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Gemischte Gefühle
Als die Orgel verstummte, war es für einen Augenblick feierlich still in der kleinen ländlichen Barockkirche. Mildes Sonnenlicht fiel durch die bunten Fenster und zauberte farbige Flecken auf die Hochzeitgesellschaft. Von der Kanzel lächelte eine Puttenschar herab. Der Studentenpfarrer erhob sich, strich sorgfältig das weiße Chorhemd glatt und trat auf das Brautpaar zu. Seine Ansprache war persönlich, kurz und nüchtern. Schließlich wusste er aus den Vorgesprächen, dass in Zeiten aufkeimender Unruhen an den Universitäten jetzt keine salbungsvolle Rhetorik erwünscht war. Er freue sich, sagte er, dass junge Menschen sich für den anspruchsvollen Lebensbund göttlichen Beistand holten. Dabei zwinkerte er ein wenig, und Birgit sah darin ein Zeichen, dass auch der Priester vom revolutionären Zeitgeist erfasst war. Sie kannte ihn aus manchen Diskussionen an der Uni. Für einen katholischen Theologen hatte er erstaunlich viele Freunde in nichtkirchlichen Kreisen. Und er war kein Kind von Traurigkeit. Da kursierten einige Geschichten.
Alles ging glatt. Die Ringe tauchten rechtzeitig aus einer Jackentasche auf, fielen nicht zu Boden und rutschten geschmeidig auf die Finger. Das Ja kam laut, wenn auch bei Wendelin nach einem kurzen Räuspern. Niemand schluchzte und niemand erhob Einspruch. Mit dem Brautkleid hatte Birgit sich ausgesöhnt. Es war bodenlang und schlicht weiß. Dazu gehörte ein Kopftuch aus spanischer Spitze. Birgits Mutter hatte es nach heftigen Diskussionen als Leihgabe von einer Freundin organisiert.
„Mensch Mama, ich will doch gar nicht in Weiß heiraten. Es kommt mir so unehrlich vor, so heuchlerisch. Und es ist rausgeschmissenes Geld. Nachher hängt das Ding über Jahrzehnte im Schrank.“
„Blödsinn, Mädchen, wenn es danach ginge, müssten die meisten Bräute in Knallrot erscheinen. Und schwanger bist du ja auch nicht. Egal, schließlich seid ihr verlobt. Ich seh ja ein, dass du dafür nicht viel ausgeben willst. Sollst du auch gar nicht. Etwas Geliehenes brauchen wir auf jeden Fall.“ Sie sah auf ihre Strichliste. „Der Brautstrauß ist Wendelins Sache. Hat er denn jetzt eine Unterkunft bei einem Freund?“
Birgit verdrehte die Augen. Sie wohnte schon seit einiger Zeit mit Wendelin zusammen. Ihre Mutter wusste das. Die standesamtliche Trauung würden sie mit den Freunden feiern. Ganz unkompliziert, mit einer Bratwurst auf dem Münsterplatz.
„Und wir brauchen Musik in der Kirche. Ich könnte auch was singen, da hab ich schon eine Idee. Weißt du, wenigstens die eine Hochzeit haben wir uns gewünscht. Tu uns den Gefallen. Papa sieht's genau so. Also lass mich einfach machen.“
Zuletzt resignierte Birgit und sagte zu allem Ja und Amen, auch zur Gästeliste. Alles Verwandte oder gute Freunde der Eltern. Sie kannte das Organisationstalent ihrer Mutter. Während des Krieges und in der Nachkriegszeit hatte es das Überleben garantiert.
„Wir bitten dich, erhöre uns“, antwortete die Hochzeitsgesellschaft auf die fünf Fürbitten, die vom Brautpaar ausgewählt worden waren, darunter eine, wo es um die Not in Biafra ging. Birgit schrieb gerade an ihrer Examensarbeit über die afrikanische Einheitsbewegung. Schließlich sangen sie gemeinsam „Großer Gott, wir loben dich“, und die Gäste strebten eilig nach dem Ausgang, um vor der Kirche ein Spalier zu bilden.
Ja, die Finanzierung der Hochzeit. Die musste natürlich die Familie der Braut übernehmen. Es sei, so Birgits Vater, eine Frage der Ehre. Schließlich gäbe es doch die Ausbildungversicherung für sie und ihre Schwester. Kein großer Betrag, zweitausend Mark, bei Hochzeit oder Studienabschluss auszuzahlen. Birgit und Wendelin hatten fest mit dem Geld gerechnet. Ihre winzige Wohnung brauchte dringend ein Doppelbett statt der zwei hintereinander stehenden Einzelbetten unter der Dachschräge. Wendelin musste früh morgens mit dem Zug zum Gymnasium fahren, zu seiner ersten Stelle als Referendar, dreißig Kilometer entfernt. Erst am späten Nachmittag konnte er sich wieder aufraffen, Arbeitsblätter und Tafelbilder zu entwerfen oder zu korrigieren, oft bis nach Mitternacht.
„Ich hab halt die falsche Fächerkombination. Sport und Religion wären einfacher.“
„Meinst du? Vielleicht nimmst du es zu genau? Und Religion …, ich weiß nicht.“
Aber daran lag es nicht. Birgit spürte, dass hinter der Akribie die Angst lag, im falschen Beruf festzustecken. Jetzt war er Lehrer am Gymnasium mit den Fächern Geschichte, Gemeinschaftskunde und katholische Religion. Eine Enttäuschung vor allem für seine Mutter. Den eigenen Wünschen war er keinen Schritt nähergekommen. Förster hatte er werden wollen oder, wenn schon Akademiker, wenigstens Forstrat.
„Ich bin halt ein Naturbursche“, pflegte er in sein abendliches Bier zu murmeln, die graugrünen Augen melancholisch verschattet. Armer Wendel, ein liebenswerter bayrischer Bauernbub bist du, aber kein Naturbursche, dachte Birgit dann, sagte es aber nicht, sondern küsste ihn auf den Nacken und massierte seine angespannten Schultern.
Wendelin und das Geld. Manchmal schrie er während eines Albtraums Unverständliches, wirre Geschichten von verkauftem Ackerland, damit das Internat bezahlt werden konnte. Denn er sollte ja Pfarrer werden und deshalb als einziges von sieben Kindern eine höhere Bildung bekommen.
Es hatte eine Weile gedauert, bis er bereit war, mit Birgit über die Folgen seiner Sonderstellung in der Familie zu reden. Wie das Kichern der Schwestern schlagartig verstummte, wie der ältere Bruder, mit dem er das Bett teilte, ihn heimlich knuffte und ständig stichelte, weil der vornehme Graf Wendel von der schweren Arbeit auf dem Hof befreit war, wenn er in den Sommerferien aus dem Internat kam.
„Der Bua muss sich ausruhen, der hat bald Prüfungen. Geh, Wendelin, magst net in der Kirch vorbeischaugn und dem Pfarrer 'Grüaß Gott' sog'n? Und bring ihm den Korb, du woaßt scho!“
Nach dem letzten Orgelton ergriff Birgit den Brautstrauß und tastete nach Wendelins Hand. Im offenstehenden Portal wartete ihre dreijährige Nichte, am Arm ein Körbchen mit Rosenblättern. Von draußen dröhnte Gelächter herein.
„Wir müssen noch unterschreiben, in der Sakristei,“ sagte Wendelin und drückte Birgits Hand mit dem Ring heftig, „Gott sei Dank hat er sich kurzgefasst. Ich freu mich so aufs Essen. Heute Morgen hab ich keinen Bissen runtergekriegt. Hoffentlich kommt jetzt der gemütliche Teil.“ Birgit konnte Wendelins Erleichterung spüren.
Plötzlich erhob sich im leeren Kirchenraum eine einsame Bratschenstimme. Ein Mann stand auf der Empore vor der Orgel. Sie erkannte das Musikstück sofort. Es war das 'Ave Maria' von Gounod , Birgits Mutter hatte es schon oft bei Trauungen gesungen. Der da spielte, war ein Könner. Es war Georg, der Bruder ihrer Freundin Sybille, erfolgreicher Dozent an der Musikhochschule und ihre große Liebe seit Kindertagen. Statt eines Schwertes schwang er einen Geigenbogen. Im Gegenlicht, das aus kleinen Rundfenstern neben der Orgel hereinfiel, bewegte er sich wie in einem Florettkampf. Die Töne perlten rein und herb herab, das Vibrato schmeckte süß und bitter wie schwarze Schokolade. Birgits Knie fingen an zu zittern, sie musste sich setzen. Bloß keinen Anfall jetzt, bloß nicht das lästige Herzrasen.
„Geh du schon mal, ich komme gleich nach …“ Und Wendelins besorgten Blick abfangend, setzte sie hinzu: „Es ist nichts …, ich erklär es dir später. Ich brauche nur eine Minute für mich.“
Sie presste den Brautstrauß auf den Schoß, achtete nicht darauf, dass sie dabei einige Blüten zerquetschte. Sollte sie lachen oder weinen? Sie wusste es nicht.
Birgit hatte sich endlich bei ihrem Vater durchgesetzt. Nach dem ersten Semester zuhause durfte sie ein Jahr in Berlin studieren. Berlin war weiter weg als Zürich, aber viel billiger. Sie kannte die Frontstadt von der Abitursreise her und von einem zweimonatigen freiwilligen Sozialdienst an einem Dahlemer Krankenhaus. Dort fand sie fürs Erste Unterkunft, im Schwesternhaus. Die Suche nach einem bezahlbaren Zimmer gestaltete sich schwieriger als vermutet. Schließlich fand sie am Schwarzen Brett der TU ein Angebot: Zimmer für kleine Nichtraucherin, Mitbenutzung des Bads, keine Kochgelegenheit, keine Besuche. Der Zettel hing schon eine Weile, verziert mit Fragezeichen und ironischen Kommentaren. Der Trend ging zu Wohngemeinschaften oder Studentenwohnheimen. Ohne Beziehungen war da nichts zu holen. Birgit hatte keine Beziehungen, also machte sie einen Besichtigungstermin mit der Frau aus, die sich am Telefon gemeldet hatte. Alles stellte sich als viel harmloser heraus, als Birgits Fantasie ausgemalt hatte. Das Schlauchzimmer befand sich in einem alten Kasernenkomplex, zwischen Charlottenburg und Spandau gelegen, zwar weit weg von der Freien Universität, aber doch durch die U-Bahn leicht zu erreichen. Wenn Birgit die Arme links und rechts ausstreckte, konnte sie fast die Wände berühren. Immerhin gab es neben Bett und Schrank einen kleinen Schreibtisch, ein Bücherregal und sogar einen alten Volksempfänger.
„Der ist noch tadellos“, sagte die Frau mit der Trümmerfrauenfrisur und strich liebevoll über das braunrot gesprenkelte Bakelitgehäuse, „man muss nicht alles wegwerfen, vieles war auch prima.“
Da Birgit vorsichtig zustimmend nickte, kam der Mietvertrag für monatlich fünfundsechzig Mark zustande. Bei den dreihundert, die Birgit von zuhause bekam, gerade noch machbar.
Und dann stürzte sie sich ins Abenteuer Großstadt, stand Fähnchen schwingend am Straßenrand, als die Queen Berlin besuchte, sah von dem winzigen Fensterquadrat des Kasernenzimmers die sowjetischen MIGs im Tiefflug über das Olympiastadion rasen, erlebte die ersten Streiks an der FU. Die meiste Zeit verbrachte sie in der Uni-Bibliothek mit der Lektüre von Sigmund Freud, Thomas und Heinrich Mann, sowie Fritz Sterns 'Griff nach der Weltmacht'.
Manchmal leistete sie sich am Bahnhof Zoo eine Curry-Wurst, kaufte im KaDeWe einen rosa Lippenstift, bekam die eine oder andere Einladung für ein Burschenschaftsfest, als Couleurdame. Sie lehnte immer ab. Mit schlagenden Verbindungen hatte sie nichts am Hut. Zu den Meetings ihrer Fakultät im Otto-Suhr-Institut dagegen ging sie gern, wagte auch ab und zu einen Redebeitrag. Sie wurde wohlwollend belächelt, galt als die niedliche Kleine mit der singenden schwäbischen Aussprache. Quer über die Stirn ihres Madonnengesichts stand unsichtbar geschrieben: Noli me tangere. Nicht berühren. Denn zuhause wartete der Eine, der einzige, dem sie gehören wollte. Einsam fühlte sie sich nicht.
Gegen Ende des zweiten Semesters bekam Birgit Post von ihrer Freundin. Georg kommt mit seinem Anfängerkurs nach Berlin, schrieb sie, er hat mir versprochen, dass er sich mit dir treffen will. Mensch Birgit, das musst du endlich nutzen!
Als Treffunkt hatten sie das Café Kranzler ausgemacht. Das kannte jeder Tourist. In letzter Minute kürzte sie noch ein Sommerkleidchen, bis knapp über die Knie. Ihre Vermieterin rümpfte zwar die Nase, ließ sie aber doch an die Nähmaschine ran. Vielleicht sah sie in Birgit einen Ersatz für ihre Tochter, die sie in den letzten Kriegstagen verloren hatte. Sie sprach nicht gern von dieser Zeit. Die Russen waren für sie der Inbegriff des Bösen.
Birgit trug den Lippenstift nur ganz dezent auf, lieber zu wenig als zu viel. Sie hatte keinen Plan für das Treffen, nur die riesengroße Erwartung, dass sie ihrer Liebe endlich in die Arme fallen durfte. Das hatte sie sich vorgenommen.
Georg kam pünktlich um zwei Uhr mittags. Schon von weitem erkannte Birgit eine junge Frau an seiner Seite. Georg hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, er schien auf sie einzureden, sie schüttelte ein paarmal den Kopf.
„Das ist Yvonne“, sagte er, nahm die Hand herab und streckte sie Birgit entgegen. „Yvonne gehört zu meinem Kurs, sie kommt aus Paris und spricht noch nicht viel deutsch, da hab ich versprochen, ihr Berlin zu zeigen. Du hast doch nichts dagegen?“
Yvonne, in einem Rock, der einen Viertelmeter über den Knien endete, stand mit durchgedrücktem Rückgrat daneben, presste die Lippen zusammen und schoss schwarze Blicke aus den kajalumrandeten Augen ab. Georg zog die Hand wieder zurück und strich sich die halblangen Haare aus der Stirn.
„Und … wie geht es dir? Du siehst gut aus. Die Großstadt bekommt dir. Und natürlich viele Grüße von daheim, besonders von Billie. Die hat endlich mit dem Sportstudium angefangen, aber das wirst du ja wissen.“
Birgit hatte sich wieder gefangen. Bloß sich nichts anmerken lassen. Okay, das Wiedersehen mit Georg war ruiniert. Als Dozent musste er sich wohl um seine Schäfchen kümmern. Die Enttäuschung kroch langsam vom Kopf in den Magen. Und wieder zurück.
„Ja, Berlin hat auch einiges zu bieten. Was wollt ihr denn alles sehen? Oder wollt ihr erst mal einen Kaffee trinken im Kranzler?“
„Kaffee wäre schon gut, aber so arg viel Zeit haben wir nicht, leider. Unser Programm ist ziemlich üppig. Immerhin kann ich jetzt Billie erzählen, dass es dir gut geht.“
Yvonne schwieg weiterhin, schaute auf ihre Armbanduhr und setzte eine Sonnenbrille auf.
„Ach lass nur. Das schreib ich ihr schon selber. Dann also, viel Vergnügen. Ich muss auch nochmal in die Uni. Hier hast du meine Telefonnummer, falls es etwas Wichtiges gibt. Ich darf sie in Notfällen benutzen.“
Zu mehr reichte die Kraft nicht. Birgit ließ die beiden stehen. In der S-Bahn, die sie ausnahmsweise nahm, suchte sie sich ein leeres Abteil und verkroch sich in das schäbige Polster. Georgs Blick. Wie er zu Yvonne und wieder zu ihr zurückflog. Diese Mischung von Nonchalance, Ironie, und Schuldbewusstsein. Und, verdammt noch mal, war da nicht nicht auch eine Prise Mitleid?
Birgit kapierte. Georg kannte ihre Gefühle, hundertprozentig. Billie, seine Eltern, alle hatten davon gewusst. Wie gemein! Warum musste er diese versteckte Tour wählen, um ihr zu zeigen, dass er kein Interesse an ihr hatte, dass sie nur die nette Freundin seiner Schwester war. Zu jung? Nein, das Mädchen, das er heute mitgeschleppt hatte, war keinen Deut älter als sie. Wie erbärmlich!
Erst in ihrem Kasernenzimmer kamen die Tränen, die Wut, schließlich die bohrende Erkenntnis, dass sie ihrer eigenen Feigheit erlegen war. Denn, nicht wahr, sie hätte ja auch den Mund aufmachen können, schon viel früher und unmissverständlich. Und sie musste einiges überdenken. Jungfräulichkeit, ha, wie naiv war sie eigentlich?
Als sie am Semesterende ihre Sachen packte, war sie zwar unberührt, jedoch weitgehend desillusioniert. Jetzt trug sie einen modischen Kurzhaarschnitt mit einem Fransenpony.
Kurz nachdem als Höhepunkt des Hochzeitmahls die Weincreme verspeist war, zog Birgit ihre Mutter in eine Fensternische des Gasthauses. Das Nebenzimmer hatte sich mit Rauchschwaden gefüllt, einige Gäste waren schon beim Kaffee oder Obstbrand angelangt. Wendelin saß, gut versorgt, mit seinen Geschwistern zusammen. Anscheinend schwelgten sie in Erinnerungen, immer wieder brandete lautes Geschrei und Lachen auf.
Birgits Mutter schaute zufrieden aus.
„War das deine Idee? Oder die von Georg?“
„Wieso, hat's dir nicht gefallen?“
„Mama! Darum geht es nicht. Warum hat er überhaupt erst gespielt, als die Kirche schon leer war?“
„Das hat er so gewollt. Und er wollte auch nicht zum Essen bleiben. Ich hab ihn eingeladen.“
„Aha! Hat er denn noch etwas gesagt?“
„Er sei dir noch etwas schuldig, du wüsstest schon. Und er wünscht dir viel Glück mit Wendelin.“
„Er ist nicht gerade ein Held, der große Künstler. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Da hätte er mir schon mal über den Weg laufen können und Klartext reden.“
„Ach Birgit, ich glaube, mit Wendel bist du besser dran. Ist nur so ein Gefühl. Georgs Mutter hat mir Geschichten erzählt ...“
„Mama, die will ich gar nicht wissen. Ich kümmere mich jetzt um Wendelin und seine Leute. Ich kenne sie ja noch gar nicht richtig.“
„Ach Mädchen, du bist so vernünftig, ganz anders als deine Schwester.“
„Vielleicht …, nein, gar nicht. Ich habe nur mehr Glück gehabt als sie, glaube ich.“
Eine Viertelstunde später saß sie im Mercedes Ferdinands, des bayrischen Freundes und Sponsors der Familie. Eine Hochzeit ohne Brautentführung sei keine richtige Hochzeit, hatte er gesagt, da müsse sie durch. Er könne auch noch gut fahren, habe kaum etwas getrunken, nur einen oder zwei Schnäpse. Und während Birgit sich bei der rasanten Fahrt durch schmale und holprige Sträßchen krampfhaft festhielt und gegen die Übelkeit ankämpfte, sandte sie ein tief empfundenes Stoßgebet zum Himmel.
„Lieber Gott“, betete sie, „mach, dass dieser Tag ein gutes Ende nimmt. Und lass mich glauben, dass meine Ehe unter einem guten Stern steht. Ich werde mir Mühe geben, das verspreche ich. Hoch und heilig.“
Ferdinand drückte aufs Gaspedal.