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"Frei von Rechten Dritter" entsprechen oder sich vorauseilend selbst zensieren

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"Frei von Rechten Dritter" entsprechen oder sich vorauseilend selbst zensieren

"Frei von Rechten Dritter" entsprechen oder sich vorauseilend selbst zensieren

Hallo,

ich habe gerade eine Geschichte in der Mache, die ich zu einem Wettbewerb einsenden will. In der Geschichte rezitieren oder interpretieren die Figuren fünf teilweise zusammenhängende Zeilen aus dem Lied "Jetzt musst du springen" von Element of Crime. Dies ist Bestandteil der Handlung und kann nicht ersetzt werden, ohne dass ich hinterher eine andere Geschichte vor mir hätte.

Nun stehe ich beruflich dem Wissenschaftsbetrieb nahe und weiß, dass die

  1. gekennzeichnete wörtliche Wiedergabe fremder Schrift/Rede
  2. in Verbindung mit der Nennung des Urhebers nebst zur Gegenprüfung nötiger bibliografischer Daten und
  3. einer eigenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Zitierten
rechtskonform, sogar gewünscht, überhaupt – im wissenschaftlichen Kontext – ein Muss ist.

Klar, dachte ich erst, dass kann man so grundsätzlich auch auf den künstlerischen Kontext übertragen, wo die Stellen doch in die Geschichte passen wie die Faust aufs Auge, der Leser wahrheitsgemäß den echten Urheber erfährt, und die zitierten Stellen in einem wesentlichen Zusammenhang mit dem übrigen Text steht (nicht unbedingt aber mit seiner Kernbotschaft).

Dann sind mir Zweifel gekommen. Hier auf KG.de könnte ich den Text womöglich so veröffentlichen, ohne dass er wieder gelöscht wird (?), das ist ja nicht gewerblich und ich mit der Aktion in der Grauzone, denk ich mal.
Im Gewinnfall, ich darf doch auch mal träumen, wird die Geschichte dagegen in einer käuflichen Zeitschrift eines seriösen Verlags gedruckt, damit ist von einer gewerblichen Nutzung zu reden.
Ich habe keine Lust, meinem Beitrag die Teilnahme am Wettbewerb verwehrt zu sehen, weil schon in der Vorauswahl befunden worden sei, dass der Text »[…] Stellen enthält, deren Freiheit von Rechten Dritter fraglich bzw. nicht nachgewiesen sind«, oder wie auch immer es heißen möchte.

Eine Genehmigung der zuständigen Stelle habe ich jedenfalls nicht. Wahrscheinlich ist das mangels Vitamin B nicht der Songwriter persönlich, eher die GEMA oder sogar die Lizenzierungsabteilung der Universal Music GmbH, keine Ahnung und angesichts der vielen ermordeten Bäume, die in Papierform zu dieser Sache durch die Gegend geschickt würden, lieben Dank auch, ich verzichte.

Oder schlimmer noch, dass sich EoC für die ganze Jury als unbekannt entpuppt (was ich mir fast nicht vorstellen kann, aber wär nicht das erste Mal, dass das Leben darauf pfeift), sie die Textstellen und den Bandnamen für fiktiv gehalten hat und ich davon erst erfahre, als schon längst mein Wilhelm auf dem Autorenvertrag steht. Ob ich mich im darauf ggf. folgenden Rechtsstreit herausreden kann, dass die Rede von einem prosaisch eingepassten, aber im wesentlichen konventionell korrekten »Zitat« ist und ich darüber von einem impliziten Einvernehmen mit der Gegenpartei ausging ... ich konnte bisher nie mit Anwälten, zu dieser Berufsgruppe habe ich ein gespaltenes Verhältnis, jedenfalls will ich mir keinen nehmen müssen.

...

Okay, ich habe jetzt also eine andere Geschichte vor mir. Die Liedzeilen entspringen jetzt einem fiktiven Song einer ebenso fiktiven Band. Passt ganz gut, vielleicht gewinne ich Zur-Not-auch-Liedermacher damit sogar nen Blumentopf. Ne im Ernst, bin mir nicht vollends sicher, ob ich mir damit einen Gefallen getan habe, aber eine Art Erleichterung ist fühlbar, oder verwechsle ich das mit Feigheit?

Mich würde interessieren, ganz allgemein wie ihr zu der Frage steht, inwiefern sich ein Künstler in seinem Werk erlauben kann, aus einem fremden Werk wörtlich zu zitieren, ohne zuvor das Einverständnis des Urhebers einzuholen.

Dass unabhängig von der Frage der korrekten, wenn auch zu Gunsten der Prosaik etwas abgewandelten Zitierform der Eigenanteil am literarischen Textgehalt auf allen Ebenen wesentlich überwiegen muss, sollte dabei klar sein. Es geht also nicht darum, ob ich klauen i.S.v. unter dem Deckmantel eines eigenen Werkes das eines anderen unters Volk bringen, die Beschränkung von Nutzungsrechten ignorieren darf.

Oder anders ausgedrückt, kurz und knapp: Mach ich mir da zuviel den Kopf, habe ich schon die berühmt berüchtigte Schere in demselben? Ich befürchte, das ist schon zu verschwurbelt die ganze Wortarmee hier, in dem Fall ist das wohl klar. :(


Viele Grüße,
-- floritiv

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi floritiv,

viel Glück damit!

Es gibt auch bei Fiktion eine Absicherung über das citation law, wie auch immer das in Deutschland heisst, das gilt international.

Urheber weglassen ist nicht - du brauchst bei z.B. einem Buchzitat Autor, Titel, Verlag, Jahr & Ort, Seitenzahl (das muß aber nicht sofort in den Text, sondern kann als Anmerkung darunter, solange die Stellen z.B. kursiv oder sonstwie unmissverständlich (also nicht genau so wie wörtliche Rede) abgehoben sind - also zum Verweis eindeutig zuzuordnen.

Mit einem Song geht das auch mit entspr. Angaben.

Ein bisschen kommt es auf die Länge an - bei songs bin ich nicht 100% sicher, aber möglicherweise ist es ein Unterschied, ob du nur wenige Zeilen oder den gesamten Text verwendest (Zitatkennzeichnung hin oder her). Ich meine, ein gesamter Liedtext sei auch mit voller Angabe der Urheber nicht ohne Erlaubnis gestattet. (Und die könnte kosten.)

Bei Büchern können wenige Sätze ohne Erlaubnis des Verlages zitiert werden (wie gesagt, alle Angaben). Das wird vom citation law abgedeckt, das eben erlaubt, Fremdes zu verwenden, wenn korrekt gekennzeichnet und nicht als eigenes Gedankengut ausgegeben oder damit zu verwechslen. Das immerhin weiß ich genau, weil ich einen großen Verlag um eine Erlaubnis gefragt habe. Die haben sie erteilt, meinten aber, ein, zwei Sätze müssten nicht extra genehmigt werden.

Nimm doch Volkslieder ... die haben keinen festen Urheber. :-)
Oder Autoren, die seit 70 Jahren tot sind, und wo es kein testamentarisch darüber hinausreichendes geregeltes Copyright gibt.
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Zu deinem Titel:
Bei Ausschreibungen ist damit auch etwas anderes gemeint: Du musst nicht nur der Urheber des eingereichten Textes sein, sondern musst dafür auch noch die Rechte besitzen.
Wenn eine Anthologie evt. reprints nimmt (was hier aber nicht zu sein scheint, wegen Vorveröffentlichung ausgeschlossen), darf der Autor nicht seine Rechte zuvor an den anderen Verlag abgetreten, sondern ihm diese nur für die entsprechende Publikation überlassen haben. Ich glaube, die Formulierung findet sich pro forma Ausschreibungen, zur Absicherung; selbst wenn keine reprints genommen werden.

 

Dichte doch ein eigenes Lied im Stil von Element of Crime. Der ist doch recht überschaubar. Du hättest freie Themen- und Metaphernwahl, wärst auf der sicheren Seite, wenn Du Dich selbst zitierst, und könntest Dir außerdem einen viel geileren Bandnamen ausdenken.
Wenn Du das nicht willst, würd ich bei Element of Crime anrufen. Das Telefon war schon immer der Königsweg zur Klärung verwickelter Fragen.

 

Makita, du trägst Handys nach Seoul, hast du meinen Beitrag bloß überflogen? :hmm: Schrieb doch, dass ich die Songtextanteile bereits durch was Fiktives ersetzt habe. Und mit EoC telefonisch Kontakt aufnehmen lohnt nicht den Stress, wo ich telefonieren nicht so gut kann; idealerweise bekäm ich ein "Klar, kannste machen, kein Problem" und dennoch nicht die Sicherheit eines Schriebs, den ich in einer evtl. Auseinandersetzung bräuchte. Nichts für ungut, trotzdem danke. :)

Katla: Danke für die Informationen. Aus einem Buch ein, zwei Sätze übernehmen ist für mein Gefühl allerdings noch etwas anderes als ein gutes Sechstel aus einem Song. Und nötige Fußnote à la

*) Die kursiven Songtextzeilen entstammen dem Lied So und so von Hinz und Kunz aus dem Album Wie auch immer von Anno plips
ist bei näherer Betrachtung auch nicht gerade ein Qualitätsmerkmal einer Geschichte, da sich der Leser dann eher fragt, ob diese Geschichte Werbung für die Band ist bzw. ob sie das eigentlich nötig hat.

Okay, hätten wir das also geklärt. Vielleicht fällt mir ein, wie ich die Geschichte so umgestalten kann, dass sie sogar ganz ohne Songtext auskommt. Wenn nicht, muss ich den Protagonisten halt mit einer schlechten Meinung über den stümperhaften Versuch eines Liedtextes ausstatten, damit die Meinung des Lesers darüber nicht auf die Geschichte abfärbt.


Viele Grüße,
-- floritiv

 

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