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Gedanken über das Glück

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25.06.2002
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Gedanken über das Glück

Der Werther, geschundener Protagonist Goethes, dessen Herzensleiden ein trauriges Meer von Menschen seiner Zeit zum Freitod bewegte. Der Werther, dessen Schicksal jeden Weggefährten emotional in den Bann zu ziehen weiß. Der Werther, der arme Thor der Neuzeit. Doch ist er wirklich ein tragischer Held, der zuletzt so grenzenlos unglücklich dahinvegetierte, dass ihm nur die konsequenteste unter den Lösungen, nur die sicherste unter den Fluchten in den Sinn kam? Nein! Der Werther ist in Wirklichkeit der glücklichste Held der Weltliteratur. Denn das Glück ist nicht, geliebt zu werden; das ist mit Ekel gemischte Genugtuung für die Eitelkeit. Das Glück ist, zu lieben und vielleicht kleine, trügerische Annäherungen an den geliebten Gegenstand zu erhaschen. Und der Werther schrieb diesen wahren Gedanken des Glücks innerlich auf, dachte ihn völlig aus und empfand ihn bis auf den Grund. Er machte ihn zum einzigen Inhalt seines nun so reichen Lebens. Als sich dann dieser wertvolle Gedankenschwarm unerwartet im Netz der Zärtlichkeit verfing, als Lotte dem Schmachtenden die höchste aller Annäherungen gewährte, war sein Leben getan. Übrig blieb die Angst, an sich selbst zu ersticken. Und um das Glück zu konservieren, folgte der Tod - die Tat eines vollkommen glücklichen Helden. Der Werther. Das Vorbild unserer Zeit. Er hörte. Er handelte. Ich beneide ihn.

 

Der Titel erinnert an Hesse, der Inhalt könnte eine Rezension zu Goethes "Werther" sein - aber eine Geschichte? Ist das eine Geschichte? Nee, das ist eher eine Abhandlung!

Der Werther. Reicher Schnösel, der den ganzen Tag nichts anderes zutun hatte, als sich in selbstverliebte Depressionen hinein zu steigern. Der Werther, der, wenn er einen Beruf oder eine Tätigkeit gehabt hätte, bestimmt keinen Selbstmord begangen hätte, sondern über die enttäuschte Liebe zu Lotte hinweggekommen wäre. Der Werther, ein verwöhnter Knabe aus gutem Hause - egoistisch, labil, impulsiv.

Ich war so froh, als er sich endlich eine Kugel durch den Kopf gejagt hatte! Endlich hatte das selbstverliebte Gesülze ein Ende! :D

Grizze und nix für ungut!
stephy

 

Hallo Werther,

ja, leider keine Geschichte. Geliebt zu werden ist doch nur dann „mit Ekel gemischte Genugtuung für die Eitelkeit“, wenn man selbst ein Ekel ist. „Das Glück ist zu lieben ...“ – und wenn diese Liebe erwiderd wird, ist diese Liebe dann auch „Genugtuung für die Eitelkeit“ ?

Tschüß ... Woltochinon

 

Danke für Eure Meinungen...

Zu Stephy: Also, wir sind da ganz anderer Meinung, was die Figur des Werthers anging. Mich würde brennend interessieren, wie Du der Person des Alberts aus gleichem Roman gegenüberstehst? Sicher, heutzutage wäre es fatal, sich mit Werther, mit einem Vetreter par excellence des Sturm und Drangs, der Empfindsamkeit zu identifizieren, doch leider tendiert die Menschheit zu einer Ergötzung an Alberts Aufgeklärtheit, am "rechten" Leben, das gesellschaftliche Anerkennung als höchstes Prinzip festlegt. Was denkst Du??

Zu Woltochinon: sicher, ich habe bereits sehr intensiv geliebt, doch objektiv muss sich der Mensch zugestehen, dass er zum größten Teil aus purem Egoismus Gefühle wie die Liebe entwirft, entwickelt und auslebt. Der Mensch liebt im Endeffekt diejenigen Menschen am meisten, die ihm die größten Vorteile versprechen. Sein ganzes Streben ist gezielt auf Erfolg, und Gefühle sind dabei leider Gottes eine sehr hoch entwickelte Art von Waffen, um das Ziel zu erreichen.

Ich würde mich weiterhin über Resonanz freuen,
Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

ich wünsche Dir bessere Erfahrungen ...

alles Gute !

Tschüß ... Woltochinon

 

Werther: Ich stehe weder zu Albert noch zu Werther überdimensional positiv. Das liegt daran, daß ich die ganze Person des Werthers mitsamt seiner Geschichte nicht leiden kann... ;) Das ganze Buch besteht aus einem Trief-und-Sülz - das hab ich nur mit Müh und Not verkraftet. Gelesen hab ich dieses Hammerwerk sogar noch freiwillig... ;)

Was die Person des Albert betrifft: Eigentlich hab ich ihn nie so gesehen. Er ist halt Lottes Mann und im Buch ja nicht eine sonderlich groß herausgearbeitete Figur. Ich finde aber nichts, was er hätte falsch machen können. Werther war der Looser (in meinen Augen); er hat sich viel zu sehr in die Liebe hineingesteigert. Und wie ich ja schon gesagt habe; wäre er einer Arbeit nachgegangen, hätte er sich nicht so reinsteigern können, dann wäre das eine Liebe von vielen gewesen. Man darf nicht vergessen; keine Liebe hält ewig. Und was erst recht nicht von Dauer ist, das ist das Verliebtsein. Verstehst Du, was ich meine?

Und seine gesellschaftliche Anerkennung... Kann man sie ihm wirklich vorenthalten? Ich meine, er wußte ja lange nichts von Werthers heißer Liebe zu Lotte. Er hat sich beruflich sehr engagiert (soweit ich das in Erinnerung habe, ist eine Weile her, seit ich das Buch las). Was ist daran falsch? Sicher, man könnte das jetzt mit Werther vergleichen, der ja seinerzeits einen Skandal auslöste, wegen dieser ganzen Sache von "ein Selbstmörder wird zu Grabe getragen" und alles. Immerin waren Selbstmörder damals verpönt und durften noch nicht mal auf dem örtlichen Friedhof begraben werden! Also war Werthers gesellschaftliche Stellung ziemlich mies - und Alberts recht gut. Na und? Nicht Albert hat die Geschichte erzählt - Werther war's! ;)

Von mir aus kann jeder in den Werther hineininterpretieren, was er will (Rannicki hat das Buch in der letzten Folge des "Literarischen Quartetts" besprochen und auch einiges "abgelassen"). Ich persönlich fand nur den Schluß gelungen, der meiner Meinung nach deutlich zeigt, wo man landet, wenn man sich in etwas hineinsteigert - Anfangs ist es eine Laisson und zum Schluß der Sinn des Lebens... Das geht nie gut! ;)

Gruß!
stephy

[ 08.07.2002, 08:00: Beitrag editiert von: stephy ]

 

Hallo Werther,
was ich meine ist: Wenn es nicht Glück ist, geliebt zu werden, sondern zu lieben, was tut man dann einer Person an, wenn man sie liebt? Es handelt sich hier also um eine argumentative Sackgasse.
Tschüß ... Woltochinon

 

Gut, das scheint ein gutes Argument zu sein. Aber mit meiner "Egoismus-Theorie" im Hinterkopf (die sehr niederschmetternd, jedoch umso treffender daherkommt) muss die Bewegung des Gefühls 'Liebe' wie folgt gedeutet werden: wenn wir jemanden lieben, geschieht dies wie bereits gesagt zum größten Teil aus purem Egoismus, aus Egozentrik, die lediglich auf die Vorteile abzielt, die das Individuum durch den Geliebten erreicht. Drum lieben wir solange, bis die Quelle des positiven Einflusses auf unser Leben ausgeschöpft ist. Der Gegenüber, also derjenige, der geliebt wird, hat nun die Aufgabe abzuwägen, ob er den Schritt zum Glück wagt und sich somit selbst aktiv dem Lieben unterwirft (wobei egoistisch und rein subjektiv entschieden wird), oder ob sich die Bemühung um die eigene Liebe sinnlos ist und kaum Vorteile mit sich bringen würde. Leider Gottes entsteht somit das Verliebtsein eines Menschen, die Vorstufe der so gepriesenen Liebe, nach reifer Überlegung, nach durchdachter Analyse, und vor allem des reinen Nutzenkalküls wegen...Nun die Parallele zum Werther: auch er ließ sich nicht gedankenlos in die grenzenlose Liebe zu Lotte fallen - nein, er überdachte seinen Schritt gezielt, indem er sih positive und negative Eigenschaften seiner zukünftigen Angebetenen vor Augen hielt, wie etwa ihren Umgang mit Kindern, ihre wahrlich prächtige Erscheinung als gute Aspekte und ihre seiner Meinung nach seltsame Literaturvorlieben, ihre aufgepropfte Gefangenheit in bürgerlichen Zwängen als negative. Erst nachdem er analytisch festgestellt hatte, dass positive Kennzeichen bei weitem die negativen überragten, ließ er die Emotion zu.

Gefühle entstehen aus purem Eigennutz, aus purem Egoismus, dessen Wurzeln man allerdings in den gesellschaftlichen Einflüssen unserer Zeit suchen muss.

Ich hoffe, Du antwortest mir mit Deiner Meinung...

Liebe Grüße,
Werther

 

Stephy hat den Werther gelesen wie andere Leute nen Groschenroman, das pack ich nicht. Andererseits wird mir jetzt klar, Stephy, warum Dein Stil sich durch eindringlichste Wiederholungen auszeichnet, man überliest ja so leicht... ;)

Werther, "Deine" Egoismus-Theorie ist in der Soziologie ein anerkanntes Modell: Rational Choice. Ist zwar sehr unromantisch, erklärt aber jede Menge.

[ 09.07.2002, 00:57: Beitrag editiert von: gauloises ]

 

gauloises

Stephy hat den Werther gelesen wie andere Leute nen Groschenroman
Woher willst Du bitteschön wissen, wie ich den Werther gelesen habe? :confused:
Zur Info: Ich hab ihn sehr genau gelesen. Aber Entschuldigung, daß ich ihn trotzdem schlecht finde. *grummel*
Welche Wiederholungen???

stephy

 

Das Rational-Choice-Modell ist an einigen Stellen sehr vage und ist im Endeffekt leider nur eine Gedankenblase, sie sich beim Hineinstechen in warme Luft auflöst. Im Endeffekt schreckt die Theorie vor der gesamten Gefühlswelt und ihrer Erklärung ab.
Deshalb kann ich mich damit nicht identifizieren.

Liebe Grüße,
Werther

 

Stephy, Du musst Dich für Deinen Geschmack nicht entschuldigen. Ich war beim Lesen Deiner Werther-Interpretation nur ziemlich verblüfft und "erschüttert", dass Du gar nicht in die Tiefen vorgedrungen bist, die das Werk für mich hat.
Auf die Wiederholungen, die Deinem Stil eigen sind, bin ich vor einigen Tagen bei einer Kritik von "Auf Dich!" eingegangen. Ich habe diese, hmm, wie formuliere ich das jetzt, sagen wir etwas kindliche Ausdrucksweise aber bisher in allen Texten gefunden, die ich von Dir gelesen habe, einschließlich Deiner Kritiken.

Werther, Deiner Einschätzung des RC-Paradigmas stimme ich nicht zu. Möchte aber darauf verzichten, die Gründe dafür hier vorzutragen. Das hat mit Deinem Text auch nichts zu tun. :)

 

Ich denke, dass "Die Leiden des jungen Werther" ein äußerst spaltendes Werk ist: während die einen durch den Roman tiefste Betroffenheit, Teilnahme, Verständnis, Tiefe, ja vielleicht Identifikation und Gedankenklarheit erfahren, ist er anderen v.a. durch den gewöhnungsbedürftigen Stil (ich liebe ihn!) nur schwer oder gar nicht zugänglich. Meiner Meinung nach vermag der Werther auszudrücken, wie tief sich der Mensch willentlich in die wahren Abgründe seiner Seele fallen lassen kann. Faszinierend, egreifend und bewundernswert...

Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

meine Anmerkung weist halt auf eine Zwickmühle hin, die sich unter der von Dir gemachten Annahme („Egoismus“) nicht umgehen läßt. Dies macht die story durchaus interessant.
Obwohl die romantische (idealistische) Liebe sicher historisch betrachtet eher die Ausnahme war, gibt es natürlich immer wieder Beispiele für zumindest nicht rein egoistische Liebe.

Tschüß ... Woltochinon

 

Woltochinon,

ich schätze es sehr, dass Du meine Kurzgeschichten und Gedanken so einfühlsam kommentierst.
Doch ich denke, dass man zu jeder Zeit -wenn auch differenzierend- an meiner Theorie festhalten kann. Nehmen wir doch die innige Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter, die psychologisch als die tiefste Liebe gilt: die Mutter erhält einen ärztlichen Befund, der sehr kritisch ist. Der Sohn bricht an der Schulter seiner Mutter zusammen. Er kann es nicht verkraften. Warum seine Mutter?! Doch dahinter stecken -und so will es die Natur des Menschen- auch immer primär die Fragen: warum ich? wie soll ich damit fertig werden? Gott, wie kannst Du mir so etwas antun? Es mag schrecklich klingen, doch auch die innigste Liebe auf Erden entsteht, geschieht und endet zu einem großen Teil aus Egoismus. Die romantische Liebe bezeichnest Du richtig als idealistische. Und Ideale wurden doch immer aus Wohlwollen des Menschen, also aus purer Egozentrik geschaffen. Schicksal des Menschen. Egofixierung.

Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

hochinteressante und provokative These, die du da über Werther entwirfst und wie ich sehe,die auch geeignet war, eine Diskussion zu entfachen.

Deine Sichtweise die Liebe betreffend ist eine von mehreren möglichen. Mir wäre daher wohler, du würdest das zumindestens etwas offener betrachten.
So wirkt deine Anschauung etwas starr.

Ich gebe Woltochinon absolut recht, du landest mit deiner Argumentation in einer Sackgasse, wenn du behauptest, das Glück bestünde nicht darin, geliebt zu werden, sondern nur darin zu lieben.

Ich fürchte, du hast diese Ansicht sehr verkürzt dargestellt, denn es ist ja durchaus nicht auszuschließen, dass beide Beteiligten von dieser Liebe etwas haben.
Ich frage mich, wie du Liebe versuchst zu definieren und wäre hochgespannt auf deinen Text dazu, oder gibt es den hier etwa schon?

Was ich allerdings mit großem Widerspruch versehen möchte, ist deine Behauptung oder besser gesagt die Wahl deines Beispiels über die innige Liebe des Sohnes zu seiner Mutter. Ganz gewiß ist dies psychologisch betrachtet eine tiefe innige Liebe. Aber es ist zugleich auch ein Beispiel für die egoistischste Liebe überhaupt. Die Mutter ist für so einen kleinen Kerl die erste Frau in seinem Leben. Das prägendste Erlebnis gepaart mit der Erkenntnis, dass man von ihr abhängig ist. Die allmächtige Mutter, denn nicht anders dürfte ein Erwachsener einem Kleinkind erscheinen, ist Hüterin über Wohl und Wehe des Kindes. In ihrer Allmacht steht es, das Kind zu versorgen oder fallen zu lassen. Das Kind ist abhängig von dieser Entscheidung.
Das erwachsene Kind vermag sicherlich sich gedanklich und manchmal auch sogar emotional von dieser Frau zu lösen, aber in den meisten Fällen wird es ein weiterhin bestehendes unsichtbares, also im Unterbewußtsein liegendes Band zwischen Sohn und Mutter geben.
Der Sohn wird Zeit seines Lebens diese Form der abhängigen Zuneigung zu ihr verspüren, wenngleich es Ausnahmen geben wird.
Was ich also kritisiere ist, dass du ausgerechnet die egoistischste aller Lieben zum Beispiel für deine These wählst.
Ich glaube das hast du nicht nötig.

Liebe Grüße
lakita

 

Hallo lakita!

Ich bin Dir wirklich sehr dankbar für Dein ausführliches Statement, würde Dir auch gern ebenso antworten, aber ich stecke mitten in den Vorbereitungen für eine Reise nach Ägypten. Doch so viel Zeit muss sein, um Dir Folgendes zu denken zu geben: wenn Dir das Beispiel der Liebe des Sohnes zu seiner Mutter als unglücklich gewählt zu sein scheint, drehen wir den Fall um: die Liebe der Eltern zu ihrem Kind. Hier kann wohl nicht von einer Abhängigkeit etc. gesprochen werden, und trotzdem handelt es sich um eine höchst innige, ehrliche Liebe - zumindest in den meisten Fällen. Doch auch diese Liebe ist von einem schrecklichen Egoismus durchtränkt, ja ich möchte bald sagen von dem schrecklichsten seiner Art. Schließlich lieben die Eltern das Kind, welches sie zum größten Teil zu dem gemacht haben, was es ist. Und die Erziehung ist ein Vorgang, in dem Eltern danach streben, ihr Kind zum Spiegelbild ihres eigenen Wesens zu machen. Sie lieben es, weil es Züge ihrer selbst besitzt, weil es ihren egoistischen Kern anscheinend über sie hinaus fortsetzen kann. Blinde Eitelkeit. Egoismus.

Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Werther,

ich bin gerne bereit mich mit deinen Gedanken weiterhin auseinander zu setzen, denn das Thema "Liebe" hat mich selbst schon gefangen genommen.
Ich antworte dir jetzt bewußt nicht auf deine Erwiderung, um dich nicht in Zeitnot zu bringen.

Wünsche dir eine gute Reise und freue mich auf deine Wiederkehr.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita!!

Ich werde Dir und den anderen bald hier meine Auffassung von Liebe erläutern, noch bevor ich meine Reise antreten werde. Ganz bald werdet Ihr hier Neues lesen...

Liebe Grüße,
Werther

 

Hallo Leser!

Leider kann ich im Moment hier nicht wie versprochen meine Auffassung von Liebe präsentieren, da ich diesbezüglich emotional sehr aufgewühlt bin. Es würde mir zu schwer fallen das Ganze ordentlich zu verpacken...

Doch bis dahin würde ich mich SEHR über Meinungen, Kritik und sonstige Rückmeldungen freuen.
Liebe Grüße,
Werther

 

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