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Feuerlöscher

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03.09.2024
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Feuerlöscher

„Müssen wir da hin?“, fragt Jonathan.
„Müssen wir“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“
„Das ist aber ganz schön alt“, sagt die Tochter.
Sie hat einen Schuh verkehrt herum angezogen und streift ihn wieder ab. Ich schleppe die Koffer zum Auto und befestige den Kindersitz auf der Rückbank. Das Wetter spielt mit, Anfang November, zwölf Grad, kein Regen. Emilia hat die Schuhe immer noch nicht an. Jonathan will den Fußball mitnehmen.
„Der bleibt hier“, sage ich.
„Nun lass ihn doch!“, sagt meine Frau. Ich nehme Proviantkorb, die Jacken der Kinder und den Ball. Die Geschenke sind schon im Kofferraum.
„Haben wir alles?“, frage ich Lisa.
Die Frau nickt, es kann losgehen. Grauer Himmel, das herbstliche Laub bedeckt die Gehwege und Straßen.
„Wie lange noch?“ fragt Emilia.
Vierhundert Kilometer mit Kindern im Wagen. Bei über 140 schaut Lisa zu mir herüber, ich nehme den Fuß vom Pedal.
„Duksch spielt heute im Sturm", sagt Jonathan und meint einen Fußballer seiner Lieblingsmannschaft Werder Bremen.
„Das klingt gut", vermute ich.
„Kann man so sehen", sagt er.
Mein Sohn hat einen Tonfall entwickelt, der mir neu ist. Vorpubertär vielleicht. Mir schwant, dass da etwas in Gang kommt, was die Dinge nicht vereinfachen wird. Gleichzeitig freut es mich.
„Wie soll es bei dir beruflich weitergehen?", fragt meine Frau.
„Nicht jetzt, bitte!", sage ich und konzentriere mich auf den Verkehr.
Es gibt keine Staus, wir kommen gut durch. Ein Parkplatz direkt vor dem Haus der Oma ist frei. Vollpebackt nehmen wir die wenigen Stufen.
„Was wollt ihr hier?“, fragt Hilde und öffnet die Tür nur einen Spalt. Meine Frau drückt sie auf und nimmt ihre Mutter in den Arm.
„Du hast heute Geburtstag, herzlichen Glückwunsch!“
Ich stelle die Koffer im Flur ab und umarme sie ebenfalls.
„Alles Liebe auch von mir! Geht`s dir gut?“
„Gestern ging`s besser“, sagt sie und sieht auf die Gepäckstücke. „Ihr bleibt aber nicht über Nacht!“
Meine Frau schiebt ihre Mutter ins Wohnzimmer, die Kinder folgen zögernd.
„Wir haben Kuchen mitgebracht, jetzt machen wir es uns erst einmal gemütlich“, sagt sie. Hilde sinkt in einen Sessel und zeigt auf die Kinder.
„Wer sind die da?“
„Ich heiße Emilia und kann schon bis hundert zählen“, sagt die Tochter. Jonathan verliert kein Wort und sieht sich im Zimmer um. Sein Blick bleibt an dem kleinen Fernseher hängen. Ich sehe ihm an, dass er sich vorstellt, wie schlecht man auf diesem Bildschirm Fußball gucken kann. Das Spiel geht in einer halben Stunde los. Ich habe ihm nicht verraten, dass wir es hier nicht sehen können, weil es nur auf Bezahlsendern gezeigt wird. Die hat die Oma ganz sicher nicht abonniert.
„Der da spricht nicht viel“, sagt Hilde und macht eine Kinnbewegung in Richtung meines Sohnes.
„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlag` gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
„Bernhard, bitte!“, kommt es von meiner Frau, „sie ist krank!“. Normalerweise nennt sie mich Bernd.
„Wer ist krank?“, fragt Hilde.
„Was hat die Oma denn?“, fragt Emilia.
„Werder spielt gleich“, sagt Jonathan.
Ich gehe zum Kühlschrank, da ist kein Bier drin. Ich nehme den Wein, den wir mitgebracht haben und suche nach einem Glas. Der Wein ist warm.
„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“
Meine Frau sieht mich missbilligend an, steht auf, deckt den Tisch und bringt den Kuchen. Die Kaffeemaschine brodelt, für die Kinder haben wir Apfelschorle mitgenommen. Jonathan wird unruhig. Emilia möchte etwas spielen. Ich brauche einen Eiswürfel für den Wein. Der Kaffee ist fertig.
„Kommt die Haushaltshilfe noch regelmäßig?“, fragt meine Frau.
Hilde schüttelt den Kopf. „Die hat mich beklaut. Der ganze Schmuck ist weg!“
„Ich habe auch Schmuck“, erklärt die Tochter und zeigt ihr Armband. Die Oma ignoriert sie. Jonathan sucht Blickkontakt zu mir.
„Wir sehen gleich mal in den Schränken nach“, sagt meine Frau und schenkt Kaffee ein, „aber eine Hilfe brauchst du doch!“
„Ich hatte nie Hilfe“, kommt es von Hilde. „Heinrich hat jedenfalls keinen Finger krumm gemacht. Ich hoffe, dass es bei dem da besser ist!“ Diesmal macht sie ihre Kinnbewegung in meine Richtung.
„Papa!“, sagt Jonathan, schaut zu mir, dann zum Fernseher. Ich muss es ihm jetzt sagen.
„Wir können hier keinen Fußball sehen, Werder läuft im Pay-TV."
Er sackt in sich zusammen und verzieht das Gesicht.
„Wir verfolgen das über den Live-Ticker auf dem Handy“, schiebe ich nach.
„Verkauft der noch seine Feuerlöscher?“, fragt Hilde und meint mich. Das hat sie sich natürlich merken können.
„Im Moment nicht, die Firma hat Konkurs angemeldet“, antwortet meine Frau.
„Elisabeth!“, sage ich. „Nicht vor den Kindern!“ Normalerweise nenne ich sie Lisa.
„Du bist mit einem Arbeitslosen zusammen? Der Heinrich hat zwar gesoffen, aber arbeitslos war der nie!“, sagt Hilde. „Ich lasse nicht zu, dass ihr euch hier einnistet!“
Ich stehe auf und gehe mit meinem Wein zur Balkontür. Draußen ist es dunkel geworden, ich trete hinaus. Kälte schlägt mir entgegen.
„Der würde mich vermutlich gern über den Balkon schubsen, damit er hier umsonst wohnen kann“, höre ich Hilde sagen.
„Das lohnt sich nicht vom Hochparterre aus, da müsste ich ein paar Blumenkübel hinterherwerfen. Ein Feuerlöscher ginge auch, wenn du einen hast“, rufe ich zurück.
Die Bäume auf der anderen Straßenseite scheinen etwas höher gewachsen zu sein als vor zwei Jahren, sie überragen die gegenüberliegenden Häuser. Aus einigen Fenstern schimmert gedämpftes Licht, eines ist mit roten Lichterketten und Sternen dekoriert. Dort kann man die Weihnachtszeit offenbar kaum erwarten. Ich frage mich, ob die alle mit Feuerlöschern und Rauchmeldern ausgestattet sind. In der Adventszeit passieren die meisten Brände.
Jonathan kommt zu mir auf den Balkon und umarmt mich, vermutlich will er mein Handy wegen des Fußballspiels.
„Hast du keine Arbeit mehr?“, fragt er.
„Der Betrieb hat zugemacht“, erkläre ich. „Aber nächste Woche habe ich einen Vorstellungstermin bei einer neuen Firma. Die brauchen gute Leute.“
Er nickt. Emilia kommt zu uns und will auf meinen Arm. Ich hebe meine Tochter hoch. Sie sieht die Beleuchtung gegenüber.
„Ist bald Weihnachten?“, fragt sie.
„Ja“, sage ich. „Vorher stellen wir einen Tannenbaum auf und vielleicht kommt dann der Weihnachtsmann.“
„Wie lange noch?", fragt Emilia.
Jonathan verdreht die Augen, hält aber den Mund. Meine Frau gesellt sich zu uns.
„Bernd?“, fragt sie.
„Lisa?“, frage ich zurück.
„Hilde ist ganz allein Heiligabend.“
„Ich wusste, dass das kommt“, sage ich.
Lisa fröstelt und schlingt die Arme um ihren Körper.
„Denk drüber nach!", sagt sie, dreht sich um und geht zurück in die Wohnung. Emilia folgt ihr.
„Könnt ihr die Tür zumachen, ich heize nicht für draußen!", höre ich die Oma.
„Stimmung könnte besser sein", sagt Jonathan. „Kommt sie über Weihnachten zu uns?"
„Sieht so aus", antworte ich. „Wenn sie nur etwas freundlicher wäre!"
„Sind bei mir in der Klasse auch nicht alle, muss man durch!"
Ich sehe Jonathan überrascht an und streiche mit der Hand über seinen Kopf.
„Lass das!", sagt er. „Kann ich dein Handy haben?"
Ich gebe es ihm und nehme einen Schluck Wein. Immer noch zu warm.
„Werder liegt hinten, ist schon zweite Halbzeit", sagt Jonathan.
„Wie lange noch?", frage ich.

 

Moin @Jaylow,

vielen Dank für deinen Challengebeitrag. Du erzählst die Geschichte eines Ich-Erzählers, der mit seiner Frau und seinen Kindern zu Oma Hildes 85. Geburtstag fahren muss. Dabei hat er versäumt, die Winterreifen draufziehen zu lassen. Bei Oma Hilde angekommen, hat sie vergessen, dass sie Geburtstag hat und erkennt auch die Kinder nicht mehr. Zudem hat sie an allem etwas auszusetzen und insgesamt wirkt die Stimmung ziemlich bedrückt. Oma Hildes Haushaltshilfe hat sie beklaut, sie beschwert sich über ihren verstorbenen Ehemann und sie wirft dem Vater vor, dass er sie am liebsten vom Balkon schmeißen würde. Zudem hat dann auch noch der Betrieb zugemacht und an Heiligabend soll Oma Hilde dann auf Vorschlag der Frau zu Besuch kommen.

„Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.
Insgesamt hat mir ein wenig der rote Pfaden gefehlt: Beispielsweise hatte ich erst kurz gedacht, dass es sich um einen personalen Erzähler handelt und mich nach dem ersten Satz auf Jonathan eingestellt. Daher war ich dann von dem Ich-Erzähler kurz überrascht.

Die Frau nickt, es kann losgehen. Blauer Himmel, rote und gelbe Blätter liegen auf dem Boden. Die Gehwege und Straßen sind glatt.
Das hat sich für mich etwas klischeehaft gelesen: blauer Himmel, rote und gelbe Blätter auf dem Boden.

Ich habe ihm nicht verraten, dass wir es hier nicht sehen können, weil es nur auf Bezahlsendern gezeigt wird. Die hat die Oma ganz sicher nicht abonniert.
„Der da spricht nicht viel“, sagt Hilde und macht eine Kinnbewegung in Richtung meines Sohnes.
„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
Hilde schüttelt den Kopf. „Die hat mich beklaut. Der ganze Schmuck ist weg!“
„Ich habe auch Schmuck“, erklärt die Tochter und zeigt ihr Armband. Die Oma ignoriert sie.
Abschließend finde ich, dass die Oma Hilde ziemlich bösartig rüberkommt. Wenn das dein Ziel war, dann hat das funktioniert, allerdings sorgte das bei mir, dass ich deine Figuren insgesamt nicht so sehr mochte. Oma Hilde ist bösartig, der Ich-Erzähler abwesend und wenig empathisch, was ich aus dem Umgang mit Oma Hilde herausgelesen habe.

Ich stehe auf und gehe mit meinem Wein zur Balkontür. Draußen ist es dunkel geworden, ich trete hinaus.
„Der würde mich vermutlich gern über den Balkon schubsen, damit er hier umsonst wohnen kann“, höre ich Hilde sagen.
Ja, du hast das Thema der Challenge sehr genau genommen und 1:1 so in deinen Text eingebaut.

„Hilde ist ganz allein Heiligabend.“
„Ich wusste, dass das kommt“, sage ich.
Auch hier finde ich deinen Prota etwas kalt.

So viel zu meinem Leseeindruck.

Beste Grüße
MRG

 
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Moin Jaylow,

nun wollte ich mal jemand anderem den Vortritt für den Erstkommentar lassen, aber ich habe einfach zu viel Freizeit (momentan) . Ah, da ploppt etwas auf, ich lese später rein, also entschuldige etwaige Dopplungen.
Ich gehe mal durch und fasse hinterher zusammen ...

Geburtstag
Ich meckere hier jetzt auf hohem Niveau, denn ich habe für meine Geschichte noch nicht einmal eine wage Titelidee, aber der hier hat noch Luft nach oben :D

„Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.
„Müssen wir“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“
oh! Das kennt wohl jeder! Super Einstieg, vertraut und macht doch neugierig. Ich mag Dialoggeschichten, mich hast du also am Haken.

„Nun lass ihn doch!“, sagt meine Frau.
Die typisch inkonsequente Mutter, auch immer gerne genommen.

Die Frau nickt, es kann losgehen.
Hier bin ich ein bisschen skeptisch mit der Perspektive, Du erzählst doch aus seiner Sicht. Denkt/spricht er echt: das Kind/die Frau?

"Es soll kalt werden morgen, zum Glück hast du die Winterreifen draufziehen lassen“,
Ich habe mich hinterher gefragt, wozu Du das Winterreifendetail brauchst? Ist ein wenig eine falsche Spur, ich erwartete natürlich irgendetwas im Zusammenhang damit. Entweder später noch einmal verwenden oder über Streichung nachdenken?
Ah, zitiert habe ich den Satz aber, weil die Anführungszeichen verrutscht sind. Könnte sein, das Du hier im Forum nachgebessert hast, da kommen bei mir auch nur Anführungszeichen oben. Ich behelfe mir immer, indem ich richtige drüber kopiere.

„Was wollt Ihr hier?“,
Ah! Ich tippe mal auf demente Oma! Schlimm für alle, und ja, auch diese aggressive Tonlage ist oft zu beobachten.

„Gestern ging`s besser“, sagt sie und sieht auf die Gepäckstücke. „Ihr bleibt aber nicht über Nacht!“
Bei mir klappt es in sofern, mir tut sie leid und ich kann über die harten Äußerungen sogar schmunzeln. Aber sie bleibt natürlich den ganzen Text über ziemlich "die Böse". Ich würde überlegen, das irgendwie aufzubrechen, es hat ja einen Grund und meistens haben auch diese Patienten noch eine liebenswerte Seite.

Hilde sinkt in einen Sessel und zeigt auf die Kinder.
„Wer sind die da?“
Ich finde, Du kriegst mit den klaren Dialogen gut klare Bilder gemalt. Für mich passt es!

„Ich heiße Emilia und kann schon bis hundert zählen“, sagt die Tochter.
Schöne, typische Beobachtungen aus meiner Sicht.

„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
Klar, in Geschichten dürfen wir alles, aber das ist schon hart überzeichnet. Wenn die immer so mit einander umgehen, würden sie sich wohl seit Jahren nicht mehr besuchen. Ich habe kurz hochgescrollt, ob Du Satire getagtet hast.

„Bernhard, bitte!“, kommt es von meiner Frau, „sie krank!“. Normalerweise nennt sie mich Bernd.
Das fand ich geschickt gemacht, diese Spiel mit Stimmung und Namen ...

Ich gehe zum Kühlschrank, da ist kein Bier drin. Ich nehme den Wein, den wir mitgebracht haben und suche nach einem Glas. Der Wein ist warm.
Okay, hier breche ich als Oma mal einen Stab für die ältere Generation, hier würde ich ihn nach seiner Kinderstube fragen.

„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Ich fürchte, hier verliert die gute Hilde alle Sympathien, es ist halt alles schwarz-weiß, lässt mir wenig Interpretationsspielraum - schade!

Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“
Aua!

„Elisabeth!“, sage ich. „Nicht vor den Kindern!“ Normalerweise nenne ich sie Lisa.
Passt zu der Variante andersrum, ein schöner Kunstgriff, um viel auszusagen.
Danach eskaliert das Ganze und ...

„Bernd?“, fragt sie.
„Lisa?“, frage ich zurück.
„Hilde ist ganz allein Heiligabend.“
„Ich wusste, dass das kommt“, sage ich.
somit ist Dein Schluss für mich ausgesprochen unglaubwürdig - wer täte sich das an?

Das Challenge-Thema hast Du natürlich sehr direkt und absolut beachtet, soweit gut. Mir fehlt als Leserin etwas zum mitgehen, sei es gefühlsmäßig (wobei mir aus solidarischer Oma-Sicht) tatsächlich Hilde leid tut. Aber auch inhaltlich dürfte da gerne eine Überraschung hinein, vielleicht fällt Dir ja noch etwas ein. Aber selbstverständlich ist es kein Wunschkonzert, solide geschrieben, ohne dicke Fehler, also Dankeschön für Deinen Challengebeitrag.

Liebe Grüße
Witch

 

Hallo @Jaylow ,

du hast ja wirklich Flieges Titel geschmeidig eingeflochten und auch den schwarzen Humor, der drin steckt aufgegriffen. Ich habe mich amüsiert, die Oma ist klasse und die Familienmitglieder in ihren Rollen pointiert dargestellt. Es muss ja nicht immer der Mega-Tiefgang sein. Trotzdem denke ich, dass du hier und da Potential verschenkst und schließlich zu schnell zum Ende kommst.

ch schleppe die Koffer zum Auto und befestige den Kindersitz auf der Rückbank. Die Winterreifen! Ich habe den Werkstatttermin gestern verpasst. Zum Glück spielt das Wetter mit, achtzehn Grad Anfang November. Es dürfte keine Probleme geben.
Ja, das ist sozusagen die geladene Pistole im ersten Akt, die muss auf jeden Fall noch losgehen.
Blauer Himmel, rote und gelbe Blätter liegen auf dem Boden. Die Gehwege und Straßen sind glatt.
Und das widerspricht sich aber doch mit den achtzehn Grad, vorher?
Vierhundert Kilometer mit Kindern im Auto, aber es gibt keine Staus, wir kommen gut durch.
Bisschen langweilig, da vielleicht genauer. "Jonathan redet unerwartet viel auf der Autofahrt, indem er das Spielverhalten von Werder-Bremen analysiert und schon sind die ersten Hundert Kilometer rum" ja, nicht toll, aber als Beispiel.
„Was wollt Ihr hier?“, fragt Hilde und öffnet die Tür nur einen Spalt.
Schöner knackiger Einstieg. Der Ton ist gesetzt.:D
„Gestern ging`s besser“, sagt sie und sieht auf die Gepäckstücke. „Ihr bleibt aber nicht über Nacht!“
:D
„Wer sind die da?“
„Ich heiße Emilia und kann schon bis hundert zählen“, sagt die Tochter. Jonathan verliert kein Wort und sieht sich im Zimmer um. Sein Blick bleibt bei dem kleinen Fernseher hängen.
Schön, wie du die Kinder charakterisierst.
„Der da spricht nicht viel“, sagt Hilde und macht eine Kinnbewegung in Richtung meines Sohnes.
„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
Ja, Hilde und Schwiegersohn sind eigentlich aus einem Holz. Da könnte man doch was draus machen ...
„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“
Eben.
Hilde schüttelt den Kopf. „Die hat mich beklaut. Der ganze Schmuck ist weg!“
„Ich habe auch Schmuck“, erklärt die Tochter und zeigt ihr Armband. Die Oma ignoriert sie. Jonathan sucht Blickkontakt zu mir.
Ja für so eine kleine humoristische Story darf es auch ein bisschen Cliché sein.
„Wer ist krank?“, fragt Hilde.
„Was hat die Oma denn?“, fragt Emilia.
„Werder spielt gleich“, sagt Jonathan.
Der Jonathan ist echt süß.
„Papa!“, sagt Jonathan.
„Wir können hier keinen Fußball sehen.“ Irgendwann muss ich es ihm sagen. Er sackt in sich zusammen und verzieht das Gesicht.
„Wir verfolgen das über den Live-Ticker“, schiebe ich nach.
Und der Vater ist irgendwie ein Aas.

„Du bist mit einem Arbeitslosen zusammen? Der Heinrich hat zwar gesoffen, aber arbeitslos war der nie!“, sagt Hilde. „Ich lasse nicht zu, dass ihr euch hier einnistet!“
Ich stehe auf und gehe mit meinem Wein zur Balkontür. Draußen ist es dunkel geworden, ich trete hinaus.
„Der würde mich vermutlich gern über den Balkon schubsen, damit er hier umsonst wohnen kann“, höre ich Hilde sagen.
„Das lohnt sich nicht vom Hochparterre aus, da müsste ich ein paar Blumenkübel hinterherwerfen. Ein Feuerlöscher ginge auch, wenn du einen hast“, rufe ich zurück.
Schöner Höhepunkt.
Mein Vorstellungsgespräch bei der neuen Firma D-Secour nächste Woche kommt zum richtigen Zeitpunkt und ich weiß, dass die Leute brauchen. Lisa werde ich erst davon berichten, wenn der Vertrag unterschrieben ist. Jonathan kommt zu mir auf den Balkon und umarmt mich, vermutlich will er mein Handy wegen des Fußballspiels.
„Läuft es nicht gut bei der Arbeit?“, fragt er.
„Der Betrieb hat zugemacht“, erkläre ich. „Aber nächste Woche habe ich eine neue Firma.“
Und hier verplätschert das irgendwie. Den ganzen Absatz finde ich entbehrlich und es kommt mir ein bisschen so vor, als wolltest du die Story schnell zu Ende bringen. Meine Empfehlung wäre, noch irgendwie einen Twist einzubauen, irgendetwas was Hilde und Schwiegersohn unvermutet vereint. Also erst noch die Steigerung, dass sie wegen des Wetters wirklich länger bei der Oma bleiben müssen und dann irgendeine Wendung. So ist es am Ende halt ein bisschen mehr desselben, aber bewegt hat sich eigentlich nichts.

Trotzdem ein amüsanter kleiner Happen und ich bin gespannt, was du noch draus machst.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Jaylow,

ich habe die Geschichte jetzt einige Male gelesen und starte mal mit den Kleinigkeiten.

„Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.

Ich glaube, es müsste "da hin" heißen, dahin ist für mich etwas anderes, etwas geht dahin, etwas endet.

„Oma Hilde wird 85.“

fünfundachtzig

Die Winterreifen! Ich habe den Werkstatttermin gestern verpasst. Zum Glück spielt das Wetter mit, achtzehn Grad Anfang November.

Blauer Himmel, rote und gelbe Blätter liegen auf dem Boden. Die Gehwege und Straßen sind glatt.

Achtzehn Grad - die Straßen sind glatt. Ich vermute dann, das sind sie aufgrund der auf dem Boden liegenden Blätter? Na, ich weiß nicht, die Straßen sind ja schon geräumt in aller Regel, und überhaupt ...

„Wie lange noch?“ fragt Emilia.
Vierhundert Kilometer mit Kindern im Auto, aber es gibt keine Staus, wir kommen gut durch. Ein Parkplatz direkt vor dem Haus der Oma ist frei.
„Was wollt Ihr hier?“, fragt Hilde und öffnet die Tür nur einen Spalt.

Das hier zeigt exemplarisch eines der Probleme, das ich mit dem Text habe - er nimmt sich keine Zeit. Ja, das macht ihn auch aus, das trägt zum humoristischen Unterton bei, alles geht Schlag auf Schlag, nichts wird erklärt, man kriegt die Szenen einfach so um die Ohren gehauen.
Auf mich wirkt das stellenweise aber auch ein bisschen faul und gibt den Text etwas skizzenhaftes. Keine Staus, Parkplatz direkt vor der Tür. Als hätte sich der Autor selbst Fragen gestellt und dann den einfachstmöglichen Weg gewählt, um sie nicht beantworten zu müssen. Dann muss er sie für mein Empfinden aber auch gar nicht stellen, die Fragen, so wirkt das nämlich einfach nur redundant.

„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“

Dieses "und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an", besonders das "schlage", nicht "schlag", klingt für mein Empfinden sehr gestelzt und unnatürlich. Da könntest du für mein Empfinden grundsätzlich noch mal drüberlesen, über die wörtliche Rede, und hier und da ein bisschen mehr ins "Gesprochene" und weg vom "Geschriebenen" gehen, wenn du verstehst. Die Dialoge sind nämlich gleichzeitig eine große Stärke des Textes, wie hier:

Wer ist krank?“, fragt Hilde.
„Was hat die Oma denn?“, fragt Emilia.
„Werder spielt gleich“, sagt Jonathan.

Schlag auf Schlag, keine Zeit für Erklärungen, aufs Tempo treten, aber auf eine gute Art.

Die Bäume auf der anderen Straßenseite scheinen etwas höher gewachsen zu sein als vor zwei Jahren, sie überragen die gegenüberliegenden Häuser. Aus einigen Fenstern schimmert gedämpftes Licht, eines ist mit roten Lichterketten und Sternen dekoriert. Dort kann man die Weihnachtszeit offenbar kaum erwarten. Ich frage mich, ob die alle mit Feuerlöschern und Rauchmeldern ausgestattet sind. In der Adventszeit passieren die meisten Brände. Mein Vorstellungsgespräch bei der neuen Firma D-Secour nächste Woche kommt zum richtigen Zeitpunkt und ich weiß, dass die Leute brauchen. Lisa werde ich erst davon berichten, wenn der Vertrag unterschrieben ist. Jonathan kommt zu mir auf den Balkon und umarmt mich, vermutlich will er mein Handy wegen des Fußballspiels.

Hier gibt es dann einen Rhythmuswechsel: Es wird ruhiger. Der Vater flüchtet vor der Hektik, atmet durch, sortiert seine (belastenden) Gedanken. Das tut dem Text sehr gut, finde ich, so einen Sprint hält man ja auch nicht lange durch.
Fast würde ich mir dann aber wünschen, dass du das noch mehr ausreizt. Dass die Beobachtungen und Überlegungen mehr in die Tiefe gehen, dass du so richtig auf die Bremse drückst. Hier ist es mir noch zu sprunghaft.

Ich denke, es wäre fehl am Platz, hier ein existenzialistisches Fass aufzumachen, aber vielleicht könntest du einen Ticken mehr Fallhöhe schaffen: und ich weiß, dass die Leute brauchen. Lisa werde ich erst davon berichten, wenn der Vertrag unterschrieben ist, na und wenn nicht, darüber will ich lieber gar nicht nachdenken, es muss klappen, Punkt. Wie steh ich denn sonst da ... und was wird aus den Kindern ... Keine Ahnung.
Ich erahne da nämlich einen guten Kerl (ich bin mir auch sicher, dass er Heiligabend zähneknirschend mit Hilde verbringen wird und freue mich schon auf die schöne Weihnachtsgeschichte, die du dann mit uns teilen wirst :)) und würde ihm deshalb gerne noch ein bisschen näher kommen.

Eine Sache noch: Zu Anfang erwähnst du sehr prominent die Sache mit den nichtaufgezogenen Winterreifen. Das versackt dann aber, seine Frau erwähnt das zwar noch mal kurz und er duckt sich vor der Bemerkung weg, aber auch da könntest du mehr rausholen, denke ich. Schon mal anteasen, dass er mit dem Kopf aktuell woanders ist, später erfährt man dann ja, wo. Vielleicht deutlich machen, dass das an seinem Selbstwert knabbert, er, der ja sonst alles unter Kontrolle hat, kriegt es jetzt nicht mal hin, seine Familie zu schützen, indem er Winterreifen aufzieht - was für ein Versager!, ein Gedanke, den du dann später, in der "stillen Szene" gut wieder aufgreifen könntest.

So, genug reingeredet. Falls es nicht deutlich geworden ist: Ich mag die Idee hinter der Geschichte, ich mag das Tempo und vor allem mag ich das "Personal". Deshalb finde ich auch, dass du ihnen gerne noch mehr Platz geben dürftest.

Vielen Dank fürs Teilen deiner Omageschichte!

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Jaylow!

vielen Dank für das Einstellen Deiner Geschichte.

Das Setting des Textes, also der Familienbesuch bei der dementen (?) und unwirschen Schwiegermutter birgt natürlich viel humoristisches Potenzial, das Du für mich vor allem durch die Kinder nutzt (das waren für mich die Highlights). An anderen Stellen hatte ich allerdings das Gefühl, dass der Frust den Prota etwas zu stark einnimmt, wodurch er mir teilweise etwas zu unsympathisch wurde. Dessen Trostlosigkeit ist ja schon auch berechtigt (wenn ich mir vorstelle, wie viele Jahre er sich ihre Kommentare schon anhören musste), allerdings läuft deren zu direkte Betonung für mich auf eine andere, zweite Geschichte hinaus. Vor allem, weil eine sarkastische Perspektive mit den entsprechenden Hintergrundinformationen (Entlassung, die Sprüche der Schwiegermutter, die unzufriedenen Kinder, die Erwartungen der Frau) oft ja auch schon tief genug in die negative Gefühlswelt eines Charakters blicken lässt.
Aus Sicht des ökonomischen Erzählens ist mir noch aufgefallen, dass Du teilweise sehr detailliert schilderst, was geschieht, dies allerdings bei mir die satirische Wirkung nicht immer unterstreicht, sondern in Fällen von Beschreibungen, die sich als rein chronologisches Erzählen lesen, diese eher abschwächt. Vielleicht könnte man diese Streichen oder aber das Humoristische dort noch etwas stärker herausarbeiten.

Habe beim Schreiben des Kommentars eben noch die anderen Beiträge überflogen und ein paar Überschneidungen entdeckt, die ich jetzt aber mal so stehen lasse. Doppeltes Feedback kann ja auch hilfreich sein.

Hier noch ein paar konkrete Anmerkungen:

Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.
„da hin“

Die Präsente sind schon im Kofferraum.
Vielleicht auch regionalen Unterschieden geschuldet, aber ich finde ein „die Geschenke“ klingt authentischer.

Die Frau nickt, es kann losgehen.
Wieso „die Frau“? Das erzeugt für mich eine willkürlich wirkende Distanz.

Die Gehwege und Straßen sind glatt.
"Es soll kalt werden morgen, zum Glück hast du die Winterreifen draufziehen lassen“, sagt meine Frau.
Ich meine schon zu verstehen, weshalb du dieses Winterreifen-Thema eingebaut hast. So kannst Du die Lage Deines Protas sowie die aktuelle Beziehung zu seiner Frau anhand eines Beispiels charakterisieren. Allerdings wirkt dieses Beispiel in seiner aktuellen Form (meiner Meinung nach allgemein als zu zentral präsentiert; Warum werden bei 18 Grad die glatten Straßen betont? Kommt seine Frau bei dem Wetter direkt auf die Reifen?) auf mich etwas zu konstruiert, weshalb ich es nicht wirklich als ein exemplarisches Symbol für die Beziehung lesen kann.

Vierhundert Kilometer mit Kindern im Auto, aber es gibt keine Staus, wir kommen gut durch.
Hier habe ich mich gefragt, wozu Dein Text die Informationen braucht.

Ein Parkplatz direkt vor dem Haus der Oma ist frei.
Hier für mich wieder der Punkt, weshalb das relevant ist. Außerdem bin ich über das „der Oma“ gestolpert. Sie wird ja danach einfach bei ihrem Namen genannt. Vielleicht braucht es in dem Kontext auch gar keine Spezifizierung und es ist klar, um wessen Haus es geht.

Die hat die Oma ganz sicher nicht abonniert.
Hier ist mir wieder das „die Oma“ aufgefallen. Jetzt beim Kommentieren erkläre ich es mir damit, dass dieser Gedanke in seiner Wortwahl vom unvermeidbaren Gespräch mit seinem Sohn geprägt ist. Lese ich das richtig?

„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
Ab diesem Punkt ist Dein Prota für meinen Geschmack etwas zu unsympathisch, weil ich das Gefühl habe, dass das satirische Potenzial der Geschichte etwas darunter leidet.

Ich gehe zum Kühlschrank, da ist kein Bier drin. Ich nehme den Wein, den wir mitgebracht haben und suche nach einem Glas. Der Wein ist warm.
Diese Passage gefällt mir sprachlich nicht besonders gut. Das liegt für mich zum einen an der etwas monotonen Satzstruktur („Ich + Verb“ am Satzanfang), und zum anderem an dem „da ist kein Bier drin“ (klingt für mich etwas umständlich formuliert).

Die Kaffeemaschine brodelt, für die Kinder haben wir Apfelschorle mitgenommen. Jonathan wird unruhig. Emilia möchte etwas spielen. Ich brauche einen Eiswürfel für den Wein. Kaffee ist fertig.
Ich vermute, dass Du hier das Durcheinander der Situation beschreiben wolltest. Allerdings erzeugen die Sätze für mich irgendwie eine schwer vorstellbare Dynamik. Auf der einen Seite die quengelnden Kinder und auf der anderen Seite diese Klammer durch das Kaffee kochen, die ich eher mit einer unangenehmen Stille verknüpft hätte. Sprachlich hätte ich im letzten Satz wahrscheinlich auch „Der Kaffee“ geschrieben, weil ich es so eher als Schließen der Klammer lesen würde.

Das hat sie sich merken können, ist allerdings kein gutes Thema.
Braucht es den zweiten Teil in der Form? Habe überlegt, ob an dieser Stelle ein ironisches „Das hat sie sich natürlich merken können.“ in Kombination mit dem Dialog selbst schon genug erklärt.

Ich hebe die Tochter hoch.
Wieder frage ich mich, warum „die Tochter“? Das erzeugt für mich so eine merkwürdig Erzähldistanz.

Hoffe es ist etwas hilfreiches dabei.

Liebe Grüße und einen guten Start ins Wochenende!

Takinios

 

Hallo @Jaylow,

ich bin ein bisschen zwiegespalten; die Idee der Geschichte ist nicht neu, aber ich finde, du hast die Charaktere wieder gut herausgearbeitet, seien sie nun sympathisch oder nicht. Vor allem Dialoge und Verhalten der Kinder kommen für mich gut rüber. Auch die Beziehung zwischen den Eltern klingt für mich authentisch. Aber gerade das ist mein Problem; ich lese Alltag. Mir fehlt das Originelle.

Ansonsten ging es mir ähnlich, wie in den vorherigen Kommentaren erwähnt:

Die Frau nickt,
Die Frau, die Tochter ... schafft eine Art Distanz, Abspaltung. Okay, es ist ja auch die Oma, aber die Oma ist sozusagen ´Allgemeingut´:).

Die Gehwege und Straßen sind glatt.
Das habe ich auch nicht so recht einordnen können bei 18 Grad.

"Es soll kalt werden morgen, zum Glück hast du die Winterreifen draufziehen lassen“, sagt meine Frau.
Ich starre auf die Ampel und warte auf Grün.
Das mit den Winterreifen fand ich wiederum gut. Es hat mir nichts ausgemacht, dass dieser Hinweis im Nirvana verschwindet. Im Gegenteil, dadurch, dass er nicht antwortet und nur weiter auf die Ampel starrt, weiß man genau, wie er sich gerade fühlt. Fand ich lustig.

„Gestern ging`s besser“, sagt sie und sieht auf die Gepäckstücke. „Ihr bleibt aber nicht über Nacht!“
Meine Frau schiebt ihre Mutter ins Wohnzimmer, die Kinder folgen zögernd.
Vielleicht kannst du die Oma weniger zynisch erscheinen lassen, indem du einiges streichst. Sie ist schon arg mufflig, ein bisschen wird sie sich aber doch freuen, wenn sie ihre Familie nach zwei Jahren wieder sieht, oder?

„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.
Würde ich auch rauslassen.

Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“
Ich finde, den Satz kannst du auch rauslassen. Dadurch, dass er ihr zuprostet, kann man sich seine Gedanken gut vorstellen. Ohne den Satz wäre es prägnanter.

„Bernhard, bitte!“, kommt es von meiner Frau, „sie ist krank!“. Normalerweise nennt sie mich Bernd.

„Elisabeth!“, sage ich. „Nicht vor den Kindern!“ Normalerweise nenne ich sie Lisa.
Den Kniff mit Bernd/Bernhard und Lisa/Elisabeth fand ich sehr gut! Hier merkt man auch, dass die beiden ein eingespieltes Team sind und jeder weiß, wie der andere tickt in dem Moment.

„Du bist mit einem Arbeitslosen zusammen? Der Heinrich hat zwar gesoffen, aber arbeitslos war der nie!“, sagt Hilde. „Ich lasse nicht zu, dass ihr euch hier einnistet!“
Ich stehe auf und gehe mit meinem Wein zur Balkontür.
Den Satz würde ich auch zugunsten der Oma streichen, dann würde sich seine Reaktion, auf den Balkon auszuweichen, auch auf die Bemerkung der Arbeitslosigkeit beziehen und nicht auf das Einnisten, was ich stärker finden würde.

Vielleicht kannst du ja noch irgendwas Lustiges, Unerwartetes mit einbauen, das durch die beginnende Demenz der Oma entsteht, ich weiß nicht, vielleicht der Kuchen im Schuhschrank und die Schuhe im Kühlschrank, oder so. Etwas, womit man nicht gerechnet hat und worüber am Schluss alle lachen können, wodurch die kalte Stimmung kippt und alle noch einen schönen Geburtstag feiern? Dann hätte die ganze vorherige Muffelei beider Seiten auch ihre Berechtigung, wenn sich am Schluss alles in Wohlgefallen auflöst.
Das sind jetzt nur mal so meine spontanen Gedanken, vielleicht kannst du damit was anfangen.

Viele Grüße und noch ein schönes Wochenende
Kerzenschein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Jaylow,

deine Geschichte dreht sich um das berüchtigte "Schwiegermonster" und folgt damit einem Topos. Wenn sich ein Stoff bereits etabliert hat, weiß man, dass er ziehen kann. Auf der anderen Seite muss man sich von all den Versionen absetzen, die es schon gibt.

In meinen Augen gelingt das deiner Geschichte nicht, dabei hätte der Plot durchaus Potenzial. Aber es krankt an den fehlenden Feinheiten. Du erklärst sehr viel, erzählst teilweise nicht stringent und die Dialoge sind nicht sauber ausgearbeitet.

Die gute Nachricht ist: Du kannst an der Geschichte hervorragend feilen und sie peu à peu verbessern, bis sie funktioniert. Ganz entscheidend ist hier, so wie ich das sehe, die Gratwanderung zwischen bekannter Alltagssituation, in der man sich selbst wiedererkennt, und individueller Ausprägung in Hinblick auf die Figuren, die Ereignisse und die Sprache.

Da die Story irgendwo zwischen Satire, Parodie und Sketch angesiedelt ist, muss die Sprache des Erzählers sowie innerhalb der Dialoge sitzen. Das ist hier die ganze Miete, denn der Plot bietet keine Sensationen: Ein gestresster Mann trifft auf seine boshafte Schwiegermutter und erfährt, dass sich die Situation wiederholen wird. Das ist sehr geradlinig und ohne Wendepunkte, alles kommt wie erwartet und wiederholt sich sogar noch einmal.

Hier die Details:

„Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.
„Müssen wir“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“
„Das ist aber ganz schön alt“, sagt die Tochter.
Sie hat einen Schuh verkehrt herum angezogen und streift ihn wieder ab.

In den ersten vier Sätzen fünf Personen einzuführen ist meiner Meinung nach nicht empfehlenswert. Der Leser fängt bei Null an, will sich orientieren, selbst wenn es in medias res geht. Direkt ein Basketballteam vor die Nase gesetzt zu bekommen, ist da nicht hilfreich.

Und dann machst du es auch etwas umständlich. Ich bin ja Fan davon, Texte als manipulative Informationsvermittlung zu betrachten: Was muss der Leser an welcher Stelle wissen? Was soll er wissen? Du nennst den Sohn "Jonathan", im nächsten Satz "unseren Sohn". Bei der Tochter machst du es anders, da ist es erst "die Tochter", dann "sie", wobei das aber schon ein Stolperstein für die innere Visualisierung ist, denn vorher tauchen mit der namenlosen Frau (sie wird lange auch nur "meine Frau" bleiben – warum?) und der ebenfalls zunächst namenlosen Oma ja zwei weitere Frauenfiguren auf, auf die sich das "sie" auch beziehen könnte.

Ich schleppe die Koffer zum Auto und befestige den Kindersitz auf der Rückbank. Die Winterreifen! Ich habe den Werkstatttermin gestern verpasst. Zum Glück spielt das Wetter mit, achtzehn Grad Anfang November. Es dürfte keine Probleme geben. Emilia hat die Schuhe immer noch nicht an. Jonathan will den Fußball mitnehmen.
„Der bleibt hier“, sage ich.
„Nun lass ihn doch!“, sagt meine Frau. Ich nehme Proviantkorb, die Jacken der Kinder und den Ball. Die Präsente sind schon im Kofferraum.
„Haben wir alles?“
Die Frau nickt, es kann losgehen. Blauer Himmel, rote und gelbe Blätter liegen auf dem Boden. Die Gehwege und Straßen sind glatt.
"Es soll kalt werden morgen, zum Glück hast du die Winterreifen draufziehen lassen“, sagt meine Frau.
Ich starre auf die Ampel und warte auf Grün.

Das würde besser funktionieren, wenn du nicht quasi schon ankündigst, dass etwas mit den Winterreifen sein wird. Ich denke, bei humorvollen Texten ist Überraschung das A und O: Er hat den Superstress und sitzt endlich im Auto, dann fällt die potenzielle Katastrophe vom Himmel. Du musst das auch nicht ausbuchstabieren:

Die Winterreifen! Ich habe den Werkstatttermin gestern verpasst. Zum Glück spielt das Wetter mit, achtzehn Grad Anfang November. Es dürfte keine Probleme geben. [...]

"Es soll kalt werden morgen", sagt meine Frau, "Zum Glück hast du die Winterreifen draufziehen lassen!“
Ich schweige und starre die Ampel an.
"Nein, das glaube ich jetzt nicht!"


(Nachtrag: Später passiert doch gar nichts mit den Winterreifen. Was soll das Ganze also? Es verläuft im ... Schnee ;-)

Generell könntest du die Dialoge meiner Meinung nach pointierter und weniger erklärend gestalten. Aktuell sind sie ein wenig "von der Stange", wie auch das Setting noch nicht wirklich Edge hat. Es liest sich alles selbst für einen parodistischen Text zu typisch; es fehlt die gewisse Übertreibung, die das Ganze wirklich lesenswert macht. Ich würde hier die Dosis erhöhen. Dass es um einen Omabesuch geht, ist anfangs übrigens irrelevant.

„Müssen wir dahin?“, fragt Jonathan.
„Müssen wir“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“
„Das ist aber ganz schön alt“, sagt die Tochter.

Meine Tochter hat die Schuhe verkehrt herum angezogen und stampft damit apathisch durch den Flur. Sie hat es nur in einen Ärmel geschafft und schleift ihre Winterjacke hinter sich her. Ich laufe ihr nach. "Emilia!"
Gerade habe ich sie zu fassen bekommen, da kommt mein Sohn mit seinem Fußball um die Ecke geschossen und rennt sie um. "Jona!"
Meine Frau steigt die Treppe herunter. "So, können wir vielleicht dann mal?"

Das ist nur ein schnelles Beispiel, das verdeutlichen soll, was ich meine. Ich finde, du musst mehr Tempo und mehr Pointen einbauen, damit dein Text zieht. Das ist zwar ein frühes Fazit nach den ersten Sätzen, aber der Einstieg ist ja das Wichtigste. Wäre es kein Challenge-Text, wäre ich hier bereits ausgestiegen, glaube ich.

„Wie lange noch?“ fragt Emilia.
Vierhundert Kilometer mit Kindern im Auto, aber es gibt keine Staus, wir kommen gut durch. Ein Parkplatz direkt vor dem Haus der Oma ist frei.

Ich weiß nicht so recht, mir kommt das vom Storytelling her inkonsistent vor. Erst gibt es Probleme, dann läuft es plötzlich glatt. Warum? Und ist es erzählenswert, wenn es glatt läuft? Du sagst hier ja im Grunde: Es gibt über die restliche Fahrt und die Parkplatzsuche nichts zu erzählen.

Für mich gäbe es zwei Wege: Entweder du steigerst den Anfangs-Trouble erheblich, sodass es ein verwunderlicher Zwischenton ist, dass die Parkplatzsuche glatt läuft. Das muss nach dem Einstieg so unwahrscheinlich sein, dass der Leser aufmerkt und skeptisch bleibt. Oder es geht die ganze Fahrt so weiter mit dem sich anhäufenden Stress.

„Was wollt Ihr hier?“, fragt Hilde und öffnet die Tür nur einen Spalt. Meine Frau drückt sie auf und nimmt ihre Mutter in den Arm.

Wie oben schon gesagt: Warum hat die Frau keinen Namen? Und wäre es nicht besser, statt "ihre Mutter" "meine Schwiegermutter" zu sagen, weil der Text ja personal erzählt ist?

„Du hast heute Geburtstag, herzlichen Glückwunsch!“
Ich stelle die Koffer im Flur ab und umarme sie ebenfalls.
„Alles Liebe auch von mir! Geht`s dir gut?“
„Gestern ging`s besser“, sagt sie und sieht auf die Gepäckstücke. „Ihr bleibt aber nicht über Nacht!“
Meine Frau schiebt ihre Mutter ins Wohnzimmer, die Kinder folgen zögernd.
„Wir haben Kuchen mitgebracht, jetzt machen wir es uns erst einmal gemütlich“, sagt sie.
Hilde sinkt in einen Sessel und zeigt auf die Kinder.
„Wer sind die da?“

Ich bin kein Experte für Demenz, aber während des Zivildienstes hatte ich mit ein paar Betroffenen zu tun und auch meine Oma war am Ende dement. Meine Erfahrung ist, dass diese Menschen ihr Unwissen eben nicht proaktiv verbalisieren (können). Ich musste zum Beispiel zwei Mal pro Woche zu einer alten Frau, um ihr Tabletten zu geben. Da sie auf das Klingeln der Tür nicht reagiert hat, bin ich mit dem Schlüssel in die Wohnung. Sobald sie mich gesehen hat, sagte sie: "Ah, der junge Mann!", ohne die Spur von Überraschung, dass ich einfach so im Wohnzimmer stand. An vorherige Besuche erinnern konnte sie sich nicht, hat mir immer dieselben Fotos zeigen wollen und so weiter. Ich war jedes Mal ein Fremder.

Worauf ich hinaus will: Sie hat nie entrüstet gefragt, "Wer sind Sie denn?" Auch andere Betroffene haben immer so reagiert und geredet, als sei alles ganz normal, obwohl sie teilweise gar nicht mehr durchgeblickt haben. Genau das hat mich damals so gewundert, dass sie in einer Welt leben, die für sie selbst scheinbar absolut konsistent ist. Vielleicht gibt es auch andere Ausprägungen oder das waren Endstadien. Trotzdem finde ich die Darstellung hier im Text irgendwie nicht ganz ganz realistisch.

„Ich heiße Emilia und kann schon bis hundert zählen“, sagt die Tochter. Jonathan verliert kein Wort und sieht sich im Zimmer um. Sein Blick bleibt bei dem kleinen Fernseher hängen. Ich sehe ihm an, dass er sich vorstellt, wie schlecht man auf diesem Bildschirm Fußball gucken kann. Er ist Werder-Fan, das Spiel geht in einer halben Stunde los. Ich habe ihm nicht verraten, dass wir es hier nicht sehen können, weil es nur auf Bezahlsendern gezeigt wird. Die hat die Oma ganz sicher nicht abonniert.

Auch hier erklärst du wieder sehr brav die Situation, anstatt sie szenisch zu erzählen. Und wie oben nimmst du der späteren Stelle, wo sich die Gedanken des Erzählers dann in Handlung manifestieren, den Effekt. Warum erst theoretisch durchspielen, was passieren wird, und es dann noch einmal genau so Wirklichkeit werden lassen, wie angekündigt? Was soll dieser erzähltechnische Kunstgriff beim Leser bewirken?

„Der da spricht nicht viel“, sagt Hilde und macht eine Kinnbewegung in Richtung meines Sohnes.
„Der da heißt Jonathan, den hast du schon zwanzig Mal gesehen und jetzt schlage gefälligst einen freundlicheren Ton an!“, sage ich.

Hier wie auch oben bei der Begrüßung geht das Ehepaar nicht auf die Krankheit der Oma ein, dabei muss sie ihnen doch bewusst sein. Ist das realistisch? Kanzelt man eine demente alte Frau für ihren Ton ab? Oder macht man nicht eher eine beschwichtigende Geste in Richtung des Sohnes, damit er versteht, dass was Besonderes los ist gerade?

„Bernhard, bitte!“, kommt es von meiner Frau, „sie ist krank!“. Normalerweise nennt sie mich Bernd.

Das hätte der Leser besser selbst erkennen sollen, indem du die Frau im Vorfeld ein paar Mal "Bernd" und jetzt "Bernhard" sagen lässt.

Darüber, dass sie vor der Mutter sagt, dass diese krank sei, stolpere ich auch. Das ist ja trotz allem sehr unsensibel und vor allem gehen sie ja eben bislang gar nicht auf die Krankheit ein mit ihrem Verhalten. Insofern passt das nicht.

Ich gehe zum Kühlschrank, da ist kein Bier drin. Ich nehme den Wein, den wir mitgebracht haben und suche nach einem Glas. Der Wein ist warm.
„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“

Hier rutscht die Erzählerfigur ins Platte ab, finde ich. Der biertrinkende, deutsche Grobian. Kann es geben, aber würde der diese Geschichte so erzählen? Das geht nicht auf in meinen Augen, denn innerhalb der Story ist er – aus nicht näher beleuchtenden Gründen – abwertend und missbilligend gegenüber der Schwiegermutter. Wenn er so eine extreme Haltung gegenüber der Person hat, müsste das auch in Erzählweise durchkommen (à la "die alte Schrulle"). Tut es aber nicht, vor allem, da diese im Präsens gehalten ist, womit kein zwischenzeitlicher Reflexionsprozess impliziert wird.

„Im Moment nicht, die Firma hat Konkurs angemeldet“, antwortet meine Frau.
„Elisabeth!“, sage ich. „Nicht vor den Kindern!“ Normalerweise nenne ich sie Lisa.

S. o.

„Du bist mit einem Arbeitslosen zusammen? Der Heinrich hat zwar gesoffen, aber arbeitslos war der nie!“, sagt Hilde. „Ich lasse nicht zu, dass ihr euch hier einnistet!“

Das ist zu viel der Boshaftigkeit, finde ich.

Ich stehe auf und gehe mit meinem Wein zur Balkontür. Draußen ist es dunkel geworden, ich trete hinaus.
„Der würde mich vermutlich gern über den Balkon schubsen, damit er hier umsonst wohnen kann“, höre ich Hilde sagen.
„Das lohnt sich nicht vom Hochparterre aus, da müsste ich ein paar Blumenkübel hinterherwerfen. Ein Feuerlöscher ginge auch, aber du hast ja keinen!“, rufe ich zurück.

Das muss er wissen.

Die Bäume auf der anderen Straßenseite scheinen etwas höher gewachsen zu sein als vor zwei Jahren, sie überragen die gegenüberliegenden Häuser. Aus einigen Fenstern schimmert gedämpftes Licht, eines ist mit roten Lichterketten und Sternen dekoriert. Dort kann man die Weihnachtszeit offenbar kaum erwarten. Ich frage mich, ob die alle mit Feuerlöschern und Rauchmeldern ausgestattet sind. In der Adventszeit passieren die meisten Brände. Mein Vorstellungsgespräch bei der neuen Firma D-Secour nächste Woche kommt zum richtigen Zeitpunkt und ich weiß, dass die Leute brauchen. Lisa werde ich erst davon berichten, wenn der Vertrag unterschrieben ist. Jonathan kommt zu mir auf den Balkon und umarmt mich, vermutlich will er mein Handy wegen des Fußballspiels.
„Alles ok?“, fragt er.
Wird schon!
Er nickt. Emilia kommt zu uns und will auf meinen Arm. Ich hebe die Tochter hoch. Sie sieht die Beleuchtung gegenüber.
„Kommt bald der Weihnachtsmann?“, fragt sie.
„Ja“, sage ich. „Vorher stellen wir einen Tannenbaum auf und vielleicht kommt dann der Weihnachtsmann.“
Meine Frau gesellt sich zu uns.
„Bernd?“, fragt sie.
„Lisa?“, frage ich zurück.
„Hilde ist ganz allein Heiligabend.“
„Ich wusste, dass das kommt“, sage ich.

Freundliche Grüße

HK

 

Hallo @Jaylow!

Vorweg: Ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen – gut möglich, dass es Überschneidungen gibt.

„Müssen wir“, sagt meine Frau zu unserem Sohn. „Oma Hilde wird 85.“
„Das ist aber ganz schön alt“, sagt die Tochter.
Beisst sich: Einmal unser, dann die ...

Die Gehwege und Straßen sind glatt.
Der Blätter wegen kann es rutschig sein, bei 18 Grad jedoch nicht glatt.

Vierhundert Kilometer mit Kindern im Auto, aber es gibt keine Staus, wir kommen gut durch. Ein Parkplatz direkt vor dem Haus der Oma ist frei.
Neuer Absatz, schlage ich vor – sind ja paar Stunden vergangen.

Sein Blick bleibt bei dem kleinen Fernseher hängen.
an, würde ich schreiben. Man bleibt an etwas hängen, nicht bei, oder?

Ich habe ihm nicht verraten, dass wir es hier nicht sehen können, weil es nur auf Bezahlsendern gezeigt wird. Die hat die Oma ganz sicher nicht abonniert.
schauen, finde ich gängiger. Der Zusatz erübrigt sich mMn.

„Der da spricht nicht viel“, sagt Hilde und macht eine Kinnbewegung in Richtung meines Sohnes.
Hier wieder meines, nicht des ...

„Ich habe auch Schmuck“, erklärt die Tochter und zeigt ihr Armband. Die Oma ignoriert sie.
Jetzt wieder die Tochter – wäre ja beides okay, sollte aber durchgängig sein.
Auch Die Oma war bisher immer Hilde.

Das ist schon sehr trocken und distanziert. Aber okay, kann man machen. Die Situation, das Verhältnis sind gut getroffen. Irgendwie passt dann auch der Ton zur Geschichte.
Vielmehr weiß ich dazu nicht zu sagen.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @MRG,

vielen Dank fürs Lesen!

Beispielsweise hatte ich erst kurz gedacht, dass es sich um einen personalen Erzähler handelt und mich nach dem ersten Satz auf Jonathan eingestellt. Daher war ich dann von dem Ich-Erzähler kurz überrascht.
Es werden einige Personen sehr schnell eingeführt, aber bereits im zweiten Satz ist von "meiner Frau" die Rede, da hatte ich gehofft, sehr schnell einen Hinweis auf den Ich-Erzähler eingebaut zu haben.

Den klischierten blauen Himmel und die bunten Blätter habe ich geändert, das war deplatziert.


Abschließend finde ich, dass die Oma Hilde ziemlich bösartig rüberkommt. Wenn das dein Ziel war, dann hat das funktioniert, allerdings sorgte das bei mir, dass ich deine Figuren insgesamt nicht so sehr mochte. Oma Hilde ist bösartig, der Ich-Erzähler abwesend und wenig empathisch, was ich aus dem Umgang mit Oma Hilde herausgelesen habe.
Ja, ich wollte Hilde als schwierig charakterisieren, bei dem Vater war es nicht meine Absicht, dass er als abwesend und empathielos herüberkommt. (Er ist den Kindern zugewandt, auch seiner Frau, aber beruflich sehr unter Druck).
Ich habe einige Passagen geändert, den Grundton aber beibehalten. Danke für deinen Leseeindruck!


Besten Gruß von Jaylow

 

Hallo @greenwitch,

ja, der Titel "Geburtstag" ist/war fantasielos und hat Luft nach oben, bin ich ganz bei dir!

Ich habe mich hinterher gefragt, wozu Du das Winterreifendetail brauchst? Ist ein wenig eine falsche Spur, ich erwartete natürlich irgendetwas im Zusammenhang damit. Entweder später noch einmal verwenden oder über Streichung nachdenken?
Die "loaded gun" wurde (zu Recht) sehr oft kritisiert, ich habe überlegt, das später aufzunehmen, schließlich gestrichen.

Ich fürchte, hier verliert die gute Hilde alle Sympathien, es ist halt alles schwarz-weiß, lässt mir wenig Interpretationsspielraum - schade!
Vielleicht, ja, ich habe Hilde als Schablone genommen ohne Zwischentöne, wollte den Fokus eher auf die anderen Personen richten, insbesondere auf den Sohn oder dessen Verhältnis zu seinem Vater.

Vielen Dank für deinen Eindruck und die Anmerkungen!

Schönen Gruß von Jaylow!

 

Hallo @Chutney,

vielen Dank fürs Kommentieren!

Himmel, Blätter und vor allem die geladene Pistole mit den Winterreifen: Alles Mist!
Die Temperatur auch. Habe ich geändert.

Bisschen langweilig, da vielleicht genauer. "Jonathan redet unerwartet viel auf der Autofahrt, indem er das Spielverhalten von Werder-Bremen analysiert und schon sind die ersten Hundert Kilometer rum" ja, nicht toll, aber als Beispiel.
Die Passage war sehr abrupt, ich finde deine Idee sehr gut und habe die gern aufgegriffen!
Danke!
Schön, wie du die Kinder charakterisierst.
Ich musste mal was Positives zitieren, bevor ich zu sehr in Depressionen verfalle bei meiner Geschichte. Danke!
Und hier verplätschert das irgendwie. Den ganzen Absatz finde ich entbehrlich und es kommt mir ein bisschen so vor, als wolltest du die Story schnell zu Ende bringen.
Ich glaube, die Beschreibung trifft es ziemlich gut. Ich habe das Geplätscher gestrichen. Die story endet nun mit einer Frage des Vaters, die auch schon die Tochter vorher gestellt hat. Ob das besser ist, kann ich wohl erst in ein paar Tagen beurteilen.

Ich danke sehr für deine Einschätzung!

Beste Grüße von Jaylow!

 

Hallo @Bas,

vielen Dank für deine Einschätzung!

Ich glaube, es müsste "da hin" heißen, dahin ist für mich etwas anderes, etwas geht dahin, etwas endet.
Richtig, habe ich geändert. Bei der Zahl 85 (fünfundachtzig) bin ich mir unsicher: Eigentlich heißt es, Zahlen ausschreiben solange es zwei Silben sind bzw unter dreizehn?

Deine berechtigten Einwände bzgl Himmel, Temperatur usw. habe ich geändert.

Das hier zeigt exemplarisch eines der Probleme, das ich mit dem Text habe - er nimmt sich keine Zeit. Ja, das macht ihn auch aus, das trägt zum humoristischen Unterton bei, alles geht Schlag auf Schlag, nichts wird erklärt, man kriegt die Szenen einfach so um die Ohren gehauen.
Auf mich wirkt das stellenweise aber auch ein bisschen faul und gibt den Text etwas skizzenhaftes
Ja, das war so beabsichtigt, mit der Entschleunigung zum Ende des Textes. Vielleicht ein bißchen zu sehr Skizze, ich habe ein paar Sätze eingefügt, um die Schlagfrequenz etwas abzumildern.
Schlag auf Schlag, keine Zeit für Erklärungen, aufs Tempo treten, aber auf eine gute Art.
Die Dialoge sollen Tempo bringen, bei dem Erzähltext wollte ich nicht faul sein, aber ich weiß, was du meinst. Er ist zu wenig und könnte mehr auffangen.
Ich erahne da nämlich einen guten Kerl (ich bin mir auch sicher, dass er Heiligabend zähneknirschend mit Hilde verbringen wird und freue mich schon auf die schöne Weihnachtsgeschichte, die du dann mit uns teilen wirst :)) und würde ihm deshalb gerne noch ein bisschen näher kommen.
Ja, ich wollte den Vater nicht als negative Schablone zeigen, sondern als jemanden, der unter Strom ist aus beruflichen Gründen. Ich habe da ein paar Dinge zum Schluß geändert, in der Hoffnung, dass das etwas mehr Gewicht bekommt.

Deine Idee bzgl der Winterreifen (kriegt es jetzt nicht mal hin, seine Familie zu schützen)
fand ich ausgesprochen gut. Ich habe die Geschichte in der ersten Bearbeitung tatsächlich so umgeschrieben. Dadurch wurde die story aber um eine ganze Seite länger. Trotzdem beschäftigt mich das immer noch, weil in der Variante die einzelnen Personen mehr Tiefe bekommen könnten. Sehr schöner Hinweis!

So, genug reingeredet. Falls es nicht deutlich geworden ist: Ich mag die Idee hinter der Geschichte, ich mag das Tempo und vor allem mag ich das "Personal". Deshalb finde ich auch, dass du ihnen gerne noch mehr Platz geben dürftest.

Ich bin sehr froh, dass du mir "reingeredet" hast!

Besten Gruß

Jaylow

 

Hallo @Takinios , @Kerzenschein, @H. Kopper und @Sammis

da sich viele Dinge überschneiden, mache ich es nun etwas kürzer: Ich weiß Eure
Zeit und Mühe sehr zu schätzen, viele der Einwände und Anregungen habe ich übernommen, da war sehr viel Hilfreiches dabei! Es bringt mich beim Schreiben weiter, hoffe ich
zumindest. Die nächsten Tage werde ich mich mehr ums Kommentieren bemühen!

Euch viel Spaß und Erfolg beim Schreiben!

Schöne Grüße

Jaylow

 

Hallo @Jaylow

Das ist Humor, der teilweise schon tiefschwarz ist, den du in deiner Geschichte entwickelst. Die Anfahrt mit dem ganz alltäglichen Wahnsinn hast du überspitzt und doch nachvollziehbar beschrieben.

Nebenbei hast du das Thema so elegant in deiner Geschichte verwurstelt, dass ich es erst gar nicht gemerkt habe.

Die Aggressivität der Oma ist leider wohl sehr typisch für das Krankheitsbild. Wie geht man als Angehöriger damit um? Der Verstand sagt: Okay, das ist eben die Krankheit, das Gefühl sagt etwas anderes. Bei dem Ich-Erzähler kommt dieser Zwiespalt vielleicht etwas zu kurz. Allerdings kann dadurch der Sohn zum Schluss ein halbwegs versöhnliches Ende einleiten. Offen bleibt, ob das Handy des Vaters der Grund dafür ist.

Das Ende gefällt mir jetzt viel besser als in der ersten Version.

Insgesamt eine runde Sache. Durch die knackigen Dialoge werden alle Beteiligten gut charakterisiert.

„Das lohnt sich nicht vom Hochparterre aus, da müsste ich ein paar Blumenkübel hinterherwerfen. Ein Feuerlöscher ginge auch, wenn du einen hast“, rufe ich zurück.
Der Erzähler ist wohl etwas gefrustet.
Jonathan wird unruhig. Emilia möchte etwas spielen. Ich brauche einen Eiswürfel für den Wein. Der Kaffee ist fertig.
Der Stress kommt durch die stakkatoartigen Sätze gut zum Ausdruck.


Hier noch Kleinigkeiten:

„Was wollt Ihr hier?“, fragt Hilde
Warum hier die höfliche Ihr-Form? Das passt doch gar nicht zu Hilde.
Er nickt. Emilia kommt zu uns und will auf meinen Arm. Ich hebe die Tochter hoch.
Die Tochter – das klingt arg unpersönlich. Entweder „sie“ oder „meine Tochter“.
Lisa fröstelt, und schlingt die Arme um ihren Körper.
Das ist ein Komma zu viel.

Grüße
Sturek

 

@Sturek,

vielen Dank für deine Einschätzung! Freut mich ausgesprochen! Deine Vorschläge finde ich gut und habe sie eingearbeitet, danke für die Hinweise.

Besten Gruß
Jaylow

 

Moin @Jaylow,

danke für Deine Geschichte.

Vorweg: Habe die bisherigen Kommis grob überflogen, wenn sich was doppeln sollte, sieh es mir bitte nach. ;)

Ich hatte generell eine gute Zeit mit Deinem kleinen Ausflug zum Schwiegermonster.
Auch wenn sich ein paar Dialoge leicht unglaubwürdig lasen (weiter unten mehr dazu), ich leider für keinen der Charaktere richtige Sympathie entwickeln konnte und das Ende mit einem unentschlossenen „Meh … 🤷‍♂️“ abtun musste.

Folgend ein paar Kleinigkeiten, die ich mir beim Lesen markiert habe:

„Das ist aber ganz schön alt“, sagt die Tochter.
Die Frau nickt, es kann losgehen.
Warum die Distanz zu Beginn der Geschichte? Erst dachte ich, es gehört zur Erzählstimme, aber dann schwenkst Du in bekannte Formen.

„Wie soll es bei dir beruflich weitergehen?", fragt meine Frau.
Hab diesen Satz einfach mal beispielhaft für eine mMn unglaubwürdige Dialogzeile herausgepickt. „So reden die nicht“ dachte ich mir.
In meinem Kopfkino klänge das eher so:

»Wie geht’s weiter?«, fragt meine Frau. Am besorgten Blick erkenne ich, dass sie nicht die Streckenführung meint.
»Nicht jetzt, bitte!«, sage ich und konzentriere mich auf den Verkehr.

Das ist jetzt mit der heißen Nadel gestrickt, aber ich empfehle Dir, den Text noch mal auf die Glaubwürdigkeit der Dialoge abzuklopfen.

Vollpebackt nehmen wir die wenigen Stufen.
Tippfehler: Vollbepackt

„Der Heinrich hat auch immer gesoffen“, sagt Hilde.
Bei jedem Besuch meckert sie über ihren verstorbenen Mann. Danach hat sie mich im Visier. Ich proste ihr zu.
„Das hätte ich an seiner Stelle auch getan.“
Meine Frau sieht mich missbilligend an, steht auf, deckt den Tisch und bringt den Kuchen.
Hui, ziemlich fies, das so vor seiner Frau herauszuhauen.
Generell kommt die Beziehung der beiden innerhalb des Plots für mich ein wenig zu kurz, das konnte ich nicht so gut greifen. Vielleicht möchtest Du das noch ausbauen, könnte den beiden auch mehr Tiefe verleihen.

Die Kaffeemaschine brodelt, für die Kinder haben wir Apfelschorle mitgenommen.
:klug: „Brodeln“ bedeutet ja, dass etwas Blasen wirft oder aufwallt. Ich denke, es geht Dir hier um das charakteristische Geräusch einer Kaffeemaschine? „Röcheln“ fände ich passender. Was denkst Du?

„Der würde mich vermutlich gern über den Balkon schubsen, damit er hier umsonst wohnen kann“, höre ich Hilde sagen.
„Das lohnt sich nicht vom Hochparterre aus, da müsste ich ein paar Blumenkübel hinterherwerfen. Ein Feuerlöscher ginge auch, wenn du einen hast“, rufe ich zurück.
Das fand ich witzig und musste lachen. Sehr gut. :thumbsup:

Fazit: Ich finde, die Idee bietet Potenzial für mehr, seien es spleenige Charaktere (Du hast Humor getaggt), bissige(re) Dialoge oder einen spannenderen Plot. Aber vielleicht bin das auch nur ich. Das Challenge-Thema hast Du mMn getroffen.

Soweit meine 5 Cent,
beste Grüße
Seth

 

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