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Fragil
Die Sonne bricht stolz durch die letzten Barrikaden des Winters. Ich renne um schnell wieder zurück zu sein, habe sogar noch warme Croissants bekommen. Die Tür klemmt ein wenig, wie immer im Frühling. Ob du noch schläfst? Es duftet nach gestern, nach Zusammensein, nach dir. Jetzt Kaffee – richtig stark, so wie du ihn magst. Endlich wieder ein Morgen mit Hoffnung, ein Neuanfang vielleicht. Zukunft. Es ist sonderbar warm für den März. Der gegerbte Alte von gegenüber sitzt sogar schon auf dem Balkon. Die letzten Monate kamen mir so kalt vor. Eilig suche ich nach der selbstgemachten Marmelade. Eigentlich ein Wunder, dass es uns noch gibt, denke ich. Du bist so stark, viel stärker als ich. Hast all den Schmerz einfach ertragen. Lässt dich nicht unterkriegen. Rettest mich. Mit dem Tablett schleiche ich zurück ins Schlafzimmer. Ganz langsam und leise. Der winzige Türspalt wirft mir zerbrechliche Lichtstrahlen entgegen. Ich denke an Schatzsuche, an eine Truhe, durch dessen Schloss ein goldener Schimmer sticht. Sanft stoße ich die Tür auf, die Luft ist getränkt mit dem heimatlichen Duft, den nur ein benutztes Bett verströmen kann. Die zerwühlten Laken, dein Nachthemd auf dem Boden, mein Lächeln. Du scheinst schon im Bad zu sein, also warte ich. Wir sollten nach all dem Schmerz mal wieder verreisen. Auf andere Gedanken kommen, neue Pläne schmieden und endlich vergessen. Über dem Kaffee lichtet sich langsam der Dampf, nichts regt sich. Es wird kalt. Ich werde nach dir sehen, klopfe, öffne die Tür. Schließlich sehe ich dich, friedlich in der strahlenden Wanne, die Augen sanft geschlossen. Der Wasserhahn tropft unbeteiligt in die Stille und ohne Hast färbt sich das Wasser rot...