Was ist neu

Götterdämmerung

Mitglied
Beitritt
08.08.2002
Beiträge
888

Götterdämmerung

Es war ein regnerischer und wolkenverhangener Nachmittag der die Menschen eilenden Schrittes durch die Straßen in ihre Behausungen trieb. Ich liebte Tage wie diesen an denen sich die Dämmerung wie ein schützender Mantel über die Welt legt. Der Blick aus dem Fenster war grau und feucht. Auf den Scheiben landeten die vom Wind durcheinander gewirbelten Tropfen um sich mit ihresgleichen zu vereinen und gemeinsam in Rinnsalen dem Nichts zuzulaufen. Was auf den ersten Blick hinaus vielleicht Traurigkeit und Einsamkeit vermuten ließ, vermittelte im geschützten warmen Raum gleichzeitig eine Behaglichkeit welche nur durch diese Verschleierung im Außen möglich ist. Dieses Sehnen wurde dann spürbar im Innersten, im unzugänglichsten, fast unerkannt ruhenden Teil des Labyrinths des eigenen Seins. Eine Sehnsucht die nie gestillt werden kann. Niemals? Niemals.

Im Zimmer lag ein Gefühl von Geborgenheit im Schimmer der Teelichter. Die kleine Wohnung die er auffällig zielstrebig einzurichten begann war erfüllt von unserer Liebe. Hier war ich seine Frau, er mein Mann. Die Stille war greifbar, die Gespräche, die eine Tiefe hatten wie das Meer dort wo es ganz dunkel und dicht ist in der Farbe, die kamen immer erst nach dem Fallenlassen. Unser Duft lag im Raum und hüllte uns ein. Seine Hände waren überall, liebkosten, forderten Raum und verkrochen sich gleichzeitig in meinem Schutz. Ich legte meine Hand auf sein Gesicht und verlor das Gefühl von Begrenztheit. So einfach war Distanz zu überwinden, so fühlt es sich an in Freiheit aus Liebe eins zu werden – eine menschliche Einheit durch das Berühren von Seelen.

Mit einer unglaublichen Sanftheit suchten seine Finger den Weg über meine Haut. Seine zärtlichen Berührungen erweckten in mir eine Sinnlichkeit die ich längst verloren glaubte. Weggesperrt in der Verdammnis des nicht besitzt werden wollens. „Es ist eigenartig, wenn ich dich streichle ist es als streichle ich mich selbst“ sagte er zu mir. Ich nahm diese Worte mit einem Spiel unserer Lippen in mich auf als würde die Zärtlichkeit seiner Hände, die sanften Küsse die zugleich erfüllt waren vom Fordern seines manchmal so weichen und dann wieder so hart zusammengepressten Mundes noch immer nicht reichen, mich in ein Glücksgefühl fallen zu lassen für das ich einfach keine Worte mehr fand. Also schwieg ich, berührte seine Augenbrauen, küsste voll Achtsamkeit die schützenden Lider über seinen Augen. Diese Augen die mir ermöglichten in tiefe Urzeiten einer Seele einzutauchen, wenn sein Blick staunend irgendwo in dem meinen sich verlor. Ich liebkoste die geliebte Faltenhaut seines Halses. Wenn ich in dieser warmen Zone hinter dem Ohr meine Lippen spielen liess atmete er ganz tief und entspannt und ich hörte das Rasseln seines Atems tief im Inneren welches mir immer wieder Angst machte. Zeigte es doch die Vergänglichkeit, warnte vor dem Zerfall. Eine Träne verlässt durch eine unscheinbare Hintertür verstohlen seinen von Zärtlichkeit verschleierten Blick. Aneinandergeschmiegt ließen wir die Zeit vertropfen, spielten mit unseren Körpern die wir völlig ungeschützt und unverborgen dem anderen darboten, regten unseren Geist, unsere Sinne an. Immer wieder fanden sich unsere Hände wie zufällig, vereinigten sich mit sanftem Druck und unsere Körper taten es ihnen gleich.
Wie war es möglich, dass unser letzter gemeinsamer Tag auf diese Weise begann?

 

Danke für deine Reaktion und deine Begrüßung.
Es ist schön, wenn dich das Ende der Geschichte noch ein wenig nachsinnen lässt über die Möglichkeiten die mannigfaltig sind. Es ist eine Geschichte über Gefühle und Zärtlichkeiten und entscheidend ist, dass das Ende zum Anfang keine Harmonie findet. Es ist als ob ein Pianist eine wundersame Melodie spielt und sich plötzlich in den Tasten vergreift. Wodurch auch sein Fehlgriff hervorgerufen wurde - die Mißstimmung des Tones schmerzt.

 

Ganz herzlich willkommen auf KG, schnee.eule, eva, du...

Was sage ich jetzt.
Die Geschichte ist wunderschön und gerade den letzten Satz darin, als Frage formuliert, finde ich sehr gut. Das du in dieser Erzählung Teelichter erwähnst, die Falten am Hals, dass du die voreinander ungeschützten, unverborgenen Körper beschreibst, dass ist schon sehr gelungen.
So einzigartige wunderbare Sätze, wie
"Hier war ich seine Frau, er mein Mann"
würde ich alleine stehen lassen.
Bring ein paar Absätze in deine Geschichte, es hat was beim Lesen.

Liebe Grüße - Aqualung

 

Hi aqualung !

Es sind genau die Passagen die mir selbst an dieser Geschichte am nächsten sind. Es freut mich, wenn du gerade sie wert fandest, anzusehen. Danke und lieben Gruß an dich

 

Hallo schnee.eule!

Mir hat die Geschichte auch gefallen.
Man kann sich gut in die Story hineinversetzen, sie ist durch die sprachlich eingesetzten Mittel angenehm zu lesen und sie hat einen schönen romantischen Inhalt (weswegen sie aber vielleicht besser in die Kategorie "Romantik/Erotik" gepasst hätte?).

Das Ende kam etwas überraschend (was wohl auch beabsichtigt war).
Im Grunde finde ich, dass der eine Satz reicht, um die schmerzende Missstimmung beim Leser hervorzurufen, aber vielleicht hättest du versuchen können, den Leser bereits während des Textes mit dem ein oder anderen gut versteckten Hinweis auf das Ende vorzubereiten, sodass er zum Schluss zwar überrascht ist, sich aber auch fragen mag, wieso er nicht schon früher auf die Pointe gekommen ist, da einige Kleinigkeiten, über die man leicht hinwegliest, bereits darauf hin deuteten.
Naja, ist mal ein Verbesserungsvorschlag.

Insgesamt jedenfalls eine recht gute Kurzgeschichte mit schönem Titel.

Viele Grüße, Michael

 

Danke Michael, das freut mich. Und dein Vorschlag hat etwas für sich, ich werde denkend nachvollziehen wie die geschichte diesbezüglich hätte erzählt werden können. die einordnung in romantik/erotik war mir schon klar, es hatte persönliche gründe warum ich trotzdem alltag wählte. schöne grüße an dich - schnee.eule

 

Re: Götterdämmerung

schnee.eule schrieb:
Weggesperrt in der Verdammnis des nicht besitzt werden wollens.
Das ist nicht richtig, es heißt besessen. Leider stört diese falsche Form.
Auch ich finde, die Geschichte gehört eher in die Erotik-Sektion.
Gruß,
babydoc

 

Kuckuck Eule,


So fing es an. Einen Tag später als ich.
Da ist schon gleich der Stil festgelegt worden.

Damals gefiel mir das noch nicht so sehr.
Heute muss (ausnahmsweise ist hier muss erlaubt) ich es lesen.

liebe grüsse stefan

 

Ja genau Arche, diese Geschichte hat mein Herzblut ausgelöst ein paar Monate bevor ich sie gepostet habe. Lieb, dass du sie hochgeholt hast, vielleicht hab ich grad diese gebraucht - am Anfang und am Ende um die Veränderung zu erkennen die möglich war - auch durch kg.de, das ist mir sehr bewusst.

Bussi Eva

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom