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Gefährten und Feinde
Gefährten und Feinde
Unsere Geschichte beginnt an einer ruhigen Lichtung des unendlichen Waldes weit weg von den Städten der Menschen. Zwei junge Männer saßen in einer klaren Nacht am behaglich knisternden Lagerfeuer und unterhielten sich.
"Drachen? Warum muss es gerade eine Drachenhöhle sein?"
fragte der junge Elf seinen Gefährten und Verbündeten in unzähligen Schlachten, die er geschlagen hatte. Der kräftige Mensch sah nur kurz auf und stocherte dann weiter in den Glutbrocken im Feuer herum. "Weil Drachen als unbesiegbar gelten. Stell dir doch nur den Ruhm vor, den wir erlangen würden. Kerhim und Amres, die Drachentöter. In der Höhle eines solch mächtigen Lindwurms würden wir den ultimativen Kampf finden, mein alter Freund", antwortete der große, kräftige Mann schließlich mit einem erwartungsvollen Blick.
"Es wäre ein geeigneter Ort, den Tod zu finden, Narr." gab Amres zurück. Er konnte über die Idee seines Gefährten nur den Kopf schütteln. "Das Problem der jungen Leute", dachte er für sich. "Sie sind genau so mutig und stark, wie dumm."
Kerhim erinnerte sich noch genau an das Gespräch, dass er irgendwann einmal mit seinem treuen Gefährten an einer kleinen Waldlichtung geführt hatte. Die Welt war in Ordnung. Er besaß alles, was er sich wünschte. Freiheit, Gesundheit und einen Freund, der ihm beistand, egal was auch kommen mochte. Doch an nur einem Tag sollte er all das nun verloren haben?
Er sah zu dem schlanken Elfenkrieger hinüber, dessen Augen eine Feindseligkeit ausstrahlten, die er noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Der Elf sah Kerhim kalt und berechnend an und er zielte mit dem Bogen auf ihn. Neben ihm stand ein Wesen, das kräftig und anmutig aussah und doch verschlagen und abgrundtief böse auf Kerhim wirkte. Die Pranken des Wesens waren riesig und seine spitzen Zähne absolut tödlich. Der Krieger fühlte sich wie ein Insekt, dass jeden Moment von ihm zertreten werden konnte. Er erschauderte bei dem Anblick des mächtigen Ungeheuers.
"Amres", schrie Kerhim hilflos zu dem so veränderten jungen Elfen hinüber. Dieser gab keine Antwort und starrte ihn nur weiter stumm an.
"Schweig, du erbärmliche Kreatur", donnerte es aus dem gewaltigen Maul des Silberdrachens. "Nicht länger bist du meines Gehöres würdig, du unterentwickelter Wurm. Du schreist wie ein junges Weib." Kerhim befürchtete fast, dass die Höhle einstürzte, in der sie sich befanden, als der Drache ihn anfauchte. Seine Finger schlangen sich fester um den Griff des Schwertes und er trat langsam einen Schritt zurück.
Viel schlechter konnten die Dinge wohl gar nicht laufen. Sein Freund schlug sich im Laufe des Kampfes auf die Seite des Lindwurms. Warum er das tat, wusste der Menschenkrieger nicht. Der Elf konnte doch nicht so dumm sein und erwarten, dass er so sein Leben retten konnte. Wenn der Mensch besiegt war, würde der Drache auch ihn töten. Als beide keine Kraft mehr hatten und kein Ankommen gegen die Bestie in Sicht war, wendete der Elfenkrieger seinen Bogen von der Kreatur ab und schoss mehrere Pfeile auf den Menschen, doch alle verfehlten ihn. Was Kerhim neben der Tatsache, dass Amres überhaupt auf ihn schoss am meisten irritierte, war das gleichmütige Lächeln, dass dieser dabei aufgesetzt hatte. Wie konnte sein einst so treuer Freund in nur wenigen Sekunden zum Feind werden?
Um die Fünfzig Fuß waren die beiden Gegner nun von Kerhim entfernt. Eine ultimative Schlacht zwischen Mensch und Monster stand bevor, deren Ausgang eigentlich schon festzustehen schien. Der silberne Drache preschte los und legte die Entfernung in kürzester Zeit zurück. Mit dem Kopf zum Boden gesenkt, stürmte die Bestie mit ohrenbetäubenden Gebrüll auf den jungen Krieger zu. Dieser umklammerte sein Schwert noch fester und erwartete den Drachen in einer leicht gebeugten Abwehrhaltung. Als er in die kleinen, violetten Augen der Bestie sah, fand er nur Hass und Mordlust darin. Doch wusste Kerhim, dass sich dahinter eine Intelligenz verbarg, die seiner bei weitem überlegen war. Drachen sind Wesen von solcher Vollkommenheit und Stärke, dass eine Horde Barbaren anrücken müsste, um einen niederzustrecken. Jeder hätte die beiden Abenteurer ausgelacht, wenn sie erzählt hätten, dass sie zu zweit gegen einen antreten wollten.
Kerhim gelang es, dem Ansturm des Monsters auszuweichen, indem er sich mit einem weiten Hechter nach links warf. Sofort schnellte eine der mächtigen Klauen des Drachen auf Kerhim zu, als er gerade am Boden aufkam, doch diesen Angriff wendete er mit einer schnellen Drehung zur Seite ab. Dann sprang er sofort wieder auf und schaffte es mit einer geschickten Flugrolle nach vorne auch dem nächsten Klauenhieb des Drachen auszuweichen. So bekämpften sich die beiden Gegner und der Herausforderer des Ungeheuers hielt gut mit.
Durch eine akrobatische Meisterleistung war es dem jungen Helden gelungen, einige Minuten gegen den Drachen zu bestehen. Doch seine Kräfte schwanden langsam dahin. Am Ende behielt doch die Bestie die Überhand. Der Krieger hatte gerade versucht, den Drachen von hinten anzugreifen, als dessen Bissangriff ihn erneut verfehlte, doch da wurde er vom Schwanz des übermächtigen Wesens erfasst und mit niederschmetternder Wucht gegen einen der Stalagmiten in der Höhle geschleudert. Dunkelheit überkam ihn.
Als Kerhim wieder aus der kurzen Bewusstlosigkeit erwachte, sah er nur das verschwommene Bild des gewaltigen, weit geöffneten Mauls des Drachens. Der junge Krieger ahnte, was geschehen würde. Das schuppige Wesen bereitete seinen mächtigsten Angriff vor. Es erhob sich und stand nun nur noch auf den Hinterpfoten. Dann streckte das Monster den Kopf empor und spannte all seine gewaltigen Muskeln für den ultimativen Angriff an. Ein hässliches Zucken durchfuhr den Torso der grausam anmutenden Gestalt und schließlich quollen grell leuchtende blaue Flammen aus dem Rachen des Ungeheuers empor.
Der Drache hielt kurz inne und schloss seine Augen in tiefster Konzentration. Dann spie er seine grausige Welle von Flammen und magischer Energie in die Höhle. Die Erde bebte von dieser zerstörerischen Kraft und Geröll bröckelte aus der felsigen Decke. Kerhim spürte nichts, so schnell glitt er hinüber ins Reich der Schatten.
Der junge Mann warf sich auf seiner Strohmatte hin und her. Dann öffnete er die Augen. Er sah in das Gesicht eines hochgewachsenen Elfen, der ihm mit einem Tuch an seiner Stirn herumtupfte. "Ah, der Drachentöter ist erwacht", sagte der Elfenmann in einem neckenden Tonfall. "Das Ungeheuer hat wirklich gezittert vor Angst." Kerhim brauchte eine Weile, um zu begreifen, wo er war. "Ich bin nicht tot? Dabei war ich mir sicher, den Angriff des Drachen nicht überlebt zu haben.", antwortete der völlig erschöpfte Kerl. "Das hast du auch nicht. Da kannst du dir sicher sein", sprach Amres weiter. "Gut nur, dass es keinen Angriff gab." Kerhim verstand keine einziges Wort. "Mein alter Freund Igrizul hier hat einen kleinen Trick bei dir angewendet.", fuhr der Elf schließlich fort. Er grinste geheimnisvoll und kurz darauf kam der riesige Drache hinter einer Ecke der Höhle hervorstolziert. "Darf ich vorstellen? Igrizul. Ich habe ihm vor Urzeiten einmal einen sehr großen Gefallen getan. Sonst würden wir jetzt nicht lebendig hier sitzen können. Du befindest dich hier in einer Drachenhöhle.", fuhr er fort. "Als Gegenleistung für den Dienst, den ich ihm erwiesen habe, bekam ich diesen Kampf von ihm."
Kerhim begriff und verfluchte den Elfen dafür, dass er ihn so bloß stellte. Nicht nur vor dem Drachen, sondern wohl am meisten vor sich selbst. Er begann rot zu werden, als er zu Igrizul, dem Silberdrachen hinüber sah. "Fehlt nur noch, dass er zu Weinen anfängt", dachte dieser. Doch er behielt es für sich, weil er Angst hatte, dass der Kleine sonst wirklich noch weinte. Davon bekam der für heute ohnehin schon etwas überarbeitete Mann zum Glück nichts mit. Kerhim schämte sich, weil er sich so zum Narren halten ließ. Doch er hatte seine Lektion gelernt.
ENDE