halbwegs nachvollziehbar zu erklären.
Ein Argument ehe ich eher darin, dass die zusammengesetzten Zeiten der gesprochenen Rede näher sind. Das ist dann auch der Grund, warum in meinem Ohr der Text rein im Präteritum - sofern die Vergangenheit gefragt ist - nicht richtig klingt. Und trotzdem sind die Sprünge in den Zeitformen - weil es dann eben doch zwischendurch immer wieder Präteritum ist - sicher etwas eigenwillig. Der Gedanke ist: In der Regel habe ich, wenn es dem inneren Monolog besonders nahe ist, wenn es erlebte Rede ist, die zusammengesetzten Zeiten vorgezogen. Und auch das allerdings nicht konsequent.

Ähnlich für die vielen "Und": Hat auch was vom mündlichen Erzählen, finde ich. Ich hab da sogar schon mal drübergekuckt, vor allem in der Kombination mit "dann" hab ich ein paar rausgenommen (von beidem: "und" und "dann"). Zu mehr konnte ich mich bisher nicht durchringen, kommt aber mit etwas Abstand vielleicht noch.

"Der Mann" und die Distanz gefällt mir zusammen mit dem Umstand, dass er für alle (außer für die Verhärführerin, aber auch die hat ja eine Absicht) nur eine Nummer ist, eigentlich gar nicht so schlecht. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich mich gegen die Ich-Perspektive entschieden habe. (Wie gesagt - s. Antwort an @Friedrichard - ich weiß den Grund nicht mehr.)

Herzlichen Dank für die lange Auseinandersetzung!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Ein innerer Monolog - ja, das könnte ich mal ausprobieren. Also so für mich, ohne das gleich hochzuladen und auszutauschen.

Sollte es nicht grundsätzlich so sein,

lieber Schorsch?

Dein

Dante Friedchen

 

Hi @erdbeerschorsch,

ich steig mal sofort ein:

An der Tür kratzt Metall, zwei mal: Schrapp. Schrapp. Auf und zu.
Wenn die Tür auf und zu geht (denn so lese ich es), kratzt doch kein Metall an der Tür. Müsste dann nicht das Metall der Tür auf dem Boden entlang kratzen?

Sie schauen nie zwischendurch. Nie. Der Mann sitzt auf dem Bett, genau wie er sollte. Aufrecht. Hände auf den Knien. Komm, denkt sich der Mann, kuck doch mal durch. Mach doch. Dann siehst du mich genau nach Vorschrift sitzen und ärgerst dich. Aber da ist gar kein Triumph dabei, als er das denkt.
Da wird mir klar, dass der Prota eingesperrt ist.

„kuck/en“ ist zwar richtig, ich werde aber nie verstehen, warum du nicht „gucken“ verwendest. Auf jeden Fall würde ich dich deswegen beim Maskenball entdecken.

Unter dem Bett liegen Blatt und Stift.
Auf dem Steinboden unterm Bett liegt das Papier mit den Versen.
Wofür diese Wiederholung? Das mit dem Schrappen finde ich gut und passend, aber das hier …
Nach dem Lesen des Textes denke ich: Bestimmt ist er schon mit den Nerven am Ende. Passt.

Die Zeitspanne hast du drin nach den ersten Wochen.
Du / Leseransprache? Wieso auf einmal? Wo doch vorher alles so unpersönlich war (Mann, er).

Am Tisch saß eine Frau.
Er verbrennt sich die Lippen, als er daran nippt,
Ich überlege, aus welchem Grund du die Zeiten wechselst … Im Moment verstehe ich nicht, warum.

Die wissen ja alles. Der Earl Grey mit dem Honig. Die wissen doch über alles Bescheid.
Interessanter Gedanke.

Überhaupt: Das ständige Wiederholen des Schrappen, des Blattes und so weiter scheint für mich zu bedeuten, dass der Prota schon ein wenig eingeschränkt denkt, mit den Nerven am Ende ist. Die schrappen doch extra!, denke ich da, machen ihn kaputt.

Die Distanz zum Prota gefällt mir (nur das „Du, Leser“ mag ich nicht besonders).
Ich habe es gerne gelesen. :thumbsup:

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

 

Lieber Mann mit dem schönen Namen,
das ist eine wunderbare Geschichte. Naja, inhaltlich natürlich nicht, aber vom Schreiben her und von der Art, wie du die Entpersönlichung, die Entmenschlichung seiner Situation durch die Sprache abbildest.
Ja, genau so, empfinde ich die Perspektive, die zahlreichen Wiederholungen, die Sätze mit den Hilfsverben, das "Schrapp" - sehr bewusst eingesetzte Stilmittel, um zu zeigen: da hat sich jemand in seinen ureigenen inneren Kern zurückgezogen, um nicht zu zerbrechen. Sieht auf sich selbst wie von außen wie auf ein fremdes Wesen.
Nein mitgehen im Sinne von Identifikation kann man da nicht, aber davorstehen und sehen, was man mit Isolation und Verhören und der Angst vor der Angst aus einem Menschen machen kann. Was man spürt, das ist so eine schreckliche Art von Faszination, die sich gegen die Art und Weise endet, wie dieser Mensch, was immer er getan hat, entmenschlicht ist und wie dieser selbst in der größten Not auf Wege sinnt, seine Kumpanin nicht verraten zu müssen.
Kommt mir übrigens so vor, als wäre dieser Mensch aus politischen Gründen im Knast. Wo das sein könnte, ist dabei fast egal. Es könnte überall sein, nur die Namen weisen darauf hin, dass es in Deutschland sein muss.

Mir ist ad hoc nur eine Stelle aufgefallen, die ich nicht ganz gelungen fand:

Dann war es erst nur weg. Es waren dann einfach wieder seine Knie und sonst nichts und keine Wärme. Weg war das, wie ein Gedicht, das man aufsagen will, und es geht nicht mehr, und es gibt keine Antwort darauf, wann man es vergessen hat.
Ich habe nicht gleich "Dann war es erst nur weg" auf das Gefühl der Nähe zu Kati beziehen können. Als ich es dann kapierte, fand ich es immer noch ungelenk. Vielleicht doch mal überlegen, es so zu schreiben: Dann war das Gefühl erst ...
Aber das ist eh nur eine Kleinigkeit. Ich find den Text schon ganz schön gut so, wie er ist. Keine Ahnung, ob man mit einem solchen Text und einem solchen Inhalt Chancen in einer Ausschreibung hat/hätte oder nicht, aber ich für mein Teil finde es einfach wohltuend, jemanden schreiben zu sehen, der sich traut, sich abseits vom Mainstream zu positionieren, und das zu tun, was ihm richtig erscheint.
In meiner persönlichen Anthologie wärst du jedenfalls drin.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo @erdbeerschorsch,
Deine Geschichte gefällt mir besonders gut. Manchmal ist es ja so, dass es einfach passt, dass man für sich selbst eine Kongruenz empfindet zwischen Form und Inhalt, die so schlüssig ist, dass es einen vorwärtstreibt. Das empfinde ich in diesem Text sehr stark. Das Konzept, den Bewusstseinsstrom zu verbalisieren, macht die Sache spontant, fragmentarisch, verwirrend und da gehen Sprache und Handlung Hand in Hand. Die Zeitwahl und die Erzählperspektive stimmen für mich ebenso wie der Erzählton, der die Eindrücke schlaglichtartig hereinbringt und zwar so, dass man sich doch ein wenig was zusammenreimen kann, was es mit dem Mann jetzt auf sich hat und mit Kati. Aber nicht zu viel und das passt auch, weil die Gesamtkonstruktion ja auch löchrig und brüchig ist. Also, ich wiederhole gerne, dass mich Deine Stream-of-consciousness-Sache, ein moderner Schnitzler sozusagen, beeindruckt hat.
Herzlich
rieger

 

Hallo @erdbeerschorsch,

ich habe kurz überlegt, ob ich den Kommentar überhaupt schreibe, weil es die pure Lobhudelei ist und ich dir gar nichts Konstruktives beisteuern kann.
Für mich stimmt alles, die Sprache, die scheinbar simplen Sätze, die mich an Wolfgang Borchert denken lassen, der Wechsel zwischen den direkten Gedanken des Mannes und dem (bzw. seinem) distanzierten Blick von außen auf die Szenerie, wo er eben „der Mann“ ist. Das hat mich dermaßen reingezogen, ich war der Mann, habe aufs Schrapp gewartet und warte immer noch – das ist dir absolut gelungen.
Die Sätze mögen ungelenk klingen und manchmal wenig abwechslungsreich, und mit vielen Das versehen, aber genau so passt es. Ich finde, genau das macht den Sound und den Sog der Geschichte aus.

Sie sagte: Herr Albrecht.
Das ist völlig ausreichend, der braucht mMn keinen Doktor (in irgendeinem Antwortkommentar hast du die Überlegung geäußert), das kommt so schlicht viel stärker rüber, dass er sich als Mensch wahrgenommen fühlt und wie ihn das aufwühlt. Ein Doktor würde zu sehr ablenken, man würde sich überlegen, was für ein Doktor ist der wohl, vielleicht an Hannibal Lecter denken und unnötiges Zeug.

Wenn er vor sich auf den Boden schaute, über den er ging, dann war da - und der Asphalt konnte ja so bleiben, der war ja so, wie er überall sein könnte - war da fast um ihn herum die Stadt, und die Schritte neben ihm, die gehörten fast schon nicht den Wärtern, sondern der jungen Frau.
Das ist eine absolute Gänsehautstelle für mich, der Asphalt konnte ja so bleiben, das ist, als jongliert er mit seinen Versen, und dieses fast – das macht wirklich viel mit mir.

Da quillt eine gallige Genugtuung
Das ist die einzige Stelle, die mir sprachlich nicht gefällt, mit diesen zweimal kurz hintereinander stehenden „ll“. Und bei gallige Genugtuung habe ich kurz an „gerade Gewürzgurke gegessen“ gedacht … ;)

Der Wärter schreit unnötig laut. Nummer 104! Woher hast du das! Was war das! Verboten! Nummer 104! Her damit! Beweismittel! Verstoßen! Nummer, Nummer, Nummer! So schreit der.
Der schreit perfekt! :thumbsup:

Apropos perfekt: Danke für diese Geschichte!

Liebe Grüße von Raindog

 

Für mich stimmt alles, die Sprache, die scheinbar simplen Sätze, die mich an Wolfgang Borchert denken lassen, der Wechsel zwischen den direkten Gedanken des Mannes und dem (bzw. seinem) distanzierten Blick von außen auf die Szenerie, wo er eben „der Mann“ ist.

Exakt! Der Borchert!!! War auch meine Assoziation.

 

Hi @Lani,

soso, das aber sehr freundlich von dir, dass du es gar nicht abwarten kannst, meine Geschichte zu lesen. Ich hoffe, das bleibt so :)

Dieses "Zwischendurch", da hab ich mir sogar auch überlegt, ob mir nichts anderes einfällt, eben weil es räumlich und zeitlich zweideutig ist. Auf deine Frage, "zwischen was", hätte ich zwar noch eine Antwort, und die wäre: zwischen Minute 1:00 und Minute 4:59. Aber zweideutig bleibt es ...

" "Gestern war Geruch" und "es sind Tage" - ich beschwere mich nicht, ich nehme das so hin. Mich würde nur interessieren, ob du diese Dinge absichtlich machst"
In dem Fall schon, es ist aber auch schon vorgekommen, dass Leser Stellen merkwürdig fanden, die mir ganz normal erschienen sind. Speziell mit dieser Geschichte hatte ich zum Teil die Schwierigkeit, dass ich den Ton bestimmter Autoren, der sich mir bei der Thematik ins Ohr gedrängelt hat, nicht wieder loswerden konnte, dazu gehört z.B. der gute Borchert, der weiter unten ja auch von den Spürhunden ins Spiel gebracht wird. Tja, und dann habe mir eben gesagt, komm, was soll's, dann schwingt der Ton halt mit.

Und das:
"Vielleicht treibst du es in dieser Geschichte hier auch bewusst auf die Spitze, um zwischen Schreibsprache und Gedankensprache des Protagonisten zu unterscheiden." ist ganz und gar zutreffend. Das war es eben auch, was mich dazu gebracht hat, diesen Ton nicht abzustellen.

Dein Nachtrag ist ganz liebenswert. Natürlich juckt es mich, ob ich deine persönlichen Vorlieben treffe oder nicht. Sonst könnte ich ja für meine Schublade schreiben. Und in diesem Sinn könnte ich mir vage vorstellen, dass ein dichterer persönlicher Hintergrund für den Mann vielleicht im Zusammenhang mit seinen Versen enstehen könnte. Na, vielleicht auch nicht. Wie gesagt: nur eine vage Vorstellung.

Ich danke herzlich für den Kommentar!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi @GoMusic,

schön, dass du wieder vorbeischaust. Dieses Schrappen an der Tür, das ist offenbar noch nicht ganz deutlich, was das zu bedeuten hat. Du vermutest, es sei die Tür selbst. Es sollte aber eine Metallklappe vor der Linse sein, die der Wärter alle fünf Minuten hochschiebt. Allerdings bist du nicht der einzige, der das so nicht erkannt hat, deswegen scheint es ein Problem am Text zu sein. Kein völlig unvorhergesehenes, aber doch eins, von dem ich gehofft habe, es bestünde nicht.
Werd ich also irgendwo und nicht zu spät einfügen müssen, die Klappe

" „kuck/en“ ist zwar richtig, ich werde aber nie verstehen, warum du nicht „gucken“ verwendest. Auf jeden Fall würde ich dich deswegen beim Maskenball entdecken."
- Guter Tipp, dann werde ich also beim Maskenball, falls ich dort je was einstelle, dran denken, dass ich "gucken" schreibe. :)

"Du / Leseransprache? Wieso auf einmal? Wo doch vorher alles so unpersönlich war (Mann, er)."
- Weil es hier nicht um den Mann alleine geht, sondern das ist eine Verallgemeinerung: Man hat das drin. Nicht nur der Mann, sondern jeder, der in der Situation ist. Jetzt könnte man fragen, woher der Mann das weiß (wenn es seine Perspektive sein soll), und da hätte ich die Antwort, dass er sich einfach für keine Ausnahme hält. Also, "man" wäre auch gegangen. Ich mache um das "man" nicht grundsätzlich einen Bogen, aber hier fand ich sozusagen die persönliche man-Form passender. Der Leser wird in meinen Augen dadurch genauso wenig direkt angesprochen, wie ein Text aus der Ich-Perspektive vom Autor handelt.

Das:
"Ich überlege, aus welchem Grund du die Zeiten wechselst … Im Moment verstehe ich nicht, warum."
- ist so passiert. Hab ich jetzt in die Vergangenheit gesetzt. Aber ich habe beim Umstellen auch das Gefühl gehabt, ich ahne, warum das passiert ist. Die Vergangenheit bringt ja mehr Distanz. Es ist mir bei dem Satz, wo der Mann diese direkten Sinneseindrücke hat, gar nicht leicht gefallen, das so abzuändern. Möglich wäre vielleicht, die Passage mit der Frau auch in die Gegenwart zu setzten, und nur den Überleitungssatz die Vergangenheit behalten zu lassen. Dann wäre es weniger sprunghaft. Mach ich aber erst mal nicht. Ich gehe mit Zeitsprüngen (bzw. Tempussprüngen) eh etwas sorglos um, da schadet es nicht, sich etwas Disziplin anzutrainieren.

Schön, dass es dir gefallen hat!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hallo liebe @Novak,

sehr erfreulich, dass du dich hier in die Kommentatorinnen einreihst.
Das ist ein hilfreicher Hinweis auf eine mögliche Hängestelle, danke! Mal sehen, was sich machen lässt. "Gefühl" auszusprechen ist mir da fast ein Schritt zu viel. Aber es wird eine Möglichkeit geben, das ist sicher.
Herzlichen Dank natürlich auf für die schmeichelhaften Worte. Gut möglich, dass die Jury einer Ausschreibung auch eine Assoziation an Borchert (et al.) hätte, und deswegen sagen würde: Liest sich ja ganz nett, haben wir aber vor Jahrzehnten schon gehabt. Das könnte ich mir gut vorstellen. Macht aber nicht viel, denn der Text ist nicht für eine Ausschreibung, sondern für hier :anstoss:

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi @rieger,

freut mich, dich mal wieder unter einem Test begrüßen zu dürfen! Viel sagen zu deinem Kommentar kann ich wohl nicht, Kritik, zu der ich Stellung nehmen könnte, gibt es ja nicht (Du kannst dir vorstellen, dass ich das nicht bedaure. Kritik ist zwar wichtig, aber den Part übernehmen oder erweitern vielleicht andere). Ich kann mich also nur drüber freuen und dir herzlich danken.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi @Raindog,

Hierzu:
"ich habe kurz überlegt, ob ich den Kommentar überhaupt schreibe, weil es die pure Lobhudelei ist und ich dir gar nichts Konstruktives beisteuern kann."
kann ich nur sagen: unbedingt! Ich bräuchte ja in meinem Leben überhaupt keine Kritik. Es ist nur oft so, dass ich mich so anstelle, dass ich sie verdient habe, und dann ist sie besser als falsches Lob.
Echte Lobhudelei lasse ich mir aber gerne vorsingen. Und dabei habe ich die vielleicht auch nicht so ganz verdient, denn mir geht es ja oft wie dir, dass ich mich schwertue, wenn ich nichts zu Kritisieren habe. Ich habe dann immer wieder ein kleines schlechtes Gewissen. Und jetzt hab ich auch noch was gekriegt, was ich selbst kaum verschenke. Naja, passiert. So schlimm wird's nicht sein.

Ach ja, und abgesehen von der einen Stelle, steckt in deinem Kommentar ja doch noch eine latente leise Warnung, nämlich in Bezug auf den Anklang an Borchert. Ich finde das letztlich nicht verkehrt, und ich habe natürlich Anlass, mich durch die Gesellschaft geehrt zu fühlen. Trotzdem muss man ja immer auch aufpassen, nicht zu nah dran zu stoßen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @erdbeerschorsch :bounce:

So, jetzt freu' ich mich voll auf meinen ersten richtigen Kommentar hier bei der neuen Seite :D

Der Mann sitzt aufrecht und hat die Hände auf den Knien.
Ich finde diesen Anfang mit "der Mann" etwas zu allgemein. Da frage ich mich nicht, wer "der Mann" ist.

Schrapp, schrapp. Fünf Minuten, dann wieder. Immer ganz genau. Schrapp. Schrapp.
Aber wiederum kann der allgemeine Einstieg zeigen. wie dein Prot durch die Isolation seine Persönlichkeit verliert. Das ist dann schön, aber das hat sich mir nicht mit dem ersten Satz erschlossen.

Und zwischendurch kucken die nie.
Gemäß dem Duden ist "gucken" geläufiger und "kucken" eher 'was spezielles für Norddeutschland. Wenn das beabsichtigt ist und zeigen soll, dass dein Prot nicht ganz seine Persönlichkeit verloren hat, dann finde ich das super.

weil sie einen hier nicht schlafen lassen, schrapp, schrapp, auch in der Nacht, und wehe du liegst nicht richtig.
Ach so, das ist ein DDR-Gefängniss?

fasst nach dem Blatt,
Von wo hat den der Mann das Blatt und den Stift?

Das pocht immer noch, immer noch pocht der Leib, aber das kommt nicht mehr aus dem Bauch, wo die Wut sitzt, das kommt ganz flach aus der Brust, das ist jetzt nicht mehr weit, sondern eng.

Und dann kriegt er einen Schreck,

Da hast du den Schmerz so gut beschrieben, da musst du nicht gleich das Wort nennen.

Die ganze Geschichte erinnert mich an das Gefangenendilemma und von der Idee her auch etwas an die Schachnovelle. Ich hätte es schön gefunden, wenn du noch stärker auf dieses Dilemma mit Kati eingegangen wärest.
Es hat mich auch überrascht, dass du erst so distanziert von dem Mann erzählst und dann plötzlich auf seine Vergangenheit anspielst.
Insgesamt hat mir die Geschichte aber gefallen.

Liebe Grüße :D,
alexei

 

Hallo Erdbeerschorsch,

du hast hier in meinen Augen eine wirklich interessante Geschichte geschrieben. Das geht bereits bei der Sprache los. Es gelingt dir einen recht rasanten Lesefluss zu erzeugen, der durch die vielen Wiederholungen und offenen Formulierungen immer wieder an den Ausgangspunkt zurückgeworfen wird. Gleich der erste Abschnitt, mit dem nervtötenden Schrap-Schrap fängt die akustische Ebene gut in Sprache ein. An manchen Stellen könnte es vielleicht der ein oder andere bestimmte Artikel weniger sein, aber das ist nur eine Kleinigkeit und mein subjektiver Eindruck.
Die kurzen, etwas abgehakt wirkenden Sätze: z.B. „Kurz warten. Griff unters Bett, das Papier geholt, den Stift. Wörter geformt. Nachgedacht.“ Sorgen dafür, dass ich als Leser kaum zum Verschnaufen komme und sich das Gehetzt-Sein des Protagonisten auf mich überträgt. Das bleibt eigentlich die ganze Geschichte über erhalten, was mir gut gefällt.

Ich muss gestehen, ich weiß auch nach dem Lesen der Geschichte nicht, ob das Ganze in einer Polizeistelle oder einer Irrenanstalt spielt (ich tippe auf Letzteres), aber gerade das gefällt mir an dem Ansatz. Dein Protagonist - das passt zum Thema - bleibt abgesehen von seinem unmittelbaren Erleben und einigen Andeutungen weitgehend im Dunklen. Trotzdem kann ich irgendwie seine Empörung nachfühlen und seine Handlungen erscheinen innerhalb der Figur schlüssig und für den Leser nachvollziehbar.

Mir gefällt auch deine Gestaltung des Endes, an dem eigentlich alles offen bleibt und mich als Leser, der ja doch irgendwie immer auf eine Befriedigung durch Auflösung hofft, etwas enttäuscht zurücklässt. Es ist allerdings deutlich erkennbar, dass dies nicht aus Versehen passiert, sondern erzählerische Absicht ist und wenn du mich fragst, passt auch nichts anderes zu diesem Text, den ich wirklich gerne gelesen habe.

Beste Grüße

Blumenberg

 

Hi @alexei,

sehr erfreulich, dich hier zu finden!

Ich habe wirklich ein DDR-Gefängnis im Kopf gehabt. Sauber aufgespürt! Das kommt so nicht unbedingt raus, und deswegen will ich es auch nicht als zentral betrachten. Aber ganz und gar unwichtig war mir das doch nicht. Die Hürde besteht vor allem darin, etwas zu finden, woran ich das für eine größere Leserzahl deutlich mache (ohne dass es platt wird). So, wie es jetzt dasteht, ist es eben irgendein Gefangener, und es kann durchaus auch ein Verbrecher sein.

Dann fragst du:

Von wo hat den der Mann das Blatt und den Stift?
- und diese Frage fürchte ich schon länger, bisher bin ich aber noch davor verschont worden. Tja nun, woher hat er das? Ich versuche mit einem Ablenkungsmanöver: Albrecht Haushofer ("Moabiter Sonette") und Wole Soyinka ("The Man Died") sind auch irgendwie an Schreibmaterialien gekommen. Soyinka hat wohl Toilettenpapier beschrieben - das man sich sicher etwas fester vorstellen darf als das supersofte mehrlagige vom Drogeriemarkt. Aber woher hatte er dann den Stift? Zumindest das bleibt schwierig im Fall meines Mannes hier. Wenn ich die Frage im Text zu beantworten versuche, müsste das schon sehr geschickt geschehen, damit es nicht daneben geht. Denn warum sollte er in der Situation darüber nachdenken, woher er das hat?

Dann hast du auch diese "gucken"/"kucken"-Sache aufgegriffen. Du hast eine wunderschöne Erklärung gefunden.
Es beschämt mich, zu gestehen, dass der Grund viel banaler ist.
Ich halte ja die Darstellung, man sage im süddeutschen Raum "gucken", zumindest in der Einfachheit für ein Märchen. Ich habe den Eindruck, dass überall "kucken" überwiegt. Dass man im Süden weichere Konsonanten bevorzugt, will ich zwar nicht bestreiten. Eher scheint es mir aber so, dass das Wort selbst im Süden - von Dialektsprechern - weniger gebraucht wird. Meine steile und völlig unbewiesene These ist: Wer es überhaupt gebraucht, sagt auch "kucken". Die anderen sagen lieber "schaue(n)", "luege(n)" u.dgl.
Hätte ich ja gar nicht gedacht, dass sich so viele bei dieser Minderheiten-Schreibweise etwas denken. Und dabei ist es wirklich schade um deinen Interpretationsvorschlag. Ich glaube fast, ich werde meine Motivation rückwirkend ändern.

"Ich hätte es schön gefunden, wenn du noch stärker auf dieses Dilemma mit Kati eingegangen wärest."
-- Im Moment scheint mir auch das den Rahmen eher zu sprengen. Es ist so, dass es die Möglichkeiten gibt, fast alles überzeugend umzusetzen, und dann wäre die derartige Vertiefung sicher sehr schön. Nur müsste sie einem einfallen ... Alles das, war mir tatsächlich einfällt, würde die Reduktion, die mir eigentlich ganz gut gefällt, aufweichen und dafür keinen guten Ersatz bringen. Wird also vermutlich so bleiben.

Herzlichen Dank für deinen Kommentar!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Lieber erdbeeschorsch,

ich verfolge deine Geschichte seit Beginn, konnte mich nur nicht richtig aufraffen, etwas Neues zu schreiben. Im Grunde sind meine Beobachtungen alle schon abgearbeitet, auch die natürlich, dass du die Zwangssituation deines Protas sehr eindrucksvoll gestaltet hast. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob derangierte Charaktere — derangiert aus den unterschiedlichsten Gründen — dir besonders am Herzen liegen. Außergewöhnliche Umstände, oder doch häufiger, als man denkt?

Noch eine Anmerkung zu „kucken“/„gucken“. Der Duden lässt beides zu, und ich kann dir versichern, dass es reichlich viele Leute im süddeutschen Raum gibt, die „gucken“ sprechen. Es sei denn, es sind „Reigschmeckte“,
„Hergloffene“ oder „Zuagroaste“. Die gibt‘s natürlich auch.

Herzlichst
wieselmaus

 

Hi @Blumenberg,

schön, dass du vorbeischaust. Wir sind uns ja bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Schön auch, dass dir die Geschichte gefällt und dass du mir zeigst, an welchen Stellen.

Ich muss gestehen, ich weiß auch nach dem Lesen der Geschichte nicht, ob das Ganze in einer Polizeistelle oder einer Irrenanstalt spielt
Ich habe ein Untersuchungsgefängnis im Kopf gehabt, und zwar - wie @alexei erraten hat - eins in der DDR. Das ist aber nicht entscheidend. Es ist eher so, dass ich mir überlege, das an irgend etwas deutlich erkennen zu lassen. Und erst dann ist das Untersuchungsgefängnis nicht mehr nur in meinem Kopf, sondern in der Geschichte. Aber das passiert vielleicht gar nicht, denn wenn du sagst:

-- "Dein Protagonist - das passt zum Thema - bleibt abgesehen von seinem unmittelbaren Erleben und einigen Andeutungen weitgehend im Dunklen. Trotzdem kann ich irgendwie seine Empörung nachfühlen und seine Handlungen erscheinen innerhalb der Figur schlüssig und für den Leser nachvollziehbar."

dann bin ich viel eher geneigt, das so stehen zu lassen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

-------------------

Liebe @wieselmaus,

Freut mich, dich wieder unter einer Geschichte zu begrüßen. Dann waren ja meine Ausführungen zum "Kucken" zwar offenbar nicht unbedingt haltbar, aber doch nicht für die Katz, wenn ich dich damit zu einem kleinen Kommentar verlocken konnte.

-- "Irgendwie kommt es mir so vor, als ob derangierte Charaktere (...) dir besonders am Herzen liegen."
Das kann ich gar nicht abstreiten. Und die eigentlichen Abenteuer finden ja eigentlich immer im Kopf statt - im guten wie im schlechten Sinn.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hej @erdbeerschorsch ,

bin hier so unterwegs und dachte, ich kuck mal hier rein, was sich so tut und gerate in deinen Gedanken, wie geht’s denn so mit einem nahezu unsichtbaren Verweis auf das (DDR-)Gefängnis.
Vielleicht ist Kati doch diesbezüglich hilfreich, denn im Augenblick kommen sie mir beide vor wie Bonnie and Clyde, wenn du das aber mit keiner Tat bearbeiten würdest, sondern lediglich etwas andeutest, dass sie bissi querulant und aufrührerisch zeigt, könnte man eventuell drauf kommen, das es sich hier um eine willkürliche Inhaftierung handeln könnte (in deiner Haut möcht ich da nicht stecken:Pfeif:). Dann käme er auch aweng weniger psycho rüber, sondern echt verzweifelt und entkräftet.

Na ja, so dacht ich eben. Lieber Gruß, Kanji

 

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