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Geburtstag

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28.03.2004
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Geburtstag

Hab ich ihnen schon erzählt, dass ich heute Geburtstag habe?
43 bin ich jetzt, und vorgestern erst habe ich zu meinem Freund gesagt „Ich hab alles, was ich mir je gewünscht habe.“ Und er hat mich nur angelächelt und mit dem Kopf genickt. Armer Chris...
Na egal, so spielt das Leben. Bis vor 2 Tagen war ich ja noch mit den Vorbereitungen für meine Geburtstagsfeier beschäftigt. Meine Frida ist mir natürlich dabei eine riesige Hilfe gewesen, schon allein mit ihrer Anwesenheit. Vor 15 Jahren hab ich sie geheiratet, und ich liebe sie immer noch wie am ersten Tag. Heute vielleicht sogar noch ein bißchen mehr.
Und Sophie, sie hat sich prächtig entwickelt. Kann gar nicht glauben, dass das schon 11 Jahre her ist. Sie ist so schnell gewachsen, aber was noch schöner war, sie hat sich auch von Anfang an wunderbar mit ihrem kleinen Bruder verstanden. Ich habe Frida immer gesagt, wenn man den Kindern nur genug Altersunterschied lässt, kommen sie prima miteinander aus. Dann ist der Ältere schon reif genug um ständig nachzugeben, wenn‘s einmal soweit ist. Obwohl Tim in den 6 Jahren nie wirklich besonders stur oder gierig war. Ich will ja nicht angeben, aber ich denke schon, dass das in gewisser Weise auf die Qualität der Erziehung zurück zu führen ist.
Na egal, Hauptsache glücklich bis ans Ende.

Letzten Sonntag haben Manuel und ich mal keine Neuerscheinungen inspiziert, sondern uns unsere alten Lieblingsfilme zu Gemüte geführt. Es war auch langsam wieder Zeit, die letzten beiden Wochen mussten wir ohnehin aussetzen, vor 2 Wochen hatte Sophie eine schlimme Grippe und letzte Woche war Manuel Ehrengast bei Ausgrabungen in Samara in Südwestrußland. Sie müssen wissen, auch er hat es geschafft, sich seinen Lebenstraum zu verwirklichen und war in letzter Zeit viel unterwegs in ganz Asien, als hochangesehener Archäologe. Und wie wir da so sitzen und über Kevin Spacey’s Kommentar aus dem Off lachen, denke ich an unsere Schulzeit zurück. Eine Zeit die ich gehaßt habe, aber die ich sofort noch einmal erleben möchten würde. Und irgendwie hat er scheinbar geahnt woran ich dachte und dazu den Kopf geschüttelt. Oder er hat an was ganz anderes gedacht und...
Na egal, war ein toller Abend.

Hab ich ihnen schon erzählt, dass ich heute Geburtstag habe?
Hat ein wenig auf die Stimmung gedrückt, dass mein Vater vor 2 Tagen endgültig seinem Krebs erlegen ist, aber ich bin mir sicher für ihn war das am besten so. Er hat es uns zwar nicht mehr sagen können, so gegen Ende, aber ich glaube, dass ihn das alles ziemlich angekotzt hat. Klar, er hatte noch ein paar klare Momente zwischendurch, aber die hat er nicht damit verschwendet, uns solche Banalitäten zu erzählen.
Na egal, jetzt hat er seinen Frieden.

Und wenn der verdammte Flieger dieser miesen kleinen russischen Airline nicht abgestürzt wäre, hätte Manuel mir sicher beigepflichtet. Auf dem Heimflug von dieser verdammten Ehrung, bei der er diesen dämlichen kleinen blechernen Blumentopf bekommen hat. Mit seinem Namen darauf eingraviert und darunter irgendwas von wegen „einer der großen unserer Zeit“, nur eben in kyrillischen Lettern. Ich muss gerade dran denken, dass er mich eingeladen hat, mit ihm zu der Ehrung zu kommen. Ich wäre ja auch mitgekommen, wenn Sophie nicht an diesem Wochenende ihren ersten großen Auftritt mit ihrer Ballettgruppe gehabt hätte. Ich hätte in dem Flieger sitzen sollen.
Ich hätte in dem Flieger sitzen sollen.
Na egal, ich war nicht drin.

Dafür war ich da, als Chris sich bei seinem letzten epileptischen an seiner Zunge verschluckt hat und daran erstickt ist. Das soll jetzt wirklich nicht nach „ich hab‘s dir ja gesagt“ klingen, aber angenommen sie wären Epileptiker, würden sie dann unbedingt als Programmierer arbeiten wollen, und den ganzen Tag vor einem Scheiß-PC sitzen. In der Firma hatten sie sich ja daran gewöhnt. Es lief immer ungefähr so:
7.00 Dienstbeginn
7.30 Eintreffen der Angestellten
8.00 Arbeitsbeginn
8.05 Kaffeepause
9.00 Rückkehr zur Arbeit
und dann mit einigen Unterbrechungen bis
11.30 Alle spitzen Gegenstände entfernen, damit Chris sich nicht während seines Vormittagsanfalles verletzten kann.
Zuhause waren wir darauf ja auch eingespielt, wir wussten genau was zu tun war, nur in dem Fall konnte man eben nicht allzuviel tun. Während er da liegt und zappelt, und sämtliche Muskeln verkrampft sind ist es leider unmöglich, in seinem Mund herum zu fuhrwerken.
Na egal,... mir fällt keine Ausrede zur Beruhigung mehr ein.

Vor mir am Tisch liegt die Karte, die mir Frida und die Kinder geschenkt haben. Wenn man sie öffnet spielt sie „Happy Birthday“. Der Kuchen ist noch nicht angeschnitten, aber wer sollte ihn auch essen?
Wissen Sie, Frida hat immer gesagt, wir brauchen einen neuen Wagen. Und Frida hat noch nie übertriebene Ansprüche gestellt. Also sage ich zu ihr letzte Woche „Hey Schatz, hast du morgen Nachmittag was vor? Was hältst du davon, wenn wir zwei Hübschen so gegen 4 mal zum Auto-Hader in die Stadt schauen würden?“ Sie war natürlich begeistert und wir waren keine 5 Minuten dort, hat sie auch schon genau gewußt, welches Auto das richtige war. 4-Türer, Sitzheizung, geräumig, Navigationssystem und das ganze Auto ein einziges Airbag. Und ich, mir nichts wichtiger als die Sicherheit meiner Liebsten, bin natürlich sofort überzeugt. Es ist zwar kein Schnäppchen, aber wir werfen ja sonst auch nie sinnlos mit dem Geld herum. Was bedeutet: Jeden Tag ein Cornflake weniger zum Frühstück und wir können es uns leisten.
Übermorgen soll der Wagen da sein. Der Airbag auf 4 Rädern. Aber, sie denken es sich sicher schon, es wird knapp zu spät sein. Meine Frau heute in der Früh noch schnell die Torte verziert, dann die Kinder in den Wagen und ab zur Schule. Sie hat sich für heute frei genommen, damit wir ordentlich und in jedem Zimmer des Hauses feiern können. Ich gebe Sophie noch einen Kuss auf die Stirn und Tim fällt mir gleich um den Hals. Dann noch ein „Ich Liebe dich“ und ein Kuss von Frida und ich steh schon draußen auf der Straße, winke ihnen noch etwas verschlafen nach, freue mich schon auf den Tag, der vor mir liegt und denke daran, wie toll es doch wäre, wenn Manuel und Chris auch da wären.
Dann das Quietschen, der Krach und das Splittern von Glas. Sie müssen wissen, an der nächsten Straßenecke gibt es eine Vorrangtafel, die nur sehr selten beachtet wird. Es gibt in unserer Nachbarschaft viele anständige Leute, aber eben auch welche, die meinen sie hätten die Welt gepachtet und sie können machen was und wie sie es wollen. Der alte Wiesberger hat vor 2 Jahren schon unsere Katze ein paar hundert Meter mit seinem Auto mitgenommen. Also ich meine an seinem Auto. Wir haben sie dann im Vorgarten begraben und Rosen darüber gepflanzt.
Aber gelernt hat er nichts daraus, er fährt immer noch wie eine Sau. Nur schade, das der sichere neue Wagen erst übermorgen kommt.
Aber egal, wirklich alles egal.

Hab ich ihnen schon erzählt dass ich heute Geburtstag habe?
Aber egal, ich kann ja die Karte „Happy Birthday“ spielen lassen, während ich den Abzug drücke.

 

Hallo Lester,

besonders gut hat mir Deine Geschichte leider nicht gefallen.
Du schreibst eher beiläufig, fast schon im Plauderton, was natürlich gut zur "Mir doch egal"-Einstellung Deines Prots passt.
Stellenweise ist Deine Geschichte durch die ganzen Übertreibungen fast schon satirisch. Das ist es glaube ich auch, warum mir die Geschichte nicht so gut gefällt - es ist mir zuviel des Negativen, zu viele Häufungen der Unglücksfälle. In sofern war sie auch sehr vorhersehbar, dass die Frau letztendlich auch tot ist kam nicht überraschend, das Ende ist auch keine zusätzliche Wendung der Geschichte. Wahrscheinlich ist das Unrealistische ja auch so von Dir gewollt. Aber jemand, der im ersten Absatz noch die Hilfsbereitschaft seiner Frau lobt, um erst zum Schluss zu erzählen, dass sie auf tragische Arte und Weise umgekommen ist :confused:

Ich hab Dir mal einige Fehler rausgesucht, vielleicht magst Du sie ausbessern.

Hab ich ihnen schon erzählt dass ich heute Geburtstag habe?
Komma nach "erzählt"
bei seinem letzten epileptischen
Epileptischen
Alle Spitzen Gegenstände
alle spitzen Gegenstände
Sitzheitzung
Sitzheizung
Der alte Wiesberger hat vor 2 Jahren schon unsere Katze ein paar hundert Meter mit seinem Auto mitgenommen.
Also ich meine an seinem Auto.

Liebe Grüße,
Juschi

 
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Die Geschichte war ja eigentlich so angelegt, dass man spätestens nach dem 4. Absatz weiß, die Familie wird auch noch sterben. Das eigentlich Besondere am Ende ist ja der melancholisch bitter-süße Unterton, als er die Melodie der Karte, die ihm seine Liebsten geschenkt haben, sozusagen zum Abschied spielen lässt.

 

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