Gott von eigenen Gnaden
So leicht! So leicht. Unendlich lange war die Reise. Äonen von Mir sind vergangen während des Weges, obwohl ich im Verhältnis zum Menschen so viel älter werde.
Ich reiste fast so schnell wie mein Bruder im Geiste, das Licht, und doch war ich 2 Millionen Jahre in Dunkelheit und Helle unterwegs, vorbei an unzähligen Sonnen, riesigen Gasplaneten und rasenden Kometen aus Feuer und Eis.
Ich denke wenig an die Heimat, denn im Laufe der Zeit und über unzählige Generationen hinweg verblassten die Bilder meiner Welt. Nicht aus Not verließ ich den Planeten, den auch ich, wie die Menschen den ihren, den blauen Planeten nannte. Es war Neugier und das Wissen um meine Möglichkeiten.
Ich bin sowohl der Erste als auch der Letzte meiner Art. Ich bin die endliche Spitze der Evolution.
In dieser Form, die eigentlich keine Form ist im gegenständlichen Sinn, reiste ich von meinem blauen Planeten bis zu dem blauen Planeten, den ich über hunderttausende Jahre hinweg beobachtet habe. Ab und Zu unterbrach ich die Reise, um eine Form anzunehmen, die es mir ermöglichte, den Planeten meiner Wahl zu betrachten und natürlich um zu sehen, ob er noch da ist. Planeten und Sonnen vergehen schnell im Universum. Doch die Konstellation des blauen Planeten war günstig und Er hat einen Beschützer, einen großen Gasplaneten, von den Menschen Jupiter genannt, der mit seiner riesigen Masse und der daraus resultierenden Anziehungskraft die meisten Meteoriten auf sich zieht.
So kam ich zu euch, den Menschen. Eindeutig die beherrschende Art dieser Welt, wenn auch von evolutionärer Seite gesehen immer noch sehr primitiv.
Sehr wohl sind die ersten Stufen des Wissens in den Berg der Evolution geschlagen, doch bis zur Spitze ist es soweit, dass der Gipfel nicht zu erkennen ist. Kunst und Philosophie haben bereits einen erstaunlichen Stand erreicht, doch sind die Urinstinkte aus dem Schlamm der Entstehung, in der Amöbe gegen Amöbe ums Überleben kämpfte, noch immer vorherrschend.
Der Start meiner Reise war von mir so geplant, das ich zu einem Zeitpunkt auf die Erde gelange, wo das Verständnis für das Ziel der Evolution wenigstens im Ansatz verständlich ist. Doch hatte ich mich geirrt. Ich bin davon ausgegangen, dass sowohl meine als auch die Entwicklung der Erde zwar Zeitversetzt aber ansonsten parallel verläuft. Geradlinig. Aber hier verläuft alles in Kurven, mal auf und mal ab, furchtbar. Ich habe das Ziel für die Menschen revidieren müssen, Sie werden ein paar hunderttausend Jahre länger brauchen.
Andererseits macht dieser Umstand meine Ankunft um einiges Witziger. Mein Gefühl für Humor ist auf der langen Reise fast in Vergessenheit geraten, doch hier habe ich ihn wieder entdeckt, wenn es auch meist Galgenhumor ist.
Ich kam völlig unbemerkt an, was nicht weiter verwunderlich ist, da ich mich vollständig zerlegen kann. Ich bestehe wie der Mensch aus Kohlenstoffatomen, doch bin ich in der Lage, jedes einzelne Atom zu kontrollieren. Ansonsten wäre meine Reise gar nicht möglich gewesen.
Natürlich sind meine Atome zudem so Modifiziert, das sie erst dann Schaden nehmen würden, wenn sie Jahrelang in Natronlauge schwimmen würden.
Auf gut Deutsch kann ich fast in Lichtgeschwindigkeit jeden Punkt der Erde erreichen und jede Form annehmen, die mir gerade passt. Wie gesagt, ich bin die Spitze.
Nun bin ich also hier und euer Gott. Nicht das ich das so gewollt habe, aber es ging nicht anders. Ich wurde von euch in diese Rolle hineingedrängt. Was habe ich anfangs und bis heute versucht euch klarzumachen? Das es keine Götter gibt! Habt ihr mir zugehört? Nein!
Wie oft versuchte ich, das Prinzip der Evolution darzustellen und was war eure Antwort darauf? Ein Wunder!
Ich habe es nicht aufgegeben, aber ich warte. Damit es mir nicht zu langweilig wird, spiele ich eure Götter. Ich bin Jahve, ich bin Allah, ich bin Buddha, ich bin alle zwei Millionen Götter der Inder, ich bin Ra, ich bin der Waldgott der Eingeborenen des Amazonas.
Wunder gibt es keine mehr, ich warte. Tod und Elend sind für mich Teil der Entwicklung, das geht vorüber. Ich lache und spotte über euch. Seit neuestem schickt ihr Raketen ins All. Wozu? Ihr wisst doch längst, dass ihr damit allerhöchstens bis zu irgendeinem toten Steinhaufen kommt. Alles darüber ist für eure jetzige Form nicht erreichbar. Einer eurer Schriftsteller, Asimov, schreibt von einem Generationenschiff, das die Menschen durch das All trägt. Vergesst es. Wenn ihr diesen Punkt erreicht habt, um ein solches Schiff zu bauen, dann wollt ihr das nicht mehr. Dann versteht ihr mich.
Doch das wird noch lange brauchen, inzwischen schlagt euch gegenseitig die Köpfe ein. Betet zu mir, in der Zeit macht ihr wenigstens keinen Unsinn.