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Freunde

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28.11.2014
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Freunde

„Wenn ein Freund weggeht, muss man die Türe schließen, sonst wird es kalt.“ B. Brecht


„Mensch, Old Sailor, bist du grau geworden!“, entfährt es Erik.
Der Mann vor uns zuckt zusammen, lässt die Koffer sinken und dreht sich langsam um. Es ist Gregor. Irritiert betrachtet er meinen Mann. Dann hellt sich seine Miene auf: „Rick, altes Haus, komm her, lass dich begrüßen.“ Ein paar Sekunden lang schauen die beiden sich in die Augen, bevor sie sich in die Arme schließen. Eine echte Männerfreundschaft, denke ich und kämpfe mit dem Kloß in meinem Hals. Doch schon wendet sich Gregor auch mir zu. Wie immer verwechsle ich die Reihenfolge der Wangenküsse und es gibt ein kurzes Hin und Her, über das wir beide lachen müssen.
Mich umschauend frage ich: „Wo ist Antje?“
„Sie kommt gleich, holt nur was zu trinken.“
Und wie auf ein Zeichen öffnet sich die automatische Tür der kleinen Flughafenhalle und Antje kommt heraus.

Gregor und Erik, unsere Männer, sind Freunde, seit sie in jungen Jahren bei einer Reederei gearbeitet haben. Obwohl wir immer weit voneinander entfernt wohnten, hat diese Freundschaft die Zeit überdauert. Hin und wieder besuchen wir einander und einmal im Jahr verbringen wir eine gemeinsame Woche irgendwo an einem schönen Ort. Wir sind mit dem Auto angereist, Antje und Gregor sind geflogen.

Gleich am ersten Abend gehen wir hinunter zum kleinen, von bunten Häusern umstandenen Hafen. Auf den Jachten, die ihren Platz für die Nacht gefunden haben, schaukeln Lichterketten. Ein paar Fischlokale locken mit ihren bunten Lampen und rotkarierten Tischdecken.
Nur langsam schwindet die Wärme des Tages. Sie hüllt uns auch jetzt noch weich und seidig ein. Entspannt lehnen wir uns zurück und genießen den südlichen Abend. Neben uns klatscht das schwarze Wasser des Hafenbeckens fett und träge gegen die Kaimauer.
Antje erzählt uns von dem kleinen Bungalow, den die beiden auf ihrem Grundstück bauen lassen. Meli, ihre Tochter, wird mit ihrem Freund im Altbau bleiben. Gregor lässt seine Frau erzählen und schaut versonnen den Möwen zu, die kreischend und nach Fressen äugend über der kleinen Bucht kreisen. Plötzlich scheint ihm etwas einzufallen und er stößt Erik an.
„He, Rick, ich hab einen neuen Witz für dich.“
Erik legt seine Serviette zusammen und wendet sich ihm aufmunternd lächelnd zu. Ich spüre, dass er froh ist, dass Antjes Redefluss unterbrochen wird.
„Na, dann lass hören.“ Erik mag Gregors schlichte Witze.
„Warum stürzt eine Wand ein, wenn ein Pfälzer sich dagegen lehnt?“
Klar, das musste ja kommen, denke ich. Gregor und Antje sind Saarländer. Sie spotten gerne über ihre Nachbarn, die Pfälzer.
Spitzbübisch schaut Gregor in die Runde.
„Ja, und? … Warum?“, tut Erik ihm den Gefallen.
„Ganz einfach: …“ Gregor zögert, überlegt. Gespannt schauen wir ihn an. Sekunden vergehen.
Gregors Blick geht nach innen, so als suche er nach den richtige Worten. Auf seiner Stirn bilden sich kleine Tröpfchen. Er nimmt seine Serviette und tupft sie weg. Wir warten. Das heisere Geschrei der Möwen füllt die Stille.
Unsere gelöste und heitere Stimmung verwandelt sich, bekommt etwas Angespanntes.
Auch Erik versteht das Zögern seines Freundes nicht. „Na, und … weiter? Spann uns nicht so auf die Folter, Old Sailor.“
Gregor schaut Antje an, legt seine Hand auf ihren Arm, reibt ihn ein wenig.
„Hilf mir doch mal. Wie war das noch?“
Antje schüttelt den Kopf.
„Also wirklich! Was ist los mit dir? Du hast den Witz doch nun schon hundertmal erzählt: Der Klügere gibt nach.“

Während Antje uns weiter mit ihren Handwerkerproblemen langweilt, betrachte ich Gregor. Er nimmt nicht mehr teil an unserem Gespräch, sitzt neben uns wie ein Fremder. Die vertraute Verschmitztheit, die beim Erzählen des Witzes plötzlich wieder in seinem Gesicht war, ist verschwunden. Sein Blick ruht müde auf den Resten des Desserts. Ich sehe, wie Erik seinen Freund nachdenklich aus den Augenwinkeln betrachtet.

Mein Sechzigster vor fünf Jahren schiebt sich in meine Gedanken. Wie einen Ausriss aus einem Film habe ich die Szene gespeichert. Erik und Gregor gratulieren mir im Hof unter den alten Walnussbäumen. Gregor intoniert mit seiner Mundharmonika ein Lied. Dann beugt sich der größere Erik zu ihm und einander theatralisch tief in die Augen schauend, singen sie das Lied mit dem ewigen Refrain
“… as time goes by”
So einig, so schmalzig, so berührend.

Wir machen uns auf den Heimweg.
Antje und Erik gehen voraus.
Ich habe Mühe, mich Gregors schlurfendem Gang anzupassen. Er ist alt geworden, denke ich.
Die Straße führt bergan, vorbei an aufgegebenen Kapitänsvillen, deren schwarze Fensterhöhlen und verwilderte Gärten im schwachen Licht der Laternen wie Sinnbilder der Vergänglichkeit wirken.
An einem riesigen rostigen Tor bleibt Gregor stehen, holt Luft und schaut mich an. Ich habe das Gefühl, dass er mir etwas Wichtiges sagen möchte und warte darauf, dass er beginnt.
„Sag mal, … Marianna? …“
„Ja?“
„Ihr wohnt doch in Österreich.”
„Ja? Wieso?“
„Wo noch mal genau?“
„In der Nähe von Klagenfurt.“
„Ach ja Klagenfurt. Jetzt erinnere ich mich wieder. Wir haben euch dort schon besucht, nicht wahr?“
Entgeistert schaue ich ihn an. Kann es am Wein liegen?
Ich fasse ihn unter. „Gregor, mach keine Witze. Lass uns weitergehen, die beiden warten schon.“

Antje ist bereits schlafen gegangen. Auf dem Terrassentisch stehen Kerzen und Weingläser, Erik öffnet eine Flasche Wein.
„Old Sailor, wie wär’s mit einem letzten Glas?“
Ich weiß, dass mein Mann sich auf diesen Moment gefreut hat. Jetzt wird’s philosophisch, denke ich und verabschiede mich.

Erik scheppert mit dem Frühstücksgeschirr.
„Geht’s auch ein bisschen leiser?“, frage ich, als ich in die Küche komme.
„Grüß dich.“ Er schaut mich nicht an, stellt die Milch aufs Tablett.
„Was ist los mir dir?“ Ich halte ihm meinen Mund hin. Zerstreut berührt er meine Lippen.
„Was ist?“
Er nimmt das Tablett. „Lass uns erst mal auf die Terrasse gehen.“
Erik schlürft seinen Kaffee und verliert seinen Blick im gelben Oleander, dessen Zweige sich über die weiße Wand biegen.
„Was ist los? War’s zu viel gestern Abend?“, unterbreche ich seine Gedanken.
„Eigentlich nicht.“
„Was also?“
„Keine Ahnung. Wir haben über alles Mögliche gesprochen.“ Erik nimmt sich Zeit und trinkt noch einen Schluck Kaffee. Er betrachtet das blaue Blumenmuster der Tasse. „Irgendwie war das kein richtiges Gespräch“, sagt er nachdenklich. „Plötzlich driftet er ab, erzählt was aus seiner Jugend. Zum Schluss sprach er dann von seiner Mutter.“ Erik scheint das Gespräch noch einmal durchzugehen. „Keine Ahnung, wie er da gelandet ist. Ich glaube, nicht nur mir fehlte der Zusammenhang. … Wir sind dann bald ins Bett. … Schade. War leider nichts.“ Ein wenig zu hart setzt er seine Tasse ab. Ich spüre seine Enttäuschung. Gregor war immer sein wichtigster Gesprächspartner. Lange Zeit war der Donnerstagabend der Abend, an dem sie miteinander telefonierten. Das „Hey, Old Sailor“, dem das „Hey, Smutje“ folgte, war der Auftakt zu langen Gesprächen über alles, was sie bewegte. Ich überlege, wann es aufgehört hat. Irgendwann im letzten Jahr?
Erik greift nach der Kaffeekanne. „Wahrscheinlich bilde ich mir alles nur ein“, beendet er seine Gedanken. „Schon möglich, dass ihm der Wein nicht bekommen ist.“
Mir fällt die Szene auf dem Heimweg ein. „Ja, das Gefühl hatte ich auch.“

Heute ist Eriks Geburtstag. In der kleinen Fischhalle am Hafen haben wir frische Doraden gekauft.
Während Antje und Erik das Abendessen zubereiten, decken Gregor und ich den Tisch und gönnen uns auf der Terrasse ein erstes Glas Wein.
Aus der kleinen Kirche nebenan weht ein Ave Maria herüber. Ich creme meine Beine ein. Mit der Dunkelheit kommen die Mücken.
Gregor verscheucht ein kleine Fliege, die sich auf den Rand seines Glases gesetzt hat. Ihn beschäftigt etwas.
„Sag mal, hat der Rick dir schon von Japan erzählt?“
„Ja, hat er. Eure erste Fahrt hat ihn sehr beeindruckt. Ich erinnere mich, dass er mit dem Motorrad über die Dörfer gefahren ist.“
„Ja, genau. Wir waren noch nicht ganz von Bord, da hat er sich schon ein Motorrad geliehen. Ich schaue Gregor an und warte.
„Wir sind zu den Mädchen gegangen. Rick nicht.“
„Erik nicht? … Wirklich? … Nie?“
„Ja, der musste immer alles sehen. Auch später in Peru. Die Ruinen.“ Er macht eine Pause. „Wenn wir bei den Mädchen waren, war Rick auf Achse.“
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass mein Mann ein Heiliger war.“
„Der war immer unterwegs … immer mit dem Motorrad.“
„Und der ist wirklich nie zu den Mädchen gegangen?“
„Ich glaube nicht.“
Die Gerüche und Geräusche aus der Küche deuten an, dass es bald los gehen wird. Ich stehe auf, will mich nützlich machen, drehe mich noch einmal um.
„Wie lange ist das jetzt her mit euren Reisen?“
„Lass mich überlegen.“ Gregor fischt die kleine ertrunkene Fliege aus seinem Wein und betrachtet sie so, als studiere er sie.
Ich stehe und warte.
„Sehr lange“, antwortet er endlich und schnippst die Fliege von seinem Finger.

Erik kommt ins Zimmer, er hat noch ein bisschen auf der Terrasse gesessen und den klaren Sternenhimmel betrachtet. Ich lege mein Buch zur Seite und schaue zu ihm hoch.
„Ist das wahr, dass du an Land nie zu den Mädchen gegangen bist?“
„Ach, der Shipper. War er schon wieder bei den alten Zeiten?“
„Wie war das nun mit den Mädchen?“
„Was denkst du?“
„Ich denke, dass es stimmt, was Gregor sagt.“
„Ja?“
„Ja, zuerst bist du mit dem Motorrad über Land gefahren. … Zuerst.“
Ich ziehe ihn zu mir aufs Bett und kuschle mich an ihn.


Wir sind auf der kleinen Nachbarinsel. Ein schmaler Weg führt am Ufer entlang. Zur Landseite stehen an ihm kleine bunte Fischerhäuser mit blühenden Vorgärten.
Gregor trottet hinter uns her. Er atmet schwer, Schweiß perlt auf seiner Stirn. Seine Strickjacke scheint mir für diesen warmen Sommertag zu dick zu sein. Nach ein paar Schritten setzt er sich auf eine Bank in der Nähe des Weges. Er nimmt sein Taschentuch und wischt über sein Gesicht.
Antje geht hinüber, setzt sich zu ihm und versucht, seine Jacke aufzuknöpfen, Gregor wehrt sich mit einer heftigen Bewegung. Er bleibt sitzen und Antje kommt alleine zu uns.
„Was ist mit ihm?“, fragt Erik.
„Ja, das ist wohl wieder einer von seinen komischen Tagen. Beachtet ihn besser gar nicht, der wird schon kommen.“ Mit einem deutlichen Ruck hängt sich Antje ihre Tasche über die Schulter. Alles an ihr ist Frust und Zorn. „Kommt, lasst uns weitergehen. Hier können wir ihn ja nicht verlieren.“ Entschlossen geht sie voraus.
Erik zögert, ihm gefällt die Situation nicht. Uns immer wieder umschauend, folgen wir Antje. Irgendwann macht der Weg eine Biegung und wir können Gregor nicht mehr sehen. Meinem Mann reicht es. Er geht etwas schneller.
„Antje, bitte warte mal. Das geht so nicht. Wir müssen uns um ihn kümmern. Irgendwie ist das so nichts. Soll ich mal zurückgehen und nachschauen?“
„Nein, lass nur. Bitte, wartet hier im Café. Ich seh mal nach.“ Im Weggehen höre ich sie murmeln: „Was ist denn jetzt schon wieder.“

Sie kommen. Ich sehe die verwischten schwarzen Spuren unter Antjes Augen. Gregor trägt immer noch seine warme Jacke. Er hat sie wohl aus- und wieder angezogen und dabei ein Knopfloch übersehen. In dieser schief sitzenden Jacke wirkt er so jämmerlich, dass ich ihn am liebsten in die Arme nehmen möchte.
Matt und unbeholfen setzt er sich zu uns an den Tisch.
„He, Old Sailor, was ist los mit dir?”
„Ach, lass mich. War nicht nett von euch, mich einfach sitzen zu lassen.“
„Das tut mir leid“, versuche ich zu beschwichtigen. „Wir haben gedacht, du ruhst dich nur ein wenig aus. Es gibt ja nur diesen einen Weg. … Aber schön, dass wir wieder zusammen sind. Möchtest du auch ein Bier?“
„Meinetwegen.“
Erik winkt dem Kellner und Gregor bekommt sein Bier.
„Komm, Alter, stoß an. Lass uns die schönen Tage genießen.“
Gregor hebt sein Glas, Antjes Kopf bleibt gesenkt.
„Sollten wir noch mal zum Skulpturenpark?“, frage ich in die Runde und hoffe, dass sich nur Erik angesprochen fühlt.
Antje schaut auf. „Geht nur, wir bleiben noch ein bisschen. Wir sehen euch ja.“

Als wir zurückkommen, sprechen die beiden ruhig und freundlich miteinander. Meli hat angerufen. Zu Hause sei alles in Ordnung.
Gregor und Antje lächeln sich an, haben ihre Hände ineinander gelegt.
Auf dem Weg zurück zum Bootssteg bewundern wir die ausladenden Hibiskusbüsche, die den Weg säumen. So üppig blühen sie nur auf dieser Insel, habe ich im Reiseführer gelesen.
Die beiden gehen vor uns. Immer noch halten sie sich an den Händen.
„Antje, wann fliegen wir zurück?“, höre ich Gregor fragen.
„Am Montag, mein Schatz.“
„Ach ja.“
Eriks Hand auf meiner Schulter zuckt.

Wir sind allein runter zum Hafen gegangen, wollen noch ein bisschen die abendliche Atmosphäre genießen und setzen uns auf eine Steinbank. Am Kai legt eine Jacht an und wir sehen der Mannschaft zu, wie sie das Schiff vertäut.
Erik betrachtet die Männer, schaut durch sie hindurch.
„Ich frage mich, was mit ihm los ist? Jetzt hat er Antje schon zum zweiten Mal gefragt, an welchem Tag ihr Flieger geht.“
„Es kommt mir so vor, als wäre er vergesslicher geworden. Vielleicht ist ihm hier auch alles zuviel und er möchte nach Hause.“
Nacheinander verlassen die Männer ihr Schiff.
Mir kommt ein Gedanke: „Sag mal Erik, kann es sein, dass sein Gehirn nicht immer gut durchblutet ist? Hin und wieder ist er ganz der Alte, im nächsten Moment kommt dann wieder irgendein Klops.“
„Durchblutungsstörungen? Ich weiß nicht?“ Er überlegt. „Schon möglich. Hoffentlich nur das. Was sagt Antje?“
„Das weißt du ja. Sie ist manchmal richtig wütend auf ihn.“
Mein Mann sieht den Männern nach, die jetzt in das Fischlokal am Ende des Piers gehen. Am Horizont verschwindet die Sonne eilig im Meer.
„War Gregor schon mal beim Arzt?“
„Ich glaube nicht. Er ist ja auch nicht krank. Antje meint, dass er einfach nur denkfaul und bequem geworden ist.“
„Denkfaul und bequem?“ Erik wiederholt meine Worte so, als würde er sie in seinem Kopf hin und her wenden.
„Ich wünschte, es wäre so.“
„Was können wir tun? … Können wir überhaupt etwas tun?“
Mein Mann lässt sich Zeit. Sein Mund bewegt sich, als kaue er an der Antwort.
„Ich glaube, ich spreche mal mit Antje. Irgendetwas stimmt ganz gewaltig nicht mit ihm.“
„Ich glaube nicht, dass Antje das auch so sieht. Sie ist voll mit dem neuen Haus beschäftigt. Gregors Verhalten hält sie für Altersstarrsinn und Vergesslichkeit.“
Im Lokal neben uns zündet ein Kellner die Kerzen auf den Tischen an. Mit einer einladenden Geste zeigt er auf die noch leeren Tische. Erik hängt seinen Gedanken nach und nimmt die freundliche Aufforderung nicht wahr.
„Wegschauen hilft nichts. Das muss sie begreifen. Ich fürchte, Gregor ist auf einem traurigen Weg. Antje muss etwas unternehmen. Ich kann ihm nur helfen, indem ich sie dazu bringe, sich der Realität zu stellen. Er muss sich untersuchen lassen.“ Eriks Stimme wird leiser, spröder: „Mir schnürt es die Kehle zu, wenn ich sehe, wie er sich verändert hat. Wo ist der Mensch, mit dem ich rumgeblödelt habe, mit dem ich über alles reden konnte? Nichts, nichts mehr.“
Hinter dem Horizont sind nur noch die orangeroten Bänder der Dämmerung zu sehen und eine ungewohnt frische Brise weht vom Meer in die kleine Bucht. Mich fröstelt und ich ziehe meine Jacke fester um mich.
Erik steht auf. „Komm, lass uns zurückgehen.“

Es gibt keine guten Einstiege ins Wasser – nur Eisenleitern. Antje fehlt der Boden unter den Füßen und sie bleibt nicht lange. Gregor ist in seinem Element. Er schwimmt zu den Bojen am Ausgang der Bucht.
Ich bemerke, dass Erik, die alte Wasserratte, nach kurzer Zeit zurück ans Ufer schwimmt und sich zu Antje unter den Sonnenschirm setzt.
Zum Ufer hin bilden die Felsen kleine Naturbecken. Das Wasser in ihnen ist warm, fast ein wenig klebrig. Ich setze mich und strecke meine Beine aus. Leichte Wellen schwappen über den Rand. Ich lausche ihrem Klatschen und suche mit den Augen Gregor, dessen Kopf auf dem glitzernden Grau der Wellen wie ein auf- und abtauchender schwarzer Ball aussieht.

Mein Blick wandert zu den beiden unterm Sonnenschirm.
Sie schauen aufs Meer und unterhalten sich. Plötzlich sieht Antje Erik an. Ihre Miene wird ernster, ihr Oberkörper strafft sich. Mit gespreizten Fingern streckt sie ihre Hände nach vorne, so als müsse sie eine Gefahr abwehren. Sie schüttelt den Kopf, greift nach hinten, findet ihre Badekappe, möchte aufstehen. Erik zieht sie behutsam zurück, legt seine Hände auf ihre Schultern, wartet einen Moment und spricht dann weiter. Ihre Schultern erschlaffen und sie hört ihm mit gesenktem Kopf zu. Ich kenne Eriks Gestik, wenn er sich bemüht, etwas zu erklären. Sein Gesicht ist ernst. Er zwingt sich, ruhig und konzentriert das zu sagen, was er sich vorgenommen hat.
Langsam drehe ich meinen Kopf und schaue über die Bucht zu den Bojen. Die Wasseroberfläche ist grau – und leer. Kein schwarzer Ball, kein Kopf. Panik ergreift mich. Ich stehe auf und rutsche auf dem glitschigen Felsen aus. Erik schaut zu mir.
„Was ist los?“, ruft er.
Mich vorsichtig abstützend, stehe ich auf. Ich zeige auf den Ausgang der Bucht.
„Ich kann Gregor nicht mehr sehen. Vorhin habe ich ihn noch gesehen. Jetzt ist er nicht mehr da. Er ist weg. Einfach weg.“
Antje schnellt von ihrem Platz unter dem Sonnenschirm hoch und auch Erik erhebt sich. Wir blicken suchend aufs Meer. Nichts.
Mein Mann steigt auf einen kleinen Felsvorsprung, von dem aus er die Bucht besser überblicken kann. Sein Gesicht ist verschlossen.
„Mein Gott, wir hätten ihn nicht allein hinausschwimmen lassen dürfen.“ Antje ist völlig aufgelöst. Sie läuft zu Erik. „Kannst du ihn sehen?“ Er antwortet nicht, sucht mit seinen Augen angespannt das Wasser und die Felsen ab.
„Sorry“, höre ich eine Stimme hinter uns. Auf dem Uferweg steht ein Mann. Er hat seine Hand auf Gregors Schulter gelegt: „Do you know this man? I suppose he is looking for you.“
Antje ist schon bei ihnen und schließt ihren Mann in die Arme. Gregor schaut verwirrt über ihre Schulter, so als suche er nach einer Erklärung für das, was ihm gerade passiert ist.
„Er muss die Eisenleitern verwechselt haben und an einer anderen Stelle aus dem Meer geklettert sein“, flüstere ich meinem Mann zu.

Unsere Tage vergehen schnell.
Wieder sind wir vor der Halle des kleinen Flugplatzes.
Erik steht vor Gregor, sieht ihn an, schluckt. Antje und ich stehen neben ihnen. Die Zeit dehnt sich.
„Machs gut, Old Sailor. Pass schön auf dich auf.“
„Mach ich.“
Erik nimmt seinen alten Freund in die Arme und drückt ihn lange.
„Wir sehen uns im nächsten Jahr.“
„Ja, im nächsten Jahr“, wiederholt Gregor und wendet sich den Koffern zu.

Ich umarme Antje. „Seid so nett, und meldet euch, wenn ihr gelandet seid.“
Auch sie drückt mich fest.
„Habt eine gute Heimfahrt. Es war wieder schön.“ Ihr versagt die Stimme.
Sie schaut mich an, als wolle sie noch etwas sagen, lässt es, nimmt ihren Koffer und geht zur Tür. Ein letztes Mal dreht sie sich um und winkt. Gregor, der auf sie gewartet hat, nimmt seinen Koffer und folgt ihr. Die automatische Tür schließt sich hinter ihnen.

Wir steigen ein und fahren auf die kleine, von Steinmauern gesäumte Straße, die uns zur Hauptstraße bringt. Erik fährt langsam und öffnet die Fenster. Mit einer Melange aus Rosmarin, Lavendel und wildem Salbei verabschiedet sich die Insel von uns.

Es gibt eine kleine Ausbuchtung.
Erik bremst, lässt den Motor laufen. Überrascht sehe ich ihn an. Er legt seine Arme aufs Steuer und blickt nach vorn. Seine Mundwinkel und sein Kinn beginnen zu zucken.
Zum ersten Mal in all den langen Jahren sehe ich meinen Mann weinen.

 

Hallo barnhelm,

tja, zuerst habe ich überlegt, ob ich hier überhaupt einen Beitrag zu deiner Story schreiben soll. Es soll ja hier vor allem um Kritiken und Konstruktivität gehen. Leider fällt mir das schwer.

Ich habe nämlich nur Lob.
Ich finde deine Geschichte, so wie sie ist, sehr sehr gelungen.
Die Stimmung ist super aufgefangen. Es liegt der Geschichte eine Schwermütigkeit bei, die mich völlig mitnimmt. Der letzte Satz ist die Quintessenz von meinem eigenen Gefühl beim Lesen. Auch mir steckte ein Kloß im Hals und Tränen hinter den Augen.

Ich finde, das Thema der Demenz hast du sehr bildhaft und eindrucksvoll dargestellt und mit viel Emotion gefärbt, ohne überschäumend zu schreiben. Ja, ich finde die Story echt gelungen.

Hier nun nur noch kleinere Korrekturen:

Während Antje uns weiter mit ihren Handwerkerproblemen langweilt, betrachte ich Gregor.

Ein Leerzeichen zu viel.

Nach ein paar Schritten setzt er sich auf eine Bank in der Nähe des Weges.
Ein weiteres Leerzeichen zu viel.

Antje geht hinüber, setzt sich zu ihm und versucht, seine Jacke aufzuknöpfen, Gregor wehrt sich mit einer heftigen Bewegung.

Hier würde ich einen Punkt setzten. Es folgt ja ein vollwärtiger Satz, der ruhig für sich so stehen kann.

„Ich glaube nicht. Er ist ja auch nicht krank. Antje meint, dass er einfach nur denkfaul und bequem geworden ist.“

Ein weiteres überflüssiges Leerzeichen.

„Denkfaul und bequem?“ Erik wiederholt meine Worte so, als würde er sie in seinem Kopf hin und her wenden.
Noch eins.

Vielen Dank!

DrKatze

 

Hallo barnhelm,

was mir aufgefallen ist:

genießen den südlichen Abend
ich hatte aus dem Text bereits geschlossen, dass die Geschichte im Süden spielt. da finde ich das Wort südlichen unnötig und es passt auch irgendwie nicht.

Mehr habe ich nicht gefunden. Eine sehr schöne Gesichichte, ruhig und doch spannend. Ich habe überlegt, Südfrankreich oder doch Griechenland - Deine Beschreibungen zeichnen das Bild eines kleinen Urlaubsortes, abseits vom Massentourismus. Und sie zeichnen einen Menschen, der in einen neuen Lebensabschnitt hinübergleitet. Du lässt die Leser zwar im Ungewissen, aber ich denke, Altersstarrsinn oder Vergesslichkeit sind zu schwach für die Beschreibung dieses Zustands. Am meisten berührt hat mich aber, dass Erik nicht die Tür schließt, sondern weiter für seinen Freund da ist und versucht, ihm zu helfen. Da kommt man zum Nachdenken und zum Mitleiden.

Eine wunderbare Geschichte.

Liebe Grüße

Jobär

 

Liebe DrKatze,

zuerst einmal ein herzliches Willkommen in unserem Club. Ich danke dir für deinen ersten Kommentar zu meiner Geschichte. Er tat mir sehr gut, weil ich mir bei ihr nicht sicher war, ob sie funktionierte. Deine Rückmeldung zeigt mir, dass sie dir gefallen und dich angesprochen hat. Das freut mich natürlich sehr.
Zu deinen Anmerkungen:
Ich kann das ‚Zuviel’ der Leerzeichen leider nicht erkennen. Bei mir sieht es so aus, als wäre zwischen den von dir gekennzeichneten Wörtern jeweils nur ein Leerzeichen. Keine Ahnung, was da passiert ist.
Zu deinem Vorschlag mit dem Punkt. Du hast völlig recht: Hier folgt ein in sich abgeschlossener Satz. Er hängt aber mMn noch sehr nahe am vorhergehenden, sodass ich vielleicht ein Semikolon einfügen werde. Muss ich noch mal überlegen.

Ich wünsche dir viel Spaß bei den Wortkriegern und noch einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Barnhelm,

deine Geschichte hat mich ziemlich kalt erwischt. An der Stelle mit dem Witz wurde mir klar, worum es ging und da eine enge Freundin von mir an juveniler Demenz gelitten hat und auch mein Vater, habe ich mit einem beklommenen Gefühl weiter gelesen. Du beschreibst diese kleinen Situationen des Versagens und Misslingens, die einem beim Zuschauen das Herz brechen, sehr gut.
Was mir auch gut gefällt, ist dein liebevoller Blick auf Gregor, er hat etwas sehr Rührendes. Die Situation, die du beschreibst, ist sicherlich eine der härtesten in dem ganzen Prozess, sowohl für den Betroffenen, als auch für die Angehörigen. Die Wahrheit wird offenbar. Auch die Reaktion der Freunde fand ich glaubhaft und gut beschrieben, ihr Entsetzen und ihre Verunsicherung, wie sie aber letztlich nicht wegsehen, sondern mit Antje sprechen. Es ist ja tatsächlich ein großer Trost in dem ganzen Prozess, wenn Beziehungen und Freundschaften sich auch in diesem Moment als stabil erweisen, vielleicht sogar intensiver werden.


Ein bisschen hat mich das Eingangszitat irritiert und auch auf die falsche Fährte gelockt. Ich dachte, es geht um einen Streit. Vielleicht, weil es so wirkt, als würde der, der geht, ausgeschlossen, damit die, die zurück bleiben, im Warmen sitzen können.

Ansonsten bin ich nirgends hängen geblieben, muss auch gestehen, dass ich die Geschichte jetzt nicht noch mal lesen mag, sie hat mich traurig gemacht.

Liebe Grüße von Chutney

 

Lieber jobär,
auch dir danke ich für deinen freundlichen Kommentar.
Ja, mit dem südlichen Abend. Du hast recht, aber ich bin nicht sicher, ob es allen so geht, wie dir. Deshalb lasse ich es erst noch mal so, behalte deine Anregung aber im Kopf.

Zum Ort der Handlung: Es handelt sich in meiner Geschichte um die kroatische Adriainsel Losinj, genauer um den kleinen Hafenort Veli-Losinj. Ich liebe ihn, weil man hier noch das finden kann, was wir in Südfrankreich und Italien inzwischen oft vergeblich suchen: ruhiges südliches Flair mit all seinen Zutaten: ein kleiner Hafen, nicht überlaufen von Touristen, kein Autoverkehr, ruhige Wege am Meer entlang, aufgegebene alte Kapitänsvillen in verwilderten Palmengärten. Da es kaum Sandstrände gibt, hält sich der normale Tourismusandrang (bisher) in Grenzen. Der kleine Flughafen aus meiner Geschichte ist der Flughafen von Rijeka, der auf der Insel Krk in der Kvarner Bucht liegt. Für einen beschaulichen Urlaub im Frühling oder im Herbst ist diese Ecke eine sehr gute Wahl.
Freut mich, lieber jobär, dass dir meine Geschichte gefallen hat.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo barnhelm,

Eine Männerfreundschaft, die über Jahre gewachsen ist, steht vor einer Zerreissprobe.
Es ist schwer mitzuerleben, wie ein Mensch durch beginnende Demenz abbaut. Ebenso schwer ist es für den Betroffenen selbst.

Beim Abschied nimmt Erik seinen alten Freund in die Arme und drückt ihn lange: "Wir sehen uns im nächsten Jahr."
Irgendwie zeigt mir das, dass für Erik die Freundschaft mit Gregor trotz allem nicht zu Ende ist. Das ist für mich ein Lichtblick.

Was mir in dieser brillant geschriebenen Geschichte auch sehr gefallen hat, sind die schönen Landschaftsbilder. Da bekommt man direkt Lust auf einen beschaulichen Urlaub.

Liebe barnhelm, ich danke Dir für diese Geschichte.
Alles Gute wünscht Dir
Marai

 

Liebe Chutney

deine Geschichte hat mich ziemlich kalt erwischt.

Ja, so ging es uns auch, als wir allmählich erkennen mussten, was mit unserem Freund geschah. Inzwischen ist es Gewissheit. Es ist wirklich, als wenn ein Mensch von uns geht, zumindest der Mensch, so wie wir ihn gekannt und geliebt haben.
Chutney, danke für deinen freundlichen Kommentar. Ich freue mich, dass dich die Geschichte angesprochen hat.
Ja, mit dem Anfangszitat: Mir erschließt es sich, anderen nicht. (Mein Mann z.B. fand, dass Brecht auch nicht immer recht hat.) Ich sehe es so: Wie mit anderen Verlusten auch, so muss man auch mit dem Verlust eines Freundes seinen Frieden machen, irgendwie akzeptieren, dass es sich nicht mehr ändern lässt. Nur so kann man letztendlich damit fertig werden und damit umgehen. So sehe ich das und deshalb gefiel es mir.

Liebe Grüße
barnhelm


Liebe Feuerwanze (was für ein Nick!),
auch dir danke ich für deinen Kommentar.

Das finde ich abgesehen von der Geschichte mit der Demenz auch ein sensibles Thema.
Wie man damit umgeht, dass sich Freunde im Umfeld plötzlich verändern.

Ja, unsere Freunde können sich im Alter, wie auch natürlich wir selber, verändern. Es treten körperliche Gebrechen auf und das Gehirn macht manchmal nicht mehr so mit, wie wir es uns wünschen. Bei uns selber fällt uns das oft nicht so auf, aber eben bei den anderen. Nun gilt es, großzügig und geduldig zu sein.

Feuerwanze, ich habe mich über deine Zeilen gefreut.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Zum ersten Mal in all den langen Jahren sehe ich meinen Mann weinen.
ist für mich die zentrale Stelle, ein Pivotelement in dieser Geschichte, zu der auf jeden Fall das Eingangszitat passt,

liebe barnhelm!

"Vergessen" (ahd. firgezzan) ist ein seltsames Verb, man vergisst und wird vergessen, wobei es sich im gotischen bigitan in seiner eigentlichen Bedeutung offenbart: "finden", dass durch die Vorsilbe ver... genau in sein Gegenteil gekehrt wird (am deutlichsten etwa im "verlaufen", wenn das Ziel/Vorhaben verpasst wird). Und die Erzählung wird zu einem Vergissmeinnicht, dessen Name sich aus dem nicht abwendbaren Imperativ "vergiss!" und dem scheinbar veralteten Genitiv singular der ersten Person Einzahl - mein - zusammensetzt, dem die Negation beigefügt wird. Ein Vergissmeinnicht schenkt man sich zum Abschied, um Erinnerung wachzuhalten. Was Dir mehr als gelungen ist!

Paar Flusen

„Was ist los? War’s zu[...]viel gestern Abend?“, unterbreche ich seine Gedanken.

Als wir zurückkommen, sprechen die beiden ruhig und freundlich miteinander. Meli hat angerufen. Zu Hause ist alles in Ordnung.
(Ist sicherlich auch Vertrauenssache, der Indikativ. Aber der Konjunktiv I, dass alles i. O. sei, wäre korrekt. Zu korrekt? Vielleicht.

Mein Mann sieht den Männern nach, die jetzt in das Fischlokal am Ende der Pier gehen.
Pier, mask., also "am Ende des Piers"

Wir steigen ein und fahren auf die kleine[,]von Steinmauern gesäumte Straße, die uns zur Hauptstraße bringt.

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Barnhelm,

wir hatten ja schon über Siddharthas Gesetz "Leben ist Leiden" gesprochen. Deine Geschichte illustriert diese psychologische Tatsache wunderbar. Und sie illustriert auch, dass das konkrete Leiden – in diesem Fall die Demenz – nicht bedeutet, wir hätten keine Handlungsoptionen mehr: Betroffene wie auch Angehörige und Freunde können eine Menge tun, um mit der Situation auf angemessene Weise umzugehen.

Was das Leiden in jeder Hinsicht maximiert, ist der innere Widerstand, das Leugnen. Und mir scheint, die Protagonisten Deiner Geschichte tun sich in diesem Punkt etwas schwer. Als Leser ist man im Vorteil, denn man ahnt ja, dass hier von einer ungewöhnlichen Begebenheit berichtet wird. Deshalb macht es schneller Klick. Trotzdem finde ich, dass Erik und Frau ziemlich lange brauchen, bis der Groschen fällt.

Wenn mich beispielsweise ein Freund, der mich schon öfter besucht hat, fragen würde, in welcher Stadt ich wohne, dann wäre ich mehr als alarmiert. Vielleicht solltest Du die Aufmerksamkeit Deiner Leser anders bewerten und ein wenig schneller zur Sache kommen, denn so, wie es jetzt ist, empfinde ich die Beteiligten als ein wenig schwerfällig.

Natürlich kann man das auch als Verweigerungshaltung interpretieren. Die scheint bei Tanja ohnehin vorzuliegen. Man soll ja mit den Schwächen der Menschen geduldig sein, aber ehrlich gesagt, geht mir besonders bei ihr dieser Mangel an Verständnis und Einsicht ziemlich auf den Sack. Das sind doch nun alles keine Teenager mehr. Wer die Sechzig überschritten hat, sollte sich mit dem Gedanken an Demenz vertraut machen und das nicht als Altersstarrsinn abtun, finde ich.

Das Handwerkliche Deines Erzählens hat sich sehr verbessert, jedenfalls empfinde ich es so. Es ist mir immer noch ein wenig zu reflektiert, aber das mag auch eine Frage des Temperaments sein. Das Sachliche Deiner ersten Geschichten spüre ich hier und da, aber Du wendest Dich mehr und mehr den Empfindungen der Figuren zu, und das gefällt mir sehr gut.

Friedel hat die Abschluss-Sequenz – Erik weint – als Schwerpunkt der Geschichte bezeichnet, und einige andere Kommentare gehen auch in diese Richtung. Ich bin mir da nicht so sicher. Es ist bestimmt so etwas wie der emotionale Knackpunkt, denn Erik weint, weil ihm nun das ganze Ausmaß des Problems deutlich vor Augen steht. Der Mann, der sein Freund war, existiert nicht mehr. Diese Reise war ein Abschied.

Diese Erkenntnis trifft ihn und den Leser mit Wucht. Mein Zweifel geht aber in die Richtung, ob das die Quintessenz aus der Konfrontation mit den Härten des Lebens sein soll. Ist Eriks Weinen das Letzte, was die Autorin dazu zu sagen hat? Ich überlege, was das für die Geschichte und deren Rezeption bedeuten mag.

In Filmen würde dem Weinen vielleicht eine Kamerawanderung folgen, die der Linie des Ozeans oder den Wolken folgt. Daraus könnte man eine ästhetische Reflexion der Idee herauslesen, dass die Welt in ihrer Weite sowohl ein Ort des Schreckens als auch des Trostes ist, dass die Dinge niemals zu einem Ende kommen usw. Dieses offene Ende wäre mir lieber als das Melancholische. (Eigenwerbung: Als mein Held in Orkus stirbt, lasse ich ihn um einen letzten guten Gedanken bitten, denn ich glaube, dass es das Leben verdient, auf diese Weise beendet zu werden.)

Sehr gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Liebe Marai,
danke auch dir für deinen Kommentar, der mir wieder einmal deine mitfühlende Herangehensweise zeigt. Du siehst immer noch einen Hoffnungsschimmer, wo manch anderer einen Schlussstrich ziehen würde.
Ich freue mich auch, dass dir die Gegend gefallen hat, die ich beschrieben habe. Im Kommentar zu jobär habe ich darüber schon einiges gesagt. Es ist ein wundervoller Platz, um zu entspannen und ruhig zu werden.
Ich freue mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat und
wünsche dir einen schönen Tag.
barnhelm

Lieber Friedrichard – Friedel,

beinahe hätte ich dein Lob

Was Dir mehr als gelungen ist!

überlesen, denn ich musste erst einmal das Wort ‚Pivotelement’ ergoogeln. Als mir dann Gaußsche Formeln kredenzt wurden, weigerte sich mein Mathematik-untaugliches Gehirn sofort und ich beschloss, dieses Wort so schnell wie möglich wieder zu vergessen. Zum Glück fiel aber irgendwo der Begriff ‚Dreh- und Angelpunkt’ und jetzt weiß ich, was du gemeint hast. Trotzdem werde ich es nicht in meinen Wortschatz übernehmen - es erinnert mich stark an ‚Pivo’ und das ist ja ganz was anderes.

Danke aber für dein Lob. Das bedeutet mir viel. Ebenso bedanke ich mich für die Flusen. Ich habe alles korrigiert.

Auch dir wünsche ich einen schönen Tag.
Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo barnhelm,


„Mensch, Old Sailor, bist du grau geworden!“, entfährt es Erik.
Der Grauhaarige vor uns zuckt zusammen, lässt die Koffer sinken und dreht sich langsam um. Es ist Gregor. Irritiert betrachtet er meinen Mann. Dann hellt sich seine Miene auf: „Rick, altes Haus, komm her, lass dich begrüßen.“ Ein paar Sekunden lang schauen die beiden sich in die Augen, bevor sie sich in die Arme schließen. Eine echte Männerfreundschaft, denke ich und kämpfe mit dem Kloß in meinem Hals. Doch schon wendet sich Gregor auch mir zu. Wie immer verwechsle ich die Reihenfolge der Wangenküsse und es gibt ein kurzes Hin und Her, über das wir beide lachen müssen.
Mich umschauend frage ich: „Wo ist Antje?

Der erste Absatz und ich bin erstmal am Sortieren. Du machst es dem Leser nicht leicht, in die Geschichte zu kommen. Soviele Personen auf einen Haufen, und dann noch anders benannt als nur mit den normalen Namen (Der Grauhaarige, Old Sailor) - das finde ich schwierig.

Ja, und dann weiß der Leser recht schnell, dass wir es mit einem Alzheimer-Patienten zu tun haben - nur die Protagonisten scheinbar nicht. Das macht für mich die ganze Geschichte kaputt, so leid mir das tut, wenn ich das so schreibe.

Du hast eine wunderschöne Erzählsprache, barnhelm, und mit einem anderen Plot wäre die wahrscheinlich sehr, sehr passend - aber hier komme ich mir vor, als würden alle die Augen verschließen oder hätten noch nie etwas von Alzheimer gehört - dabei läuten den ganzen Text durch die Alarmglocken.

So sitze ich nur da und lese und lese und denke: Was müssen denn die armen Protagonisten noch alles erleben, bis man mal Tacheles miteinander spricht?

Das lässt du leider an dir vorbeiziehen, nicht mal, wenn der Mann nach Jahren mal weint, weiß man nicht, ob er es eigentlich richtig kapiert hat. Schade, sehr viel Potential verschenkt.

Aber - das ist ja noch zu ändern. Lass' die Leute mal etwas wissender, schneller alles realisieren.
Lass sie miteinander über das Thema sprechen - dann wird das eine klasse Geschichte - trau deinen Protagonisten einfach viel, viel mehr Offenheit zu.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Achillus, liebe bernadette

Zitat Achillus: Wenn mich beispielsweise ein Freund, der mich schon öfter besucht hat, fragen würde, in welcher Stadt ich wohne, dann wäre ich mehr als alarmiert. Vielleicht solltest Du die Aufmerksamkeit Deiner Leser anders bewerten und ein wenig schneller zur Sache kommen, denn so, wie es jetzt ist, empfinde ich die Beteiligten als ein wenig schwerfällig.

Achillus, du hast natürlich recht. Und hier möchte ich gerne auch auf bernadette antworten:
Es handelt sich um eine autobiographische Geschichte. Und es war in der Tat so, dass wir ein paar Tage brauchten, bis uns endgültig klar wurde, was da im letzten Jahr passiert war. Das liegt vielleicht auch daran, dass vielen Menschen im Alter solche kleinen (oder größeren) Vergesslichkeiten passieren. In meinem Umfeld gibt es viele dieser kleinen Aussetzer: Wie sagt man noch dazu? Wann war das denn? Wie hieß denn noch dieser Schriftsteller? Und natürlich auch: Wie heißt denn die Stadt noch mal? Das passiert und hat normalerweise nichts zu bedeuten, ist in der Regel wahrscheinlich auch wirklich auf eine schlechtere Durchblutung des Gehirns zurückzuführen. Besonders am Anfang der Demenz sucht das Umfeld nach solchen Erklärungen. Man möchte es nicht wahrhaben und gibt sich auch mit fadenscheinigen Erklärungen zufrieden. Das ging uns zuerst wirklich so, dass wir natürlich sehr schnell alarmiert waren, aber die Sache nicht wirklich einordnen konnten – oder wollten. Dazu kam, dass es ja immer wieder andere (normale) Situationen gab, und wir glaubten, uns getäuscht zu haben. Wir wollten nicht vorschnell die Alarmglocken läuten, denn so eindeutig klar, wie dir, bernadette war uns das Geschehen nicht gleich. Also, wir taten uns wirklich sehr schwer damit, ‚Tacheles’ zu sprechen. Auch mein Mann, der sonst schnell sagt, was er meint, musste erst einmal für sich selber Klarheit gewinnen, bevor er mit unserer Freundin sprach. Vielleicht hätte ich diesen Zusammenhang deutlicher machen und schon früher ein Gespräch zwischen Erik und seiner Frau einfügen sollen. Deinen Vorschlag, bernadette, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen und wahrscheinlich übernehmen.
Auch das Verhalten unserer Freundin war genauso, wie ich es beschrieben habe: Sie ärgerte sich über seine gedankliche und körperliche Trägheit, wollte nicht an sich heranlassen, was eigentlich vor sich ging. Ich weiß noch, wie sie in unserem ersten Gespräch reagierte: „Der spielt doch noch Tennis. Und zum Flughafen ist er auch ohne Probleme selber mit dem Auto gefahren. Nur manchmal lässt er sich halt einfach durchhängen.“ Unsere Freundschaft musste eine ganz schöne Belastungsprobe bestehen, nachdem mein Mann endlich mit ihr gesprochen hatte. *)


So, nun wieder zu deinem Text, lieber Achillus:

Man soll ja mit den Schwächen der Menschen geduldig sein, aber ehrlich gesagt, geht mir besonders bei ihr dieser Mangel an Verständnis und Einsicht ziemlich auf den Sack. Das sind doch nun alles keine Teenager mehr. Wer die Sechzig überschritten hat, sollte sich mit dem Gedanken an Demenz vertraut machen und das nicht als Altersstarrsinn abtun, finde ich.

Auch das ist natürlich richtig. Aber denke nur mal an die Konsequenz, die das Zulassen der Wahrheit für sie haben wird: Sie wird irgendwann alleine sein, alles alleine entscheiden müssen, mit einem Mann, der nur noch eine leere Hülle ist. So leicht akzeptierst du das nicht, wünschst dir, dass alles ein Irrtum ist. Das funktioniert letztendlich natürlich nicht, aber so gehen wir häufig mit Tatsachen um, die unser Leben völlig verändern werden. Vor vielen Jahren habe ich einmal einen Zeichentrickfilm gesehen, der das Verhalten eines Mannes, der hören musste, dass er unheilbar krank sei und nur noch kurze Zeit zu leben habe, auf den Punkt brachte. Seine Reaktion: Zuerst völlige Ablehnung (der Arzt hat sich geirrt), dann Wut (warum gerade ich), dann Depression und schließlichh Akzeptanz.

Es ist mir immer noch ein wenig zu reflektiert, aber das mag auch eine Frage des Temperaments sein. Das Sachliche Deiner ersten Geschichten spüre ich hier und da, aber Du wendest Dich mehr und mehr den Empfindungen der Figuren zu, und das gefällt mir sehr gut.

Wirklich gut beobachtet. Ja die Distanziertheit werde ich wohl nicht los, aber das mag ich auch, ist wohl wirklich Teil meines Ichs. Und ja, ich gebe mir Mühe, das Innere meiner Figuren besser zu erfassen, mich mehr in sie hineinzuversetzen.

Daraus könnte man eine ästhetische Reflexion der Idee herauslesen, dass die Welt in ihrer Weite sowohl ein Ort des Schreckens als auch des Trostes ist, dass die Dinge niemals zu einem Ende kommen usw.
Da gehen wir leider von verschiedenen Grundauffassungen aus: Ich glaube an die Endlichkeit. Wenn es etwas gibt, worin wir weiterleben, so allenfalls in unseren Kindern. Ihnen geben wir unser Genprogramm und unsere Gedanken mit.

Und so sehe ich das auch mit dem Gregor in meiner Geschichte: Er ist (geistig) von uns weggegangen. Und damit endet etwas: die Substanz der Freundschaft, das Miteinanderreden-können ist vorbei. Zurück bleiben aber unsere Erinnerungen an all das, was wir mit ihm erlebt haben. In ihnen ist er wieder der Mann, mit dem wir herrliche Zeiten hatten, mit dem wir lachen und weinen konnten.

Achillus und bernadette, ich danke euch für eure Kommentare. Sie haben mir einiges zum Nachdenken gegeben.

Liebe Grüße
barnhelm

*) Zum Umgang mit einer beginnenden Demenz finde ich gerade:

Sich selbst gegenüber einzugestehen, dass der Angehörige tatsächlich krank ist, fällt schon schwer. Die Veränderungen des Verhaltens und der Persönlichkeit des Demenzkranken lösen zunächst Erschrecken, Nicht-wahrhaben-Wollen und Verdrängungs- bzw. Verleugnungsmechanismen aus. Sie gehen mit Schamgefühlen einher, die der Erkrankte selbst oft nicht mehr hat.

http://www.alzheimertherapiezentrum...z-wie-verhalten-sich-angehoerige-richtig.html


Lautmacherin, eine Antwort an dich werde ich später formulieren.

 
Zuletzt bearbeitet:

Manchmal sag ich - wenn mich mal wieder professorale Ausfallerscheinungen überkommen, keine Angst, es ist nicht der Schirm, den ich erst gar nicht vergessen kann, weil ich erst gar keinen nutze - ich wäre auf dem Weg nach Alzheim (was vom Alter her ja sein könnte). Tatsächlich findet sich auch jeder demente mit entsprechenden Symptomen nur auf diesem Weg, denn die letzte Sicherheit kann erst gegeben werden, wenn der Tote aufgeschnitten wird und ggfs. Alzheim erreicht hat in der Diagnose.

Mag sein, dass der American Way of Life mit seinem diagnostic Wahn es gerne eindeutiger hätte, aber dieser Wahn definiert ja inzwischen auch Trauer, die 14 Tage überschreitet, als Krankheitsbild, und offenbart sich damit, als das, was das Gesundheitsunwesen auch heutigentags ist: Geschäft!

Ich lass mir ungern vorschreiben, wie gesund meine Trauer sei, wenn sie mich denn mal überkommt. Wer Geigers König im Exil kennt, wird aber auch wissen, dass der demente Vater - vergleichbar hier dem Freund - eben immer noch Vater oder Freund ist, selbst wenn ihm das eine oder andere abhanden kommt. Und Vergessenkönnen, solange es eben kann und nicht muss, hat auch seine Funktion. Solang nicht der soziale Tod zugeschlagen hat (Abbruch der Kontakte, gleich von welcher Seite) gibt es halt ein paar schräge Seiten mehr in sozialen Beziehungen ... Aber dafür ist,

liebe barnhelm,

dann Deine Urlaubsbegegnung - wie's halt den Kurgeschichten ergeht - Schnappschuss. Das aber m. E. ein gelungener. Ein Foto an der Wand ist ja auch nicht der Freund, sondern eine Abbildung des Freundes. Ein papierenes/gezeichnetes/niedergeschriebenes mit der Bitte "Vergiss mein nicht!" und der Antwort "Ich/Wir vergess/en dein nicht!"

Friedel,

der noch ein schönes Wochenende wünscht

Unfreiwilliger Gag mit den "Kurgeschichten", der sich halt nur aus dem direkten Eintippen ins Menu ergibt und es wert ist, ohne z erhalten zu bleiben.

Tschüssikowski!

 

Liebe Barnhelm,

im Grunde hinterlasse ich hier nur einen Kommentar, weil ich dir sagen möchte, dass mich die Geschichte sehr berührt hat.

Natürlich gäbe es da ein paar Dinge, die ein wenig stören, aber nicht so sehr, dass sie den Gesamteindruck schmälern würden. Dein Stil ist einerseits schlicht und manchmal dann doch ausschweifend und schmückend und findet dann nicht immer das Maße zwischen diesen beiden Positionen. So als Beispiel am Schluss:
Einerseits...

Mit einer Melange aus Rosmarin, Lavendel und wildem Salbei verabschiedet sich die Insel von uns.
dann wieder:
Es gibt eine kleine Ausbuchtung.
Erik bremst, lässt den Motor laufen. Überrascht sehe ich ihn an. Er legt seine Arme aufs Steuer und blickt nach vorn. Seine Mundwinkel und sein Kinn beginnen zu zucken.
Für mich ist das etwas abrupt und am Ende zu schlicht.

Auch denke ich, dass sie kürzer und damit noch prägnanter sein könnte (wenngleich eine gewisse Länge nötig ist, um zu erklären und zu erzählen...

Aber nicht falsch verstehen, ich hätte am Ende beinahe selbst mitgeheult.

viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Lautmacherin,

das ist das erste Mal, das wir das Vergnügen haben. Und für mich war es wirklich ein Vergnügen, deinen sehr ausführlichen Kommentar zu lesen. Mir hat gefallen, dass dir manche Stellen so gut gefallen haben. Ich musste so ziemlich an allen Formulierungen rumfeilen, immer wieder ändern und ergänzen. Und wenn es dann letztendlich was gebracht hat, dann freut es mich. Leider bin ich nicht die Schreiberin, der das alles so einfach aus der Feder fließt. Dazu fehlt es mir an Phantasie und Geistesblitzen. Ich muss mich immer wieder dazu zwingen, mir die Situation in ihren Details genau vorzustellen. Obwohl ich mich in den langen Jahren meines Berufslebens mit literarischen Texten beschäftigt und mich über sie ausgelassen habe, tue ich mich sehr schwer damit, selber eine Geschichte zu produzieren. Es ist eben etwas völlig anderes, ob man eine sachliche Bewertung verfasst oder etwas schreibt, das die Gefühle eines Lesers erreichen soll.

Das Kursiv, was ich für die Rückblende am Anfang benutzt habe, empfinde ich im Moment noch als richtig. Aber ich werde mir deine Argumentation durch den Kopf gehen lassen und das eventuell ändern.

@Achillus hat es schon ähnlich formuliert. Ich denke, dass die Freunde, im Gegensatz zur Ehefrau, die den Prozess schleichend erlebt, nun nach einem Jahr des Nichtsehens auf die Holzhammerweise mit der Krankheit ihres Freundes konfrontiert, deutlich schneller erkennen müssten, was Sache ist. Vielleicht wäre es ratsam, sie in der Geschichte schon etwas eher in die richtige Richtung spekulieren zu lassen?
Dazu habe ich im Kommentar an Achillus und bernadette schon einiges gesagt. Ich lasse mal ein paar Tage verstreichen und die Sache sacken. Aber angeregt durch euch Drei werde ich wahrscheinlich eine Szene einfügen, die auch besonders auf deinen Rat eingeht. Danke dafür.

Mit dem ‚südlich’ habe ich mich entschieden. Du hast meine Intention erfasst. Dieses ‚südlich’ beinhaltet sicherlich ein ganzes Paket von Assoziationen und bezieht sich damit natürlich auf eine Metaebene. Sei’s drum. Ich lass es so. Es erfüllt hier seinen Zweck.

Die Diskussion mit jimmysalaryman über den ‚maskulinen’ Geruch und die sich daran anschließende Diskussion habe ich mit einem Schmunzeln verfolgt. Ich kann nachvollziehen, was er meint, und glaube, dass er die Sache richtig sieht. Hier würde auch ich für eine Konkretisierung plädieren. *)

Lautmacherin, ich habe mich über deinen Kommentar sehr gefreut.

Liebe Grüße
barnhelm

*) Deine Geschichte habe ich gerne gelesen, aber – sei mir nicht böse – fast noch lieber die Kommentare, die sie ausgelöst hat. Nicht nur deine Geschichte vermittelt tiefe Einblicke in die männliche und weibliche Befindlichkeit.

Unfreiwilliger Gag mit den "Kurgeschichten", der sich halt nur aus dem direkten Eintippen ins Menu ergibt und es wert ist, ohne z erhalten zu bleiben.

Lieber Friedrichard,
finde ich auch.

Weiterhin ein schönes Wochenende wünscht dir
barnhelm


im Grunde hinterlasse ich hier nur einen Kommentar, weil ich dir sagen möchte, dass mich die Geschichte sehr berührt hat.

und das, lieber Isegrims ist für mich, die eher sachlich und nüchtern kann, ein sehr schönes Lob.

Mit einer Melange aus Rosmarin, Lavendel und wildem Salbei verabschiedet sich die Insel von uns.

Ja, ist schon recht üppig, aber mir gefällt der Satz. Besonders, weil diese Kräuter-Duftmischung an vielen Stellen dieser Inseln über dem Maccia-Gestrüpp der karstigen Hügel liegt. Und natürlich steht dieser Satz im Kontrast zum letzten Absatz. Das war von mir eigentlich so beabsichtigt.

Isegrims, auch dir danke ich für deinen Kommentar und wünsche dir ein sonniges Wochenende.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm

Das Setting deiner Geschichte finde ich hervorragend gewählt und die entsprechenden Beschreibungen der Landschaft und Stimmung sehr gelungen. Exemplarisch:

Nur langsam schwindet die Wärme des Tages. Sie hüllt uns auch jetzt noch weich und seidig ein. Entspannt lehnen wir uns zurück und genießen den südlichen Abend. Neben uns klatscht das schwarze Wasser des Hafenbeckens fett und träge gegen die Kaimauer.

Eine wunderbare Beschreibung, vor allem das fette Klatschen des Wassers hat es mir angetan.
Ich bin sehr schnell eingetaucht in diese Atmosphäre, in der sich dann das Drama, das du beschreibst, langsam und stimmig entwickeln kann. Auch ich fragte mich beim Lesen zuweilen, ob man jetzt nicht deutlicher nachfragen und intervenieren müsste, aber dann dachte ich, dass das nicht einfach ist, in der Situation, und gerade, wenn man auf diese Art befreundet ist, wie du sie beschreibst. Das passt insgesamt für mich. Wie die Figuren miteinander umgehen und zueinander stehen, das bringst du gut zum Ausdruck. Z.B.:

Ich halte meinen Mund hin. Zerstreut berührt er meine Lippen.
Sehr gut geschrieben, ich sehe das Bild plastisch vor mir.
Dementsprechend finde ich Passagen, wie…

So einig, so schmalzig, so berührend

…nicht nötig und fast ein wenig störend. Aber das ist Geschmackssache.

„Mensch, Old Sailor, bist du grau geworden!“, entfährt es Erik.
Der Grauhaarige vor uns zuckt zusammen, lässt die Koffer sinken und dreht sich langsam um.

Hier fand ich die Doppelung „der Grauhaarige“ etwas seltsam. Einfach: „Der Mann vor uns…“

"Zum Schluss waren wir bei seiner Mutter.“ Erik scheint das Gespräch noch einmal durchzugehen. „Keine Ahnung, wie er da gelandet ist.

Mir gefiele: „Zum Schluss sprach er von seiner Mutter“ besser. Das „da gelandet“ kann man dann gut stehen lassen. Aber zusammengenommen war mir das etwas zu räumlich.

Zum Ende noch eine allgemeine Bemerkung. Mir ist aufgefallen, dass du viele Abschnitte mit einer Ortsangabe beginnst. (Gleich am ersten Abend…hinunter zum Hafen / Heute ist Eriks Geburtstag. In der kleinen Fischhalle am Hafen… / Wir sind auf der kleinen Nachbarinsel / Wir sind allein runter zum Hafen gegangen). Das erleichtert zwar die Orientierung, aber in der Häufung empfand ich es als etwas schematisch. Eigentlich will ich das gar nicht als Kritik formulieren, dich vielmehr darauf hinweisen, im Hinblick auf weitere Texte von dir, auf die ich mich freue.
Besten Dank, liebe barnhelm, für diesen berührenden Text.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber Peeperkorn,
zuerst einmal danke ich dir für deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut und auch über deine sehr detaillierte Betrachtung.

Ich bin sehr schnell eingetaucht in diese Atmosphäre, in der sich dann das Drama, das du beschreibst, langsam und stimmig entwickeln kann. Auch ich fragte mich beim Lesen zuweilen, ob man jetzt nicht deutlicher nachfragen und intervenieren müsste, aber dann dachte ich, dass das nicht einfach ist, in der Situation, und gerade, wenn man auf diese Art befreundet ist, wie du sie beschreibst.

Ja, das ist schön, dass du das auch so siehst. Es gab ja schon den Vorschlag, früher Tacheles zu reden. Das ist sicher richtig, wenn man weniger behutsam miteinander umgeht. Ich habe immer das Gefühl, dass etwas einmal Ausgesprochenes zur Realität wird und nur schwer zurückholbar ist. Aber richtig ist auch, dass das Thema von einem der beiden (Marianna/Erik) schon früher hätte angesprochen werden können. Das überlege ich im Moment und werde wahrscheinlich eine Szene einfügen, die ich übrigens schon vorher hatte, aber rausgenommen habe, weil ich kürzen wollte. Mal sehen. Im Moment ist mir die Geschichte ein wenig fern, aber ich denke, dass ich mich demnächst noch einmal daran setzen werde.

Deine beiden letzten Anregungen nehme ich gerne auf und ändere meinen Text. Du hast vollkommen recht.

Und auch mit den Anfängen der Absätze hast du recht. Aber sie gefallen mir so und ich empfinde sie hier als Strukturmerkmal, werde aber bei meiner neuen Geschichte schauen, dass es nicht zur Attitüde wird.

Schöne Grüße aus dem nachsommerlichen Südosten Europas in die hoffentlich auch sonnige Schweiz.
Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

du gehörst ja zu den Autoren (habe gerade gelesen, richtig ist "Autorinnen"), die ich gerne lese.
Mir gefallen deine Landschafts- und Ortsbeschreibungen. Diese betten mich immer wieder gut und angenehm in die Geschichten ein.

Klar, bei dieser Geschichte wusste man bei der Szene mit dem Witz, worum es geht. Dies tut der subtilen Spannung aber keinen Abbruch und ich habe bis zum Schluß gerne weiter gelesen.

Sehr schön das Ende; ja, das hat mich auch sehr berührt! Kompliment!

Eine Kritik habe ich aber dennoch. Mir fehlt manchmal die Bindung zwischen den Übergängen.
Zum Beispiel hier:

( ... ) Antje schüttelt den Kopf.
„Also wirklich! Was ist los mit dir? Du hast den Witz doch nun schon hundertmal erzählt: Der Klügere gibt nach.“

Während Antje uns weiter mit ihren Handwerkerproblemen langweilt, betrachte ich Gregor. Er nimmt nicht mehr teil an unserem Gespräch, sitzt neben uns wie ein Fremder. Die vertraute Verschmitztheit, die beim Erzählen des Witzes plötzlich wieder in seinem Gesicht war, ist verschwunden. Sein Blick ruht müde auf den Resten des Desserts. Ich sehe, wie Erik seinen Freund nachdenklich aus den Augenwinkeln betrachtet.


Das ist mir irgendwie zu hart; sowas kommt auch später nochmal bei der Szene, dass die Männer abends zusammen sitzen und dann wenige Zeilen später die Szene mit dem Frühstückstisch kommt.

Was ich damit sagen will?!:
Dich ereilt der Fluch der Kurzgeschichte und du hast dich ganz offensichtlich entschieden, die Geschichte voranzutreiben. Mir persönlich wäre es aber lieber gewesen, du hättest "mehr Worte", "mehr Prosa", "mehr Szene" verwendet, dann würde es -für mich- nicht so abgehackt klingen.

Dies mindert aber in keinem Fall das Gefühl, eine schöne Geschichte gelesen zu haben, die mir wirklich sehr gefallen hat.

Weiter so!

Gruß, Freegrazer

 

Lieber Freegrazer,

danke für deinen freundlichen Kommentar.

Dich ereilt der Fluch der Kurzgeschichte und du hast dich ganz offensichtlich entschieden, die Geschichte voranzutreiben. Mir persönlich wäre es aber lieber gewesen, du hättest "mehr Worte", "mehr Prosa", "mehr Szene" verwendet, dann würde es -für mich- nicht so abgehackt klingen.
Ja, du hast recht und legst deinen Finger auf den richtigen Punkt. Und auch deine Erklärung ist richtig. Mein Text war zuerst sehr viel länger und ich hatte Sorge, dass ich die Leser bei dieser für die meisten wohl nicht so interessanten Thematik verlieren würde. Deshalb habe ich gekürzt und ausrisshaft die einzelnen Szenen aneinandergereiht. Hinzu kommt aber auch, dass mir diese Art der Darstellung liegt. Ich bewundere die Autoren in unserem Forum, denen es gelingt, ihr Thema ‚breiter’ – literarischer - zu realisieren. Da bin ich leider noch lange nicht. Aber ich übe.

Freegrazer, ich wünsche dir einen schönen Tag.

Liebe Grüße
barnhelm


Auch dir, liebe Lautmacherin danke ich für deinen zweiten Kommentar. Mich freut, dass du meinen Gedankengang nachvollziehen und sogar akzeptieren konntest.
Auch dir wünsche ich einen angenehmen Tag.
barnhelm

 

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