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Novelle Flämmchen und Branko

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04.03.2018
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Flämmchen und Branko

Drei Tage noch. Luzia klatschte vor Freude in die Hände. Schnell pustete sie die Flammen auf den Handflächen aus, aber es war zu spät. Rauchschwaden stiegen hoch zur Decke, wo sie an den dunklen Balken entlangwanderten. Luzia riss die Tür auf, dennoch zogen einige Wölkchen durch das Treppenloch ins Obergeschoss.
Bange Sekunden verstrichen, bevor sie Gerumpel und ein Grunzen hörte.
»Luzia!«, dröhnte Zacharias Stimme von oben. Zacharias rief sie nie Flämmchen. Das hatten nur Gerti und Anton getan.
Die Kammertür quietschte in den Angeln, dann hörte sie das Schlurfen der Pantoffeln. Bei jedem Schritt nach unten knarzte die alte Holztreppe.
»Luzia, hast du wieder …?«, polterte er los. Zacharias' Augenbrauen waren weiß wie eine Schneewechte. Darunter funkelten seine Augen, in die das Leben nur zurückkam, wenn er wütend war.
Sie senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Die Hände hatte sie hinter dem Rücken verschränkt, damit sie nicht aus Versehen etwas taten, was sie nicht durften. Einen Moment lang stand sie reglos da, dann schniefte sie die Träne unter der Nase weg und nickte. Zacharias war zum Glück nie lange böse. Sein Groll verrauchte, sobald die Augenbrauen sich wieder hoben. Dennoch konnte sie ihm nicht in die Augen schauen.
»Zeig mir die Hände«, sagte der Großvater.
Luzia hielt ihm die Handflächen hin, sie waren schwarz. Sie wusste, was sie zu tun hatte, hob die Hände zu den Schläfen und zog sie über die Wangen bis zum Kinn. Erst heute Abend durfte sie den Ruß abwaschen, bis dahin würde sie aussehen wie eine Kaminfegerin. Bis auf den Spiegel in ihrer Kammer würde es niemand zu sehen bekommen. Dort war sie alleine, seit Anton nicht mehr neben ihr schlief.
Grummelnd ging Zacharias zum Verschlag, zog Stiefel und Woll-Joppe an und trat aus dem Haus. Von draußen leuchtete kurz die Wintersonne in die Stube, dann schlug die Tür zu. Luzia wusste, er würde jetzt zum neuen Stall gehen, an dem roten Lärchenholz riechen und dabei an Gerti und Anton denken.

In Luzias Erinnerung hingen zwei Bilder. Sie hingen fest an ihrem Platz wie zwei Rahmen an der Wand. Den Anton sah sie mit dem Schnitzmesser in der schmalen Hand, wie er einfache Vögelchen schnitzte, auf die Späne zeigte und dann sagte: 'Zünd sie an, Flämmchen.'
Er konnte sich nicht sattsehen an dem Feuer, das aus ihren Händen loderte. Manchmal dachte sie, das wäre der eigentliche Grund, warum der Anton so viel schnitzte, denn niemand brauchte jemals so viele Holzvögel.
Gerti sah sie stets in der Küche stehen, zwischen dem mit Mehl bestäubten Tisch und dem weißen Herd aus Emaille. Sie drückte die große Schüssel an ihren Busen und knetete mit kräftiger Hand darin. Dabei lachte sie, als wäre das alles ein Klacks. Gerti roch nach Zimtsternen und frischem Sahnequark. Niemand sonst roch so gut. An manchen Tagen im Frühling hing ein Hauch davon noch in der Luft, auch wenn die Küche schon lange verwaist war und niemand mehr im großen Ofen buk.

»Luzia? Zacharias?«. Es klopfte zweimal an den Türrahmen. Heute war Mittwoch und mittwochs kam die Ellen mit der Post.
»Ellen, leg die Briefe bitte draußen auf die Bank.« Kurze Stille. Luzia hörte ein Rascheln, etwas plumpste auf das Holz. Dann hörte sie nichts mehr.
»Alles in Ordnung, Luzia?«
Luzia überlegte, was sie antworten sollte. Eine dunkle Stimme kam ihr zuvor: »Was soll mit ihr nicht in Ordnung sein?« Zacharias hatte wohl das Rufen gehört.
»Ich mein ja nur, weil sie die Tür nicht aufmacht.«
»Sie hat Kopfschmerzen, das Sonnenlicht tut ihr weh.«
»Oh, die Arme. Pfefferminzöl auf die Stirn, das hilft. – Bis nächste Woche dann.«
Ellen wendete das Fahrrad im Hof, Luzia hörte das Knirschen der Reifen auf den kleinen Steinchen. Sie wartete noch eine kleine Weile, dann öffnete sie die Tür.
Draußen auf der Bank saß Zacharias und hielt einen Brief in den schwieligen Händen. Ein Blatt Papier mit einem Wappen im Kopf, einer Handbreit Buchstaben aus einer Schreibmaschine darunter und einem Stempel vom Amt. Und darin eingefangene Bögen und Striche aus blauer Tinte.
Als Zacharias aufblickte, war da ein wenig von Gerti und Anton in seinem Blick. Vielleicht war es eine Erinnerung, die schon länger eine Tür nach draußen suchte, weil sie es allein in der klammen Stille nicht mehr aushielt.
»Was steht in dem Brief?« Luzia zog die Nase kraus, weil die Sonne sie blendete.
Zacharias faltete ihn zusammen und steckte ihn in die Joppe. Dann stand er auf und ging wieder zum Stall.

Auf dem Tisch stand der Adventskranz aus frischem Grün mit der Weihnachtspyramide in der Mitte. Einer der Flügel war gebrochen. Zacharias wollte den Knochenleim aufkochen, sobald der Kachelofen in der Stube das nächste Mal heiß genug sein würde, wie er sagte. Jetzt im Winter war er jeden Tag heiß genug und doch blieb der Leim auf der Fensterbank stehen.
Luzia nahm den Topf in die Hände, drückte fest zu und dachte an Gerti. In den Duft nach Zimtsternen mischte sich bald der stechende Geruch des Leims. Mit dem Pinsel aus dem Topf bestrich sie das Bruchstück und drückte es an seinen Platz. Bis der Leim kalt genug war, hielt sie den Flügel fest.
Luzia schnippte mit den Fingern. Vom Daumen tropfte eine kleine Flamme auf eine der verstaubten Kerzen. Nach der dritten angezündeten Kerze begann die Pyramide sich zu drehen. Der Hirte mit dem mannshohen Stab sauste fünfmal an ihr vorbei, dann spuckte sie auf die Fingerspitzen und löschte die Flammen. Sie öffnete das Fenster und stellte den Topf mit dem flüssigen Leim in den Zug. Der Brief! Sie musste ihn fragen.
Luzia ging durch den Schnee zum Stall. Die neuen Bretter um das offene Tor herum leuchteten wie ein Sonnenaufgang. Gülle stach in der Nase, kurz hielt sie die Luft an. Sie achtete darauf, mit den frisch gefetteten Stiefeln nicht in die Kuhfladen zu treten. Sie hatte sie umsonst geputzt, Nikolaus war dieses Jahr nicht gekommen.
Das Scharren der Hufe war zu hören und Heu, das in Mäulern knistert. Dazwischen ein flaches Schnarchen. Zacharias lag rücklings auf einem der großen Ballen, die Forke stak im Stroh, daneben lag eine kleine silberne Flasche. Die Joppe war aufgeklappt, das Stück Papier ragte aus der Innentasche.
Vorsichtig fingerte Luzia den Brief aus der Joppe. Wenn Zacharias wach wurde, konnte sie den Brief fallen lassen und sagen, er wäre ihm aus der Tasche gerutscht.

Sehr geehrter Herr Brandl,
zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr Mündel Luzia Loibl nicht länger in Ihrem Haushalt verbleiben kann.
Nach dem Ableben Ihrer Ehegattin Gertrud Brandl und Ihres Mündels Anton Loibl sehen wir die familiäre Grundlage für ein gedeihliches Aufwachsen des Mündels nicht mehr als gegeben an. Die Überführung ins Waisenhaus Klosterbrunn wird im Jänner des folgenden Jahres stattfinden.
Hochachtungsvoll.

Luzia zitterte und mit ihr das Blatt Papier zwischen den Fingern. Es verschwamm vor den Augen. Es flatterte, es prasselte, es brannte. Sie schloss die Hände, versuchte, das glimmende Papier darin einzuschließen. Vergeblich. Einzelne rot geränderte Flocken schwebten durch die Scheune.
»Zacharias!« Luzia schrie, so laut sie konnte..
Großvater sprang auf die Beine, umklammerte die Forke, die Augen weit geöffnet. Er verstand augenblicklich, griff den Blecheimer, lief zum Trog und verteilte Wasser auf die Glutnester. Als es nur noch qualmte, landete der Eimer mit Wucht auf dem Boden, schepperte durch die Scheune. Die Kühe scharrten und muhten laut.
Zacharias stand vor ihr, hob voller Wut die Hand und ließ sie wieder sinken, hob sie nochmals an, dann zischte er durch die Zähne: »Genug. Es ist genug, ein für alle Mal. Hörst du …«

Luzia drehte sich um und lief. Sie schaute nicht zurück, hörte nicht, was er rief, lief, so schnell die Stiefel sie trugen. Über die verschneite Weide, über die weiße Wiese dahinter und hinein in den Wald. Durch dunklen Tann, über Lichtungen und unter kahlen Buchen hindurch. Immer wieder musste sie blinzeln, weil der Wald durch die Tränen verschwamm. Sie lief, bis ihr Atem nicht mehr ausreichte und sie stehen bleiben musste.
Sie war in einem Teil des Waldes angelangt, in dem niemand Holz schlug, in dem es keine Wege für Ochsenkarren gab, noch nicht einmal Fußpfade, nur Gestrüpp, Schnee und Kälte. Ab und zu knackte es im Unterholz. Aus weiter Ferne kam ein Heulen. Über den Wipfeln hing schon die sternenklare Nacht und wartete darauf, dass die Sonne den Himmel freigab.
Luzia sammelte Tannenzapfen, kleine Äste und Stücke abgebrochener Borke. Sie grub eine Mulde in den Schnee und schichtete alles zu einem Haufen. Dann dachte sie an den Anton, den Vogelschnitzer und klatschte in die Hände. Auf ihren Handflächen standen flackernde, rote Flammen. Luzia ließ sie hinabtropfen. Das Feuer leuchtete von unten in ihr Gesicht – und in ein fremdes, sehr bleiches.
»Mist verdorri, wie hast du das gemacht?«, sagte der Junge.
Luzia fuhr zusammen, sprang auf die andere Seite des Feuers und hob die Hände. »Einen Schritt weiter und ich brutzle dir deinen Allerwertesten weg.«
»Schon gut, immer schön ruhig«, sagte der Junge. Er hatte ungewöhnlich große Augen, beinahe wie die eines Kälbchens. Die Kleider, die um Arme und Beine schlotterten, waren kohlrabenschwarz, ebenso die riesige Schiebermütze, die schief auf seinem Kopf hing. »Woher kannst du das, bist du eine Feuerhexe?«
»Bestimmt nicht, denn wenn ich das wäre, wüsste ich, was das wäre, weiß ich aber nicht«, sagte Luzia.
»'Sonst wüsste ich, was das wäre, weiß ich aber nicht', schnak schnak.« Der Junge tänzelte auf Zehenspitzen und hatte beim Nachäffen die Hände gehoben, jetzt ließ er sie sinken. »Du bist echt lustig«, sagte er.
»Und du bist echt dreckig und frech. Schnak schnak«, sagte Luzia.
Der Junge grinste. »Dreckig bist du selber«, er strich sich über die Wange, »… und du weißt dich zu wehren, das gefällt mir.« Er streckte die Hand aus. Die Handfläche war ebenso schwarz wie Luzias, wenn sie Feuer machte.
»Branislav, kannst mich aber Branko nennen.«
»Flämmchen, äh, Luzia.«
»Was tust du hier, Flämmchen, außer Tannenzapfen abzufackeln?«
»Das gleiche könnte ich dich fragen. Du musst ja auch mal was anderes tun, als Leute zu erschrecken.«
Branko grinste und tippte an die Mütze. »Ich seh schon, wir verstehen uns.« Er schaute sie aus Kälberaugen an, als müsste er überlegen, dann drehte er sich um, ging los und winkte mit dem Arm. »Komm mit.«
Luzia griff einen armlangen Ast, zündete ihn an und folgte ihm. Man konnte nie wissen.

Zacharias sah hinaus auf den Schnee. Die Abdrücke von Luzias Stiefeln waren beinahe zugeschneit. Sie trug die Stiefel, die sie so gründlich geputzt hatte und die er am Nikolausabend vergessen hatte zu füllen. Vielleicht lag das Rathaus richtig und er konnte dem Mädchen nicht geben, was es brauchte. Er hatte Gerti damals sein Wort gegeben. Gerti hatte beschlossen, Luzia und Anton aufzunehmen, ohne ihn zu fragen. Die wichtigsten Entscheidungen traf sie immer alleine und im Nachhinein zeigte sich, sie lag richtig damit.
»Du musst uns in dein Herz lassen. Auch Luzia und Anton«, hatte Gerti gesagt, »nur wenn du uns alle hineinlässt, bleibe ich bei dir.« Gerti meinte stets, was sie sagte. Er hatte sich Mühe gegeben, hatte sich geändert, weil er wusste, dass es kein besseres Mittel geben konnte gegen die Ödnis, die er spürte, als Gerti. Und jetzt, wo sie gegangen war, wünschte er sich, er könnte den Teil seines Herzens, den er damals geöffnet hatte, wieder über das Loch klappen, um es zu schließen.

Der Wald, durch den sie liefen, war alt. Uralt. Nachtwald nannte Branko ihn und er hieß auch am Tag so. Er war voller Baumriesen, die seit Hunderten von Jahren dort standen. Ihre Äste verschränkten sich ineinander wie die Arme von Brüdern, die sich an den Schultern fassten und die Köpfe zusammensteckten. Sie ließen keine Mondstrahlen hindurch, sie fingen sie ab und verteilten sie als glitzerndes Kleid auf den verschneiten Blättern.
Zu ihren Füßen lief Branko, als könne er im Dunkeln sehen. Traumwandlerisch sicher stieg er über knollige Wurzeln und vorbei an Dachsbauten, in die Luzia ohne den brennenden Stock hineingestolpert wäre.
Vor dem Nachtwald hatte Großvater sie gewarnt. Es sagte, merkwürdige Dinge gingen dort vor und einige Leute aus dem Dorf im Tal wären darin verschwunden.
»Wohin gehen wir?«, fragte Luzia.
Branko blieb stehen. »Dahin, wo es warm ist und sicher, wenn's recht ist, die Dame.«
»Wenn's nicht mehr weit ist …«
»Sind gleich da, Allerwerteste.«
In den Schnee hatten sich frische Fährten von Rotwild eingedrückt, aber auch Abdrücke von größeren Pfoten, die diesen folgten.
Branko schenkte ihnen keine Beachtung. Immer wieder drehte er sich um, lächelte aufmunternd und bedeutete ihr zu folgen. Luzia gab sich Mühe, genauso geräuschlos zu laufen wie Branko. Sie sorgte dafür, dass der Stock hell genug loderte und spitzte die Ohren. Nichts. Und doch war da etwas! Auch wenn es nicht zu hören war, Luzia spürte, sie waren nicht allein.
»Die tun nichts«, sagte Branko, »solange du nicht stehenbleibst.«
»Von wem redest du?«, sagte Luzia.
»Na, von den Wurzelgnoggs natürlich«, sagte Branko. »Wenn du stehenbleibst, lassen sie Wurzeln über deine Füße wachsen und wenn du die nicht schnell genug abschneidest, schlägst du selbst Wurzeln und wirst einer von denen da.«
Branko zeigte nach oben auf die Baumriesen.
»Und dann kannst du dich hübsch einreihen, Luzia … Flämmchen.«
Er lachte keck und trat gegen den Stamm einer Tanne. Von den Ästen rieselte Schnee auf Luzia herunter und löschte den Stock. Schnell dachte Luzia an Gerti und klatschte in die Hände, doch das Bild blieb verschwommen und ihre Finger waren kalt. Die kleinen Funken, die aus den Handflächen schlugen, reichten nicht aus, um den Stock wieder anzufachen.

Zacharias setzte die silberne Flasche an und drehte sie enttäuscht auf den Kopf. Ein letzter Tropfen biss sich in den Schnee. Er warf die Flasche so weit er konnte. Dumpf landete sie auf der weißen Weide.
Luzia, der Feuerteufel. Zacharias schaute zur neuen Scheune. Er spürte, dass er das Feuer in ihr niemals würde zähmen können. Es war zu stark und es wollte an die Luft, wie der Geist aus der Flasche, deren Korken jemand gezogen hatte. Flämmchen hatten Gerti und Anton sie genannt. Er hatte versucht, es ihr auszutreiben. Es war sinnlos und jetzt hatte sie den Brief gelesen und war fort.
Ihre Spuren zeigten Richtung Wald. Niemand ging in den Nachtwald, schon gar nicht nachts. Aus gutem Grund. Und niemanden konnte man im Nachtwald alleine lassen.
Zacharias ging ins Haus. Im offenen Fenster stand der Leimtopf. Er nahm ihn von der Fensterbank, stellte ihn weg und schloss das Fenster. Einmal drehte er an der Weihnachtspyramide und sah den Hirten wandern.
Die Petroleumlampe stand auf dem Schrank, er nahm die Kanne und füllte sie bis zum Rand auf. Neben der Tür lehnte der lange Hirtenstab. Er setzte den gefilzten Hut auf und ging los.

Unter ihren Stiefeln wühlte etwas durch den Schnee und krabbelte höher. Luzia spürte die Furcht, wie sie an ihr hochkroch und Schauer über den Rücken jagte. Kleine Glutsterne tropften von ihren Fingerspitzen und zischten in den Schnee.
Im fahlen Schein der Sterne sah sie fußlange Wurzeln, die wie Würmer über die Stiefelspitzen krochen und hart wurden. Sie zog die Stiefel darunter weg und trat auf der Stelle. Weglaufen konnte sie im Dunkeln nicht, sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte.
Branko, wenn er denn so hieß, hatte sie reingelegt. Luzia sah ihn nicht mehr. Das konnte nicht sein, dass er sie hier mitten im Nachtwald alleine ließ. Ein neues Gefühl ergriff sie, so neu, dass sie nicht wusste, wie sie es benennen sollte. Gerti hatte sie vor dem Zorn gewarnt, vermutlich war es das, was sie fühlte.
Aus Luzias Handflächen quollen bläuliche Flammen, groß und heiß. Sie hielt die Handflächen Richtung Boden und drehte sich. Die Wurzelgnoggs quiekten auf, als die Flammen sie trafen und krochen zurück in die Schwärze. Luzia umgab ein Kreis brennenden Feuers, der verbrannte Boden hob sich leicht.
»Ha, haha. Mist verdorri.« Brankos Lachen kam aus der Dunkelheit. »Kannst es also doch, das war eins a
Luzia spürte den Zorn, er war noch da. Sie wandte sich in die Richtung, aus der das Lachen gekommen war, klatschte in die Hände und zielte in die Luft. Ein blauer Feuerball schoss aus ihren Händen, schlug in eine Tanne ein, knickte ihre Spitze ab und begrub Branko unter einer Schneelawine. Ein tiefes Grummeln zog durch den Wald.
Auf allen Vieren kroch Branko aus dem Haufen, hustete und spuckte Schnee. Dann schlug er seine Mütze aus.
»Sag mal spinnst du?«, keuchte er, »Mist verdorri!«
»Geschieht dir recht«, sagte Luzia. Sie ließ sich die Überraschung nicht anmerken. Nie zuvor hatte sie etwas Ähnliches versucht und es war beim ersten Mal geglückt.
»'Geschieht dir recht', schnak schnak«, sagte Branko, »fies bist du, echt fies. Dabei habe ich nur ein wenig Schnee von den Bäumen geholt.«
Mit dem Rest von dem Zorn entfachte Luzia den Stock erneut. Sie hielt ihn über den Kopf. Brankos Augen wurden noch größer.
»Wirst du mich jetzt dahin bringen, wo es trocken ist und warm? Ohne weitere Mätzchen?«, sagte Luzia. Sie hielt den blau brennenden Stock vor seine Nase.
Branko duckte sich, hielt die Hand vor die Augen und nickte.

Zacharias folgte den Spuren mit großen Schritten. Sein Herz wurde schwer, sie führten tief in den Nachtwald. Bald schon kam er an die Stelle, wo Luzia ein Feuer entzündet hatte. Ein dickerer Zweig glomm fahl.
Er schaute sich den Boden an und sah erstaunlich viele Spuren rund um die Feuerstelle. Einige waren breiter und länger als Luzias Stiefelabdrücke. Die Spuren schlugen Bögen, überkreuzten sich und führten tiefer hinein in den Nachtwald. Luzia hatte jemand getroffen und gemeinsam waren sie weitergegangen.
Was nur suchten sie mitten im Nachtwald, wo doch jedermann froh war, über Tag wieder hinauszufinden? Bald kam er an ein kreisrundes Brandmal im Boden. Fußlange Wurzelstücke lagen verkohlt darin. Wurzelgnoggs, er hatte davon gehört. Er sah den Schneehaufen, sah die Spuren davor. Ein schmales Lächeln zog durch sein Gesicht.

Der Wald wurde feuchter und lichter. Pilze wuchsen am Fuß der Bäume, Flechten hingen wie Zwergenbärte aus den Zweigen herab. Kreuz und quer lagen gefallene Stämme, ihre kahlen Äste reckten sich Richtung Himmel. Dazwischen wechselten moosige Inseln mit glitschigen Steinen und zugefrorenen Pfützen. Der ganze Wald roch nach Moder und Traurigkeit.
»Hier also wird es gleich trocken und warm?«, sagte Luzia. Sie war vorsichtig, ließ Branko keine Sekunde aus den Augen.
»Gleich sind wir da«, sagte Branko. Er wollte den Morast schnell hinter sich lassen.
Die Bäume traten zurück und öffneten den Wald für eine verschneite Lichtung, die im Mondlicht schillerte. Durch die Mitte der Lichtung lief ein mannshoher Erdwall. Branko zeigte in die Richtung. »Da müssen wir rauf.«
»Vergiss es«, sagte Luzia, »da geh ich nicht rauf, nicht im Dunkeln bei dem Schnee.«
Luzia spürte, wie etwas an ihrer Seele zerrte, wenn sie stehenblieb, wie es sie nach unten zog in Traurigkeit und Vergängnis.
»'Vergiss es', schnak schnak«, sagte Branko, »'da geh ich nicht rauf', schnak schnak. Versteh doch, wir müssen da rauf. Und jetzt komm.« Branko ging los, von Insel zu Insel, quer über die verschneite Freifläche. Luzia folgte ihm zögerlich.
»Wie lange soll ich dir noch vertrauen, Branko?«, murmelte sie.
»Bis wir da sind, Mist verdorri. Solange, bis du siehst, dass ich dich nicht angelogen habe«, sagte Branko.
»Du gehst vor«, sagte Luzia.

Branko trampelte Stufen in den Schnee und stützte sich mit den Händen an der schrägen Wand ab. Luzia folgte auf gleiche Art und trat in seine Spuren. Oben angekommen, stolperte sie über etwas unter dem Schnee und fiel auf die Knie.
»Bleib genau in der Mitte«, sagte Branko.
Er stapfte seitlich durch den Schnee, drückte seinen Fuß über den Boden, bis sein Schuh gegen etwas Festes stieß. Dann drehte er sich um, ging drei Schritte in die andere Richtung und stieß wieder auf einen Widerstand. Er trat noch mehrmals davor wie zur Bestätigung. Bei jedem Tritt ertönte ein hartes Klacken.
»Schienen«, sagte Branko.
Luzia schob den Schnee beiseite, bis das Eisen oben herausschaute.
»Schienen … hier?«, sagte sie.
»Das ist noch nicht alles«, sagte Branko, »wir müssen in diese Richtung.« Er zeigte Richtung Mond.
Der Wall, auf dem sie gingen, zog sich wie das Band einer weißen Schleife durch den dunklen Wald. Nach wenigen Minuten kam ein riesiges, dunkles Ungetüm in Sicht, das den weißen Wall einnahm. Ein Koloss aus Eisen, der vom Himmel gefallen sein musste.
Luzia erkannte einen trichterförmigen Schornstein vorne, der den Mond beinahe verdeckte, und das riesige rote Kuhgitter unten, das mit der Spitze in den Schnee stach.
»Eine Lokomotive, mitten im Nachtwald ...«, flüsterte sie, »wie kommt die hierhin?«.
Branko war weitergegangen, an der Lok vorbei bis zum Führerstand, stieg die Eisenleiter hoch und winkte wieder mit dem Arm.
»Wie ich es dir versprochen habe, da drinnen ist es trocken und warm – falls du die Kohlen anbekommst«, sagte Branko.
Luzia schaute an der Dampflok entlang, oben auf dem schwarzen Eisenwurm lag eine dicke Schneehaube. Eiszapfen hingen von überstehenden Kanten herunter wie Drachenzähne.
Hinter dem Kohlentender verloren sich die Waggons in der Nachtschwärze. Sie kletterte nach oben und sah, wie Branko mit großer Anstrengung eine eiserne Klappe aufzog.
»Da sind noch alte Kohlen drin, wenn wir Glück haben, brennen die noch und …«, er deutete mit dem Daumen nach hinten, »da gibt es reichlich Nachschub.«
Luzia war sehr kalt. Die Aussicht auf ein Ofenfeuer weckte ihre Lebensgeister.
»Na los, dann hol gleich mehr davon«, rief sie.
»Aye aye, Madame«, sagte Branko, salutierte mit zwei Fingern an der Mütze, nahm die große Kohleschaufel und stieg auf den Tender. Schnee flog links und rechts von dem Anhänger.
»Weg da, verdorri«, rief er. Luzia sprang auf Seite. Feuchte, schwere Kohlestücke prasselten auf den Boden vor der offenen Klappe.
»Wie soll ich die jemals zum Brennen kriegen? «, sagte sie.
Branko nahm die große Kohlenschippe und schaufelte die Kohle auf den Rost der Feuerbüchse.
»Ich denke, du heißt Flämmchen, dann zeig mal, was du kannst …«
Luzia zögerte einen Moment. »Warum möchtest du, dass ich das tue?«, fragte sie.
Branko wurde ganz ernst. »Weil nur du es kannst.«

Gerti stand zwischen Ofen und Tisch, aus der Röhre drang der Duft von Bratäpfeln. Anton stand am Fleischwolf, lachte und drehte die Kurbel. Luzia nahm die Streifen vom Sternaufsatz ab und legte sie auf das Blech. Als es voll war, stellte sie es zu den anderen Blechen.
Gerti nahm die Bratäpfel aus dem Schacht, legte sie auf ein Metalltablett, streute Zucker darüber und sagte: »Flämmchen, einmal verknuspern bitte.«
Luzia hielt die Hände darüber, dachte an Weihnachten, an Kerzen, Glaskugeln und Punsch. Aus ihren Händen züngelten heiße Flammen, die den Zucker zu einer Kruste verschmolzen.
»Jetzt aber nicht mehr die Plätzchen anfassen, Flämmchen«, sagte Anton.
Gerti lächelte nur und sagte das, was sie oft sagte, wenn sie Luzia ums Feuermachen bat: »Du weißt, im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die nur dieser eine Mensch tun kann, und wenn es nur das ist, was er tut.«

Luzia dachte an Gerti, an verknusperte Bratäpfel und Spritzgebäck, dachte an Anton, wie er auf die Späne zeigte und sagte: 'Zünd sie an, Flämmchen.' Sie schloss die Augen und klatschte in die Hände. Eine Feuerfontäne erhellte die Nacht. Die Kohlen in der Feuerbüchse zischten, dampften, kochten weißglühend und brannten lichterloh. Augenblicklich stieg die Temperatur und es wurde wohlig warm. Luzia beeilte sich und legte Kohlen nach. Das Feuer war bereits so heiß, dass die neuen Kohlen nach kurzer Zeit ebenfalls brannten. Wo blieb nur Branko?
»He, Luzia, kannst du dich mal hier oben um den Verschluss von dem Wassertank kümmern? Der ist zugefroren.«
Sie kletterte auf die Dampflok, nahm den Deckel in beide Hände und wartete, bis er warm wurde.
»Eins a Feuer übrigens, Flämmchen«, sagte Branko. Er schaufelte Schnee durch das große Loch in den Tank.
»Verdorri, wäre doch gelacht, wenn wir die alte Dame nicht ans Laufen kriegen.«
Er schlug den Deckel zu und schwang sich in den Führerstand. Kurz wärmte er sich die Finger, dann kratzte er das Eis vom Manometer und schaute auf den Wasserstand im Schauglas. Mit einem kurzen Ruck an einem Seil betätigte er die Dampfpfeife.
»Alles in Butter, es wird, es wird.« Aus einer tiefen Tasche der viel zu großen Jacke zauberte er einen Apfel und hielt ihn strahlend Luzia hin. Das 'Danke' hörte er schon nicht mehr. Wieder war er mit Kohlenschaufel auf dem Tender und wieder regnete es Kohlen.
»Sag mal, woher kennst du dich eigentlich so gut aus mit der Lok?«, fragte Luzia zwischen zwei Apfelbissen.
Branko hielt inne, kämpfte darum, die Worte zurückzuhalten, die nach draußen wollten. Dann schaufelte er weiter und sagte: »Bin doch nur der Kohlenjunge … nur der Kohlenjunge.«

Immer tiefer in den Nachtwald hinein führten die Spuren. Das war beunruhigend, doch gingen sie noch zusammen, das wiederum war ein gutes Zeichen. Zacharias folgte den Abdrücken mit Mühe. Der Boden wurde morastig, das Gehen strengte ihn an. Bald lichtete sich der Wald, die Bäume wurden kleiner und kränker. Durch die Stämmchen schimmerte ein weißes Schneebrett, etwas dahinter erhob sich ein Wall. Ein Bauwerk von Menschenhand mitten im Nachtwald? Noch nie hatte er davon gehört. Sie waren die Flanke hochgestiegen, das sah er an den Stufen, die in den Schnee getreten waren. Zacharias biss auf die Zähne, stützte sich auf den Stab und stieg ebenfalls hoch. Oben auf dem Wall setzten sich die Fußspuren fort, sie liefen Richtung Mond. Ein Stück Metall lag im Schnee. Zacharias bückte sich, es war kalt, lang und oben flach.
Ein ohrenbetäubendes Pfeifen ertönte. Zacharias schrak zusammen. War das etwa, das war doch nicht … eine Lokomotive im Nachtwald? So schnell er konnte, machte er sich auf den Weg und folgte dem Laut.

Branko schaute auf das Manometer. Der rote Pfeil zeigte nach oben. Hinter dem Schornstein war der erste rötliche Schimmer der Morgendämmerung zu sehen.
»Gleich ist es so weit, gleich musst du die Bremse lösen. Mach dich bereit«, sagte Branko.
»Welcher Hebel ist es?«, fragte Luzia. Im Führerstand war es angenehm warm, so warm, dass sie hätte einschlafen können, wenn nur der Magen nicht weiter knurren würde.
»'Welcher Hebel ist es', schnak, schnak ..., na der da«, sagte Branko und verdrehte die Augen, als er auf den großen Hebel zeigte, neben dem Luzia stand.
Branko drehte an Kurbeln, zog Seile und kleine Knöpfe und hüpfte mit dem Ölkännchen durch die Kabine.
»Und los!« Luzia drückte den Hebel nach vorne, die Lok ruckelte – nichts weiter geschah.
»Mist verdorri, die Lok ist festgefroren«, sagte Branko und raufte sich unter der Mütze die Haare. Er wischte sich über die Stirn und hinterließ einen öligen Streifen. Zweifelnd schaute er Luzia an.
»Kannst du bitte, kannst du versuchen …«, sagte er.
»Was, die Schienen aufzutauen?«, sagte Luzia. »Das ist ein bisschen viel verlangt, oder?«
»Wer, wenn nicht du?«, sagte Branko leise.

Gerti, die ihr über das Haar streicht. »Du weißt, im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die nur dieser eine Mensch tun kann, und wenn es nur das ist, was er tut.«
Luzia zischte leise, zog die Bremse und stieg die Eisenleiter hinunter. Dabei rempelte sie absichtlich Branko an, dem die viel zu große Schiebermütze vom Kopf rutschte. Er zischte nur ein leises 'Mist verdorri'.
Sie ging die dampfende Lok entlang, kniete sich in den Schnee vor dem roten Kuhfänger und hielt die Hände griffbereit.
Diesmal dachte sie an Zacharias, der meinte, er hätte genug, an den schlimmen Brief, der in ihrer Hand zerbröselte und an die Wurzelgnoggs, die über ihre Stiefel liefen. Gerti hatte sie vor Zorn gewarnt, Zorn sei kein guter Ratgeber, sagte sie – jetzt half nichts anderes. Sie sammelte alles an blauem Feuer, das in ihr war, nahm beide Gleisschienen in die Hände, drückte fest zu und dachte: »Feuerhexe
Zwei Blitze fuhren in die Schienen und brachten den Schnee zum Dampfen. Mit einem Klirren fielen die Eiszapfen von den Rädern und zerbrachen in tausend Stücke. Von den kranken Bäumen drang ein Stöhnen und Rauschen herüber, als müssten sie die Äste vor die Augen nehmen, damit das gleißende Licht sie nicht blendete. Die Dampfwolke verzog sich und ließ die Schienen als zwei schwarze Striche im Schnee zurück.
»Sapperlot verdorri eins, wenn du keine Feuerhexe bist …« Danach bekam Branko den Mund nicht mehr zu.
Luzia drückte die Hände in den Schnee, um sie abzukühlen. Dann stand sie auf, ließ den verdatterten Branko stehen und meinte beiläufig: »Die Feuerhexe will jetzt die alte Dame fahren. Hilfst du mir oder hältst du weiter Maulaffen feil?«

Zacharias sah eine große Wolke vor dem Mond aufsteigen. Die Schienen glühten für einen Moment auf. Als die Dampfwolke sich verzog, lag das Gleis schwarz vor ihm im Schnee. Er ging weiter, doch kurze Zeit später begannen die Schienen zu brummen. Dem Brummen folgten ein monströses Gerumpel und Gezische. Die Dampfpfeife ertönte erneut, diesmal näher, ein rhythmisches Stampfen begann.
Abermals wurde der Mond verdunkelt. Das schwarze Ungetüm wuchs aus der Nacht und mit ihm seine Ausdünstungen. Die Spitze des roten Kuhfängers zielte auf Zacharias. Mit einem Sprung zur Seite brachte er sich in Sicherheit.
Die finstere Maschine drückte sich an ihm vorbei, Bolzen und Stangen schoben sich durch gefettete Lager, Räder quietschten. Wer immer im Führerhaus war, sah ihn nicht, dazu war er zu hoch und Zacharias zu tief unten. Er hörte eine jungenhafte Stimme lachen, dann war die Zugmaschine vorbei. Sieben Waggons mit Fenstern folgten. Noch hatte der Zug keine Fahrt aufgenommen.
Als der letzte Waggon vorbei war, sprang Zacharias auf das Gleis und lief hinterher. Mit letzter Kraft bekam er das Geländer der Leiter zu fassen und schwang sich hoch auf das Trittbrett. Hinter ihm zog die erste Morgenröte herauf. Als er die Türe öffnete und sah, was im Halbdunkel des Waggons schlummerte, traute er seinen Augen nicht.

Branko strahlte über das grau verschmierte Gesicht. Als Luzia die Bremse löste und die Lok mit einem gewaltigen Ruckler losfuhr, sprang Branko wieder auf den Tender und schaufelte, was das Zeug hielt. Er war erst zufrieden, als er die Feuerbüchse bis zum Rand gefüllt und die Klappe zugeschlagen hatte. Mit dem Fingerknöchel klopfte er an die Anzeigen und lachte auf. Seine Augen und Ohren wirkten im Widerschein der ersten Sonnenstrahlen nicht mehr so riesig wie zuvor. Beinahe sah er wie ein ganz normaler Junge aus.
»Na, dann wollen wir mal sehen, wie schnell die alte Dame noch fahren kann«, sagte Branko.
Luzia konnte es kaum erwarten, den Nachtwald zu verlassen, doch Branko hatte es noch eiliger. Er schaufelte wie ein Wilder Nachschub vor die Feuerklappe.
»Wohin führen die Gleise, Branko?«
»Wirst schon sehen«, sagte Branko. Er legte die Kohlenschaufel weg und schaute ihr direkt in die Augen. »Sie führen in den Sonnenaufgang.«
Die Schwungräder fanden einen Rhythmus, den sie tief unten aus dem Schnee hoben, ihn auf die Reifen zogen und langsam steigerten, bis er zu einem schnellen Stampfen wurde. Der Sonnenaufgang färbte den Himmel dunkelrot, 'wie ein Blutstropfen, der in ein Glas Wasser fällt', dachte Luzia.
Sie dachte an Zacharias, an die neue Scheune aus frischem, rotem Holz und an seine letzten Worte, wegen denen sie weggelaufen war. Sie hatte ihn nie davon überzeugen können, dass sie den Brand der alten Scheune nicht verursacht hatte. Deshalb war er zu ihr so, wie er war.
Gerti und Anton hatten die Viecher ins Freie getrieben und als das letzte durch das Tor lief, war der brennende Balken herabgestürzt, hatte beide unter sich begraben. Sie hatte den Balken zusammen mit Zacharias zur Seite gehoben, doch es war zu spät. Sie zogen beide Körper durch das Tor nach draußen. Zacharias sah nicht, wie die Scheune ausbrannte und in sich zusammenfiel, er schaute nur auf Gerti.
Nie würde sie diesen Blick vergessen und nie die leeren Augen, mit denen er sie danach ansah.

»He, Flämmchen, alles in Ordnung bei dir?« Branko schaute sie besorgt unter seiner Mütze hinweg an.
Luzia wischte eine Träne mit dem Handrücken fort und nickte.
»Gleich ist es soweit.« Branko schaute auf die Instrumente.
»Was denn?«, fragte Luzia.
»Na dann hat der Zug volle Fahrt und dann wird es passieren.«
»Was wird passieren?«, fragte Luzia und schaute besorgt.
»Wirst schon sehen«, sagte Branko, schaute aus dem Seitenfenster und grinste.
Das Wasser im Schauglas brodelte, der rote Zeiger der Druckanzeige stand auf 'Max'.
»Festhalten«, rief Branko und kurbelte ein großes Stellrad heraus bis zum Anschlag.
Der Kessel sprotzte und spuckte, die Lok machte einen Satz wie ein bockender Esel und erhob sich von den Schienen. Sie stieg in einer langgezogenen Kurve in den Morgenhimmel auf und zog weiße Dampfkringel hinter sich her.
Der rote Kuhfänger berührte die ersten Wolken, bevor die Spitze abkippte und der ganze Zug wieder hinabsauste. Dabei drehte sich der Zug um die eigene Achse, Sterne, Nachtwald und Morgenröte flackerten in einem wilden Farbrausch an den Fenstern vorbei, bis alles zu bunten Streifen verschwamm. Knapp über den Bäumen fuhr die Lok wieder stabil, schien von Wipfel zu Wipfel zu springen, der Schnee wurde von den Spitzen gefegt.
Branko lachte und hielt den Kopf aus dem Seitenfenster. Eine Hand hielt er auf die viel zu große Mütze. Luzia schrie, doch im brausenden Gegenwind war es nicht lauter als ein Mäusefiepen.
Sie verließen den Nachtwald, flogen über blühende Wiesen und grüne Bäume, bis die Lok mit einem ohrenbetäubenden Kreischen abbremste. Sie bogen in den Hohlweg, der zu Zacharias' Hof führte. Dort hielt der Zug, Branko drückte den Riegel der Eisentür und klappte sie auf.
»Endstation, Flämmchen, hier endet die Reise für dich.«

Der Waggon, in den Zacharias trat, war leer und war es nicht. An den Seiten standen Bankreihen, doch niemand saß darauf. Der Zug nahm an Fahrt auf, er musste sich an einer Rückenlehne festhalten, um nicht auf den Boden zu fallen. Als er sich setzte, spürte er es wieder. Irgendetwas von Gerti und Anton war da und war es nicht. Er sah helle Schleier, die durch den Waggon schwebten und sich neben ihn setzten. Er roch Gerti, ihren unvergleichlichen Duft und Anton, der immer ein wenig nach Holz roch. Dann machte der Zug einen Satz und vor den Fenstern zog der Himmel vorbei.
Zacharias krallte seine Hände an den Sitz vor ihm. Gerti saß linker Hand, Anton auf der andern Seite und schon stieg der Waggon so schnell, dass er in den Sitz gedrückt wurde. Sein Magen drehte sich um, er biss auf die Zähne und schloss die Augen. Die Reise in den Himmel schien nicht aufzuhören, er spürte wie es immer höher hinaufging. Dann blieben sie kurz in der Luft stehen, er riss die Augen auf und sah Wolken. Bald neigte die Spitze des Zuges sich nach unten. Mit einem gewaltigen Anlauf schoss der Zug Richtung Wald zurück, gleich würden sie zerschellen. Die Lok zog nach oben, tanzte über Baumspitzen und bremste schließlich so hart, dass sein Kopf nach hinten schlug. Dann standen sie.
Benommen stand Zacharias auf, er war allein. Frühes Morgenlicht stach durch die Fenster. Er schwankte zur Hintertür, riss sie auf und stolperte die Trittleiter hinab. Einen Moment lang schloss er die Augen und schnaufte durch. Er lag auf allen Vieren, sein altes Herz pochte in seiner Brust, außerdem taten ihm von der Schaukelei alle Knochen weh.
Gerade als er aufstand, fuhr die Bahn wieder los, stieg auf Richtung Himmel, drehte sich und verschwand mit einem Knall. Wo waren die Geister von Gerti und Anton? Wo war Luzia?

Luzia konnte nicht reden, sie taumelte die Stufen hinab, kniete sich ins Gras und erbrach sich. Ihr Bauch hatte das Auf und Ab und die vielen Drehungen nicht gut vertragen. Als sie aufstand, war die Tür der Lok bereits geschlossen. Heraus schaute ein alter Mann mit Schiebermütze. Die Ähnlichkeit zu Branko war nicht zu leugnen.
»Wo ist Branko?«, fragte Luzia.
»Sapperlot, ich bin und war immer schon Branko«, sagte Branko. »Ich hab verdorri lange auf dich gewartet, Flämmchen. Denn du weißt ja: Im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die nur dieser eine Mensch tun kann, und wenn es nur das ist, was er tut.«
Das hatte Gerti gesagt, dachte die verblüffte Luzia. Woher wusste Branko davon?
Der alte Branko legte zwei Finger an die Mütze, die nun nicht mehr viel zu groß ausschaute. Bevor er losfuhr, sagte er noch:
»Geh nach Hause, Flämmchen. Vielen Dank für alles, das war Eins a.«
»Aber … Großvater …, ich kann nicht nach Hause.«
»Mist verdorri, Flämmchen, du kannst.«
Er ließ die Dampfpfeife gellen, die Lok hoppelte als bräuchte sie einen Anlauf, dann sauste sie steil nach oben, drehte sich um die Längsachse und verschwand mit einem Knall, der Luzia auf den Boden warf.
Als sie sich aufsetzte, brummte ihr Schädel. Noch vor einer Stunde hatte sie in einer gefrorenen Lokomotive mitten im traurigen Nachtwald gestanden und jetzt roch sie den Spätfrühling. Da war kein Schnee auf der Wiese hinter den Bäumen, das Gras stand hoch und wogte im Wind. Aus dem Nachtwald klang das Klopfen eines Spechtes herüber.
Das war alles zu viel, was da in ihren kleinen Kopf wollte, fand Luzia und doch dämmerte ihr etwas. War das möglich, sollte es der eine Tag sein. Der Tag, an dem …?
Sie nahm die Beine unter die Arme und rannte, was das Zeug hielt. Als sie beim Hof ankam, sah sie Anton im Unterstand an der alten, grauen Scheune sitzen, wo er immer schnitzte. Er hielt beide Hände über einen Haufen Späne und klatschte in die Hände. Funken schossen aus seinen Händen. Erschrocken zog er sie weg und verteilte die Funken überall.
»Anton, nicht!«, rief Luzia. Es war zu spät, einzelne Strohhalme brannten bereits. Schnell wie ein Lauffeuer züngelten die Flammen Richtung Stall.
»Gerti!«, schrie Anton. Er versuchte die Flammen auszutreten, doch er wurde ihrer nicht Herr.
Luzia lief in den Stall, nahm den großen Eimer, lief zum Trog, schleppte mit all ihrer Kraft den schweren Eimer zum Unterstand und kippte das Wasser auf die Flammen. Abermals lief sie zum Trog, füllte den Eimer ein zweites Mal, obwohl schon lange nichts mehr brannte. Erst dann hörte sie auf zu zittern.
»Du Dummerchen«, sagte Luzia, dann zog sie Anton in ihre Arme. Seine Haare rochen nach Rauch und nach Kirschholz. Sie war so froh, diesen Geruch wieder riechen zu dürfen.
»Anton, ich muss dich das fragen: Ist übermorgen Weihnachten?« sagte Luzia leise.
»Flämmchen, was ist los mit dir? Wir haben bald Pfingsten!«, sagte Anton. Und dann schaute er sie mit diesem Blick an, in dem eine Ahnung von Verstehen lag.

»Kinder, was macht ihr denn ... Flämmchen, du siehst ja aus wie eine Kaminfegerin!«
Gerti kam aus dem Haus und schaute auf den Rauch, dann auf den Eimer, der neben Luzia stand.
»Ihr dürft damit nicht spielen, das ist zu gefährlich.«
»Ja, das ist es«, sagte Luzia. Tränen rannen über ihre Wangen. Sie lief auf Gerti zu, versenkte ihr Gesicht im Duft nach Zimtsternen und Sahnequark.
»Flämmchen, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Es ist doch nichts passiert.«
Luzia sagte nichts und weinte lautlos in Gertis Schürze. Als sie aufschaute, sah sie Zacharias dort stehen, gestützt auf seinen Hirtenstock. Er sah müde aus und doch waren seine Haare weniger grau.
»Ich hab eine lange Reise hinter mir, einmal in die Hölle und zurück«, sagte Zacharias.
Unter seinen Augenbrauen, die auch im Frühling ausschauten wie eine Schneewechte, zwinkerte er Luzia zu, lächelte und nickte in ihre Richtung. Dann streckte er die Hände aus und nahm sie in die Arme.

 

Hey linktofink,

eine wirklich schöne Geschichte. Ich nenne es mal Geschichte, bis zur Novelle fehlen mir (persönlich) paar mehr Wörter. Aber da es keine festen Begrenzungen gibt, bleibt die Hohheit der Entscheidung bei Dir. Ich würde auch fast die Altersangabe runtersetzen, so auf acht oder so, aber nach oben geht natürlich alles, wie es Märchen nun mal an sich haben.

Drei Tage noch.
Bis was? Kann man hier ruhig schon sagen, ist doch eine Weihnachtsgeschichte, muss man also kei geheimnis draus machen, finde ich.

Sie hörte das Schlurfen der Pantoffeln. Die Tür quietschte in den Angeln, als er sie zur Seite rempelte. Bei jedem Schritt nach unten knarzte die alte Holztreppe.
Wie rempelt man eine Tür zur Seite? Auch melodisch will mir das nicht recht gefallen.
Erst hörte sie das Schlurfen der Pantoffeln, dann das Quietschen der Tür und schließlich das Knarzen der alten Holztreppe.

Zacharias' Augenbrauen waren weiß wie eine Schneewechte. Nur wenn er wütend war, kam das Leben zurück in seine Augen.
Z. ist wütend. Und wenn er wütend ist, sind die Augenbrauen weiß und das verleiht seinen Augen Leben? Verstehe ich nicht. Sehe ich nicht als Bild.

Er konnte sich nicht sattsehen an dem Feuer, das aus ihren Händen loderte. Manchmal dachte sie, das wäre der eigentliche Grund, warum der Anton so viel schnitzte, denn niemand brauchte jemals so viele Holzvögel.
:)

Ein Blatt Papier mit einem Wappen im Kopf, einer Handbreit Buchstaben aus einer Schreibmaschine darunter und einem Stempel vom Amt. Und darin eingefangene Bögen und Striche aus blauer Tinte.
Auch schön.

Als Zacharias aufblickte, war da ein wenig Maggie und Anton in seinem Blick. Vielleicht war es eine Erinnerung, die schon länger eine Tür nach draußen suchte, weil sie es allein in der klammen Stille nicht mehr aushielt.
Weiß nicht, ist ein sehr erwachsener Blick auf den Großvater, so redet kein Kindermund. Sprcih, ich brauche es nicht.

Luzia nahm den Topf in die Hände, drückte ganz fest zu und dachte an Maggie. In den Duft nach Zimtsternen mischte sich bald der stechende Geruch des Leims. Sie nahm den Pinsel aus dem Topf, bestrich das Bruchstück damit und drückte es an seinen Platz. Bis der Leim kalt genug war, hielt sie den Flügel fest.
Luzia schnippte mit den Fingern. Vom Daumen tropfte eine kleine Flamme auf eine der verstaubten Kerzen. Nach der dritten angezündeten Kerze begann die Pyramide sich zu drehen. Luzia ließ den Hirten mit dem mannshohen Stab fünfmal an sich vorbeisausen, dann spuckte sie auf die Fingerspitzen und löschte die Flammen. Sie öffnete das Fenster und stellte den Topf mit dem flüssigen Leim in den Zug. Der Brief! Sie musste ihn fragen.
Luzia ging durch den Schnee zum Stall.
Klingt jetzt sehr nach SPO. Da ist sprachlich eindeutig noch ein Blumentopf mehr zu gewinnen. Hast an einigen Stellen solche Häufungen drin.

Sie achtete darauf, mit den frisch gefetteten Stiefeln nicht in die Kuhfladen zu treten. Sie hatte sie umsonst geputzt, Nikolaus war dieses Jahr nicht gekommen.
Ach je ... das fand ich wirklich hübsch traurig.

Das Scharren der Hufe war zu hören und Heu, das in Mäulern knistert. Dazwischen ein flaches Schnarchen.
Nice!

Sehr geehrter Herr Brandl,
zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr Mündel Luzia Loibl nicht länger in Ihrem Haushalt verbleiben kann.
Nach dem tragischen Ableben Ihrer Ehegattin Margarete Brandl und Ihres Mündels Anton Loibl sehen wir die familiäre Grundlage für ein gedeihliches Aufwachsen des Mündels nicht mehr als gegeben an. Die Überführung ins Waisenhaus Klosterbrunn wird im Jänner des folgenden Jahres stattfinden.
Hochachtungsvoll.
Sehr gut! Endlich geht hier mal was los. Ich wurde schon langsam ungeduldig.

Sie war in einem Teil des Waldes angelangt, in dem niemand Holz schlug, in dem es keine Rück(e)wege gab, noch nicht einmal Fußpfade, nur Gestrüpp, Schnee und Kälte. Ab und zu knackte es im Unterholz. Aus weiter Ferne kam ein Heulen. Über den Wipfeln hing schon die sternenklare Nacht und wartete darauf, dass die Sonne den Himmel freigab.
Auch schön.

Luzia fuhr zusammen, sprang auf die andere Seite des Feuers und hob die Hände. »Einen Schritt weiter und ich brutzle dir deinen Allerwertesten weg.«
Yeah! Das Kennenlernen/Aufeinandertreffen von Flämmchen und Branko fand ich allerliebst.

Und jetzt, wo sie gegangen war, wünschte er sich, er könnte den Teil seines Herzens, den er damals geöffnet hatte, wieder über das Loch klappen, um es zu schließen.
Ist mir auch zu "erwachsen".

»Na von den Wurzelgnoggs natürlich«, sagte Branko. »Wenn du stehenbleibst, lassen sie Wurzeln über deine Füße wachsen und wenn du die nicht schnell genug abschneidest, schlägst du selbst Wurzeln und wirst einer von denen da.«
Schönes Märchendingens. Gefällt mir gut.

Ihre Spuren zeigten Richtung Wald. Niemand ging in den Nachtwald, schon gar nicht nachts. Aus gutem Grund. Und niemanden konnte man im Nachtwald alleine lassen.
:herz:

Im fahlen Schein der Sternchen sah sie fußlange Wurzeln, die wie Würmer über die Stiefelspitzen krochen und hart wurden. Sie zog die Stiefel darunter weg und trat auf der Stelle. Weglaufen konnte sie im Dunkeln nicht, sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte.
Mag's nicht. Mag Sterne :).

Aus Luzias Handflächen quollen bläuliche Flammen, groß und heiß. Sie hielt die Handflächen Richtung Boden und drehte sich. Die Wurzelgnoggs quiekten auf, als die Flammen sie trafen und krochen zurück in die Schwärze.
Hübsch.

Luzia spürte, wie etwas an ihrer Seele zerrte, wenn sie stehenblieb, wie es sie nach unten zog in Traurigkeit und Vergängnis.
Ich mag's einfach nicht in Kindergeschichten. Ist aber subjektiv, von daher ...

Branko hielt inne, kämpfte darum, die Worte zurückzuhalten, die nach draußen wollten. Dann schaufelte er weiter und sagte: »Bin doch nur der Kohlenjunge … nur der Kohlenjunge.«
Gefiele mir besser ohne ...

Sie verließen den Nachtwald, flogen über blühende Wiesen und grüne Bäume, bis die Lok mit einem ohrenbetäubenden Kreischen abbremste. Sie bogen in den Hohlweg, der zu Zacharias Hof führte. Dort hielt der Zug, Branko drückte den Riegel der Eisentür und klappte sie auf.
»Endstation, Flämmchen, hier endet die Reise für dich.«
Sehr schön! Und auch überraschend.

Zacharias krallte seine Hände an den Sitz vor ihm. Maggie saß linker Hand, Anton auf der andern Seite und schon drehte sich der Waggon so schnell, dass er in den Sitz gedrückt wurde. Sein Magen drehte sich um und er schloss die Augen.
Dir fällt was ein. Bestimmt.

Er lag auf allen Vieren, sein altes Herz pochte in seiner Brust, außerdem taten ihm von der Schaukelei alle Knochen weh.
Schön!

Als sie aufstand, war die Tür der Lok bereits geschlossen. Heraus schaute ein alter Mann mit Schiebermütze. Die Ähnlichkeit zu Branko war nicht zu leugnen.
»Wo ist Branko?«, fragte Luzia.
»Sapperlot, ich bin und war immer schon Branko«, sagte Branko. »Ich hab verdorri lange auf dich gewartet, Flämmchen. Denn du weißt ja, im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die nur dieser eine Mensch tun kann, und wenn es nur das ist, was er tut.«
Die Verwandlung von Branko fand ich richtig gut. Mit einem alten Typen wäre sie im Nachtwald sicher nicht mitgegangen. Die einen in der Zeit zurück, die andere vor - schöner Twist.

»Mist verdorri, Flämmchen, du kannst. Alles wird jetzt anders sein.«
Verrate doch nicht schon alles vorher ;).

Als sie sich aufsetzte, brummte ihr Schädel. Was war wirklich wahr, und was träumte sie? Noch vor einer Stunde hatte sie in einer gefrorenen Lokomotive mitten im traurigen Nachtwald gestanden und jetzt roch sie den Spätfrühling. Das war alles zu viel, was da in ihren kleinen Kopf wollte, fand Luzia und doch dämmerte ihr etwas. War das möglich, sollte es der eine Tag sein. Der Tag, an dem …?
Finde ich zu minimal. Kann sie nicht Tulpen sehen oder den Specht hören? Und wenn sie den Specht oder Kuckkuck hört, würde ich das vorher auch schon mal einbauen, damit auch die Kinder diesen Tag wiedererkennen.

»Flämmchen, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Es ist doch nichts passiert.« Maggie hielt sie an den Armen von sich weg, ihr Gesicht ein einziges Fragezeichen. »Gibt es irgendetwas, das du mir sagen willst?«

Maggie weiß von nix und ich fände es gut, wenn dem auch so wäre.

Sehr, sehr schön! Mir gefällt die Idee, mir gefällt die Ausführung zu weiten Teilen, ich mag es gern.
Bisschen was kürzen würde ich, ohne jetzt bestimmte Stellen im Kopf zu haben, aber ein bisschen mehr Tempo würde dem Ganzen nicht schaden, so mein Empfinden. Subjektiv, müssen wir nicht drüber reden ;).

Beste Grüße!
Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @greenwitch,

vielen Dank für deine Textarbeit und deinen umfangreichen Komm., ich weiß wieviel Zeit sowas kostet. Es ist immer wieder erschreckend, wie viel ihr noch findet. :D

was für eine schöne Geschichte. Ich habe direkt Lust bekommen, mich an etwas so märchenhaften auch zu versuchen, es war ein absoluter Lesegenuss.
Oh, vielen Dank, liebe witch, das ist sehr nett von dir. Und ja, hau rein, ich will das lesen.

Der Einstieg gefiel mir super, sofort spannend. Da ich gerne Fantasie lese, aber zum Schreiben viel zu verkopft bin, fand ich dieses "einfach rein schmeißen" genial.
Danke, schön, dass das funktioniert.

Luzia riss die Tür auf, doch es war zu spät,
Auf meinem Ausdruck liegen zwei Zeilen dazwischen, trotzdem fiel es mir auf ...
Ja stimmt, hab ich schon nach NGKs Komm. aufgelöst.

wie eine Schneewechte
okay, Du magst das Wort, mir ist es einmal zuviel
Die Wiederholung ist weg, ich hab den Satz umgebaut, auch das anschauen/ ansehen. Soll ja nix nerven beim Lesen. ;)

Ich hätte irgendwo eine Größen oder Altersangabe zu Luzia gut gefunden.
Ja, ist recht, ich muss nur schauen, wo im Text ich das unauffällig einweben kann.

„Auch hier wäre eine schöne Stelle für eine Größenvergleich, vor meinem inneren Auge steht da die wesentlich kleinere Luzia und droht dem größeren Jungen sehr überzeugend.“ Sehe ich genauso. Deinen Vorschlag mit Stock und blauem Feuer finde ich gut, vllt. wirklich da.

dachte an Maggie.
Du wirst die Namen ja ganz bewusst gewählt haben und sie auch sehr mögen. Daher nur als kleine Wahrnehmungshinweis. Ich habe jedesmal gedacht, Du hast Magie falsch geschrieben und erst dann den Bogen zum Namen der Ziehmutter gezogen. Vielleicht hatte aber auch die heiße Badewanne schuld ...
Ne du, die Badewanne ist nicht schuld, der Name bedarf einer Änderung, denn das stand schon in vielen Komms. Ich überlege noch, welcher Name besser passt. Momentan bin ich bei Liesel als Kurzform von Lieselotte. Ganz unverfänglich.

Hier wäre für mich ein Adjektiv mehr, gar nicht so verkehrt oder halt eine dazu passende Handlung. Schreien kann man ja wütend, kreischend, angstvoll ...
Ja, NGK meinte auch: umstellen, Die Stelle reift noch.

Unten an ihren Stiefeln
Hier war mein Bild weg! Das erscheint mir zu umständlich. Warum nicht "unter" und dann" krabbelt" es höher ...
Schöner Vorschlag, ich schaue mir das an.
Edit: hab das so übernommen.

Ich bin eine Rechtschreib-Grammatik-Ignorantin, aber nach dem "Na" gehört ziemlich sicher ein Komma.
sure

Er sah den Schneehaufen, sah die Spuren davor. Zum Glück war Luzia nicht wehrlos.
nur als Idee, Hier würde mir ein stolzes Lächeln reichen, schon klar, was er sich denkt.
Ja, der Vorschlag kam schon einmal, ist verbesserungswürdig. hab jetzt statt dem stolzen Lächeln, das für mich nicht ganz passt, ein schmales Lächeln genommen.

Oder nicht so hart, als "krank" ansagen, nur die Veränderung zeigen.
Hab nach NGKs Kommentar das krank schon geändert.

Hier hatte ich vor meinen Flachland-Augen einen kleinen Wall/Hügel/Erhebung und warum sollte man da nicht hochkommen? Gib mir bitte ein klareres Bild.
Das Ding ist für mich mannshoch, und das hab ich auch so geschrieben jetzt. Und da muss sie bei dem rutschigen Schnee erst mal hoch, oder?

– falls du die Kohlen anbekommst«, sagte Branko.
Hier hab ich länger hin und her gelesen. Ist es wirklich "falls"? Spontan und unbegründet neige ich zu "wenn" oder einfach ein Satz mehr, um das Problem näher zu zeigen.
das „wenn“ ist ja mehr die zeitliche Dimension, das „falls“ erfasst für mich besser das offene Ergebnis.

Die Aussicht auf ein Ofenfeuer ließ ihre Laune steigen.
fällt für mich aus Deinem Märchenton
Ich weiß, was du meinst, ich hab nur noch nix besseres.
Edit: Hab jetzt „weckte ihre Lebensgeister“ genommen.

»Sag mal, woher weißt du eigentlich, wie das alles geht und woher kennst du dich mit der Lok so gut aus?« fragte Luzia.
Branko hielt inne, kämpfte darum, die Worte zurückzuhalten, die nach draußen wollten. Dann schaufelte er weiter und sagte: »Bin doch nur der Kohlenjunge … nur der Kohlenjunge.«
Die ersten Fetten erscheinen mir doppelt gemopplet.
Die Dopplung Kohlejunge passt super, aber brauchst Du das "doch" wirklich?
Hab´s verschlankt: »Sag mal, woher kennst du dich eigentlich so gut aus mit der Lok?«

»Gleich ist es soweit, gleich du musst die Bremse lösen. Mach dich bereit«, sagte Branko.
Da Branko bisher grammatikalisch richtig sprich, ist hier wohl nur ein Umbaufehler.
Ja, definitiv, wird beseitigt.

Ne, ich bin keine Eisenbahn-Auskenner, aber Stiege hört sich nach Bodentreppe aus knarrendem Holz an.
Später schreibst du noch zu Trittleiter etwas Ähnliches. Ich bin auch kein Eisenbahner, aber Trittleiter kann nicht so falsch sein, bei Stiege liegst du richtig, das passt nicht so recht, weil da klingt die Holzstiege zum Speicher mit.

'wie ein Blutstropfen, der in ein Glas Wasser fällt',
Ich mochte bisher alle Bilder, aber dies fällt für mich durch. Vielleicht, weil ich in einem so zauberhaften Märchen keinen Blutstropfen will.
Da zweifele ich, denk an Schneewittchen und die Spindel. :D

Und lieben Dank fürs Märchenhaft Ende
Es ist eine wirklich zauberhafte Geschichte und ich schließe mich eindeutig den Meinungen an, die für Verlagssuche stimmen.
Es freut mich sehr, witch, dass dir der Text gefällt. Vielen Dank auch für die Stellen, die du angeführt hast, weil sie dir gefallen. Beides, Kritik und Lob finde ich als Feedback wertvoll.
Bis bald, Peace, linktofink


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Hallo lieber @Meuvind,

schön, dass du das Ergebnis deines Inputs begutachtest. :D

Zweimal zu spät, würde ich ändern. Ich sehe ehrlich gesagt nicht den Sitz vom zweiten Satz, der könnte ganz weg.
Ja ja, ist schon passiert.


Die Hände hatte sie hinter dem Rücken verschränkt, damit sie nicht aus Versehen etwas taten, was sie nicht durften.
Auch hier, der zweite Teil kann weg. Ich zumindest kann mir sofort denken, warum sie die Hände hinter dem Rücken versteckt.
Das will ich nicht streichen, weil ich es nicht so offensichtlich finde. Ihre besondere Eigenart bedingt besondere Verhaltensweisen und das möchte ich hier zeigen.

Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie hob die Hände zu den Schläfen und zog sie über die Wangen bis zum Kinn. Erst heute Abend durfte sie den Ruß abwaschen, bis dahin würde sie aussehen wie eine Kaminfegerin.
Ist das so eine Art Selbstbestrafung?
Nein, das ist die übliche Art, wie Großvater ihre „Entgleisungen“ bestraft und sie tut es in vorauseilendem Gehorsam., damit es schnell vorbei ist.

Luzia wusste, er würde jetzt zum neuen Stall gehen, an dem roten Lärchenholz riechen und dabei an Maggie und Anton denken.
Fände ich noch besser, wenn Luzia zum Fenster geht und ihn dabei beobachtet. Was genau er dabei denkt, kann der Erzähler ja nicht wissen, aber man kann es ja andeuten, wie du oben schon gemacht hast.
Wenn sie zum Fenster ginge und nach ihm schaute, dann würde sie das tun, weil es etwas Besonderes wäre, was es aber nicht ist, weil sie weiß, dass er das täglich tut. Es ist seine Angewohnheit, seine einsame Form der Trauer.

Nebenbei: MMn. sticht kaum heraus, dass Maggie und Anton verbrannt sind und Luzia dafür die Schuld gegeben wird. Es wird zwar von ihrem Ableben gesprochen, aber nie, dass Luzia dabei eine Rolle gespielt hat. Würde das noch mehr rausstellen, damit der Twist mit Anton mehr Gewicht bekommt. Und um den Feuertod greifbar zu machen, würde ich die niedergebranne Scheune einfach in die Geschichte einbauen. Der Zacharius hat ja ein großes Anwesen, vielleicht hat der die neue Scheine einfach an einen anderen Ort gebaut und die verkohlten Trümmer stehen lassen. Wäre für mich auch passender, wenn er dahin geht und nachdenkt, als zur neuen Scheune.
Dass Maggie und Anton bei dem Scheunenbrand gestorben sind, wird ja später im Text ausführlich geschildert. Und der späte Twist zeigt ja auch, dass Luzia erst dann versteht, dass Anton die Scheune in Brand gesteckt hat und sie durch ihre Eingreifen die Chance hat, dies zu verhindern.
Bis dahin, also quasi bis zum Schluss, ahnt der Leser mehr durch die Andeutungen, was vorgefallen sein könnte. Die finale Auflösung finde ich so stärker als ein Ausbau des Themas früher im Text.

Dabei lachte sie als wäre das alles ein Klacks.
Komma nach Als.
Ich dachte nur beim zeitlichen als ein Komma und bei Vergleichen nicht?

Den Satz finde ich irgendwie ungelenk, einfach wegen dem zweimal Mittwochs.
Kann ich iwo verstehen, doch vorgelesen funktioniert der mMn sehr gut.

Gerti wendete das Fahrrad im Hof. Luzia hörte das Knirschen der Reifen auf den kleinen Steinchen.
Vielleicht die Reihenfolge ändern? Sie kann ja weder Gerti noch das Fahrrad sehen. Würde es dazu ändern, dass sie erst das Knirschen der Reifen auf Steinchen oder im Schnee hört und dann schlussfolgert, dass Gerti wendet und den Hof verlässt.
Ja, das funktioniert schon hintereinanderweg gelesen. Ich hab es mal umgestellt und gelesen, aber dann hakelt das total. Jetzt steht da die alte Reihenfolge mit ein Komma dazwischen.

Würde das tragisch rausnehmen. Sowas steht wohl in einer Trauerkarte, aber in einem Beamtenbrief? Ne, so emotionsbegabt sind die nicht.
Hast recht, ist raus.

Ich dachte, Luzia geschehen solche Missverständnisse nur, wenn sie sich freut. Hier aber wird sie von ihrer Trauer übermannt. Kommen die Flammen also generell, wenn sie eine starke Emotion verspürt? Oder hat das jetzt mit einer anderen Feuerfarbe zu tun, wie du schon beim Stammtisch erzählt hattest?
Ja, die Flammen werden durch Emotionen hervorgerufen.
Die Feuerfarbe spielt so früh in der Geschichte noch keine Rolle, erst wenn der Zorn ist Spiel kommt, lernt sie das blaue Feuer kennen.

Irgendwie wirkt der auf mich wie ... keine Ahnung, aber sicherlich nicht wie ein Kind. Kennst du Göttlinge aus dem Witcher-Franchise? So jemand könnte dein Branko sein.
Das ist gut, den er ist ja auch keins. ;)
Die Göttlinge kenne ich nicht, kein Plan.

Die Wurzelgnoggs quiekten auf,
Die können quieken? Ich dachte, das sind einfach nur Wurzeln.
He was, na klar, die können ja auch kriechen und krabbeln, was mehr ist als einfache Wurzeln können.

Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es heißt eins A. Und wenn nicht, würde ich zumindest trotzdem das A groß schreiben.
Das kommt ja aus dem Handel als Bezeichnung für eine Güteklasse und wird tatsächlich beides klein geschrieben. Werde ich ändern.

Bisher gefällt mir das Ganze sehr gut
Danke, das freut mich. Bin auf die Fortsetzung gespannt.
Deine Geschichte schaffe ich erst am WE.

Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber linktofink, das ist eine wunderwunderhübsche Geschichte. Ich liebe den Tonfall, die feinfühlige, frische Sprache, die putzigen Einfälle. Quiekende Wurzelgnoggs, ja du liebes bisschen, ein Junge, der das Feuerkind braucht, um alt werden zu können, die Fahrt der Lok durch den Nachtwald.
Eine sehr liebevoll gedrechselte, detailreiche Geschichte um ein Mädchen, das eine Prüfung erleben muss, damit sie das Unheil in ihrem Leben bekämpfen und die Liebe zurückgewinnen kann. Dein Märchen ist auch ein wunderbares Beispiel dafür, wie Ideen, die man zum Teil schon kennt, der Nachtwald oder Charly Feuerkind von King, wie die zu einer ganz neuen harmonisch komponierten Erzählung zusammengefügt werden können.
Ich will noch hinzufügen, dass ich die Altersangabe zwar zur Kenntnis genommen habe, die Geschichte aber trotzdem nicht unter diesem Gesichtspunkt gelesen habe. Für mich war es ein Märchen für groß und klein.

Jedenfalls werde ich heute dir zu Ehren nur Flämmchen, schnak schnak, verdorri und verknuspern sagen.
Ich habe nicht, aber auch rein gar nichts zu bekritteln, sondern will einfach nur loswerden, wie sehr ich dein Märchen genießen konnte. Ich werde deine Geschichte empfehlen und freu mich schon richtig drauf. Musst aber einen Moment warten, bin zur Zeit etwas im Kampf mit der Zeit und mit meinen Händen.

Ein paar Kleinigkeiten:

Dabei lachte sie KOMMA als wäre das alles ein Klacks.
Das passiert dir hin und wieder mal, hab ich im Vorbeilesen aufgeschnappt. Diese Art des Vergleichs, als wäre ..., ist immer eine Konstruktion zwischen Haupt- und Nebensatz. Hab dir mal die Subjekte und Prädikate der beiden Sätze geschwärzt.

Als Zacharias aufblickte, war da ein wenig Gerti und Anton in seinem Blick. Vielleicht war es eine Erinnerung, die schon länger eine Tür nach draußen suchte, weil sie es allein in der klammen Stille nicht mehr aushielt.
Toll

Luzia nahm den Topf in die Hände, drückte ganz fest zu und dachte an Gerti.
Da hab ich was nicht verstanden. Warum drückt sie zu?

Luzia drehte sich um und lief. Sie schaute nicht zurück, hörte nicht, was er rief, lief KOMMA so schnell die Stiefel sie trugen.

Über den Wipfeln hing schon die sternenklare Nacht und wartete darauf, dass die Sonne den Himmel freigab.
schön


Er hatte ungewöhnlich große Augen, beinahe so groß wie die eines Kälbchens. Seine Kleider waren zu groß und schwarz, ebenso die viel zu große Schiebermütze, die er auf dem Kopf trug.
Das ist total niedlich vom Bild her, aber bisschen viel "groß":
Er hatte ungewöhnlich große Augen, beinahe wie die eines Kälbchens. Die Kleider hingen an seinem Körper. Schwarz waren sie, kohlrabenschwarz, genau wie die Schiebermütze, die ihm beinahe vom Kopf rutschte.

»'Sonst wüsste ich KOMMA was das wäre, weiß ich aber nicht', schnak schnak.«
Kann sein, dass das Komma auch in dem anderen "was das wäre-Satz" fehlt

Er schaute sie aus Kälberaugen an KOMMA als müsse er überlegen, dann drehte er sich um, ging los und winkte mit dem Arm. »Komm mit.«

Und jetzt, wo sie gegangen war, wünschte er sich, er könnte den Teil seines Herzens, den er damals geöffnet hatte, wieder über das Loch klappen, um es zu schließen.
Ja. Genauso muss das klingen.

Nachtwald nannte Branko ihn und er hieß auch tags so.
Süß

Zu ihren Füßen lief Branko KOMMA als könne er im Dunkeln sehen.

Hinter ihm zog die erste Morgenröte herauf. Als er die Türe öffnete und sah, was im Halbdunkel des Waggons schlummerte, traute er seinen Augen nicht.
Schöner Cliffhänger

Erst dann hörte sie auf zu Zittern.
zittern

Bis die Tage.
Novak

 

Liebe @wegen,

wie schön, dass du auch an Bord bist, ich schaffe momentan nur eine Antwort pro Tag, deshalb hat es etwas gedauert.

hm, Novelle. Eigentlich hatte ich eher Lust auf eine Kurz(e)geschichte. Trotzdem wollte ich flux in deine Neue reinlesen. Daraus ist nichts geworden, denn du hattest mich schon mit dem zweiten Satz am Haken. Brankos geschickte Hinhaltetaktik zog auch mich mit durch den Nachtwald. Und ich sah dabei jeden Ast, jede Zwergenbartflechte, jeden unsicheren Schritt. Und Luzia, die kleine Feuerhexe, mit den von ihren Händen tropfenden Flammen, großartig!
Mensch, was für eine Ansage, freut mich wahnsinnig. Vielen Dank auch für die Stellen, die du lobend erwähnst, :kuss:, ich sag nur was zu den anderen.

"Joppe" hätte die meisten zuhörenden Kinder rausgebracht, denke ich. Auch wenn ich es generell gut finde, dass du authentische Begriffe verwendest, würde ich hier evtl. um einen beschreibenden (textilen) Zusatz wie „wollene Joppe“ erweitern.
Eingesehen, hab ich so gemacht.

Als Zacharias aufblickte, war da ein wenig Maggie ...
... weil er wusste, dass es kein besseres Mittel geben konnte gegen die Ödnis, die er spürte, als Maggie.
Mir geht es ähnlich im Punkt Maggie vs. Magie.
Ja, das hat gefühlt bisher jede*r gesagt, gestern hab ich die Namen geändert.

»Einen Schritt weiter und ich brutzle dir deinen Allerwersten weg.«
Allerwertesten?
Klar, hab ich Dämel überlesen, danke.

Beim ersten Satz klingt es, als höre Luzia diese Bezeichnung zum ersten Mal durch Branko. Aber anschließend schreibst du, der Großvater warnte sie auch vor dem Nachtwald.
Warum einmal kursiv, dann nicht mehr?
Hast recht, das kursive ist weg, das braucht es nicht.

An sich ein sehr schönes Bild. Aber der Bezug ist nicht ganz sauber, meine ich. Spuren drücken sich nicht in den Schnee, Pfoten schon.
Ja Fährten ist besser als Spuren, nehme ich.

wenn sie stehenblieb, wie es sie nach unten zog in Traurigkeit und Vergängnis.
Trauer und Vergänglichkeit?
Da mag ich das Vergängnis, weil es nach Verhängnis klingt, da schwingt mehr mit.

Nie zuvor hatte sie etwas Ähnliches versucht und es war beim ersten Versuch geglückt.
Das zweite "Versuch" durch "Mal" ersetzen?
ja, eindeutig besser lesbar.

»Schienen … hier?«, sagte sie.
Was sollte sich hinter den Auslassungszeichen verbergen? Ein Fragezeichen? Oder ein Komma?
Ein sich wunderndes Zögern. :D

Den Schornstein finde ich schön und auch kindgerecht beschrieben. Bei "roter Kuhfänger" befürchte ich Kopfkino, mindestens aber Verwirrung. Der Begriff kommt öfter in der Geschichte. Vllt. führst du den Fänger mit einer kurzen Beschreibung ein. Oder wählst einen anderen Begriff(Schienenräumer, etc). Ich bin für die Beschreibung, die Kids sollen ruhig was lernen.
Das Fette werde ich tun.

Luzia schaute an der Dampflok entlang, sie lag unter einem dicken Panzer aus Schnee.
Beißt sich vom Bild für mich mit:
… kam ein riesiges, dunkles Ungetüm in Sicht, das auf der weißen Schleife stand, wie ein Stein, der vom Himmel gefallen war.
Das ist sehr genau beobachtet, danke dafür, liebe wegen, den Panzer habe ich durch Schneehaube ersetzt. „Luzia schaute an der Dampflok entlang, oben auf dem schwarzen Eisenwurm lag eine dicke Schneehaube.“ Was meinst du dazu?

Vampire - wirkt unpassend in dieser Geschichte, neben Wurzelgnoggs, Feuerhexen und fliegender Zeitreiselok. Vllt. Wolfszähne oder Fänge eines Pumas, um die Spuren hinter dem Rotwild noch mal aufzugreifen.
Wieder sehr aufmerksam, ich hab jetzt Drachenzähne geschrieben.

dann rieb er das Glas vom Manometer und schaute auf den Wasserstand im Schauglas.
Zweimal "Glas". Und es klingt, als riebe er das Glas RUNTER vom Manometer (Er schiebt den Schnee vom Dach) "das Glas des Manometers", denke ich. Oder umstellen und dabei evtl. ein Glas sparen.
Hab jetzt: „Kurz wärmte er sich die Finger, dann kratzte er das Eis vom Manometer und schaute auf den Wasserstand im Schauglas.“

Dass der Zug im vorherigen (Zacharias-) Absatz schon fuhr und hier gerade erst lostuckert liegt mir ein bisschen quer. Vllt. ließe sich die zeitliche Abfolge etwas optimieren.
Das ist wieder eine Schlaufe in der Handlungsabfolge. Zacharias stieg auch eben aus, der Zug war weg, jetzt steigt Luzia (nochmal) aus. Verstehst du, was ich meine?
Ja natürlich verstehe ich den Punkt, ich denke nur, dass das beinahe unvermeidlich ist, wenn sich zwei Handlungsstränge so umeinander winden, dass mal der eine, mal der andere in der Handlung weiter vorne ist.

Sie nahm die Beine unter die Arme und rannte, was das Zeug hielt.
Och schade, dass du hier auf so bekannte Formulierungen gehst.
Okay, da sehe ich keinen akuten Handlungsbedarf, das gehe ich mal später mit Muße an.

»Flämmchen, was ist los mit dir? Wir haben bald Pfingsten!«, sagte Anton. Und dann schaute er sie mit diesem Blick an, in dem eine Ahnung von Verstehen lag.
Das kapiere ich nicht. Wie könnte er ihre Verwirrung verstehen?
In meiner Vorstellung hat er eine Ahnung von der bisherigen Vergangenheit, weil sein Geist mit dem Zug zurückkam und etwas hängenblieb, gerade deshalb, weil Flämmchen so komisch fragt.

Du schreibst zu Meuvind

ich habe gerade deinen Kommentar gelesen und will nicht gegen deinen Leseeindruck sprechen, nur linktofink Rückmeldung geben, dass es mir persönlich deutlich genug war.
das sehe ich ähnlich und habe Meuvind auch entsprechend geantwortet, danke für dein Statement.

Liebe wegen, ein durchweg wacher und konstruktiver Kommentar, hat mich sehr gefreut.

Peace, linktofink

 

Lieber @linktofink,

was für eine schöne und ideenreiche Geschichte, die mir auch sprachlich sehr gefallen hat. Ich denke, dass @Novak völlig richtig liegt, wenn sie sie empfiehlt.

Mir fällt nicht viel ein, was sich noch verbessern oder verändern ließe. Ich musste sie allerdings zweimal lesen, um die Eigenarten deiner Figuren zu erfassen. Besonders bei Branko hätte ich mir früher einen Hinweis gewünscht, um den Fluch, der (vermutlich) auf ihm lag, besser verstehen zu können. Ich weiß am Ende nur, dass er auf Flämmchen warten musste, um - und das ist auch nur eine Vermutung - altern zu können. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Vorgeschichte gewünscht.

Und auch Flämmchens Eigenart ist eine Setzung: Während z.B. bei Steven King die flammenden Hände eine Erklärung haben, muss ich sie in deiner Geschichte als gegeben hinnehmen. (Oder habe ich da vielleicht etwas überlesen?)

Branko, wenn er denn so hieß, hatte sie reingelegt. Luzia sah ihn nicht mehr. Das konnte nicht sein, dass er sie hier mitten im Nachtwald alleine ließ. Ein neues Gefühl ergriff sie, so neu, dass sie nicht wusste, wie sie es benennen sollte. Gerti hatte sie vor dem Zorn gewarnt, vermutlich war es das, was sie fühlte.
Luzia spürte den Zorn, er war noch da.
Gerti hatte sie vor Zorn gewarnt, Zorn sei kein guter Ratgeber, sagte sie – jetzt half nichts anderes.
Mit dem Rest von dem Zorn entfachte Luzia den Stock erneut. Sie hielt ihn über den Kopf. Brankos Augen wurden noch größer.
Das Element des Zorns taucht fmE recht plötzlich auf. Ich vermisse auch hier einen Bezug.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

… bevor sie Gerumpel und ein Grunzen hörte.
»Luzia!«, dröhnte Zacharias' Stimme von oben. Großvater rief sie nie Flämmchen. Das hatten nur Maggi und Anton getan. Sie hörte das Schlurfen der Pantoffeln. Die Tür quietschte in den Angeln, als er sie zur Seite rempelte.

Zacharias war zum Glück nie lange böse. Sein Groll verrauchte, sobald die Augenbrauen sich wieder hoben. Dennoch konnte sie ihm nicht in die Augen schauen.
Die beiden ersten Sätze beschreiben einen immer wiederkehrenden Ablauf. Danach gehst du zurück in die Szene. Ich könnte mir hier auch vorstellen, dass der zweite Satz stärker zum dritten gehört:

Seine Augenbrauen hoben sich, sein Groll war verraucht. Dennoch …

Die neuen Bretter um das offene Tor herum leuchteten wie ein Sonnenaufgang.
Ich habe mich gefragt, ob etwas wie ein Sonnenaufgang leuchten kann, oder ist es nicht vielmehr die aufgehende Sonne, die da leuchtet?

Lieber linktofink, wie schon gesagt: eine wirklich gelungene Geschichte. Ob es sich im literarischen Sinne um eine Novelle handelt, kann ich nicht so recht beurteilen. Um eine ‚unerhörte Begebenheit‘ wie Goethe sie charakterisierte, handelt es sich auf jeden Fall.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hi @Meuvind,

hm, angedrohter Rest, schluck, schluck. :Pfeif:

Diesmal dachte sie an Zacharias, der meinte, er hätte genug, an den schlimmen Brief, der in ihrer Hand zerbröselte und an die Wurzelgnoggs, die über ihre Stiefel liefen. Maggie hatte sie vor Zorn gewarnt, Zorn sei kein guter Ratgeber, sagte sie – jetzt half nichts anderes.
Sie denkt also an die Sachen und wird dann wütend, beschwört den Zorn also quasi herauf? Im Gegensatz dazu kommen ja die "guten" Flammen, wenn sie von guten Flammen übermannt wird. Finde es seltsam, dass es hier nicht auch ist.
Das erste Mal, dass sie das blaue Feuer gesehen hat, war ja als sie sich von den Wurzelgnoggs befreit hat. Diesmal setzt sie den stärkeren blauen Feuerzauber bewusst ein. Die roten "guten" Flammen kommen ja auch nur, wenn sie sich freut oder eine schöne Erinnerung hat. Ist also beides emotions-getriggert.

Der Sonnenaufgang färbte den Himmel glutrot, 'wie ein Blutstropfen, der in ein Glas Wasser fällt', dachte Luzia.
Glutrot und Blutrot sind für mich zwei verschiedene Farben, selbst wenn das Blut vermischt wurde. Und ich weiß nicht, ob das ein passender Vergleich für eine Kindergeschichte ist.
Du bist der zweite, der sich daran stößt, aber Blut ist in Märchen kein Tabu (Schneewittchen, die Königin sticht sich mit der Nadel in den Finger, drei Blutstropfen fallen in den Schnee, usw.) Mit der Farbe hast du recht, das werde ich prüfen.

Dabei drehte sich der Zug um die eigene Achse, Sterne, Nachtwald und Morgenröte flackerten in einem wilden Farbrausch an den Fenstern vorbei, bis alles zu einem Farbmatsch verschwamm.
Was ein Drogentrip :lol:.
Ja, da wo es feucht war im Wald, da standen viele merkwürdige Pilze ...

Der Waggon, in den Zacharias trat, war leer und war es nicht.
Ja, was denn jetzt? Leer oder nicht leer?
beides :lol:, Geister zählen (und zahlen) nur halb.

Hab deine Geschichte sehr gerne gelesen. Hab schon nach dem Stammtisch Lust darauf bekommen, und das kuze Warten darauf hat sich gelohnt.
Ja, hat mich sehr gefreut für meine Zeitreise-Idee eine sinnvolle Auflösung zu bekommen.
Großer Dank an dich und @GoMusic für euern Input.

Peace, linktofink

 

Hallo @linktofink,

seit einer Woche habe ich mir vorgenommen, deine Geschichte ausführlich zu kommentieren. Ich kam bisher nicht dazu, lasse aber ein kurzes - Gefällt mir gut - da. Nur ein Punkt: Die Altersangabe halte ich für unwichtig. Schon Novak sprach das ja an, aber ich sehe hier kein "novellenähnliches Märchen für Menschen ab 10" sondern ein schönes, wohlfühliges, durchdachtes und reichhaltiges Märchen.

So viel kurz dazu!

Lg kiroly

 

Hallo @linktofink,
ich habe dir ja gestern einen Kommentar versprochen zu deiner schönen Geschichte, dann will ich jetzt mal - aber was mir beim erneuten Lesen leider aufgefallen ist: Viel Konstruktives außer Lob habe ich da gar nicht beizutragen. :)

Drei Tage noch. Luzia klatschte vor Freude in die Hände.
Schöner Anfang. Jedes Kind denkt sofort an Weihnachten oder Geburtstag. (Im Nachhinein frage ich mich aber trotzdem, ob sich Luzia wirklich so sehr freut, wo ihr Leben mit Zacharias so trostlos geworden ist und ja nicht mal der Nikolaus da war.)
»Luzia!«, dröhnte Zacharias' Stimme von oben. Großvater rief sie nie Flämmchen. Das hatten nur Gerti und Anton getan.
Hier würde ich selbst einiges umstellen. Zum einen dachte ich nämlich zuerst, Zacharias und Großvater wären zwei verschiedenen Personen. Könntest ihn ja beim ersten Mal "Großvater Zacharias" nennen und im weiteren Verlauf dann einfach nur noch Zacharias. Und weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber dass Großvater sie nie Flämmchen nennt, interessiert mich an dieser Stelle noch nicht. Ich weiß ja auch nicht, ob er sie Schnuckelputz oder Nervzwerg oder Augenstern nennt oder eben nicht. Was ich meine: Ich würde den Satz mit Gerti (die ich beim ersten Mal sicher auch Großmutter Gerti nennen würde) und Anton vorziehen: Nur Großmutter Gerti und Anton hatten sie Flämmchen gerufen. Zacharias tat das nie.
Er konnte sich nicht sattsehen an dem Feuer, das aus ihren Händen loderte. Manchmal dachte sie, das wäre der eigentliche Grund, warum der Anton so viel schnitzte, denn niemand brauchte jemals so viele Holzvögel.
Das ist einfach schön. :herz:
Gerti roch nach Zimtsternen und frischem Sahnequark. Niemand sonst roch so gut. An manchen Tagen im Frühling konnte Luzia den Duft noch riechen, auch wenn die Küche schon lange verwaist war und niemand mehr im großen Ofen buk.
Auch das ist total schön und traurig. Vielleicht kannst du das riechen gegen spüren oder etwas anderes eintauschen, weil es so nah beim roch steht.
Sie wartete noch eine kleine Weile, dann öffnete sie die Tür.
Draußen auf der Bank saß Zacharias und hielt einen Brief in den schwieligen Händen.
Hier dachte ich erst, Zacharias wäre auch im Haus, als Ellen kommt, aber dann passt ja nicht, dass er davor sitzt.
Vielleicht war es eine Erinnerung, die schon länger eine Tür nach draußen suchte, weil sie es allein in der klammen Stille nicht mehr aushielt.
Klasse!
Luzia nahm den Topf in die Hände, drückte ganz fest zu und dachte an Gerti. In den Duft nach Zimtsternen mischte sich bald der stechende Geruch des Leims. Sie nahm den Pinsel aus dem Topf, bestrich das Bruchstück damit und drückte es an seinen Platz.
Du hast wirklich total schöne, verspielte Ideen umgesetzt in dieser Geschichte.
Luzia fuhr zusammen, sprang auf die andere Seite des Feuers und hob die Hände. »Einen Schritt weiter und ich brutzle dir deinen Allerwertesten weg.«
Und mir gefällt die Mischung zwischen der bewusst altmodisch-märchenhaften Sprache und den kleinen, frechen, neuzeitlicheren Einsprengseln.
»'Sonst wüsste ich was das wäre, weiß ich aber nicht', schnak schnak.« Der Junge tänzelte auf Zehenspitzen und hatte beim Nachäffen die Hände gehoben, jetzt ließ er sie sinken
Wie zum Beispiel eben auch hier.
Ihre Äste verschränkten sich ineinander wie die Arme von Brüdern, die sich an den Schultern fassten und die Köpfe zusammensteckten.
Auch das ist ein super schönes Bild.
Sie ließen keine Mondstrahlen hindurch, sie fingen sie ab und verteilten sie als glitzerndes Kleid auf den verschneiten Blättern.
Und das hier auch.
Wurzelgnoggs natürlich«, sagte Branko. »Wenn du stehenbleibst, lassen sie Wurzeln über deine Füße wachsen und wenn du die nicht schnell genug abschneidest, schlägst du selbst Wurzeln und wirst einer von denen da.«
Und wieder eine herrlich versponnenes Detail, das einfach Spaß macht.

Jetzt kommt ein Absatz, der hier beginnt

Unter ihren Stiefeln wühlte etwas durch den Schnee und krabbelte höher. Luzia spürte die Furcht, wie sie an ihr hochkroch und Schauer über den Rücken jagte.
bei dem ich persönlich etwas ungeduldig geworden bin, auch wenn da natürlich wieder so nette Sachen wie hier zu lesen sind:
Die Wurzelgnoggs quiekten auf, als die Flammen sie trafen und krochen zurück in die Schwärze.
Aber ansonsten passiert da nichts wirklich Neues, und den Rest könntest du auch auf den folgenden und den vorherigen Absatz verteilen. Ich empfand jedenfalls, dass die Spannung da nachließ.
Der Wall, auf dem sie gingen, zog sich wie das Band einer weißen Schleife durch den dunklen Wald. Nach wenigen Minuten kam ein riesiges, dunkles Ungetüm in Sicht, das auf der weißen Schleife stand, wie ein Koloss aus Eisen, der vom Himmel gefallen war.
Die weiße Schleife durch den Wald ist ein schönes Bild, beim zweiten Mal würde ich aber trotzdem etwas anderes nehmen, vielleicht ganz einfach Schiene oder dort.
Gerti nahm die Bratäpfel aus dem Schacht, legte sie auf ein Metalltablett, streute Zucker darüber und sagte: »Flämmchen, einmal verknuspern bitte.«
Lecker, Verknuspern! :thumbsup:
»Sag mal, woher kennst du dich eigentlich so gut aus mit der Lok?« fragte Luzia zwischen zwei Apfelbissen.
Branko hielt inne, kämpfte darum, die Worte zurückzuhalten, die nach draußen wollten. Dann schaufelte er weiter und sagte: »Bin doch nur der Kohlenjunge … nur der Kohlenjunge.«
Ja, spannend, da muss doch mehr dahinter stecken ...
Immer tiefer in den Nachtwald hinein führten die Spuren. Das war beunruhigend, doch gingen sie noch zusammen, das wiederum war ein gutes Zeichen. Zacharias folgte den Abdrücken mit Mühe.
Die Abschnitte mit Zacharias im Nachtwald würde ich selbst mehr eindampfen. Ich denke, es würde genügen, wenn man kurz mitbekommt, wo er sich inzwischen befindet und was er sieht, aber das ganze Staunen und Wundern über Sachen, über die sich zuvor schon Luzia ausführlich gewundert hat, bräuchte ich nicht.
Branko drehte an Kurbeln, zog Seile und kleine Knöpfe und hüpfte mit dem Ölkännchen durch die Kabine.
Ich sehe ihn vor mir!
»Sapperlot verdorri eins, wenn du keine Feuerhexe bist …«, danach bekam Branko den Mund nicht mehr zu.
Hier würde ich denken, Punkt nach der wörtlichen Rede und Danach groß beginnen.
»Die Feuerhexe will jetzt die alte Dame fahren. Hilfst du mir oder hältst du weiter Maulaffen feil?«
Auch wieder schön, diese altmodische Redewendung. (Ich habe mir gerade vorgenommen, sie bei passender Gelegenheit im Alltag zu verwenden :lol:)
Der Kessel sprotzte und spuckte, die Lok machte einen Satz wie ein bockender Esel und erhob sich von den Schienen. Sie stieg in einer langgezogenen Kurve in den Morgenhimmel auf und zog weiße Dampfkringel hinter sich her.
Tolles Bild!
Du solltest diesem Genre unbedingt treu bleiben. Passt alles: Die Sprache, die Traurigkeit, der Witz, die Spannung, die Idee mit dem umgekehrten Zeitreise-Zug, die Wurzelgnoggs und das hart erkämpfte Happy-End.
Das könnte ich mir persönlich etwas gekürzter aber auch gut vorstellen. Ab hier
Als sie sich aufsetzte, brummte ihr Schädel
würde mir genügen, wenn Luzia nachhause kommt und alles ist wie vor dem Unglück, ohne das Reflektieren darüber, wem sie was erzählen würde, und ohne die diffusen Ahnungen von Gerti und Anton. Der Leser ist mit Luzia zusammen erleichtert und muss das nicht noch zerredet bekommen (klingt jetzt fies, aber du weißt, wie es gemeint ist) Den berührenden Schluss mit Zacharias würde ich aber genau so lassen!

Also, ich mag die Geschichte wirklich sehr, linktofink. :thumbsup:
Liebe Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey, liebe @Fliege,

schön, dass du hier mitmischst. :lol:

eine wirklich schöne Geschichte. Ich nenne es mal Geschichte, bis zur Novelle fehlen mir (persönlich) paar mehr Wörter. Aber da es keine festen Begrenzungen gibt, bleibt die Hohheit der Entscheidung bei Dir. Ich würde auch fast die Altersangabe runtersetzen, so auf acht oder so, aber nach oben geht natürlich alles, wie es Märchen nun mal an sich haben.
Keine Ahnung, Fliege, ob das streng genommen eine Novelle ist, für mich war nur wichtig, ein wenig vorzuwarnen, dass das Lesevergnügen (hoffentlich:D) ein längeres ist, so mit zwanzig Normseiten … Auch bei der Altersangabe war ich mir unsicher und habe nach meinem Gusto entschieden. Bin da kein Experte.

Drei Tage noch.
Bis was? Kann man hier ruhig schon sagen, ist doch eine Weihnachtsgeschichte, muss man also kei geheimnis draus machen, finde ich.
Es ist zwar eine Geschichte mit Weihnachts-Setting, aber die Handlung bewegt sich zwischen anderen Koordinaten, deshalb fand ich es nicht so wichtig.

Sie hörte das Schlurfen der Pantoffeln. Die Tür quietschte in den Angeln, als er sie zur Seite rempelte. Bei jedem Schritt nach unten knarzte die alte Holztreppe.
Wie rempelt man eine Tür zur Seite? Auch melodisch will mir das nicht recht gefallen.
Erst hörte sie das Schlurfen der Pantoffeln, dann das Quietschen der Tür und schließlich das Knarzen der alten Holztreppe.
Ja, den Rempel-Schlenker braucht es nicht.
Jetzt hab ich das so: "Die Kammertür quietschte in den Angeln, dann hörte sie das Schlurfen der Pantoffeln. Bei jedem Schritt nach unten knarzte die alte Holztreppe."

Zacharias' Augenbrauen waren weiß wie eine Schneewechte. Nur wenn er wütend war, kam das Leben zurück in seine Augen.
Z. ist wütend. Und wenn er wütend ist, sind die Augenbrauen weiß und das verleiht seinen Augen Leben? Verstehe ich nicht. Sehe ich nicht als Bild.
Okay, ich sehe das Problem. Der zweite Satz bezieht sich nicht auf den ersten, deshalb habe ich versucht, es durch einen Einschub deutlich zu machen. "Zacharias' Augenbrauen waren weiß wie eine Schneewechte. Darunter funkelte es. Nur wenn er wütend war, kam das Leben zurück in seine Augen." Kannst ja mal schauen, ob das so für dich funktioniert.

Mag's nicht. Mag Sterne :).
Ja, geändert

Zacharias krallte seine Hände an den Sitz vor ihm. Maggie saß linker Hand, Anton auf der andern Seite und schon drehte sich der Waggon so schnell, dass er in den Sitz gedrückt wurde. Sein Magen drehte sich um und er schloss die Augen.
Dir fällt was ein. Bestimmt.
Ja, das erste ist weg.

»Mist verdorri, Flämmchen, du kannst. Alles wird jetzt anders sein.«
Verrate doch nicht schon alles vorher ;).
Ja, ist auch weg.

Finde ich zu minimal. Kann sie nicht Tulpen sehen oder den Specht hören? Und wenn sie den Specht oder Kuckkuck hört, würde ich das vorher auch schon mal einbauen, damit auch die Kinder diesen Tag wiedererkennen.
Den Specht hab ich jetzt drin, muss ich allerdings auch noch vorher unterbringen.

Sehr, sehr schön! Mir gefällt die Idee, mir gefällt die Ausführung zu weiten Teilen, ich mag es gern.
Bisschen was kürzen würde ich, ohne jetzt bestimmte Stellen im Kopf zu haben, aber ein bisschen mehr Tempo würde dem Ganzen nicht schaden, so mein Empfinden.
Ich schau mal, noch ist der Text in der Schreibmaschine.

Alles, was du gelobt hast, tue ich in den Honigtopf für harte Zeiten. Danke dafür. :kuss:
Ich finde es sehr ermutigend, gerade von dir dazu eine positive Rückmeldung zu bekommen, denn Jugend- und Kindergeschichten habe ich noch nicht eingestellt und du bist die Expertin.
An einigen Stellen hast du die Einschübe für Erwachsene kritisiert. Beim Schreiben habe ich überlegt, ob ich die reinnehme und da es nur wenige kurze Passagen, bzw. einzelne Sätze sind, denke ich (hoffe ich), dass es von jungen Lesern nicht als störend erlebt, bzw. überlesen wird.
Auch die SPO-Blöcke werde ich weiter durchforsten. Mit dem einen, den du anführst, bin ich durch.

Liebe Grüße, Peace, linktofink

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Liebe @Novak,

das ist eine wunderwunderhübsche Geschichte. Ich liebe den Tonfall, die feinfühlige, frische Sprache, die putzigen Einfälle. Quiekende Wurzelgnoggs, ja du liebes bisschen, ein Junge, der das Feuerkind braucht, um alt werden zu können, die Fahrt der Lok durch den Nachtwald.
Eine sehr liebevoll gedrechselte, detailreiche Geschichte um ein Mädchen, das eine Prüfung erleben muss, damit sie das Unheil in ihrem Leben bekämpfen und die Liebe zurückgewinnen kann.
Ich war ganz von den Socken, als ich das las, liebe Novak. Ist jetzt schon ein paar Tage her und ich bin mit den Antworten etwas im Verzug, aber es wärmt noch immer.

Ich will noch hinzufügen, dass ich die Altersangabe zwar zur Kenntnis genommen habe, die Geschichte aber trotzdem nicht unter diesem Gesichtspunkt gelesen habe. Für mich war es ein Märchen für groß und klein.
Das ist schön, so habe ich es auch gesehen und deshalb die nicht ganz kindgerechten Stellen drin gelassen.

Jedenfalls werde ich heute dir zu Ehren nur Flämmchen, schnak schnak, verdorri und verknuspern sagen.
:kuss: Ich rede auch nur noch Bränkisch.

Ich habe nicht, aber auch rein gar nichts zu bekritteln, sondern will einfach nur loswerden, wie sehr ich dein Märchen genießen konnte. Ich werde deine Geschichte empfehlen und freu mich schon richtig drauf. Musst aber einen Moment warten, bin zur Zeit etwas im Kampf mit der Zeit und mit meinen Händen.
Auch an diesem Ort dafür nochmals ein herzliches Dankeschön, liebe Novak.

Irgendwann habe ich das mit dem als mal falsch gespeichert. Werde also die fehlenden Kommata, die du angestrichen hast, flugs ergänzen. Danke für die Hinweise dazu.

Luzia nahm den Topf in die Hände, drückte ganz fest zu und dachte an Gerti.
Da hab ich was nicht verstanden. Warum drückt sie zu?
Weil es mit Konzentration und Anstrengung leichter geht dachte ich mir. Als sie später die Schienen auftaut, macht sie das ja auch so.

Das ist total niedlich vom Bild her, aber bisschen viel "groß": Er hatte ungewöhnlich große Augen, beinahe wie die eines Kälbchens. Die Kleider hingen an seinem Körper. Schwarz waren sie, kohlrabenschwarz, genau wie die Schiebermütze, die ihm beinahe vom Kopf rutschte.
Habe das ganz ähnlich gelöst: Er hatte ungewöhnlich große Augen, beinahe wie die eines Kälbchens. Die Kleider, die um Arme und Beine schlotterten, waren kohlrabenschwarz, ebenso die riesige Schiebermütze, die schief auf seinem Kopf hing.

Danke für das Anführen der einzelnen Stellen, die dir gefallen haben, davon kann ich als Autor nie genug lesen, doch nehme ich es lieber als stilles Vergnügen.

Peace, linktofink

 

Die Hände hatte sie hinter dem Rücken verschränkt, damit sie nicht aus Versehen etwas taten, was sie nicht durften.

Gerti roch nach Zimtsternen und frischem Sahnequark. Niemand sonst roch so gut. An manchen Tagen im Frühling konnte Luzia den Duft noch riechen, auch wenn die Küche schon lange verwaist war und niemand mehr im großen Ofen buk.


Moin,

linktofink,

ist wohl unmöglich, der je aktualisierten Fassung dieser feinen Geschichte von ca. 22 Normseiten zu folgen, so ist denn die Kopie, die ich gestern durchgeackert habe, mit dem Bearbeitungsvermerk

Zuletzt bearbeitet: Gestern um 19:04
nicht von gestern, sondern vorgestern Abend. Ich hoffe, dass Du noch was mit den ca. 30 Anmerkungen von heute früh was anfangen kannst und beginn direkt mit einem Lob zur Verwendung des keineswegs in „gerechter“, was wohl eher eine „einfache“ oder noch besser „vereinfachte“ Sprache ist, an einem so kleinen Beispiel wie dem Verb „backen“, das ja auch ein „backte“ zulässt. Im lt. Duden „veralteten“ unscheinbaren „buk“ und vor allem dessen Konj. II „büke“ schwingt die körperliche Anstrengung etwa im sich bücken müssen mit.

Aber schon hier „quietschet“ ein wenig die „Türangel“

Sie hörte das Schlurfen der Pantoffeln, dann quietschte die Türangeln.
oder besser doch „quietschten“ die Türangeln, und die alte Treppe

Bei jedem Schritt nach unten knarzte die alte Holztreppe
wird doch auch bei jedem Schritt (nach oben) nicht verstummen … Und hier


In Luzias Erinnerung hingen zwei Bilder[…] fest an ihrem Platz wie zwei Rahmen an der Wand.
Weg mit dem Komma!, und hier
... und dann sagte: 'Zünd sie an, Flämmchen[.]'[…]
gilt es, den Abschlusspunkt einzufangen ...

Dabei lachte sie* als wäre das alles ein Klacks.
M. E. muss hier * ein Komma gesetzt werden, da die vergleichende Konjunktion einen vollständigen Satz einleitet.

Als Zacharias aufblickte, war[en] da ein wenig Gerti und Anton in seinem Blick
Einzelne[,] rot geränderte Flocken schwebten durch die Scheune.
Die Gegenprobe mit „und“ widerspricht nicht der Kommasetzung.

Luzia drehte sich um und lief. Sie schaute nicht zurück, hörte nicht, was er rief, lief so schnell die Stiefel sie trugen.
Auch ein schönes Bild wie oben zum „backen“. Nicht die Füße tragen Luzia, sondern die Stiefel übernehmen die „tragende Rolle“. Luzia ist halt noch im magischen Zeitalter, in dem noch alles beseelt ist ..

Über die verschneite Weide, über die weiße Wiese dahinter und hinein in den Wald. Durch dunkle Tannen, über Lichtungen und unter kahlen Buchen hindurch.
Nix falsch – aber warum nicht ein „dunkler Tann“, der ja auch alles andere Gehölz umfassen kann ...

»Branislav, kannst mich aber Branko nennen.«
Branislav, „der Beschützer“, feine Namenswahl, so doch im „Sklaven“ („engl. „slave“) der Slave immer noch mitschwingt auf german(ist)ischer Zunge

»Ich seh schon, wir verstehen uns.« Er schaute sie aus Kälberaugen an[,] als müsse er überlegen, dann drehte er sich um, ging los und winkte mit dem Arm. »Komm mit.«
M. E. ist das ein verschwiegenes „als ob“, also eher Konj. II, und ruft nicht der Imperativ „Komm mit“ nach dem Ausrufezeichen?

Ähnlich hier

Luzia griff einen armlangen Ast, zündete ihn an und folgte ihm. Man konnte nie wissen.
Als Betonung dieser (für Erwachsene scheinbar trivialen) Erkenntnis

Sie trug die Stiefel, die sie so gründlich geputzt hatte und die er am Nikolausabend vergessen hatte zu füllen.

Der Wald, durch den sie liefen, war alt. Uralt. Nachtwald nannte Branko ihn und er hieß auch tags so.
Hm, „tags“ kenn ich eigentlich nur in Verbindungen wie „zuvor“ oder „danach“, hier dann doch eher „tags+ über“ -oder doch der schöne Genitiv „des Tages“?

Zu ihren Füßen lief Branko als könne er im Dunkeln sehen.
Wie oben schon mal, besser Konj. II und statt des KOmmas - nur so als Vorschlag als Ausdruck der Überraschung ein Gedankenstrich vor als ...

Branko blieb stehen. »Dahin, wo es warm ist und sicher, wenn's recht ist[,] die Dame.«
Sie sorgte dafür, dass der Stock hell genug loderte und spitzte die Ohren. Nichts.
"!" vielleicht?

»Aye aye, Madame«, sagte Branko, salutierte mit zwei Fingern an der Mütze, nahm sich die große Kohleschaufel und stieg auf den Tender. Schnee flog links und rechts von dem Anhänger.
Warum das Reflexivpronomen?

Aus einer tiefen Tasche der viel zu großen Jacke zauberte er eine[n] Apfel und hielt ihn strahlend Luzia hin.
»Sag mal, woher kennst du dich eigentlich so gut aus mit der Lok?«[,] fragte Luzia zwischen zwei Apfelbissen.

»Gleich ist es so[...]weit, gleich musst du die Bremse lösen. Mach dich bereit«, sagte Branko.
„so weit“ nur als Konjunktion zusammen …

Branko strahlte über das grau verschmierte Gesicht. Als Luzia die Bremse löste und die Lok mit einem gewaltigen Ruckler losfuhr, sprang Branko wieder auf den Tender und schaufelte, was das Zeug hält. Er war erst zufrieden,…
Warum der Gezeitenwechsel ...

»Gleich ist es so[...]weit.
Hab ich vllt. schon mal vorgeschlagen, im Zweifel immer auseinander, denn die Konjunktion kommt wesentlich seltener vor als die unbestimmte zeit- und/oder örtliche Angabe und die Fehlerquote sinkt von ca. 0,9 auf 0,1

Sie bogen in den Hohlweg, der zu Zacharias[‘] Hof führte.
Die Reise in den Himmel schien nicht aufzuhören, er spürte[,] wie es immer höher hinaufging.
Abermals lief sie zum Trog, füllte den Eimer ein zweites Mal, obwohl schon lange nichts mehr brannte. Erst dann hörte sie auf zu [z]ittern.

Wie dem auch sei - gern gelesen und Gratulation zur wohlverdienten Empfehlung!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

was für eine schöne und ideenreiche Geschichte, die mir auch sprachlich sehr gefallen hat. Ich denke, dass @Novak völlig richtig liegt, wenn sie sie empfiehlt.
Wow, vielen Dank liebe @barnhelm, das freut mich sehr.

Mir fällt nicht viel ein, was sich noch verbessern oder verändern ließe. Ich musste sie allerdings zweimal lesen, um die Eigenarten deiner Figuren zu erfassen.
Wo ja grundsätzlich nichts gegen spricht. ;)

Besonders bei Branko hätte ich mir früher einen Hinweis gewünscht, um den Fluch, der (vermutlich) auf ihm lag, besser verstehen zu können. Ich weiß am Ende nur, dass er auf Flämmchen warten musste, um - und das ist auch nur eine Vermutung - altern zu können. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Vorgeschichte gewünscht.
Hab ich tatsächlich überlegt, das mehr zu erklären, fand es dann jedoch nicht unbedingt nötig, weil das Miteinander von Branko und Flämmchen für mich mehr im Fokus steht als die metaphysische Begleitmusik.

Und auch Flämmchens Eigenart ist eine Setzung: Während z.B. bei Steven King die flammenden Hände eine Erklärung haben, muss ich sie in deiner Geschichte als gegeben hinnehmen. (Oder habe ich da vielleicht etwas überlesen?)
Ja auch hier möchte ich das als gegeben voraussetzen, ohne es zu erklären.

Das Element des Zorns taucht fmE recht plötzlich auf. Ich vermisse auch hier einen Bezug.
Die Frage ist ja: Wie kommt es zu diesem neuen Gefühl und warum tauchte es gerade dann und dort auf? Flämmchen ist da für mich da am Tiefpunkt, verirrt, alleine in gefährlicher Umgebung und in Gesellschaft, die ihr Vertrauen (scheinbar) gebrochen hat. Der Zorn entsteht aus der Verzweiflung heraus, Flämmchen ist eine Kämpferin.

Zacharias war zum Glück nie lange böse. Sein Groll verrauchte, sobald die Augenbrauen sich wieder hoben. Dennoch konnte sie ihm nicht in die Augen schauen.
Die beiden ersten Sätze beschreiben einen immer wiederkehrenden Ablauf. Danach gehst du zurück in die Szene. Ich könnte mir hier auch vorstellen, dass der zweite Satz stärker zum dritten gehört:
Seine Augenbrauen hoben sich, sein Groll war verraucht. Dennoch …
Ich verstehe die Anregung, in der Szene zu bleiben, doch genau diesen Eindruck des wiederkehrenden Ablaufs brauche ich, damit die Folgeaktion - ihre wortlose Selbstbestrafung - Sinn macht.

Die neuen Bretter um das offene Tor herum leuchteten wie ein Sonnenaufgang.
Ich habe mich gefragt, ob etwas wie ein Sonnenaufgang leuchten kann, oder ist es nicht vielmehr die aufgehende Sonne, die da leuchtet?
Verstehe ich auch, doch finde ich den Vergleich aufgehende Sonne/ dunkles offenes Scheunentor nicht gelungen. Da mag ich das diffuse, rötliche Licht des (Prä-) Sonnenaufgangs lieber.

Ob die Geschichte eine Novelle ist, weiß ich nicht, ich habe sie so betitelt, um wegen der Länge vorzuwarnen. Die Definition scheint mir eh unklar, bzw. die Grenzen fließend. Vielleicht ist es auch eine Maxi-Kurzgeschichte?

Vielen Dank für deinen Beitrag, schönen Abend noch und Grüße an … du weißt schon wen. ;)
Peace, linktofink

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seit einer Woche habe ich mir vorgenommen, deine Geschichte ausführlich zu kommentieren. Ich kam bisher nicht dazu, lasse aber ein kurzes - Gefällt mir gut - da. Nur ein Punkt: Die Altersangabe halte ich für unwichtig. Schon Novak sprach das ja an, aber ich sehe hier kein "novellenähnliches Märchen für Menschen ab 10" sondern ein schönes, wohlfühliges, durchdachtes und reichhaltiges Märchen.
Vielen Dank, lieber @kiroly, so war es auch gemeint, die Novelle habe ich genommen, um auf die Länge vorzubereiten und die Altersangabe, weil ich dachte, bei Geschichten, die auch für Kinder gedacht sind, gehört es dazu. Notwendig ist (denke ich) beides nicht, das sehe ich mittlerweile wie du. Macht aber nix. ;)
Peace, bis bald, linktofink

 

ich habe dir ja gestern einen Kommentar versprochen zu deiner schönen Geschichte, dann will ich jetzt mal - aber was mir beim erneuten Lesen leider aufgefallen ist: Viel Konstruktives außer Lob habe ich da gar nicht beizutragen. :)
Na doch, liebe @Raindog, da kommt doch eine ganze Latte hilfreicher Tipps und Änderungsvorschläge. Und dann brauche ich so lange für die Antwort ...

»Luzia!«, dröhnte Zacharias' Stimme von oben. Großvater rief sie nie Flämmchen. Das hatten nur Gerti und Anton getan.
Hier würde ich selbst einiges umstellen. Zum einen dachte ich nämlich zuerst, Zacharias und Großvater wären zwei verschiedenen Personen. Könntest ihn ja beim ersten Mal "Großvater Zacharias" nennen und im weiteren Verlauf dann einfach nur noch Zacharias. Und weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber dass Großvater sie nie Flämmchen nennt, interessiert mich an dieser Stelle noch nicht. Ich weiß ja auch nicht, ob er sie Schnuckelputz oder Nervzwerg oder Augenstern nennt oder eben nicht. Was ich meine: Ich würde den Satz mit Gerti (die ich beim ersten Mal sicher auch Großmutter Gerti nennen würde) und Anton vorziehen: Nur Großmutter Gerti und Anton hatten sie Flämmchen gerufen. Zacharias tat das nie.
Da habe ich eine Weile drüber gegrübelt und denke jetzt, es wäre wohl besser, die Info an der Stelle ganz zu streichen, aber dennoch Gerti und Anton namentlich einzuführen, damit der Einschub mit den Bilderrahmen in der Erinnerung später funktioniert. Mal sehen, ich denke weiter, wie ich das machen kann.

Gerti roch nach Zimtsternen und frischem Sahnequark. Niemand sonst roch so gut. An manchen Tagen im Frühling konnte Luzia den Duft noch riechen, auch wenn die Küche schon lange verwaist war und niemand mehr im großen Ofen buk.
Auch das ist total schön und traurig. Vielleicht kannst du das riechen gegen spüren oder etwas anderes eintauschen, weil es so nah beim roch steht.
Ja roch, roch, riechen ist nicht so toll. Hab es jetzt anders:
Niemand sonst roch so gut. An manchen Tagen im Frühling hing ein Hauch von ihr noch in der Luft, auch wenn die Küche schon lange verwaist war und niemand mehr im großen Ofen buk.

Du hast wirklich total schöne, verspielte Ideen umgesetzt in dieser Geschichte.
Und mir gefällt die Mischung zwischen der bewusst altmodisch-märchenhaften Sprache und den kleinen, frechen, neuzeitlicheren Einsprengseln.
Und wieder eine herrlich versponnenes Detail, das einfach Spaß macht.
Es hat riesig Spaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben. Und dass sie dann so gut angenommen wird, macht mich echt happy.

Die weiße Schleife durch den Wald ist ein schönes Bild, beim zweiten Mal würde ich aber trotzdem etwas anderes nehmen, vielleicht ganz einfach Schiene oder dort.
Hast recht, zweimal Schleife ist stilistisch unfein. Hab es jetzt so gelöst: "Nach wenigen Minuten kam ein riesiges, dunkles Ungetüm in Sicht, das den weißen Wall einnahm. Ein Koloss aus Eisen, der vom Himmel gefallen sein musste."

»Sapperlot verdorri eins, wenn du keine Feuerhexe bist …«, danach bekam Branko den Mund nicht mehr zu.
Hier würde ich denken, Punkt nach der wörtlichen Rede und Danach groß beginnen.
Ja, so mache ich das.

»Die Feuerhexe will jetzt die alte Dame fahren. Hilfst du mir oder hältst du weiter Maulaffen feil?«
Auch wieder schön, diese altmodische Redewendung. (Ich habe mir gerade vorgenommen, sie bei passender Gelegenheit im Alltag zu verwenden :lol:)
Wird bestimmt gut ankommen. :anstoss:

würde mir genügen, wenn Luzia nachhause kommt und alles ist wie vor dem Unglück, ohne das Reflektieren darüber, wem sie was erzählen würde, und ohne die diffusen Ahnungen von Gerti und Anton. Der Leser ist mit Luzia zusammen erleichtert und muss das nicht noch zerredet bekommen
Fliege hat es ähnlich formuliert und ja, ich habe jetzt auf euch gehört, es ist gestrichen und es ist besser so.

Du solltest diesem Genre unbedingt treu bleiben. Passt alles: Die Sprache, die Traurigkeit, der Witz, die Spannung, die Idee mit dem umgekehrten Zeitreise-Zug, die Wurzelgnoggs und das hart erkämpfte Happy-End.
Danke dir, Raindog, bei dem Zuspruch kann ich ja nicht anders. :D Das Genre ist als Kurzgeschichte neu für mich und macht mir irre viel Spaß, aber das tun andere Genres auch. Also mal sehen, wohin die Reise weiterhin geht.

Peace und gute Nacht, Linktofink

 

ist wohl unmöglich, der je aktualisierten Fassung dieser feinen Geschichte von ca. 22 Normseiten zu folgen, so ist denn die Kopie, die ich gestern durchgeackert habe, mit dem Bearbeitungsvermerk
Zuletzt bearbeitet: Gestern um 19:04
nicht von gestern, sondern vorgestern Abend.
@Friedrichard, lieber Friedel, ja, ich weiß, ich bin schlimm, aber genug Fehler haben die Änderungsorgien überlebt. Also habe ich (wie meistens) in blindem grammatikalischen Vertrauen deine Anmerkungen umgesetzt und wenn nicht, dazu was geschrieben.

Als Zacharias aufblickte, war[en] da ein wenig Gerti und Anton in seinem Blick
Da mir das waren überhaupt nicht gefällt, habe ich aktuell ein von hinzugefügt.
Als Zacharias aufblickte, war da ein wenig von Gerti und Anton in seinem Blick.

Einzelne[,] rot geränderte Flocken schwebten durch die Scheune.
Die Gegenprobe mit „und“ widerspricht nicht der Kommasetzung.
Ohne Komma gefällt es mir besser, ich finde es auch nicht zwingend.

Auch ein schönes Bild wie oben zum „backen“. Nicht die Füße tragen Luzia, sondern die Stiefel übernehmen die „tragende Rolle“. Luzia ist halt noch im magischen Zeitalter, in dem noch alles beseelt ist ..
Danke dafür, dass du mich auf dieses Detail aufmerksam machst. :D Du ahnst, es war nicht bewusst gesetzt, allenfalls intuitiv.

Über die verschneite Weide, über die weiße Wiese dahinter und hinein in den Wald. Durch dunkle Tannen, über Lichtungen und unter kahlen Buchen hindurch.
Nix falsch – aber warum nicht ein „dunkler Tann“, der ja auch alles andere Gehölz umfassen kann ...
Jaaa, mag ich, hab ich genommen, danke.

»Branislav, kannst mich aber Branko nennen.«
Branislav, „der Beschützer“, feine Namenswahl, so doch im „Sklaven“ („engl. „slave“) der Slave immer noch mitschwingt auf german(ist)ischer Zunge
Tja, die Namenswahl ist wie immer sehr bewusst geschehen … ;)

Sie trug die Stiefel, die sie so gründlich geputzt hatte und die er am Nikolausabend vergessen hatte zu füllen.
Ich mag das so aber so.

Der Wald, durch den sie liefen, war alt. Uralt. Nachtwald nannte Branko ihn und er hieß auch tags so.
Hm, „tags“ kenn ich eigentlich nur in Verbindungen wie „zuvor“ oder „danach“, hier dann doch eher „tags+ über“ -oder doch der schöne Genitiv „des Tages“?
Ich hab jetzt am Tag geschrieben, oder ist das gegenüber dem (gesteltzen) Genitiv ein Verbrechen?

Zu ihren Füßen lief Branko als könne er im Dunkeln sehen.
Wie oben schon mal, besser Konj. II und statt des KOmmas - nur so als Vorschlag als Ausdruck der Überraschung ein Gedankenstrich vor als ...
Also mit dem Gedankenstrich passt es für mich nicht. In dem Fall finde ich es mit Komma besser.

Sie sorgte dafür, dass der Stock hell genug loderte und spitzte die Ohren. Nichts.
"!" vielleicht?
Hab das Ausrufezeichen hinter "Und doch war da etwas!" gesetzt.

Wie dem auch sei - gern gelesen und Gratulation zur wohlverdienten Empfehlung!
Vielen Dank dafür, Friedel, und für deine Mühen mit der Fehlerlese unter den erscherten Bedingungen meiner Veränderungswut,
Peace, linktofink.

 

"Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod"
(von wem auch immer, auf keinen Fall "Volkmund")​

Ich hab jetzt am Tag geschrieben, oder ist das gegenüber dem (gesteltzen) Genitiv ein Verbrechen?
Mit nichten und Neffen, linktofink, soweit ich weiß.

Friedel

 

"Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod"
(von wem auch immer, auf keinen Fall "Volkmund")​
@Friedrichard, ich kenne nur das Buch von Bastian Sick, weiß aber nicht, ob der das erfunden hat (oder die Schweizer).
Meine Nichten und Neffen sagen auch am Tag bleibt so ... Peace

 

Hallo linktofink,

Was für eine außergewöhnlich gelungene Geschichte! Hat mir sehr gefallen, vor allem sprachlich!

Ein paar Details, mal ganz ohne Kritik. Die Geschichte kam mir schon sehr perfekt vor.

»Luzia!«, dröhnte Zacharias Stimme von oben. Zacharias rief sie nie Flämmchen. Das hatten nur Gerti und Anton getan.
>>> Geschickt deutest du hier schon die spätere Tragödie an.

Schneewechte
>> Was ist das?
Auf dem Tisch stand der Adventskranz aus frischem Grün mit der Weihnachtspyramide in der Mitte. Einer der Flügel war gebrochen. Zacharias wollte den Knochenleim aufkochen, sobald der Kachelofen in der Stube das nächste Mal heiß genug sein würde, wie er sagte. Jetzt im Winter war er jeden Tag heiß genug und doch blieb der Leim auf der Fensterbank stehen.
>>> Solch sorgfältig recherchierte Details mag ich sehr.
Luzia schnippte mit den Fingern. Vom Daumen tropfte eine kleine Flamme auf eine der verstaubten Kerzen. Nach der dritten angezündeten Kerze begann die Pyramide sich zu drehen. Der Hirte mit dem mannshohen Stab sauste fünfmal an ihr vorbei, dann spuckte sie auf die Fingerspitzen und löschte die Flammen. Sie öffnete das Fenster und stellte den Topf mit dem flüssigen Leim in den Zug.
>>> Meine Pyramide dreht sich schon bei einer Kerze. ;) Sonst sehr schöne Textstelle.

Das Feuer leuchtete von unten in ihr Gesicht – und in ein fremdes, sehr bleiches.
>>> Toller Satz und wie elegant du die zweite Figur einführst!
vorbei an Dachsbauten, in die Luzia ohne den brennenden Stock hineingestolpert wäre.
>>> gefällt mir
Flechten hingen wie Zwergenbärte aus den Zweigen herab.
>>> sehr märchenhaft
Eiszapfen hingen von überstehenden Kanten herunter wie Drachenzähne
>>> gelungener Vergleich
Gerti nahm die Bratäpfel aus dem Schacht, legte sie auf ein Metalltablett, streute Zucker darüber und sagte: »Flämmchen, einmal verknuspern bitte.«
Luzia hielt die Hände darüber, dachte an Weihnachten, an Kerzen, Glaskugeln und Punsch. Aus ihren Händen züngelten heiße Flammen, die den Zucker zu einer Kruste verschmolzen.
>>> einfach nur köstlich, so liebevoll beschrieben!!!!
Der Sonnenaufgang färbte den Himmel dunkelrot, 'wie ein Blutstropfen, der in ein Glas Wasser fällt', dachte Luzia.
gut
Dabei drehte sich der Zug um die eigene Achse, Sterne, Nachtwald und Morgenröte flackerten in einem wilden Farbrausch an den Fenstern vorbei, bis alles zu bunten Streifen verschwamm.
>> toller Satz.

gern gelesen, petdays

 

Hey @petdays,

ich weiß gar nicht wohin mit dem ganzen Honig :D. Scherz, ich freue mich natürlich außerordentlich, so was zu lesen:

Was für eine außergewöhnlich gelungene Geschichte! Hat mir sehr gefallen, vor allem sprachlich!
und genieße den Moment. Viel mehr will ich dazu auch gar nicht sagen außer: Dankeschön!

Peace, linktofink

 

Hallo @linktofink!

nach einer allgemeinen Kündigungswelle auf der Arbeit (bin vom Zweitdienstjüngsten zum Zweitdienstältesten aufgestiegen! Wow!) einschließlich einer Arbeitsverdichtung so zwischen Mitte Januar und Mitte Februar und Weiterbildungsprüfung finde ich endlich, endlich etwas << RUHE >> Deine Geschichte zu kommentieren. Ich hatte mir im Januar Notizen dazu gemacht und bin überrascht: Erstens habe ich sie gefunden (ganz ironielos gemeint) und zweitens sprang mir anhand der Notizen Handlung und Geschichte direkt ins Bewusstsein. Das spricht schon mal für deine Geschichte, finde ich. Es ist eine schöne, eine eingerahmte Geschichte, eine erzählerische Einheit in Märchenform. Sie ist einfach eine schöne Geschichte. Die Details stimmen. Besonders gut finde ich sie, weil sie gar nicht so sehr nach Effekt oder Hintergrund, nach doppelten Wänden und Zwischenzeilentricks sucht, sondern dass sie immer eine märchenhaft-phantastische Geschichte mit Aha-Auflösung bleibt.

Deine Geschichte lese ich immer sehr gerne. Manchmal sah ich aber die Gefahr eines Auseinanderfallens der einzelnen Details, der Teile, wie ein nicht so richtig korrekt gebackener Kuchen. Naja, dann packt man halt Sahne drauf und nennt es selbst-euphemistisch Crumble. In dieser Geschichte ist dir, finde ich, diese Einheit geglückt, der Kuchen ist erfolgreich gebacken worden. Das Märchen ist gelungen, wobei ich die Geschichte gar nicht so sehr als Märchen empfand, vielleicht habe ich auch ein zu historisches Bewusstsein über Märchen an sich. Ich schreibe dir einfach mal auf, was mir besonders gut gefallen hat und was mich verwundert hat.

Zacharias rief sie nie Flämmchen

Ruß, rotes Lärchenholz und Flämmchen, da steckt viel Feuer, da steckt viel knorriges Lärchenholz und Asche im Kamin, ich sah schon die Schneeflocken besonders dick und langsam herunterrieseln, wie in diesen alten DEFA-Märchenfilmen, die sonntagmorgens um 6 Uhr auf dem MDR laufen. Aber mir gefiel einfach die Stimmung. Wohlig, warm, phantasievoll, nicht zu überkitschig. Während des Lesens sah ich genau darin die Gefahr: Kitsch entsteht ja oft durch das Nicht-Ernstnehmen eines Charakters und dem Verzerren von ein, zwei schönen Eigenschaften. Das tust du in der ganzen Geschichte nie und das tut der Geschichte aus meiner Sicht sehr gut.

In Luzias Erinnerung hingen zwei Bilder. Sie hingen fest an ihrem Platz wie zwei Rahmen an der Wand.

Schönes, kleines, trickreiches Bild.

Gerti roch nach Zimtsternen und frischem Sahnequark.

Ja, mit so einem Satz erzeugst Du ganz ganz viel Atmosphäre. Sahnequark und Zimtsterne. Aber passt, oder?

Durch dunklen Tann

Ich mag das Wort "Tann". Sicherlich kann man sich fragen, ob die darauffolgenden Bilder zu abgegriffen wirken ("aus weiter Ferne ein Heulen"), andererseits lebt deine Geschichte von der Phantasie. Ich finde solche abgegriffenen Bilder nicht schlimm, sondern zu deiner Geschichte passend. Himmel, dann heult eben ein Wolf im dunklen Wald zur Winterszeit. Auf einem Felsen. Der über der Klippe hängt. Und der Mond scheint kaltblau. Aber wie schon angemerkt: Die Einheit ist dir bei Flämmchen und Branko gelungen.

Branko grinste und tippte an die Mütze. »Ich seh schon, wir verstehen uns.«

Nachtwald nannte Branko ihn und er hieß auch am Tag so.

Zwischen Branko und Flämmchen flammt die freche Energie auf. Eigentlich, finde ich, ist das ein bemerkenswert hintergründiger Dialog: Ironie, eine Prise Süffisanz, aber das "wir verstehen uns" erschien mir zu cool und abgeklärt. Branko, der halbstarke Wald-Alpen-Checker im Nachtwald, der Situation kontrolliert. Wenig verwunderlich, dass er den Nachtwald Nachtwald nennt und nicht Flämmchen. Er bestimmt viel. Aber das ist weniger eine Kritik sondern eher ein Eindruck.

»Na, von den Wurzelgnoggs natürlich«, sagte Branko. »Wenn du stehenbleibst, lassen sie Wurzeln über deine Füße wachsen und wenn du die nicht schnell genug abschneidest, schlägst du selbst Wurzeln und wirst einer von denen da.«

Superschön. Jetzt folgen langsam die phantastischen Elemente..

Luzia, der Feuerteufel. Zacharias schaute zur neuen Scheune. Er spürte, dass er das Feuer in ihr niemals würde zähmen können.

Gut, auch hier dachte ich: Vielleicht ist das zu kitschig, aber warum nicht, es passt ja.

Zacharias folgte den Spuren mit großen Schritten.

Der Spannungsantrieb deiner Geschichte sah ich weniger in Zacharias als im Verhältnis zwischen Branko und Flämmchen. Ganz subjektiv gesehen.

Der Kessel sprotzte und spuckte, die Lok machte einen Satz wie ein bockender Esel und erhob sich von den Schienen. Sie stieg in einer langgezogenen Kurve in den Morgenhimmel auf und zog weiße Dampfkringel hinter sich her.
Der rote Kuhfänger berührte die ersten Wolken,

Auch das eine richtig, richtig schöne Stelle. Deiner Geschichte tut der Wechsel von Wald und Wurzel zu Lok und Wolke gut. Aber jetzt werde ich kurz tiefenpsychologisch: In deiner Geschichte zur Koffer-Challenge sprach ja jimmysalaryman die amerikanischen Narrative an. Hier ist schon wieder eines: Der Kuhfänger. Du hattest bestimmt eine richtig schöne amerikanische Western-Lokomotive im Kopf (bezeichnenderweise heißt dieser Lokomotivtyp American. Sein flacher Brennkessel rührt von der geringen Hitzeentwicklung der Holzscheite her. Aber egal. ). Der Kuhfänger ist ein typisches Element nordamerikanischer Dampflokomotiven, in Europa findet man ihn kaum.
Ist das wichtig für deine Geschichte?
Nö.

»Sapperlot, ich bin und war immer schon Branko«, sagte Branko. »Ich hab verdorri lange auf dich gewartet, Flämmchen. Denn du weißt ja: Im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die nur dieser eine Mensch tun kann, und wenn es nur das ist, was er tut.«

Hier schließt sich die Geschichte, vielleicht könnte man den Satz öfter einbauen, aber auch das nur ein kleiner, vager Vorschlag. Sehr wichtig halte ich - jetzt kommt das pädagogische in mir - den letzten Satz. Mit einer Umarmung schließt sich die Geschichte, die "Harmonie" ist wiederhergestellt, Rätsel gelöst, vielen Dank verehrte Leserschaft, die Geschichte wird zum ganzen, weil die Menschen deiner Geschichte eine große Einheit bilden. Gut, vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt.

****

Lieber @linktofink, auch wenn deine Geschichte in den Empfehlungen nach hinten rückt, hoffe ich, dass ich dir ein paar Anstöße oder Ideen geben konnte. Kurz fragte ich mich, wie deine Geschichte mit einer anderen Rahmung aussehen könnte. Du schreibst für Kinder und eher aus einer phantastisch-phantasievollen Perspektive. Vielleicht wäre es ein Versuch, eine solche Geschichte für ernste Erwachsene zu schreiben. Könnte schnell ins freudianische Gehen, unterdrückte Triebe, manifeste Inhalte in den Träumen...egal.

Lg aus Leipzig,
kiroly

 

Hallo @kiroly und erst mal eine dicke Entschuldigung vorneweg für die späte Antwort, der Job fordert auch bei mir seinen Tribut. Aber was sage ich, verglichen mit dem, was Dir in Deinem Job widerfährt, ist das alles Pillepalle. Und so freue ich mich darüber, dass du dennoch Zeit gefunden hast, das Märchen ausführlich zu kommentieren.

Sie ist einfach eine schöne Geschichte. Die Details stimmen. Besonders gut finde ich sie, weil sie gar nicht so sehr nach Effekt oder Hintergrund, nach doppelten Wänden und Zwischenzeilentricks sucht, sondern dass sie immer eine märchenhaft-phantastische Geschichte mit Aha-Auflösung bleibt.
Schön gesagt, kiroly, auch die Anmerkung, dass es diesmal kein Crumble geworden ist, da steckt viel Wertvolles drin für mich.

Wohlig, warm, phantasievoll, nicht zu überkitschig. Während des Lesens sah ich genau darin die Gefahr: Kitsch entsteht ja oft durch das Nicht-Ernstnehmen eines Charakters und dem Verzerren von ein, zwei schönen Eigenschaften. Das tust du in der ganzen Geschichte nie und das tut der Geschichte aus meiner Sicht sehr gut.
Freut mich sehr, denn Kitsch, bzw. Düsterkitsch kam schon mal als Rückmeldung zu "Rot auf Schwarz" und es ist gut zu lesen, dass ich diese Untiefe anscheinend umschifft habe und bei meinen Figuren geblieben bin.

Ja, mit so einem Satz erzeugst Du ganz ganz viel Atmosphäre. Sahnequark und Zimtsterne. Aber passt, oder?
Jaaa, unbedingt. :D

Ich mag das Wort "Tann". Sicherlich kann man sich fragen, ob die darauffolgenden Bilder zu abgegriffen wirken ("aus weiter Ferne ein Heulen"), andererseits lebt deine Geschichte von der Phantasie. Ich finde solche abgegriffenen Bilder nicht schlimm, sondern zu deiner Geschichte passend. Himmel, dann heult eben ein Wolf im dunklen Wald zur Winterszeit. Auf einem Felsen. Der über der Klippe hängt. Und der Mond scheint kaltblau. Aber wie schon angemerkt: Die Einheit ist dir bei Flämmchen und Branko gelungen.
Den Tann habe ich @Friedrichard zu verdanken, war sein Vorschlag, bin froh drum, weil es so gut passt. Bei dem Heulen hab ich überlegt, klar, abgegriffen und alles, aber ist schon schön unheimlich so ein Heulen und der Einheit, die du beschreibst, tut es keinen Abbruch.

Zwischen Branko und Flämmchen flammt die freche Energie auf. Eigentlich, finde ich, ist das ein bemerkenswert hintergründiger Dialog: Ironie, eine Prise Süffisanz, aber das "wir verstehen uns" erschien mir zu cool und abgeklärt. Branko, der halbstarke Wald-Alpen-Checker im Nachtwald, der Situation kontrolliert. Wenig verwunderlich, dass er den Nachtwald Nachtwald nennt und nicht Flämmchen. Er bestimmt viel. Aber das ist weniger eine Kritik sondern eher ein Eindruck.
Ja, das ist wohl so, anfangs bestimmt der Alpen-Checker, wo es langgeht, doch mein Fokus lag darauf, das auch als Entwicklung darzustellen, dass der Branko sieht, wer Luzia ist und was sie alles bewirkt, dass sie sich gegenseitig sehen und sich aus diesem feinen Miteinander die finale Auflösung ergibt, die keiner von beiden allein geschafft hätte.

Der Spannungsantrieb deiner Geschichte sah ich weniger in Zacharias als im Verhältnis zwischen Branko und Flämmchen. Ganz subjektiv gesehen.
Zacharias ist für das Geschehen nicht zwingend notwendig, er läuft ja quasi nur hinterher, doch durch das Rausgehen und den Perspektivwechsel zieht´s den Plot gewaltig nach vorne. Und durch seine Erlebnisse bei der Bahnfahrt gibt es dann doch auch wichtige (Geister-)Infos für den Leser, die er ohne diesen Parallelstrang nicht erhalten hätte.

Hier ist schon wieder eines: Der Kuhfänger. Du hattest bestimmt eine richtig schöne amerikanische Western-Lokomotive im Kopf (bezeichnenderweise heißt dieser Lokomotivtyp American. Sein flacher Brennkessel rührt von der geringen Hitzeentwicklung der Holzscheite her. Aber egal. ). Der Kuhfänger ist ein typisches Element nordamerikanischer Dampflokomotiven, in Europa findet man ihn kaum.
Ist das wichtig für deine Geschichte?
Nö.
Da hatte ich schon die Befürchtung, dass mir einer der Bahnexperten im Forum (wenn ich mich recht erinnere, bist du einer) das um die Ohren klatscht, aber da bin ich (diesmal) glimpflich davongekommen. :D

Hier schließt sich die Geschichte, vielleicht könnte man den Satz öfter einbauen, aber auch das nur ein kleiner, vager Vorschlag. Sehr wichtig halte ich - jetzt kommt das pädagogische in mir - den letzten Satz. Mit einer Umarmung schließt sich die Geschichte, die "Harmonie" ist wiederhergestellt, Rätsel gelöst, vielen Dank verehrte Leserschaft, die Geschichte wird zum ganzen, weil die Menschen deiner Geschichte eine große Einheit bilden
Mit dem öfter bin ich vorsichtig, weil ich den Satz schon dreimal drin habe, da besteht die Gefahr der Überdosierung.
Gerade die Versöhnung zwischen Zacharias und Luzia war mir sehr wichtig, dass es da zu einem Alles auf Anfang kommt und die Verzweiflung rausgedrängt wird, und das ist ja nur so, in diesem Märchengewand und mit dem Fantasy-Twist möglich (behaupte ich mal).

auch wenn deine Geschichte in den Empfehlungen nach hinten rückt, hoffe ich, dass ich dir ein paar Anstöße oder Ideen geben konnte. Kurz fragte ich mich, wie deine Geschichte mit einer anderen Rahmung aussehen könnte. Du schreibst für Kinder und eher aus einer phantastisch-phantasievollen Perspektive. Vielleicht wäre es ein Versuch, eine solche Geschichte für ernste Erwachsene zu schreiben. Könnte schnell ins freudianische Gehen, unterdrückte Triebe, manifeste Inhalte in den Träumen...egal.
Ich verstehe den Denkanstoß, da steckt schon auch was Reizvolles für ein anderes Setting drin, mit veränderten Zutaten vor anderer Kulisse, ich bin nur gerade ganz woanders unterwegs und schreibe an der Fortsetzung von Paria Paradise, also ganz was anderes, oder vllt. doch nicht? ich nehme aus deinen Kommentaren auf jeden Fall immer etwas mit.
Auch ohne Stammtisch, man liest sich! Peace, ltf.

 

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