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Thema des Monats Fleischvögel und gebrannte Creme

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02.02.2004
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Fleischvögel und gebrannte Creme

Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune. Grossvater Alfred, von allen nur Ätti genannt. Die Erinnerung ist präsent, als hätte mir jemand ein Polaroid ans Hirn geklebt. Mit schiefem Kopf, die blaue Zunge seitwärts aus dem Mund, Augen nach oben verdreht. Schwarzer Anzug, weisses Hemd, Krawatte, glänzende Lackschuhe. Aus der rechten Jackentasche lugt ein Zettel heraus. Und zu beiden Seiten auf der Bockleiter – meine Eltern. Vater stemmte den leblosen Körper hoch, Mutter säbelte mit einem Küchenmesser am Strick herum. Ein rot eingefärbtes Hanfseil, dreifachverdrillt, ohne Zweifel das Seil vom Ätti. Selbst gefertigt, hing immer über der Drehbank in der Werkstatt, gleich neben dem Bild der Greta Garbo.
„Schau nur, Franz, eine grossartige Schauspielerin. Und die gleichen Augen wie dein Grosi Hanni“, sagte er damals, als ich ihm das Znüni brachte und dabei auf das Bild starrte. Das Hanni, auf ewig dem Ätti Alfred versprochen, war eine bodenständige Frau. Selbst als der Ätti mit ihr ins Stöckli zog und den Hof dem Vater überliess, half sie weiter bei der Stall- und Haushaltsarbeit. Eines Morgens stand das Hanni nicht mehr auf.
„Das Alter“, sagte der Arzt.
„Der Kummer“, sagte Mutter.
„Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.
Dafür litt der Ätti. Jeden Freitag tuckerte er auf seinem geliebten Hürlimann zu Hanni auf den Friedhof und danach auf ein Zweierli Roten in den Ochsen. Später fuhr er nur noch zum Ochsen, dafür täglich. Ein Zweierli reichte schon lange nicht mehr.

„Wenn der so weiter säuft“, meinte Vater, „dann kann er sich bald neben sein Hanni legen.“
Dabei war der Ätti schon einmal nahe dran. Beim Umladen im Futtersilo fünf Meter runtergefallen, das Bein zog er fortan etwas nach. Ein Kururlaub kam nicht in Frage. „Eher würde ich mich aufhängen“, hatte er bei der Rückkehr aus dem Spital gesagt und mit einer Krücke gegen den Dachbalken geklopft.
„Der versäuft noch seine ganze Rente.“
„Lass ihm doch die Ausfahrten“, meinte meine Mutter und stellte die geschwellten Kartoffeln auf den Tisch.
„So, aha, und wer hat dem Huber seinen Landschaden bezahlen müssen?“
Lange wurde im Dorf darüber gesprochen, wie der Ätti mit seinem Hürlimann den direkten Weg über Bauer Hubers frisch bestelltes Rapsfeld genommen hat, nur damit er nach seiner ausgiebigen Ochsentour nicht an der Polizeistation vorbei musste. Am anderen Tag verriet die Dreckspur zu unserem Hof, wem Huber den Schaden zu verdanken hatte. Huber tobte, hatte irgendetwas von Ernteausfall gepoltert, mein Vater hatte gezahlt und der Ätti bekam einen Monat Traktorverbot. Da ist er halt gelaufen, zum Ochsen. Mutter fand ihn anderntags schlafend auf dem Miststock, direkt neben den Hühnern.

***

Das Seil gab nach. Vom Gewicht überrascht, fiel Vater mit dem Ätti rückwärts ins Stroh. Ich stand wie angewurzelt am offenen Scheunentor.
„Hans, der Bueb!“
Vater schob den Ätti von sich weg und sprang auf die Beine.
„Franz, raus! Mach, dass du wegkommst.“
Ich starrte weiterhin auf den leblosen Ätti, der unförmig zwischen den Strohballen lag.
„Los, mach schon“, brüllte Vater und zeigte aufs Haus.
Ich konnte mich nicht bewegen, da knallte es auf meiner Backe. Laute Worte war ich gewohnt, die Ohrfeige war neu. Heute weiss ich, es war Hilflosigkeit. Ich rannte heulend ins Haus, warf mich aufs Bett und vergrub den Kopf in die Tagesdecke. Der Geruch war vertraut und beruhigend. Ein leises Klopfen und die Tür ging auf. Mama setzte sich neben mich und gleichzeitig spürte ich ihre Hand auf meinem Rücken.
„Tut mir so leid, Franz. Vater wollte halt nicht, dass du das mit ansehen musst.“
Ich fragte mich, wie die Ohrfeige dazu passte. Jedenfalls blieb es bis heute die einzige.

***

Ich war gerade unterwegs auf der A1 Richtung Zürich-Flughafen und drückte die Freisprechtaste. Es klingelte drei Mal, dann ein Knacken.
„Hallo Mutter! Wie geht es dir?“ Blick in den Seitenspiegel, rechts einordnen, runter vom Gas.
„Ja, geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, sagte sie mit aufgewühlter Stimme.
„Ich muss was mit dir bereden.“ Nicht mit euch, nein, mit dir, Mutter. "Geht es Sonntag?"
Mit gesetztem Blinker überholte ich einen schleichenden Lastwagen. Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.
"Oh wie schön, ich mache Fleischvögel, und zum Dessert gibt’s gebrannte Creme, für dich extra mit frischer Niedle."
In Mutters Stimme schwang Bekümmerung mit. Wenn sie jetzt wieder wegen Vater anfing ...
"Vater ist etwas durcheinander, gestern waren wieder diese Herren vom Bundesamt für Strassenbau da."
Da war es wieder, das Magenbrennen, ich musste mir unbedingt noch etwas aus der Apotheke besorgen. Innerlich stöhnte ich auf und schloss kurz die Augen, nach dem Öffnen leuchteten vor mir dutzende Bremslichter. Das ABS ratterte, die elektronische Lenkhilfe behielt den Wagen in der Spur, Technik und Mensch verhinderten gemeinsam den Aufprall.
"Also gut, Mutter, Sonntag. Tut mir leid, aber hier ist grad sehr viel Verkehr."
"Oh, ja, natürlich, bis Sonntag, pass auf dich auf, Bueb."
Ein Knacken beendete unser Gespräch und aus den Lautsprechern erklang die Stimme einer fröhlichen Moderatorin. Ich drückte den Ausknopf.

***

Sonntag. Vor mir das offene Scheunentor.
Ich höre Vater kommen, sein Schlurfen hat die letzten Monate zugenommen. Seine Hose steht offen und ein Zipfel seines Hemds schaut heraus. Spärliche Haarsträhnen lugen aus seiner Mütze hervor. Einen kalten Stumpen im Mundwinkel, er ist alt geworden.

„Der Balken ist neu.“
Das helle Holz, der Rest Sägespäne, alles deutet auf kürzlich durchgeführte Zimmermannsarbeiten hin.
"Morsch. Musste ihn ersetzen. Nicht dass er mir noch auf den Kopf fällt."
Wie damals der Ätti. Schnell wische ich den Gedanken beiseite und so blicken wir weiter schweigend auf die Stelle in der Mitte des Balkens.
Sinnlos, denn der Hof steht seit langem im Weg, höheres Interesse und so. Der Staat baut seit längerem an der letzten Ausfahrt der A1, ein direkter Anschluss zum Stadion muss her, die Kosten steigen und der politische Druck wird immer grösser.
„Warum hast du ihn überhaupt noch ausgewechselt?“
„Morsch, hab ich gesagt. Dass du auch nie zuhörst. Aber das hast du ja noch nie ...“
Er dreht sich um und schlurft Richtung Haus davon, dabei brennt mir noch eine viel wichtigere Frage auf der Seele. Jetzt nur nicht den Moment verpassen, ich hole tief Luft.
„Warum hat sich der Ätti damals aufgehängt?“, rufe ich ihm nach, will nicht warten, bis wir in der Küche bei Mutter sitzen.
Vater schlurft weiter, dreht aber den Kopf leicht zur Seite.
„Hat es halt nicht verkraftet“, meinte er und zieht dabei die Schultern hoch.
„Was hat er nicht verkraftet, Vater? Hannis Tod?“
Jetzt steht er vor der Haustür, streckt die zitternde Hand Richtung Klinke, zögert.
„Oder hat er es einfach nicht mehr ausgehalten? Hat er vielleicht dich nicht mehr ausgehalten?"
„Red‘ keinen Blödsinn, komm rein, Mutter hat Fleischvögel gekocht.“ Damit stösst er die Haustür auf und quält sich über die Schwelle.
Ich schaue noch einmal zu dem frisch verbauten Balken, einen kurzen Moment sehe ich wieder die polierten Lackschuhe, darüber den Sonntagsanzug. Die Erinnerung machte mich schwindelig, Vaters Blick, die Ohrfeige, der Zettel aus Ättis Tasche. Vater hat ihn an sich genommen, als sie zusammen am Boden lagen.
"Ein Zettel? Keine Ahnung, was du meinst", pflegte Vater meine Fragen abzuwürgen. Vielleicht war es tatsächlich nur die Einbildung eines verschreckten Kindes.

Eigentlich will ich nicht ins Haus, will nicht wie früher zwischen Tisch und Wand sitzen, bis Mutter die Fleischvögel aufträgt und Vater nach dem Käse verlangt, dabei aber keinen Mucks duldet, denn im Radio laufen gleich die Zwölfuhrdreissig-Nachrichten.
Als Kind lebte ich gerne auf unserem Hof, obwohl die Arbeit nach der Schule hart war. Kühe treiben und melken, den Stall ausmisten und im Sommer bei dreissig Grad in der prallen Sonne auf den Wiesen das Heu umschichten. Aber es gab auch die schönen Seiten des Hoflebens, zum Beispiel als das Vreneli mitten in der Nacht kalbte und Vater mich dazu aus dem Bett holte. Er hatte feuchte Augen und ich durfte das Frischgeborene mit Stroh abreiben. Oder mit den Schulfreunden im Heu Verstecken spielen, der Karin den jüngsten Wurf Katzen zeigen und dafür einen Kuss ernten.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Gerichtssache in die Stadt fahren und ich durfte im Nachbarhof bei Gublers zu Mittag essen. Ich hatte gerade einen gefüllten Teller vorgesetzt bekommen und begann, mir Erbsen in den Mund zu schieben, da rief Karins kleiner Bruder: "Mama, warum darf Franz schon essen?"
Herr Gubler schaute mich mit erhobenem Zeigefinger streng an, doch sein Lachen verriet, dass es wohl nicht ganz so schlimm war. Ich kaute verlegen auf meinen Erbsen herum und Karin grinste.
Als Frau Gubler ihre Schürze ablegte und sich setzte, riefen alle gleichzeitig: "Einen Guten miteinander." Und dann begann ein geschäftiges Treiben. Beat schaufelte in sich hinein und erzählte mit vollem Mund, wie der Max vom Lehrer einen Schwamm an den Kopf bekommen hatte, Karin schenkte mir Wasser nach und erzählte aus unserer Schulstunde, wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte. Karins Mutter lachte und der Vater schüttelte belustigt den Kopf.
„Irgendwann jagt der Guggenbühl noch das ganze Schulhaus in die Luft.“
Es war eines meiner schönsten Mittagessen.

Bei uns zu Hause ging es nie so fröhlich zu, kaum hatte Mutter den ersten Topf auf den Tisch gestellt, begann Vater zu essen, polterte irgendwelche Tiraden gegen die da oben in Bern, und Neuigkeiten gab es nur Punkt zwölfuhrdreissig aus dem Radio. Dann hiess es absolute Ruhe.
Erst nachdem Vater wortlos aufgestanden war und sich in der Stube aufs Sofa gelegt hatte, konnten Mutter und ich ein paar Worte wechseln. Doch da hatte die erzwungene Stille meine Gedanken bereits vernebelt.
Den Hof übernehmen, das wollte ich nie. Die Welt bereisen, das war mein Traum, all die Länder aus Mutters Gutenachtgeschichten. Ich bewarb mich als Reiseleiter, ganz zum Missfallen meines Vaters.

***

In der Küche riecht es wie damals. Ein Gemisch aus kaltem Stumpen und Bratfett. Wie von selbst bewege ich mich zum angestammten Platz, Vater sitzt an der Stirnseite und schiebt sich gerade eine Kartoffel zwischen die Zähne. Dazu presst er auf die Schale und fängt das Gelbe der Knolle mit dem Mund auf. Den Blick starr zum Fenster, das Radio auf dem Wandbrett in Griffnähe. Mutter eilt geschäftig zwischen Herd, Kühlschrank und Tisch umher, stellt die restlichen Speisen auf den Tisch, während Vater Käse schneidet. Kartoffeln und Käse genügten ihm, um satt zu werden.

Der aufkommende Novemberwind rüttelt an den Fensterläden. Schweigend, wie damals, essen wir vor uns hin, doch ich bin nicht mehr der kleine Bueb von damals und so lasse ich meine Gabel sinken und drehe mich zu ihm um.
„Vater. Wegen des Hofs musst du endlich ...“
„Ruhe, ich höre Nachrichten“, faucht Vater und dreht den Ton lauter.
Wir essen schweigend weiter und mit dem Schluss-Signet von Radio SRF1 schiebt Vater den Teller von sich, steht auf und verlässt die Küche.

Mutter setzt Kaffee auf, aus der Stube ertönt lautes Schnarchen und ich falle mit der Tür ins Haus.
„Ich verstehe einfach nicht, warum Vater den Hof nicht verkaufen will.“ Mutter räumt das Geschirr in die Maschine.
„Die Abfindung vom Bund ist doch recht grosszügig. Oder ist es vielleicht wegen dem Ätti?“
Beinahe wäre ein Teller zu Bruch gegangen.
„Dein Vater meint, kein Geld der Welt treibt ihn von seinem Hof.“
„Sturer Bock.“
„Franz!“
„Ist doch wahr. Der Ätti hätte das sicher nicht gewollt.“
„Sag nicht sowas, Bueb.“
„Warum hat er sich eigentlich damals aufgehängt?“
„Sei still, ich will nicht, dass du so über ...“
„Dann verkauft den Hof. Macht eine Weltreise, du hast dir doch immer gewünscht, die Welt zu sehen.“
„Ach Bueb, dein Vater ...“
„Ich weiss, der Hof ist sein alles. Aber was ist mit dir?“
„Mein Platz ist hier auf dem Hof, bei Karl.“

Die gebrannte Creme schmeckt komisch, vielleicht ist die Niedle ja sauer geworden.
Den Kaffee trinken wir schweigend, ich weiss nicht, wie ich den Faden wieder aufnehmen soll. Danach begleitet mich Mutter zum Auto. Vater lassen wir schlafen. Der Novemberwind frischt auf und treibt Blätter über den Innenhof. Ein Huhn flieht gackernd vor der jagenden Katze. Ein leichter Niesel setzt ein und lässt meine Brille beschlagen.
„Komm, steig ein, wir müssen darüber reden“, sage ich zu Mutter und öffne ihr die Tür.
Sie blickt mich erstaunt an, erkennt aber, dass ich es ernst meine.
Ich starte die Standheizung und drehe mich zu Mutter um.
Der bequeme Beifahrersitz meines Geländewagens scheint sie förmlich zu verschlucken, ihr Blick ist starr geradeaus gerichtet.
„Sie werden euch den Hof wegnehmen.“
„Ich weiss, aber dein Vater will halt nicht verkaufen.“
„Ist es wegen dem Ätti? Sag endlich, Mutter. Ich spüre doch, dass da mehr war als Kummer.“
Ihre Lippen zittern.
„Mutter?“
Die Tränen laufen nun ungebremst.
„Wir konnten doch nichts dafür. Erst die Sache mit dem Milchpreis, dann standen wir vor einem Berg mit Schulden, der Hof sollte sogar zwangsverpfändet werden, das hat der Ätti wohl nicht länger ...“
„Gab es einen Zettel, Mutter?“
Sie zieht ihr Taschentuch aus der Schürze und schnäuzt sich geräuschvoll.
„Vater hat ihn weggeworfen.“
„Was stand darauf?“
Sie sieht weiter geradeaus und beginnt zu rezitieren:
„Lieber Karl, liebe Fränzi. Macht euch keine Vorwürfe, ihr sollt den Hof nicht verlieren müssen. Deshalb gehe ich jetzt zu meinem Hanni und ihr könnt meine Lebensversicherung einlösen.
Alles Gute, Euer Ätti Alfred.“

Ich schlucke leer, mit einem Schlag verschiebt sich mein ganzes Weltbild. Alles erscheint mir in einem neuen Licht. Unser Hof, meine Eltern, der Tod vom Ätti.
„Aber, die Versicherung zahlt doch gar nicht bei … in solchen Fällen.“
Mutter wischt sich über die Augen und plötzlich wird ihre Stimme klar und fest.
„Wir haben ihn zurechtgemacht, ins Bett gelegt und dann Doktor Hofstettler angerufen.“
Ich lasse die Scheibenwischer laufen und sehe, wie Vater in der Tür steht. Mit einem frischen Stumpen zwischen den Zähnen schaut er ungerührt zu uns herüber. Kleine Rauchwölkchen steigen auf, werden vom Herbstwind verwirbelt.
„Ihr habt mich glauben lassen, der Ätti habe noch gelebt, nachdem ihr ihn vom Balken geschnitten habt.“
„Hat er ja auch, erst im Bett hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Doktor Hofstettler hat den Brief gelesen, genickt und ohne zu Zögern den Totenschein ausgestellt. So konnten wir den Ätti würdig neben dem Hanni begraben."
Würdig begraben? Als ob sie dem Ätti sonst seine letzte Ruhestätte verwehrt hätten.
"Und die Versicherung?"
"Hat gezahlt, unser Hof war gerettet."
Schweigend starren wir vor uns hin, das Schruppen des Scheibenwischers ist das einzige Geräusch.

„Wir fliegen nächsten Monat nach Bali. Komm doch einfach mit?“ Keine Ahnung, was der spontane Gedanke gerade soll, aber es fühlt sich richtig an.
Mutter starrt durch die Seitenscheibe, dicke Tropfen ziehen ihre Bahnen und verschleiern die Sicht auf den Hof.
„Einfach mal die Sonne geniessen, am Strand spazieren. Wann warst du das letzte Mal am Meer?“
Sie dreht sich abrupt um.
„Aber Bueb, ich kann den Karl doch nicht alleine lassen.“
Ihr Blick lässt keinen Zweifel offen.
Ich lehne mich zu ihr rüber und nehme sie in die Arme.
„Schon gut, Mutter. Passt auf euch auf.“
Sie gibt mir einen Kuss auf die Backe und öffnet die Beifahrertür.
„Das werden wir. Schreib uns eine Karte aus Thailand.“
Ich starte den Wagen und rolle vom Hof. Im Rückspiegel sehe ich Mutter winken, Vater ist bereits verschwunden. Ein Schild bei der Abzweigung weist auf den Bau des letzten Zubringerstücks der A1 hin. Ich schüttle den Kopf und biege auf die Landstrasse Richtung Stadt ein.
Meine Gedanken sind gerade beim frisch gezimmerten Querbalken, als das Telefon klingelt. Ich schaue aufs Display und drücke die Freisprechtaste.
„Hallo Karin. Ja, ich bin auf dem Heimweg.“


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Glossar
Grosi = Grossmutter
Stöckli = kleineres Gebäude auf einer Hofstätte, das für die Altbauern errichtet wurde
Zweierli Roten = ein Glas (2dl) Rotwein
geschwellte = gekochte
Fleischvögel = Rinderrouladen
Niedle = Rahm
Miststock = Misthaufen
Znüni = Vesper zwischen Frühstück und Mittagessen

 

Grüezi in die Schweiz,

schließe mich lakita vollumfänglich an.
Wir Ösis haben ja (nicht erst seit Marcel Koller) eine enge Beziehung zu den Schweizern, vielleicht auch deshalb weil wir Dialekte sprechen, die sonst keiner versteht :D.
Auch ich mag dieses Lokalkolorit das du sehr atmosphärisch rüberbringst.
Ich mag diese Geschichte :thumbsup:

lG aus Tirol,
Luigi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi dot,

ganz ehrlich, ich weiß gar nicht, was ich großartig schreiben soll. Nur soviel, Gemäkel haste nicht zu erwarten, mich hat die Geschichte tief berührt. Bislang habe ich ungefähr die Hälfte der Geschichten zum TdM durch (gelesen, noch nicht alle davon bewertet), aber die hier ist bislang mein Favorit, und darauf kannste dir was einbilden, den ich finde, es sind einige wirklich gute Geschichten abgeliefert worden.
Ich mag die Art unheimlich gern, wie du die hier erzählst, das Ding ist einfach in sich stimmig.
Sorry, für mehr Input langt es gerade einfach nicht, auch deshalb, weil mich die Geschichte immer noch beschäftigt. Nur soviel, natürlich ist der Vater als Ekel angelegt, aber ich finde ihn dennoch nicht komplett unsympathisch, ehe bedauernswert... ein Mann, der es ofenbar nicht so mit Gefühlen hat, sie nicht zeigen kann, aber dennoch irgendwie darunter leidet.

Wie gesagt, eine tolle Geschichte!

LG svg

 

Hallo dotslash,

ich habe mich mit Deiner Geschichte lange schwergetan, deshalb habe ich sie zuerst auch gar nicht kommentiert. Jetzt beim zweiten Lesen komme ich besser rein, und Du hast inzwischen ja auch diverse Überarbeitungsrunden hinter Dich gebracht. Die Straffungen und Umstellungen haben dem Text gutgetan, obwohl ich den Verdacht habe, dass ein paar zu viele Hintergrundinfos entfallen sind. Aber das kann ich jetzt nicht mehr rekonstruieren.

Ja, das Alpenidyll aus den alten Heimatfilmen gibt es wohl so nicht mehr, falls es überhaupt je existiert hat. Deine Geschichte ist ein schöner Blick hinter die Kulissen, die harten Realitäten des Alltags schon früher (die Schulden, derentwegen sich der Ätti erhängt) und erst recht heute im Zusammenprall mit der Moderne (Autobahnbau). Dein Erzähler hat ja wenigstens seine Ausfahrt gefunden, auch wenn es nicht zwingend die letzte war; der Handlungsstrang mit Karin ist natürlich Lichtblick und Hoffnungsschimmer in dieser Tristesse.

Ansonsten hat der Ätti natürlich seine letzte Ausfahrt genommen, der Vater tut es vielleicht auch, die Mutter steht daneben und kann nichts tun, außer bei ihrem Karl zu bleiben, während der Sohn sich dem Drama entzieht, wie es wohl jeder von uns machen würde, der bei Verstand bleiben möchte. Mächtig deprimierend das Ganze, aber leider ziemlich realitätsnah.

Noch ein paar Kleinigkeiten im Textverlauf (Dopplungen bitte ich zu verzeihen, ich hab's nicht mit allen anderen Komms abgeglichen):

seinem geliebten Hürlimann
Kommt gleich zweimal vor in den ersten beiden Absätzen. Vielleicht wäre ein "geliebten" verzichtbar.

Der Geruch war vertraut und beruhigend zugleich.
Das "zugleich" passt irgendwie nicht. Das wäre eher angebracht, wenn "vertraut und beruhigend" ein Widerspruch wäre, den man rechtfertigen müsste. Ich würde das Wort einfach weglassen, dann beißt es sich auch nicht mehr mit dem "gleichzeitig" anderthalb Sätze später.

Warum dann die Ohrfeige?
Hat er sich doch kurz zuvor beantwortet: Hilflosigkeit. Ich vermute, Du meinst, dass er die Antwort erst heute kennt und sich die Frage damals gestellt hat. Letzteres kam für mich aber sprachlich nicht ganz rüber.

„JaKomma geht schon, Bueb. Wir schlagen uns durch“, sagte sie mit aufgewühlter Stimme.
„Ich muss was mit dir bereden.“
Nicht mit euch, nein, mit dir, Mutter.
"Geht es Sonntag?"
Hier verliere ich etwas den Überblick, wer spricht und denkt, insbesondere bei der letzten Zeile. Du hast allgemein sehr viele Zeilenwechsel drin, die ich nicht gemacht hätte. (Ich glaube, zuerst waren es manchen zu wenige - wie man's macht, macht man's verkehrt ...) Wie wäre es, wenn Du generell mehr Zeilen zusammenfasst, solange die sprechende/handelnde/denkende Person nicht wechselt? Also hier wären z.B. die 2. und 3. Zeile bei mir nur eine, weil derselbe Prot erst spricht und dann denkt. Evtl. käme die vierte da mit dran, je nachdem, ob das der Prot oder seine Mutter sagt. Das würde ich dann im Rest des Textes analog handhaben.

Zwölfuhrdreissig Nachrichten
Vielleicht mit Bindestrich. Unschönes Wort, so vom Schriftbild, gehört aber auf jeden Fall irgendwie verbunden.

auf den Feldern das Heu umschichten
Hatte schon mal irgendjemand moniert. Gehört nicht das Heu auf die Wiese und das Stroh aufs Feld? Außer natürlich, wenn beides im Stall landet? Kann mich allerdings irren, bin ja Stadtkind. :D

wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte
Auch das hatte schon jemand angemerkt: Knallgas riecht ja nicht so. Oder soll das gerade ein Fehler des Chemielehrers gewesen sein?

Ist doch war.
"wahr".

ihr Blick ist starr gerade ausgerichtet.
Nicht eher "geradeaus gerichtet"? Grammatisch geht beides, scheint mir aber nicht ganz bedeutungsgleich.

„...“
Finde ich deplaziert, mehr wie in einem Cartoon. Warum nicht einfach "sie schwieg" oder dergleichen?

mit einem Schlag verschiebt sich mein ganzes Weltbild. Alles erscheint mir in einem neuen Licht
Das ist schon arg "Tell", anders als der Rest der Geschichte.

„Hat er ja auch, erst im Bett hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Doktor Hofstettler las den Brief, nickte und ohne ein Wort stellte er den Totenschein auf Herzversagen aus. Es gab keine weiteren Untersuchungen und die Versicherung zahlte. Das Geld rettete unseren Hof und den Ätti konnten wir würdig neben seinem Hanni begraben."
Bis auf den ersten Satz ein ziemlich formaler Tonfall. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Mutter so spricht. Tut sie ja sonst auch nicht. Kann es sein, dass das in der ersten Version keine wörtliche Rede war?

"Gern gelesen" trifft es nicht, dafür ist der Stoff zu schwermütig. Aber sehr gut geschrieben! :)

Grüße vom Holg ...

 

Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune. Grossvater Alfred, von allen nur Ätti genannt.
Was für ein erster Satz! Großartig.

Aus der rechten Jackentasche lugt ein Zettel heraus.
Das du hier die Perspektive wechselt, ist sehr gut. Er holt sich dieses Bild ja zurück, und somit ist es aktuell, er sieht es jetzt.

Ein rot eingefärbtes Hanfseil, dreifachverdrillt, ohne Zweifel das Seil vom Ätti. Selbst gefertigt, hing immer über der Drehbank in der Werkstatt, gleich neben dem Bild der Greta Garbo.
Meine Begeisterung nimmt zu. Dieses noch einmal selber bestätigen, das finde ich super, das hinterlässt auch noch mal einen schalen Beigeschmack, direkt nach dem ersten Schock.

„Das Alter“, sagte der Arzt.
„Der Kummer“, sagte Mutter.
„Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.

Zuerst will man ja lachen oder wenigstens grinsen, aber dann kommt es bitterböse.

"Lass ihm doch die Ausfahrten“, meinte meine Mutter und stellte die geschwellten Kartoffeln auf den Tisch. Haha, Ausfahrten, diese Verharmlosung, super.

Zuende gelesen. Mir gefällt der Text sehr gut. Er mäandert manchmal etwas, wie bei dem Mittagsessen bei Grublers, aber das macht nichts. Es gibt nur eine Stelle, die ich problematisch finde, und zwar wo der Prot auf dem Hof ist und seinen Vater mehr oder weniger direkt nach Ätti fragt. Das finde ich zu kurzfristig, da solltest du vielleicht mehr Zeit lassen. Und auch ein wenig die Distanz erhöhen, denn er ist ja total in dieser Sache drin, gedanklich, da würde er, so glaube ich, doch mehr zögern, verunsicherter sein.

Besonders hat mir das Regionale gefallen, das fand ich authentisch und erhöhte die Glaubwürdigkeit, ich konnte den Hof richtig vor Augen sehen.

Gruss, Jimmy

 

Hallo lakita, Luigi, svg, The Incredible Holg und jimmysalaryman.

Habt vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren, ich komm einfach nicht hinterher mit aufarbeiten, die TdM Challenge schafft mich, echt! Aber ich stehl mir nächstens die Zeit und werde euch detailliert antworten.

Bis denne ...
dot

 

Hola dotslash,

ich will Dir nicht mit einem langen Kommentar die Zeit stehlen, die Du dann wieder anderswo stehlen müsstest – aber das muss ich sagen:

Eine hervorragende Geschichte, fabelhaft geschrieben!
Anfang der Siebziger habe ich im Berner Oberland gearbeitet – und fand tatsächlich Passagen in Deinem Text, die mir die alten Bilder ganz klar und eindrücklich in Erinnerung brachten.

Deine Geschichte spricht mich sehr an. Die vielen feinen Beobachtungen, das Einfühlsame, die Ernsthaftigkeit – das alles macht für mich eine gelungene Kurzgeschichte aus. Obwohl sie auch ein ganz kurzer wunderschöner Roman ist.

Ich danke Dir für dieses gute Stück, das habe ich wirklich sehr sehr gern gelesen!

José, in allerbester Leselaune.

PS: Ganz großartig:

Ich schlucke leer, ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lakita

Und Lobwiederholungen können eigentlich nie schaden.
Das ist des Autors schönster Lohn, und zeige mir einen Autoren hier, der eine Lohnerhöhung ablehnen würde. :D

Eine runde, sozusagen sauber runde Geschichte mit allem Drum und Dran. Gut gemacht.
Danke dir, das freut mich.

Ich musste zunächst dein Profil besuchen, weil ich erfahren wollte, ob du aus der Schweiz bist. War mir, ehrlich gesagt, vorher noch nicht so wuchtig aufgefallen, wie in diesem Text.
Inspiriert von anderen Autoren, die mit Lokalkolorit spielten (insbesondere Peeperkorn) wollte ich dies auch mal versuchen. Wie liest sich eine Geschichte in Anlehnung an Jeremias Gotthelfs Sprache, kommt so etwas beim Leser an oder wird er eher verschreckt. Hier galt es das Mass zu finden, mit kleinen Spitzen auf den Ort des Geschehens hinzuweisen, aber das ganze sollte noch flüssig zu lesen sein und nicht in Mundart ausufern, so dass das Glossar länger wäre als der Text.

Durch die schweizerischen Wortsprengsel erhöhst du natürlich deutlich den Eindruck einer authentischen Geschichte, die sich so und nicht anders in der Wirklichkeit zugetragen haben könnte.
Mir war es wichtig, die Geschichte genau dort anzusiedeln, wo dieser Hof steht und den Text nicht als allgemeingültige Familiensaga zu gestalten. Die Idee ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, wobei in der Realität jetzt nicht dieses riesen Drama voranging. Die Figuren, ja, die gibt es, zum Glück jedoch nicht autobiographisch. ;)

Wenn ein Autor es schafft, in mir einen Film zu erzeugen, dann hat er alles richtig gemacht.
Jetzt werd ich aber rot, danke.

Allenfalls in puncto Spannung, die sich in Grenzen hält, könntest du noch einen Scheit drauflegen, denn die brennende Frage, weshalb sich der Ätti umgebracht hat, könnte noch drängender für den Leser werden.
Stimmt, hier haben die meisten Kritiker auch den Finger drauf gehalten. Dein Vorschlag, den Vater bereits im Anfang der Geschichte durch Einschübe etwas stärker zu zeichnen, deckt sich mit anderen Vorschlägen, im Vorfeld den sturen Patriarchen durchblicken zu lassen, da geht in der Tat noch was.

Da müsste so manch anderer Autor noch lange rumpfriemeln, um dein Level zu erreichen.
Hui, jetzt wird mir aber schwindlig.
Ich möchte jedoch ganz klar einen Teil der Blumen an das Forum weiterreichen. Die tollen Rückmeldungen mit ihren konstruktiven Vorschlägen haben geholfen, und helfen immer noch, die Geschichte rund zu machen. So macht es einfach Spass und man lernt immer wieder neu dazu.

Ich habe gesehen, dass du gerade einen Suter liest, gerade bei dem entfällt mir immer wieder, dass er Schweizer ist.
Das ist interessant, gerade bei Suter finde ich Schweizerische Eigenheiten, und auch Orts- und Familiennamen sind so richtig CH-typisch, aber möglicherweise kommt es auf das Buch an. Bei "Mein bester Freund" und jetzt in "Die dunkle Seite des Mondes" finde ich das recht ausgeprägt, bei "Der Koch" weniger. Ist vielleicht auch den Entwicklungspahsen des Autors geschuldet. (Er lebte zwischenzeitlich ja auf Ibiza und in Guatemala.)

Vielen Dank fürs Lesen und deine wohltuenden Anmerkungen.
war/wahr ist auch behoben.
Schön, dass dich meine Fleischvögel und die gebrannte Creme unterhalten konnten.

Danke für deine tollen Gedanken dazu und liebe Grüsse,
dot

***

Salut Luigi aus Tirol

Danke auch dir für deine freundliche Rückmeldung.

Wir Ösis haben ja (nicht erst seit Marcel Koller) eine enge Beziehung zu den Schweizern,
Hach ja, damals, als wir noch alles Habsburger waren ... :D
Nein, freut mich natürlich, dass ich dich mit meinem CH-Kolorit unterhalten konnte.

Danke fürs Lesen und liebe Grüsse,
dot

***

Servus svg

Ich mag die Art unheimlich gern, wie du die hier erzählst, das Ding ist einfach in sich stimmig.
Das hört man gerne, danke.

Sorry, für mehr Input langt es gerade einfach nicht, auch deshalb, weil mich die Geschichte immer noch beschäftigt.
Herrlich, wenn eine Geschichte nachhallt, dann hat man augenscheinlich den Nerv des Lesers getroffen.

Wie gesagt, eine tolle Geschichte!
Ich machs kurz, weil grad ziemlich begeistert vor lauter tollen Rückmeldungen: :bounce:

Danke fürs Lesen und deine gfreuten Anmerkungen.
Liebe Grüsse,
dot

wie Jimmy immer so schön schreibt: wird fortgesetzt

 
Zuletzt bearbeitet:

Karins Vater schaute mich mit erhobenem Zeigefinger streng an, doch sein Lachen verriet, dass es wohl nicht ganz so schlimm war. Ich kaute verlegen auf meinen Erbsen herum und Karin grinste.
Als Frau Gubler ihre Schürze ablegte und sich setzte, riefen alle gleichzeitig: "Einen Guten miteinander." Und dann begann ein geschäftiges Treiben. Beat schaufelte in sich hinein und erzählte mit vollem Mund, wie der Max vom Lehrer einen Schwamm an den Kopf bekommen hatte, Karin schenkte mir Wasser nach und erzählte aus unserer Schulstunde, wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte. Karins Mutter lachte und der Vater schüttelte belustigt den Kopf.
„Irgendwann jagt der Guggenbühl noch das ganze Schulhaus in die Luft.“
Es war eines meiner schönsten Mittagessen.

Irgendwie ist das für mich fast die Schlüsselszene der Geschichte, dot. Sie zeigt nämlich sehr eindringlich das ganze Elend der vom Unglück heimgesuchten Familie des Ich-Erzählers. Gefühlsarmut, Sprach- und Lieblosigkeit, überhaupt das Scheitern am Leben scheinen sich in dieser Familie offenbar von einer Generation zur nächsten weiterzuvererben. Und man kann es deinem Protagonisten nur wünschen, dass er es letztlich schafft, diesen Teufelskreis endgültig zu durchbrechen.
Trotzdem könnte ich persönlich auf den letzten Satz ruhig verzichten:

„Hallo Karin. Ja, ich bin auf dem Heimweg.“
Der ist mir nämlich zu augenscheinlich dem Wunsch nach einem versöhnlichen Ende geschuldet. Oder soll es ein weiteres Puzzlesteinchen im Charakter des Erzählers darstellen, dass er seine Jugendliebe geheiratet hat? Aber was genau soll ich daraus schließen?
Ein offeneres Ende hätte mir in dem Fall beinahe besser gefallen, glaub ich. Der Erzähler, einsam und allein auf der Autobahn, im Novemberregen, mit den quälenden Gedanken im Kopf, dass er seine Eltern heute möglicherweise zum letzten Mal gesehen hat …

Aber wie auch immer, ein wirklich … nein, kein schönes, aber ein sehr berührendes Familiendrama ist dir hier gelungen, dot.
Und deine Erzählsprache finde ich einfach toll. Vor allem die vielen Schweizer Ausdrücke - kein anderes Idiom liebe ich so sehr wie eures - klingen einerseits unheimlich liebenswert („Grosi“, „Znüni“, jessasmaria!), gleichzeitig aber vermitteln sie auch irgendwie die Enge und Beschränktheit dieser bäuerlichen Gesellschaft, deren Verhaftetsein in jahrhundertealter Tradition. Ja, ist ein sehr atmosphärischer Text, eine leise, sehr stimmige Tragödie mit vielen ganz wunderbar fein gezeichneten Details.
Eine von den guten Heimatgeschichten sozusagen. :D

Wirklich nur drei Kleinigkeiten sind mir störend aufgefallen:

Oder mit den Schulfreunden im Heu Verstecken spielen, der Karin den jüngsten Wurf Katzen zeigen und dafür einen Kuss ernten.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren und ich durfte bei Karin Gubler vom Nachbarhof zu Mittag essen.
Kann es sein, dass dir da bei einem Überarbeitungsschritt was durcheinander geraten ist?
Zuerst tritt das Mädchen lapidar als Karin auf, um dann im nächsten Absatz erst näher vorgestellt zu werden. Liest sich irgendwie zu sehr nach Erklärung des Autors. Das ließe sich für mein Gefühl viel dezenter lösen, z.B. so:
und ich durfte am Nachbarhof zu Mittag essen. (Im nächsten Satz tritt dann ohnehin Karin auf. Und wie sie mit Familiennamen heißt, tut ja überhaupt nichts zur Sache.)
Ach ja, und noch was:

… wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren
Das ist in meinen Augen auch nicht gerade die glücklichste Formulierung. Vielleicht fällt dir da noch was Besseres ein.
(Was weiß ich, wegen irgendeiner Gerichtssache, wegen irgendeiner Behördensache, wegen irgendeiner Geldangelegenheit usw. in die Stadt fahren)

nach dem Öffnen brannten vor mir hundert Bremslichter.
Das klingt beinahe, als hätte er noch Zeit, sie zu zählen.
Besser wäre: hunderte, dutzende, oder nur Bremslichter.
Und würden die leuchten und nicht brennen, gefiele es mir noch besser. :D

Die Tränen liefen nun ungebremst.
Da ist dir ungebremst ein Präteritum in den Satz geknallt

War mir ein großes Lesevergnügen, dot

offshore.

 

Hallo The Incredible Holg

Schön, dass du den Text nach der Überarbeitung noch einmal gelesen hast, das ist nicht selbstverständlich und freut mich ungemein.

Mächtig deprimierend das Ganze, aber leider ziemlich realitätsnah.
Definitiv kein lüpfiger Heimatfilm, da gebe ich dir Recht.

seinem geliebten Hürlimann
Kommt gleich zweimal vor in den ersten beiden Absätzen. Vielleicht wäre ein "geliebten" verzichtbar.
Sehr gut, habe eines entfernt, danke.

Der Geruch war vertraut und beruhigend zugleich.
Das "zugleich" passt irgendwie nicht. [...]
Stimmt, kommt weg.

Warum dann die Ohrfeige?
Hat er sich doch kurz zuvor beantwortet: Hilflosigkeit. Ich vermute, Du meinst, dass er die Antwort erst heute kennt und sich die Frage damals gestellt hat. Letzteres kam für mich aber sprachlich nicht ganz rüber.
Stimmt, hab's umformuliert: "Ich fragte mich, wie die Ohrfeige dazu passte. Es blieb bis heute die einzige."

[...]„Ich muss was mit dir bereden.“
Nicht mit euch, nein, mit dir, Mutter.
"Geht es Sonntag?"[...]
Hier verliere ich etwas den Überblick, wer spricht und denkt, insbesondere bei der letzten Zeile. Du hast allgemein sehr viele Zeilenwechsel drin, die ich nicht gemacht hätte.
Vorerst "repariere" ich mal diese Stelle und füge die Zeilen zusammen. Ich werde auch noch den Rest des Text anschauen und auf allfällige Stolperfallen (wer spricht da) achten.

auf den Feldern das Heu umschichten
Hatte schon mal irgendjemand moniert.
Mensch ja, khnebel hat das auch schon erwähnt! Nachlässigkeit, die Wiese ist jetzt hoffentlich für immer drin.

wie Herr Guggenbühl mit uns Knallgas herstellte und danach das ganze Zimmer nach faulen Eiern gerochen hatte
Auch das hatte schon jemand angemerkt: Knallgas riecht ja nicht so. Oder soll das gerade ein Fehler des Chemielehrers gewesen sein?
Ups, Schwups war's. Ich vergass zu erklären: Wir stellten damals im Unterricht Knallgas mit Schwefelwasserstoff her. Und das stinkt dann halt nach faulen Eiern. Ich wollte das Erlebnis schon immer mal literarisch verarbeiten. Hier eine Beschreibung zum Schul-Experiment.

ihr Blick ist starr gerade ausgerichtet.
Nicht eher "geradeaus gerichtet"? Grammatisch geht beides, scheint mir aber nicht ganz bedeutungsgleich.
'geradeaus gerichtet'. Ha, Tippfehler, den ich x-mal überlesen habe. Danke!

„...“
Finde ich deplaziert, mehr wie in einem Cartoon. Warum nicht einfach "sie schwieg" oder dergleichen?
Ok, ich ersetze das "cartoonhafte Schweigen" mit zitternden Lippen. ;)

mit einem Schlag verschiebt sich mein ganzes Weltbild. Alles erscheint mir in einem neuen Licht
Das ist schon arg "Tell", anders als der Rest der Geschichte.
Erst dachte ich, du meinst hier den Armbrust-Wilhelm aus Altdorf.:D
Nein, ist zwar weniger "Show", aber die beiden Phrasen sprangen mich während des Schreibens an, und ich wüsste jetzt nicht, wie ich dieses Gefühl anders verpacken könnte.

„Hat er ja auch, erst im Bett hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Doktor Hofstettler las den Brief, nickte und ohne ein Wort stellte er den Totenschein auf Herzversagen aus. Es gab keine weiteren Untersuchungen und die Versicherung zahlte. Das Geld rettete unseren Hof und den Ätti konnten wir würdig neben seinem Hanni begraben."
Bis auf den ersten Satz ein ziemlich formaler Tonfall. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Mutter so spricht. Tut sie ja sonst auch nicht. Kann es sein, dass das in der ersten Version keine wörtliche Rede war?
Doch, war da auch schon. Ich habe diesen Absatz etwas umgestellt und aufgebrochen, so wirkts hoffentlich nun weniger formal.

Schön, dass dir der Text trotz Schwermut zusagte und danke für deine kritischen Betrachtungen.
Liebe Grüsse,
dot

***

Hallo jimmysalaryman

Was für ein erster Satz! Großartig.
Ich fühle mich geadelt, doch ein Dank gebührt auch weltenläufer, der mich dazu animierte, den im Original erst später auftauchenden Satz an den Anfang zu stellen.

Das du hier die Perspektive wechselt, ist sehr gut. Er holt sich dieses Bild ja zurück, und somit ist es aktuell, er sieht es jetzt.
Jetzt wo du's sagst. :D
Auch wenn es unbewusst geschah, bin ich froh, dass mir hier der Perspektivenwechsel mal gelungen ist. Ansonsten war es zum Teil relativ schwierig, den Hauptstrang in der Gegenwart spielen zu lassen und den Rest ins Präteritum zu stellen. Viel einfacher wäre es gewesen, alles im Präteritum zu schreiben, aber ich wollte das wirklich mal bewusst ausprobieren, wie sich das anfühlt.

"Lass ihm doch die Ausfahrten“, meinte meine Mutter und stellte die geschwellten Kartoffeln auf den Tisch. Haha, Ausfahrten, diese Verharmlosung, super.
Ich hatte da vor dem Einstellen noch "sein Hobby" drin, das gefiel mir aber nicht, weil die Mutter so nicht reden würde. Um so mehr freut es mich, dass diese Variante funktioniert.

Es gibt nur eine Stelle, die ich problematisch finde, und zwar wo der Prot auf dem Hof ist und seinen Vater mehr oder weniger direkt nach Ätti fragt. Das finde ich zu kurzfristig, da solltest du vielleicht mehr Zeit lassen. Und auch ein wenig die Distanz erhöhen, denn er ist ja total in dieser Sache drin, gedanklich, da würde er, so glaube ich, doch mehr zögern, verunsicherter sein.
Ich denke, das ist die zentrale Schwäche dieses Textes. Wie andere ebenfalls bemängeln, fehlt der Hintergrund, weshalb der Vater so ein grantiger Mensch ist, bzw. was ihn dazu gemacht hat. Vielleicht hat der ja auch nie dem Ätti genügt und nun will sein Sohn nicht mal den Hof, für den er sich so eingesetzt hat. Das muss ich noch irgendwie in eine Episode verpacken und vor der Ankunft auf dem Hof erzählen. Aber ich möchte da jetzt keinen Schnellschuss produzieren, das bedarf der Ruhe und die habe ich im Moment schlichtweg nicht.

Besonders hat mir das Regionale gefallen, das fand ich authentisch und erhöhte die Glaubwürdigkeit, ich konnte den Hof richtig vor Augen sehen.
Sowas freut mich ungemein, deine Worte haben Gewicht und sind süsse Toblerone für meine Seele.

Vielen Dank Jimmy für deinen tollen Kommentar.
Sláinte mhaith,
dot

***

Hola josefelipe

Eine hervorragende Geschichte, fabelhaft geschrieben!
Und das schneide ich mir aus und häng mir's über's Bett.
Vielen Dank dafür und schön, dass ich deine Laune heben konnte.
Liebe Grüsse,
dot


(to be continued)

 

Hallo dotslash,

jetzt habe ich zum fünften Mal deine Geschichte gelesen, und sie gefällt mir immer besser. Zur sprachlichen Seite möchte ich nichts mehr sagen, das haben hier schon sehr kompetente Leute getan. Als Mensch aus dem Schwarzwald habe ich auch keine Schwierigkeiten mit dem Schwitzerdütsch. Das Bauernleben ist hier ähnlich geprägt wie in der Schweiz. Die Härte, mit der Kinder erzogen wurden, das Rettenwollen von Hab und Gut um jeden Preis, das große Schweigen. Nicht ganz klar ist mir, ob die Eltern des Protagonisten Schuldgefühle haben oder ob sie die Vertuschung des Selbstmordes zur Existensicherung für gerechtfertigt halten, weil der Ätti es ja so gewollt hat. Und was ist mit Franz? Worüber genau ist er schockiert? Dass er schnell "heim"-fährt, kommt mir wie eine Flucht vor. Und zwar eher vor den Schrecken seiner Kindheit als vor dem moralischen Dilemma seiner Eltern. Aber vielleicht wolltest du gerade das zeigen.

Hat mir gut gefallen!

Gruß wieselmaus

 

Hallo dot,

um die Geschichte bin ich eine Weile herumgeschlichen, weil ich als Nicht-Kennerin der Schweizer Küche den Titel irgendwie verstörend fand. :)

Das Essen ist zwar nicht das Beunruhigende in der Geschichte, aber trotzdem gut, dass ich vorgewarnt war. Da sind schon ganz schön krasse Szenen drin, und dadurch, dass die Figuren sehr gut gezeichnet sind und mir beim Lesen sehr lebendig vorkamen, habe ich da auch echt mitgefühlt.

Es gibt sehr viele Stellen, die mir sehr gut gefallen, weil die mit wenigen Worten sehr viel sagen.

Es war in der sechsten Klasse, da mussten meine Eltern wegen irgendeiner Sache mit dem Hof in die Stadt fahren und ich durfte bei Karin Gubler vom Nachbarhof zu Mittag essen.
Das Mittagessen ist so ein Beispiel, das ist meine Lieblingsszene glaube ich. Man kriegt das Gefühl, dass der Erzähler vorher gar nicht gemerkt hat, dass das Familienleben bei ihm zuhause verkorkst ist, dass er erst den Vergleich mit der anderen Familie gebraucht hat, um das mitzukriegen. Nur eine kleine Anmerkung: Wenn das dieselbe Karin ist, zu der er am Ende der Geschichte zurückfährt, dann finde ich es komisch, dass er ihren Nachnamen nennt. Ich meine klar, als Kind hat er vielleicht so von ihr gedacht, aber später, wenn die ein Paar sind oder verheiratet, denkt er doch nicht mehr als "Karin Gubler" von ihr.

„Mein Platz ist hier auf dem Hof, bei Karl.“
Ach, die Mutter ist frustrierend. Nicht, dass du sie anders schreiben solltest, das ist ja realistisch und kommt sehr gut rüber. Aber diese extreme Selbstverleugnung, das finde ich schon traurig und anstrengend. Klar, das ist Frauen in der Generation anerzogen worden, und Loyalität ist ja grundsätzlich auch was Gutes, aber was ich krass finde, ist dass es halt so bedingungslos ist. Die sieht ja, dass der Alte sich der Realität verweigert und dass das böse enden wird, denke ich zumindest. Und wehrt sich trotzdem kein bisschen dagegen, dass er sie mit runterzieht. Ich finde "in guten wie in schlechten Zeiten" zum Partner zu stehen ja nicht verkehrt, aber wenn einer die schlechten Zeiten selber herbeiführt oder zumindest verschlimmert, ist es was anderes.

„Wir fliegen nächsten Monat nach Bali. Komm doch einfach mit?“ Keine Ahnung, was der egoistische Gedanke gerade soll, aber es fühlt sich richtig an.
Das ist doch gar nicht egoistisch. Der will die Mutter auch da rausholen, genau wie ich. :) Ohne das "egoistisch" würde sich der Satz auch besser lesen, finde ich.

Insgesamt habe ich es echt gerne gelesen, und war komischerweise am Schluss auch recht gut gelaunt, obwohl der Inhalt ja eigentlich ziemlich düster ist. Aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es dem Erzähler besser ergehen wird als seinen Eltern, auch wenn ihm die Familiengeschichte natürlich nachhängen wird, vor allem wenn der Vater wirklich dem Vorbild des Großvaters folgt und den Querbalken in der Scheune benutzt.

Außerdem hat es mich sehr gefreut, die Bekanntschaft des Wortes "Znüni" zu machen. :)

Grüße von Perdita

 

Sorry, ernst offshore für die späte Rückmeldung, aber RL bietet momentan wenig Freiraum und geht vor.

Irgendwie ist das für mich fast die Schlüsselszene der Geschichte, dot.
[...]
Trotzdem könnte ich persönlich auf den letzten Satz ruhig verzichten:
„Hallo Karin. Ja, ich bin auf dem Heimweg.“
Ein offeneres Ende hätte mir in dem Fall beinahe besser gefallen, glaub ich. Der Erzähler, einsam und allein auf der Autobahn, im Novemberregen, mit den quälenden Gedanken im Kopf, dass er seine Eltern heute möglicherweise zum letzten Mal gesehen hat …
Das war ursprünglich meine Idee, dann hatte ich plötzlich die Eingebung mit der Jugendliebe und nun möchte ich die Geschichte nicht mehr anders enden lassen, als mit diesem persönlichen Glück meines Prots.

Aber wie auch immer, ein wirklich … nein, kein schönes, aber ein sehr berührendes Familiendrama ist dir hier gelungen, dot.
Wunderbar, danke dir.

… und ich durfte am Nachbarhof zu Mittag essen. (Im nächsten Satz tritt dann ohnehin Karin auf. Und wie sie mit Familiennamen heißt, tut ja überhaupt nichts zur Sache.)
Ach ja, und noch was:
... wegen irgendeiner Gerichtssache, wegen irgendeiner Behördensache, wegen irgendeiner Geldangelegenheit usw. in die Stadt fahren)
Sehr plausibel, wird beides übernommen, danke dafür.

Besser wäre: hunderte, dutzende, oder nur Bremslichter.
Und würden die leuchten und nicht brennen, gefiele es mir noch besser.
Daran soll's nicht scheitern, jetzt leuchten dutzende Bremslichter.:D

War mir ein großes Lesevergnügen, dot
Das macht Freude.
Danke dir für deine gfreute und konstruktive Rückmeldung.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo wieselmaus

jetzt habe ich zum fünften Mal deine Geschichte gelesen, und sie gefällt mir immer besser.
Fünf Mal ... :eek: wow, welch schönes Kompliment, danke.

Nicht ganz klar ist mir, ob die Eltern des Protagonisten Schuldgefühle haben oder ob sie die Vertuschung des Selbstmordes zur Existensicherung für gerechtfertigt halten, weil der Ätti es ja so gewollt hat.
Vielleicht von beidem etwas. Sicher waren erst die Schuldgefühle präsent und mit dem Brief kam schnell die Sicherung der Existenz ins Spiel.

Und was ist mit Franz? Worüber genau ist er schockiert? Dass er schnell "heim"-fährt, kommt mir wie eine Flucht vor. Und zwar eher vor den Schrecken seiner Kindheit als vor dem moralischen Dilemma seiner Eltern.
Nicht ganz falsch, aber als Flucht würde ich das nicht bezeichnen. Er hat seit längerem sein eigenes (geordnetes) Leben und wollte vor der Abreise nach Indonesien noch einmal zurück zu seiner Heimstätte, um gewisse Dinge zu regeln. Da erfährt er die wahre Geschichte über den Tod des Ättis, worauf das unverrückbare Festhalten am Hof des Vaters auf einmal erklärbar wird. Nachdem sich auch die Mutter nicht auf seine Seite ziehen lässt, gibt er auf und kehrt zurück in sein eigenes Leben.

Schön, dass es dir gefallen hat.
Vielen Dank für deine Rückmeldung.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo maria.meerhaba

Nach so vielen Jahren immer noch ein Radio? Keine Kritik, aber ich weiß nicht, der wäre doch längst auf einen Schwarzweiß-Fernseher umgestiegen, oder?
Fernseher in der Küche? Nicht bei Karl, das Radio ist Marke Blaupunkt und steht seit 1972 auf dem Brotsims, die Antenne repariert mit Tesafilm. Trad. Landleben eben. ;)

Und wie die Versicherung bei so was zahlt. Wenn der Vertrag drei Jahre läuft, zahlt die Versicherung ganz normal.
Habs nochmal nachgeschaut, und tatsächlich gibt es nach der Karenzzeit von drei Jahren die volle Summe, auch bei Suizid. Aber wussten sie das? :p

Es ist eine nette Geschichte, interessant und nett,
Nett? Ich bin geschockt!:eek:

Am Schluss wird das deutlich für mich klar und mal ganz ehrlich, ich könnte da den Hof auch nicht einfach so aufgeben, egal, was kommt. Also das fand ich super.
Ich bin erleichtert!
:D

Dennoch kam mir der Text doch viel zu kurz vor und irgendwie endete es für mich einfach zu abrupt. Die Auflösung gelingt dir schon, aber der Vater ist dermaßen unsympathisch, dass ich mich nicht ganz einleben konnte.
Das wurde schon mehrfach angemeckert, dass der Vater zu wenig gut eingeführt wird, um sein Verhalten nachzuvollziehen. Mit etwas Abstand werde ich da nachbessern, danke für dein Feedback.

Schön, dass ich dich immerhin etwas unterhalten konnte, ich kenne deine knallharten Urteile und so empfinde ich "nett" durchaus als Kompliment. :D

Liebe Grüsse, dot

***

Hallo Perdita

um die Geschichte bin ich eine Weile herumgeschlichen, weil ich als Nicht-Kennerin der Schweizer Küche den Titel irgendwie verstörend fand.
Ups, das war eigentlich nicht meine Intention, ich wollte durch den etwas ausgefalleneren Titel Kunden fangen, und nicht vergraulen. :shy:

Nur eine kleine Anmerkung: Wenn das dieselbe Karin ist, zu der er am Ende der Geschichte zurückfährt, dann finde ich es komisch, dass er ihren Nachnamen nennt. Ich meine klar, als Kind hat er vielleicht so von ihr gedacht, aber später, wenn die ein Paar sind oder verheiratet, denkt er doch nicht mehr als "Karin Gubler" von ihr.
Hat ernst ebenfalls angemerkt, da ist was dran. Ich hab das umformuliert. Und es liest sich im Gesamtkontext wirklich runder. Danke fürs Anmerken.

Die sieht ja, dass der Alte sich der Realität verweigert und dass das böse enden wird, denke ich zumindest. Und wehrt sich trotzdem kein bisschen dagegen, dass er sie mit runterzieht. Ich finde "in guten wie in schlechten Zeiten" zum Partner zu stehen ja nicht verkehrt, aber wenn einer die schlechten Zeiten selber herbeiführt oder zumindest verschlimmert, ist es was anderes.
In der Tat, ich finde es ebenfalls beunruhigend, wie viele Frauen sich bedingungslos hinter ihren Mann stellen, obwohl alles dagegen spricht. Es war mir wichtig, dies hier so deutlich aufzuzeigen, auch wenn die Wirkung deprimierend ausfällt.

„Wir fliegen nächsten Monat nach Bali. Komm doch einfach mit?“ Keine Ahnung, was der egoistische Gedanke gerade soll, aber es fühlt sich richtig an.
Das ist doch gar nicht egoistisch. Der will die Mutter auch da rausholen, genau wie ich. Ohne das "egoistisch" würde sich der Satz auch besser lesen, finde ich.
Stimmt schon, aber gegenüber dem Vater ist es egoistisch, obwohl Franz sich in diesem Moment mehr Sorgen um seine Mutter macht, knifflig. Aber ich spüre deinen Einwand, ich ändere es auf "spontan".

Insgesamt habe ich es echt gerne gelesen, und war komischerweise am Schluss auch recht gut gelaunt, obwohl der Inhalt ja eigentlich ziemlich düster ist.
Was mich in der Entscheidung, mit Karin ein versöhnliches Ende für Franz eingebaut zu haben bestärkt. Danke Perdita.

Schön, dass dir die Schweizerischen Idiome gefallen haben.

Liebe Grüsse, dot

 

Hallo dot,

Aus Krankheitsgründen konnte ich in letzter Zeit nur wenige Geschichten lesen. Aber da Du in letzter Minute meine Geschichte gelesen hast, wollte ich wenigstens noch Deine Geschichte lesen.

Vieles ist bereits geschrieben worden, deshalb möchte ich nur noch sagen, die Geschichte hat mich berührt bis zum letzten Satz. Beim Lesen entstanden in meinem Kopf sofort Bilder, denn manches ist mir vertraut, bis hin zu den Fleischvögeln.
Es ist eine Geschichte aus dem wirklichen Leben.

Ein schönes Wochenende wünscht Dir
Marai

 

Hallo Marai

Danke dir für deine Rückmeldung.
Schön, dass du dir trotz Krankheit die Zeit genommen hast und ich dich mit meiner Geschichte berühren konnte.

Gute Besserung und liebe Grüsse,
dot

 

Wusst' ich's doch immer schon, dass die Ostgoten es geschafft haben über die Alpen, wie sonst ließe sich erklären, dass in Baiern mehr als Reste des Duals sich erhalten haben und Attila (an sich schon eine Verniedlichung des Vaters) verniedlicht wird zum Ätti (Atta, gotisch, nhd. Vater), aber Spaß beiseite,

lieber dot,

die Welt ist schlecht. Und an der Spitze der Finanzindustrie stehen Versicherungen, auch die eben keine unbeschrieben Blätter - da ist es nur recht und billig, wenn sie auch übers Ohr gehauen werden.

Alles schon gesagt, dass ich mich auf die verbliebenen Flusen beschränken werd. Vorweg die zwo gefundenen, äh, falsch, vermissten Kommas

Ich hatte gerade einen gefüllten Teller vorgesetzt bekommen und begann[,] mir Erbsen in den Mund zu schieben, da rief Karins kleiner Bruder:
„Komm[,] steig ein, wir müssen darüber reden“, sage ich zu Mutter und öffne ihr die Tür.

Dann ein merkwürdiges Spiel mit den Elementen „starr, gerade, aus, gerichtet", das sogar mir durchgegangen wäre, wäre da nicht kurz darauf eine Wiederholung erfolgt

Der bequeme Beifahrersitz meines Geländewagens scheint sie förmlich zu verschlucken, ihr Blick ist starr gerade ausgerichtet.
[...]
Sie sieht starr gerade aus und beginnt zu rezitieren:

Natürlich, kann sich ein Blick „starr“ auf dieses oder jenes richten, dass „ausrichten“ nicht auszuschließen ist und es gibt das Verb sehen mit der Vorsilbe aus, die dann aber weniger den Sehvorgang meint, als vom Äußeren, dem Aussehen handelt. Was im „Blick starr ausrichten“ wie ein technischer Vorgang klingt, reduziert sich mit dem, Verb sehen synonym zum Blick/en als Adverb – geradeaus, „geradeaus richten“, "starr geradeaus gerichtet" und "sieht starr geradeaus".

Gern gelesen vom

Friedel

 

Salü Friedrichard

Erneut ein "Gern gelesen" und zwei, drei fundierte Flusen von dir, das freut mich.
Die Flusen hab ich gesaugt und das Gern gelesen mir mit Freude reingezogen.

Danke dir, Friedel.
Liebe Grüsse,
dot

 

Hallo dot,

dein TdM hatte ich schon länger auf meiner Liste. Habe es damals nur angelesen oder überflogen …

Zunächst fällt mir auf, dass du ein Glossar über die Begriffe gemacht hast. Finde ich sehr gut. Doch leider habe ich das als erstes geelsen, so dass nun die interessante Titelvergabe („Fleischvögel“) das Geheimnisvolle verloren hat. Meine Schuld … :schiel:

Da hat er gehangen, am Querbalken der Scheune. Grossvater Alfred, von allen nur Ätti genannt.
Starker Anfang. :thumbsup:

„Das Alter“, sagte der Arzt.
„Der Kummer“, sagte Mutter.
„Musste wenigstens nicht lange leiden“, sagte Vater.
Das gefällt mir sehr gut.

Mit gesetztem Blinker überholte ich einen schleichenden Lastwagen. Schlachtvieh. Auf der Seitenwand ein lachender Kuhkopf.
Sehr schöne Details. Überhaupt.

Ich konnte mich gut hineinversetzen in die Landschaft, in den Prota.
Jahrelang ist da diese Ungewissheit, was auf dem Zettel stand. Dann ist es raus. Aber richtig ändern tut sich dadurch jetzt nichts. :Pfeif:
Der Rückblick, wo er bei einer anderen Familie gegessen hat, ist mir etwas zu lang. Außerdem hatte ich gedacht, dass einige oder eine Person davon später noch eine Rolle spielen würde, da das schon fast zu detailliert war (gerade mit den vielen, neuen Namen).

Hat mir gut gefallen, lieber dotslash.

Liebe Grüße,
GoMusic


P.S.: Du kannst gut in „Hof-Geschichten“. Da kommt der Wunsch auf, so etwas Ähnlichen als Prequel für meine Story „Die Kinder schlafen“ zu haben. :lol:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo GoMusic

Und wieder musstest du lange auf 'ne Antwort warten, ist aber auch ein Kreuz mit diesem RL ... :p

GoMusic schrieb:
Der Rückblick, wo er bei einer anderen Familie gegessen hat, ist mir etwas zu lang. Außerdem hatte ich gedacht, dass einige oder eine Person davon später noch eine Rolle spielen würde, da das schon fast zu detailliert war (gerade mit den vielen, neuen Namen).
Möglicherweise ging da meine Intention, dem Protagonisten Tiefe zu geben etwas in die falsche Richtung, zumal ich bedeutsamere Szenen, wie das Verhältnis Vater/Sohn, eher zu kurz kommen liess. Das haben andere auch schon angemeckert.

Das mit dem Glossar tut mir natürlich leid, vielleicht sollte ich es in einen Spoiler packen? :D

Aber schön, dass dir meine kleine Hof-Geschichte gefallen hat und ich dich unterhalten konnte.

Danke für dein Feedback.
Liebe Grüsse,
dot

 

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