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Gedankenschnippsel
Gedankenschnippsel
oder
die Leiden einer Achterbahnfahrerin
Es geht mir nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht.
Bin nicht übermüdet, abgearbeitet, habe keinen Stress.
In mir ist keine Leere.
Ich bin auch nicht übersättigt oder hungrig, auch nicht durstig.
Kein Überschwang der Gefühle, kein Zittern, kein inneres Fieber,
wie z.b. diese quälenden Fieberträume,
die meine Lebensfreude so lange trübten.
Mein Zustand ähnelt dem einer Waage, die im Gleichgewicht ist.
Ich bin ausgewogen.
Ebenso viele Jas wie Neins.
Leid und Freude: 50:50.
Dieser Zustand ist neu für mich.
Er ängstigt mich nicht, noch erfreut er mich sonderlich.
Es ist kein angenehmes noch unangenehmes Gefühl.
Immer wollte ich dieses Ausgeglichensein erreichen.
Ich versprach mir davon eine tiefe Glückseligkeit.
Doch diese Nonchalence,
die mein Wesen jetzt durchdringt,
erstaunt mich nur.
All der Groll gegen B. hat sich in Luft aufgelöst.
Wenn ich jetzt an die Zeit mit ihm zurückdenke, sind all die Bilder des Schreckens verschwunden, aber auch die der Ekstase, des überschwänglichen Glücks. Sonderbarerweise hat sich die Erinnerung an diesen einen wundersamen Augenblick, in dem unsere Seelen sich so unendlich nah waren und unsere Herzen synchron geschlagen haben, in den Vordergrund geschoben.
Man verzeihe mir diese doch abgedroschene Ausdrucksweise.
Natürlich könnte ich jetzt den herausragenden Augenblick meiner Liebe zu B. akribisch, gespickt mit subtilen Metaphern u.ä. an den Leser herantragen.
Aber wozu?
Vielleicht hat der ein oder andere Ähnliches erlebt?
Nicht vielleicht, sicher sogar!
Denn warum sollte gerade mir, solch Wundersames vorbehalten bleiben?
Es wird Millionen und Millionen von Menschen geben mit ähnlichen Erlebnissen!
Den einen oder anderen Leser würde ich vielleicht an solch einen Moment in seinem Leben erinnern?
All die bedauernstwerten, für die dies noch terra incognita ist, würde ich mit meinen Worten nicht erreichen. Einige würden mich auslachen, für andere wäre es u.u. nichtssagendes Gefasel.
Zurück zu meinem ausgeglichenen Gemütszustand.
Dies finde ich erwähnswerter und u.u. für den geneigten Leser interessanter.
Also wie geht man mit einer derartigen Ausgeglichenheit um?
Meinen inneren Zustand beobachte ich des öfteren misstrauisch.
Bin ich im Begriff zu resignieren?
Werde ich nun alt und bequem?
Immer wenn sich meine Gedanken in diesem gefährlichen Bereich festfahren, erfasst mich eine Unruhe, gebe ich zu, allerdings nur für kurze Zeit. Ein Blick in den Spiegel und der Selbstzweifel wird vom mir entgegenlachenden fast faltenfreien Gesicht zerstreut. Meine Eitelkeit ist mir also noch erhalten geblieben, dies stelle ich jedesmal mit einer gewissen Beruhigung, aber auch Heiterkeit fest.
Die Zeit, in der mich die extremen Hochs und Tiefs im Leben in Atem hielten, nach denen es mich dürstete, ohne die ich meinte nicht wirklich zu leben, ist dieser inneren Ruhe, ja - Harmonie, gewichen.
Früher hätte ich - allein bei der Vorstellung - mal so zu enden, meinen nächsten Abgrund gesucht, um mich im ekstatischen Gefühlsrausch hinabzustürzen.
Jetzt aber sitze ich hier und tippe vor mich hin, die obligatorische Tasse Kaffee neben mir.
Früher war all mein Tun mit einem Zweck verbunden. Alles musste ein Ziel, einen Sinn haben.
Einfach dem Gedankenfluss zu folgen, ohne die Vorstellung etwas besonders gutes, außergewöhnliches zu schreiben, wäre für mich nicht in Frage gekommen.
Jetzt ist es so, dass ich mich treiben lasse, ähnlich dem Wind, der heute von Nord nach Süd, mal schwach - mal stürmisch - weht.
Sonderbar.
(c) g-ps-d 2003