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Fett auf mager

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21.04.2014
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Fett auf mager

Eine Ewigkeit vergeht, bis du Termine bekommst. Und niemand sagt dir, wie du es bis dahin schaffen sollst. Dann ein, zwei Sitzungen die Woche, natürlich ohne Erfolg, also wird das Ganze verlängert. Der Leidensdruck wird nur erhöht, wenn man mich fragt. All der Mist, der ausgegraben wird ... Ich war kurz davor, einen Schlussstrich zu ziehen. Und das hab ich dann ja auch. Zumindest einen Strich gezogen. Mit meinem Blut – Blut auf Leinwand. Dann Acryl – immer fett auf mager.


*​

„Haben Sie es dabei?“, fragte ich und zog Nitrilhandschuhe an.
Die Kundin griff in die Tasche und reichte mir das Serumröhrchen. Ihre Hand zitterte.
„Legen Sie sich doch einfach auf die Liege da und entspannen ein wenig“, sagte ich und deutete Richtung Fenster. Winterwiesen und Äcker draußen, der Himmel aus Blei.
„Wird es lange dauern?“ Sie streifte die Schuhe ab, zog am Kostüm und begab sich in die Horizontale.
„Nein, nein, paar Minuten, nicht mehr.“ Der Ausschwingrotor surrte los. Mich zog es zur Staffelei, der Keilrahmen war vorbereitet: Gesso, grob aufgespachtelt, mit dem Föhn durchgetrocknet. Die Oberfläche fühlte sich herrlich strukturiert an, Hebungen und Senken, ich nahm feinste Risse wahr. Letztlich geht es immer noch um Kunst!
„Haben Sie sich entschieden?“

Sie wollte nicht alles weg. Es gebe auch gute Tage, meinte sie und lächelte, wackelte mit den Zehen. Nur das mit dieser Schlampe, also das ertrage sie nicht – die beste Freundin! Zwischen den Brauen bebte es, Tränen folgten. Ich riss ein Blatt Küchenpapier von der Rolle, ging zu ihr und legte es auf die Liege. Sie beachtete es nicht mal, starrte nur nach draußen.
Die Eieruhr durchbrach das Schweigen, ich stellte die Maschine aus, hielt das Serumröhrchen gegen das Licht und schnippte dagegen.
Die Kundin sagte: „Wenn Tobias weg ist, verschwindet auch das mit Caro?“
„Dass sie mit Ihrem Freund geschlafen hat?“
Sie nickte, schaute weiter aus dem Fenster und wiegte die Füße hin und her.
Ich zog mit einer Spritze Serum ab.
„Mit Caro verbinde ich einfach zu viel. Und es hat ihr leidgetan. Ganz bestimmt“, sagte sie. „Und Tobias ... ach, dem ist nicht zu trauen. Schürzenjäger. Eigentlich kenne ich ihn ja erst seit ... warten Sie, zwei Monaten, denke ich.“
„Wenn er weg ist, hat's auch keinen Betrug gegeben.“ Meine Wahl fiel auf ein lichtes Pastellblau, ich mischte das Blutplasma hinzu. Kein Klumpen, sämige Konsistenz wie Eitempera.
„Gut, dann machen wir das. Ich will, dass sie ihn auslöschen. Nicht Caro.“ Sie faltete die Hände. „Das blöde Arschloch!“
„Ganz sicher?“
„Ja.“
„Er wird sich aber an Sie erinnern.“
„Ist mir egal. Soll er doch!“

Bisschen Cyan, ein wenig French Blue und ein Tupfen Indigo – immer schön mager, noch glänzend –, dann das präparierte Pastellblau, fetter aufgetragen. Ich gab etwas Weiß mit rein und bekam einen zarten Hintergrund. Eine Bühne, auf der sich alles entfalten konnte.
„Beschreiben Sie ihren Freund.“ Den Pinsel wusch ich in Alkohol aus, trocknete ihn an einem Tuch ab, und nahm einen feineren zur Hand. „Stellen Sie sich vor, er liegt Ihnen gegenüber; hier auf der Liege.“
Die Kundin schloss die Lider. „Er sieht gut aus, bisschen beleibt“, sagte sie. Das mit den Füßen schien ein Tick von ihr zu sein: hoch, runter, links, rechts. „Schwarze Locken, die Augenbrauen zusammengewachsen. Ich sage immer, er soll sie sich machen lassen, aber er will nicht. Gerade Nase, behaarte Brust“, sie hielt inne, „aber nicht so sehr, also nicht so ... affenartig.“ Dann drehte sie sich zu mir um, öffnete die Augen.
„Ja“, sagte ich, „schon klar. Irgendwas Auffälliges? Außer den Brauen. Narben oder ...“
„Ein großes Muttermal, direkt unterm Nabel.“
„Und groß heißt?“
„Weiß nicht, wie ein Zwei-Euro-Stück vielleicht.“
„Hm, okay.“ Konturen, Haare, der Leberfleck zeichneten sich ab, die Figur schälte sich wie von selbst heraus. Keine Ahnung, ob das Gemalte aussah wie dieser Tobias, aber es sah ihm sicher ähnlich.
„Darf ich es sehen?“, fragte die Kundin.
„Nein.“
Ihr Mund wurde spitz, Regen prasselte an die Scheibe. „Sind wir dann fertig?“
„So schnell geht das nicht.“
Zum Trocknen nahm ich den Föhn zur Hand, keiner sprach ein Wort. Binder kam zum Einsatz, eine Art Klarlack. Ich versiegelte immer transparent das ursprüngliche Bild. Es konnte ja sein, man verhunzte was, das Deckbild ließe sich abwaschen, verändern, ohne Darunterliegendes anzugreifen. Lackgeruch verteilte sich im Raum.
Dann der große Spachtel, viel Weiß und ein Tüpfelchen Phthaloblau. Ich trug fett auf, erschuf Berge, Täler, Gletscherzungen. Eine Landschaft aus Fels und Eis, die sich über Tobias schob, ihn unter sich begrub.
Der Vordergrund: dunkel, den Kontrapunkt in gleichen Tönen, und ein zwei Ausarbeitungen – Highlights an den Gipfeln.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich.
Die Kundin zuckte zusammen, löste den Blick vom Fenster und sah mich an.
„Kommen Sie.“ Ich winkte sie her und lächelte. „Nun, machen Sie schon.“
Sie setzte sich auf, schlüpfte in ihre Schuhe und stand kurze Zeit später neben dem Bild, die Stirn in Falten gelegt.
„Schön“, sagte sie. „Wow, wirklich, es sieht ... Was ist das? Wellen? Rauschendes Meer?“
„Wenn Sie das so sehen wollen.“
„Nein, warten Sie, eine Berglandschaft, eine winterliche Berglandschaft, nicht?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Es sieht großartig aus.“
„Danke.“
„Und verraten Sie mir, was ...“
Ich grinste. „Das ist nicht Ihr Ernst.“
„Nein, aber ... Dass ich wirklich keinen Schimmer hab, was Sie mir entfernt haben.“
„Wie fühlen Sie sich denn?“
Die Kundin zuckte mit den Schultern, atmete tief ein, sagte: „Ich weiß nicht. Gut, hoffe ich. Ja, doch, ich fühle mich gut.“


*​

Schon verrückt. Kein Mensch hat sich für meine Bilder interessiert, bevor sie mir – wie soll ich es beschreiben? – ihren tieferen Sinn offenbart haben. Kapiert hab ich vermutlich gar nichts, aber das spielt keine Rolle.
Inzwischen hängen dutzende meiner Arbeiten in irgendwelchen Häusern rum. Die Kunden zahlen gut, weil es funktioniert. Hätte nie gedacht, dass mich Pinsel und Farben je ernähren könnten. Alles prima, seit ich übermale, was zu übermalen ist. Was zu übermalen gewünscht wird.
Stehe ich vor den unverkauften Bildern, die mich davor bewahrt haben, verrückt zu werden, grübele ich schon mal darüber nach, was da überpinselt wurde. Was verbirgt sich unter meinem Selbstbildnis in Moll? Oder der Skyline from Nirvana, dem Whale in Red? Übrigens mein Lieblingsbild. Ein weißer Wal durchkreuzt ein Meer aus Blut.


*​

„Stimmt was nicht?“ Ich berührte die Kundin am Rücken und lenkte sie Richtung Stuhl. „Nehmen Sie doch Platz.“
Kaum dass sie saß, begann sie zu heulen, kramte ein Taschentuch hervor und hielt es sich vors Gesicht.
„Was kann ich für Sie tun?“
Die Frau fing sich, hob ihr kajalverschmiertes Gesicht und entschuldigte sich. Meinte, sie hätte jemanden kennengelernt, den sie schnell wieder vergessen wollte.
„Heißt diese Person zufällig Tobias?“
„Ja, woher ...“
„Haben Sie sich erinnert?“
„Erinnert?“ Sie zog die Brauen zusammen. „Sie meinen, ich bin das letzte Mal ... wegen ihm?“
„Ja, sind Sie. Es ist nun mal so: Tobias haben Sie aus Ihrem Kopf. Er Sie aber nicht.“
„Erklärt so manches. Das Arschloch hat sich verhalten, als wenn er mich schon ewig kennen würde.“
„Fanden Sie das nicht merkwürdig?“
„Ich dachte, nein, er dachte wohl, es wäre ein Spiel oder so.“
„Na gut, ich schlage vor, Sie lassen sich wieder Blut abnehmen und wir vereinbaren einen neuen ...“
„Wollen Sie nicht wissen, was passiert ist?“
„Nein, bringen Sie die Blutprobe, das reicht schon.“
Die Kundin streckte mir ein Serumröhrchen entgegen. „Bitte“, sagte sie.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich sah auf die Uhr, erwartete noch einen Kunden: Verkehrsunfall, drei Tote, seit einem Jahr in Therapie.
„Eigentlich fehlt mir die Zeit.“
„Bitte, ich zahle das Doppelte.“ Sie zeigte auf die Staffelei. „Und es steht doch alles bereit.“
Eine Stunde musste reichen. „Erwarten Sie aber keinen Picasso von mir.“
„Nein! Hauptsache ...“
„Schon gut, legen Sie sich einfach wieder hin und entspannen.“

Nachdem ich das Bild zum Trocken nach hinten gestellt hatte, klingelte es an der Tür. Ich hatte mich für eine Toskanalandschaft entschieden, Felder in orangestichigem Gelb, ein Gebäude, zwei, drei Zypressen – schnell erledigt. Die Kundin würde es in zwei Tagen abholen, hatte sie gesagt, wie letztes Mal.
Der Mann mit der posttraumatischen Störung sollte mich seit langem wieder spüren lassen, was das Befriedigende an meiner Arbeit war. Die Augen dunkel umrahmt, die Nase spitz, abgekaute Nägel, nervöses Zappeln mit den Fingern. Der Tod dreier Menschen hatte Spuren hinterlassen.
Kaum hatte ich die Unfallszene unter Massen Weiß begraben, verwandelte er sich. Die Schultern gaben nach, die ganze Anspannung wich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
„Ich kann ... wieder atmen“, sagte er, „ich kann ...“ Tränen liefen ihm die Wangen hinab. „Was hat mich nur so fertiggemacht?“
„Vergessen Sie's“, sagte ich. „Und wie besprochen, ich rate dringend dazu, dass sie wegziehen, neu anfangen, okay?“
„Ist das Ihre?“ Der Kunde studierte mein Werk und streckte mir eine Damenbörse entgegen. "Lag unter der Liege."
Ich klappte sie auf und erkannte die Frau auf dem Führerscheinbild.
„Nein, aber ich weiß, wem sie gehört. Danke.“

Big-Ben-Läuten ließ mich die Augen verdrehen. Der ganze Fall hier, Seitensprung und Co., mich nervte das alles.
Ein Mädchen – elf oder zwölf – öffnete die Eichenholztür. Wache Augen, Veronesergrün; Lücke zwischen den Zähnen, ein wenig mager vielleicht.
„Hallo, mein Name ist Fauter, ist deine Mutter zu Hause?“
„Meine Pflegemutter“, korrigierte sie und strich eine blonde Haarsträhne zurück. „Tanja, für di-ich!“, rief sie nach hinten und dampfte los. Ich blieb stehen, spickte durch die halbgeöffnete Tür und sah die Kundin hereilen.
„Herr Fauter, woher ...“
Ich hielt ihr das Portemonnaie entgegen und lächelte.
„Gott sei Dank“, sagte sie, „ich wollte schon anrufen.“
„Das Bild ist noch nicht trocken, sonst hätte ich es mitgebracht.“
„Ach so, ja, nein, ist doch kein Problem, ich hole es wie vereinbart bei Ihnen ab. Haben Sie vielen Dank!“
„Keine Ursache.“
„Ich würde Sie gerne hereinbitten, nur bin ich blöderweise in Eile.“ Sie sah auf die Uhr.
„Ist schon gut“, sagte ich. „Bitte entschuldigen Sie meine Neugier, mich würde nur interessieren, ob Sie das Bild aufgehängt haben?“
„Die Berglandschaft?“
Ich nickte.
„Natürlich, großartige Arbeit und so ... hilfreich auch.“
„Danke.“ Aus einem Impuls heraus oder weil ich mich nicht so abwimmeln lassen wollte, sagte ich: „Darf ich es sehen? Nur kurz, ich will Sie wirklich nicht aufhalten.“
Die Frau zögerte. „Leider habe ich, wie gesagt, nicht viel Zeit, aber“, sie verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, „kommen Sie rein.“
Sie gab den Blick auf den gefliesten Flur frei. Am Ende führte eine Treppe nach oben. Das Bild hing allerdings unten, im Wohn-Ess-Bereich. Ein großer Raum, dunkle Möbel, Ledercouch und ein Ungeheuer von Holztisch – acht Stühle ringsum. Dahinter mein Werk an der Wand. Die Blautöne fanden kein Pendant zu den restlichen Farben im Raum, allerdings harmonierten sie ganz gut mit dem Braun und Ocker hier und da.
„Einen guten Platz haben Sie gewählt. Gefällt mir, das ganze Haus übrigens. Sie wohnen sehr schön.“
„Danke.“
Wieder Big Ben. Tanja, die Kundin zuckte zusammen, das Mädchen sauste die Treppe runter und öffnete die Haustür, Tanja lief ihr nach.
„Tobias?“, hörte ich das Mädchen sagen. Ihre Stimme klang sehr jung.
„Ja“, sagte der Mann. „Ich bin ...“
Tanja schrie regelrecht: „Es passt gerade nicht!“ Dann schlug die Tür zu.
Ich öffnete ein Fenster und spähte raus, ein fetter Mann schritt davon. Ich rief ihm nach: „Hey! Sie da!“
Er drehte sich zu mir um, Lockenkopf, zusammengewachsene Brauen.
„Warten Sie!“, rief ich und lief in den Flur.
„Was ist denn los?“, fragte das Mädchen. „Tobias ...“
Ich blieb stehen. „Der Mann da? Heißt der so?“
„Caro! Geh auf dein Zimmer!“, sagte Tanja und stieß das Mädchen Richtung Treppe.
„Nein, warte mal.“ Ich sah nach draußen, der Mann war verschwunden.
„Mischen Sie sich nicht ein. Sie gehen jetzt besser!“, blaffte mich Tanja an.
Das Mädchen ging zur Treppe, ich sagte: „Und du heißt Caro?“ Sie blieb stehen und nickte. Dann sah sie mich an, die Augen groß geworden. „Ich geh in mein Zimmer, bin krank.“
Ich riss mich von Tanja los, die mich an der Jacke gepackt hatte, und ging zu Caro rüber, die zwar zurückwich, aber stehenblieb. „Sag mal, hat man dir vielleicht Blut abgenommen?“, fragte ich.
„Es reicht jetzt!“, fauchte Tanja.
Das Mädchen streckte den rechten Arm aus, ich zog den Ärmel hoch. „Ich vergesse immer so viel. Auch Tobias. Ich soll mir einfach vorstellen, er wäre in Afrika gewesen.“
„Ich ruf jetzt die Polizei!“, hörte ich.
Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf. Mein Mund wurde trocken, Caro entblößte auch den linken Arm: Blau-, Gelb- und Grüntöne. Ein alter Bluterguss.
Dann blieb die Zeit stehen, niemand rührte sich, sagte was. Ein Moment der Stille, ein Rädchen griff ins nächste.
„Wenn hier jemand die Polizei ruft, dann bin ich das!“, schrie ich, das Mädchen flitzte schluchzend nach oben. „Schließ dein Zimmer ab!“ Ich rempelte die Frau an die Wand und lief nach draußen.
„Und was wollen Sie erzählen?“
Gab dem Vorgartentor einen Tritt.
„Niemand wird es glauben!“
Schloss das Fahrzeug auf.
„Das können Sie nicht!“ Die Stimme überschlug sich. „Dürfen Sie nicht!“ Die Frau sank in die Knie. „Denken Sie doch an Caro! Was Sie ihr damit antun!“
Ich stieg ins Auto und gab Gas.


***​

Wenn man bedenkt, dass ich mir nicht mal Mühe gegeben habe. Eine Klischeelandschaft: Klischeezypressen, Klischeefelder; ausdrucksloses Haus.

Das Wasser ist kalt, ich setze den Lappen an, ganz leicht, ganz sanft – sachte, in kreisenden Bewegungen. Das Tuch schwitzt Orangetöne aus.
Ein Nylonfaden zieht sich in meinem Inneren zusammen und schnürt Organe ein. Niemand wird es glauben! Denken Sie doch an Caro!

Ich nehme das Gemälde aus der Staffelei und stelle es an die Wand. Unverrichtet. Ein leicht verwaschener Wirbel verleiht der Szenerie etwas Bizarres.
Das können Sie nicht!
Dürfen Sie nicht!

Es bleibt ein Landschaftsbild.
Gleich darüber mein Whale in Red.

Der Wal wird rosa, beginnt zu bluten. Es geht jetzt ganz leicht, die Farben sind wieder feucht, der Schwamm verrichtet gute Arbeit, rote Bäche fließen an der Leinwand hinab, über die Hände, auf den Boden, mein Hemd bekommt was ab, dann erkenne ich, was da verborgen liegt.
Der Nylonfaden spannt sich, frisst sich tief ins Innere.

Wie in Trance durchschreite ich mein Atelier, den Dachspitz, steige die Treppe zu den Wohnräumen runter. Spuren auf den Klinken, Wohnzimmer, Esszimmer, der Küchenschublade – Rot auf Hochglanzweiß.
Ich wiege das Messer in der Hand. Eine verschmierte Hand. Eine, die zu mir passt.

Der Schnitt ist tief genug. Egal jetzt die Konsistenz oder ob später was klumpt, ich zeichne einen Strich auf eine Leinwand. Dann mehr, immer wieder muss ich drücken, mich melken. Das schmerzt, tut gut. Blut trocknet rasch, ich beeile mich. Ein großer Fleck, der Pinsel fürs Detail. Die Frau im Kostüm auf der Liege blickt durchs Fenster, ein Röhrchen in der Hand. Binder zum Versiegeln. Fertig.

Dann zum Ursprung, es fällt schwer, in das zu sehen, was tief in mir vergraben liegt. Die Ränder sind noch rot, der Wal ist weg. Ich halte mich nicht lange auf, nie male ich mit schwarz, jetzt schon, scheiß was auf die Kunst!

Der Nylonfaden lässt ein wenig nach. Ich spanne die Blutfrau wieder in die Staffelei, wie von Sinnen, wie in meinen besten Tagen – voll im Flow. Die Oberfläche ist schon trocken, ich fange an, immer fett auf mager. So hab' ich es gelernt.

 
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Hallo @hell,

eine Geschichte, die erschreckt und verblüfft und offensichtlich sprachlos macht.

Ihr liegt eine interessante Konstruktion zugrunde und die gesamte Tragik, das Ausmaß des Ungeheuerlichen, kann man als Leser erst Farbschicht für Farbschicht freilegen. Also mir ging es so. Für mich war es wie eine Drei-Etappen-Erkenntnis, und ich bin ein erklärter Anhänger deiner Geschichten. :bounce:

1. Der Protagonist hat psychische Probleme, scheint unter einer ernsthaften Störung zu leiden, ist Maler, der sein Handwerk offenbar beherrscht.

2. Er hat herausgefunden, dass er durch bestimmte Techniken, Blut spielt eine entscheidende Rolle dabei, traumatische Ereignisse überkleistern und sie damit aus dem Gedächtnis der betreffenden Personen löschen kann. Die Einführungen des fantastischen Elements find ich originell und ich denke mir, dass es die Aufgabe hat, vom Kern der Geschichte abzulenken. (Die Logik, also, wie er hinter diesen Dreh gekommen ist, hinterfrage ich mal nicht.)

3. Den Kern, oder meinetwegen, die Geschichte in der Geschichte konnte ich erst restlos begreifen, als ich mir den Titel noch mal vorgeknöpft habe.
Und da ich mir gut vorstellen kann, dass der Autor über seinem Titel mindestens genau so lange brütet wie er am Text arbeitet und ohne Doppelbödigkeit geht ohnehin gar nichts, bringt der Titel mir die Auflösung. Steht doch eindeutig da: Fett auf mager

Hätt ich gleich begreifen können, hat aber etwas gedauert. Weil du meine Gedanken nämlich in eine andere Richtung gelenkt hast und zwar mit diesen Zeilen:

Dann Acryl – immer fett auf mager.
Ich trug fett auf, ...
Der Ich-Erzähler hat mich zum Verharren, zum Stutzen gebracht, weil der Gedanke „mager“ für Blut schon sehr ungewöhnlich ist für jemanden, dessen Dasein von Blut bestimmt wird, und der die Farbschichten, nur weil sie dick aufgetragen werden, als „fett“ bezeichnet.
Ich möchte gerne wissen, ob du diese Assoziation herbeiführen wolltest?

Ich geb mir selber die Antwort: Ja, diese Umkehr sollte den Leser erst mal ablenken, von der eigentlichen Bedeutung des Titels.

Schnell noch quer und drunter und drüber:

Die Szenen des kreativen Schaffens gefallen mir sehr gut. Hast du extra einen Mal-Kurs besucht, um mit den Fachbegriffen aufwarten zu können?
Sag doch nicht Phthaloblau (das ist ein schrecklicher Zungenbrecher), wenn du königsblau meinst, haha! Denke aber, das gibt dem Erzähler Glaubwürdigkeit und man nimmt ihm zwar nicht alles, jedoch vieles ab, was er so von sich gibt.

Und dass die „Kundin“auf der Liege mit den Füßen wackelt, ist ein schönes Detail, macht die Szene plastisch.
Gibt es denn keine andere Bezeichnung als "Kundin"? Es ist zwar eine Geschäftsabwicklung, aber der Maler und sein Modell klingt so schön erotisch.

Schmunzeln musste ich beim Namen deines psychopathischen Künstlers: Fauter.
Aber er hat es ja schon selber eingesehen, dass es mit ihm nicht so weitergehen kann.
Ob halt das Übermalen der Vergangenheit dem Blutdurst Einhalt gebietet, ist generell zu bezweifeln.

So, lieber hell, das war ein schnelles Feedback. Sprachlich sind mir zwei kleine Sachen ins Auge gesprungen, aber da komm ich noch mal gucken.

Eine packende, intelligent gebaute Geschichte, die den hellschen Kurs weiterverfolgt, Ereignisse zu erzählen, die sich dem Leser erst nach genauerem Hinsehen offenbaren. :thumbsup:
Hat mir gefallen!
Liebe Grüße von peregrina

 
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Lieber hell,

ich bin ein wenig ratlos, weil ich an einer Stelle zu wenig verstehe für meinen Geschmack, aber dennoch finde ich deine Geschichte ganz wunderbar. Für diese im wahrsten Sinne seltsame und großartige Idee kriegst du von mir 10 von 10 Punkten.

Ich hatte reingelesen, hab sogar ein erstes Zitat mitgenommen, wo ich eine Winzigkeit zu bemerken hätte, dann aber hat mich der Inhalt so sehr gefangen genommen, dass ich keine Lust mehr hatte, auf irgendetwas Sprachliches zu achten. Es ist ja auch so, du schreibst so versiert, so abwechslungsreich, da gibt es keine sich aufdrängenden Metaphern und Sprachbilder, die sich plustern und in ihrer eigenen Schönheit sonnen wollen, dafür ist da eine angenehm zurückhaltende klare und elegante Sprache, die mit Bildern und Farben arbeitet, die mit Rhythmik arbeitet, einen aber gleichzeitig an die Hand nimmt und durch den Text leitet. Dein Stil stützt die Geschichte und umgekehrt.

Hier trotzdem die zwei Zitate, die ich anmerken könnte:

Winterwiesen und -äcker draußen, der Himmel wie aus Blei.
Nur wegen des Rhythmus: "wie" streichen

»Ist das Ihrer?« Der Kunde studierte mein Werk und streckte mir eine Damenbörse entgegen, ich klappte sie auf und erkannte die Frau auf dem Führerscheinbild.
Da finde ich die Bezüge unklar gesetzt. Würde "ihre statt "Ihrer" schreiben, dann bezieht es sich klar auf die Geldbörse.

So und beim Inhalt krieg ich dann leider an einer Stelle ein Problemchen. Ich meine damit, warum die Frau die Erinnerung ihrer Tochter löschen lassen will, bzw. welches Verhältnis zw. Tobias und Caro dahintersteckt. Das war mir wichtig, das zu verstehen, weil die flehentliche Bitte der Frau, Fautner dürfe das nicht, er wisse ja nicht, was er damit anrichte, ihn dazu bringt, das zweite Bild vom übermalten Tobi zu lassen und es zwickt ihn, seinen eigenen Erinnerungen auf die Spur zu gehen. Dieses Verhältnis zw. Tochter und Tobias und das Motiv der Mutter haben also ein gewisses Gewicht für mich.
Insgesamt aber, also unabhängig von der Szene, sind Idee und Geschichte und immer wieder die neuen Wendungen so raffiniert und spannend, dass ich mich einfach nur darüber freuen mag und prächtig unterhalten fühle

Also ich geh mal in medias res. Ich habe verstanden, dass die Frau die Erinnerungen ihrer eigenen Tochter löschen lassen wollte. Aber das scheint nicht so gut funktioniert zu haben, so dass sie es ein zweites Mal probieren musste. Aber auch da scheints ja nicht so ganz zu funktionieren, denn das Mädchen erkennt Tobias ja irgendwie. Widerspricht sich also mit Fautners wunderbaren Bluterinnerunsgskilltechnik. Du hast ein wenig vorgebaut durch Fautners Hinweis, das Problem sei, Tobias vergesse nicht, aber mir ging das Erinnern des Mädchens, als Tobias vor der Tür steht, denn doch zu schnell. Wenn er etwas sagen würde oder so, klar.
Dass es zwei Mal war, schließe ich daraus, dass Caro ja an beiden Armen Pflaster oder Einstichstellen hatte. Oder steht der zweite Arm gar für was anderes? Der Mutter scheint es ja doch sehr sehr wichtig zu sein, dass Caro den Tobias vergisst. Normale Ausreden (Afrika) halfen nicht, die erste Prozedur mit Fautner scheint ja auch nicht zu klappen, denn das Mädchen vergisst den Tobias nicht wirklich. Aber warum ist das so wichtig?
Ich habe mich gefragt, in welchem Verhältnis Tobias und die Tochter zueinander standen/stehen. Warum will die Mutter unbedingt, dass das Mädchen ihn vergisst. Ich meine, das ist nicht der Hauptpunkt der Geschichte, aber doch immerhin der Anlass, der Fautner dazu bringt, seinen eigenen Erinnerungen nachzuspüren. Ich meine, das Mädchen ist zwölf, da denke ich natürlich nicht an einen verflossenen Liebhaber des Mädchens, der der Mutter unlieb ist, sondern eher an eine Vaterfigur. Also entweder ist es der echte Vater? Würde das Mädel ihn dann Tobias nennen? Oder es ist der Verflossene der Mutter, zu dem Caro ein gutes Verhältnis hatte, was die Mutter unterbinden will. Sie hat Caro zweimal Blut abgenommen, das wird aus dem Text eindeutig klar.

Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf. Mein Mund wurde trocken, Caro entblößte auch den linken Arm: Blau-, Gelb und Grüntöne. Ein alter Bluterguss.
Oder soll der zweite Bluterguss, der ja doch recht prominent im Text plaziert ist, ein Hinweis auf eine Misshandlung sein? Sagt die Mutter deswegen, Fautner wisse ja nicht, was er damit anrichte? Eigentlich kommt mir das überinterpretiert vor, weil Fautner die Tragweite dessen, was passiert ist, erst da so wirklich klar wird, also können sich die Erkenntnisrädchen nicht auf eine Misshandlung beziehen, sondern darauf, dass Fautner grad kapiert, dass die Mutter immer das Blut der Tochter dabei hatte.
Dann blieb die Zeit stehen, niemand rührte sich, sagte was. Ein Moment der Stille, ein Rädchen griff ins nächste.
Es war ihm aber doch schon vorher klar? Zumindest die Frage, ob der Caro Blut abgenommen worden ist, lässt darauf schließen. Naja, das ist nur eine Kleinigkeit, du merkst nur, dass ich nach einem Hinweis darauf suche, warum der Mutter es so immens wichtig ist, dass die Kleine den Tobias vergisst. Und dass das etwas Ambivalentes sein muss, denn
im weiteren Verlauf löscht Fautner das zweite Bild ja nicht mehr, es bleibt ein Landschaftsbild. Irgendwie waren die Hinweise mir da zu spärlich, und es frickelte mich halt doch sehr, es genau rauszukriegen. Irgendwie passte mir da immer mal wieder ein logisches Detail, eine Formulierung nicht zur anderen. Das mag an den Hinweisen liegen oder auch an meiner Begriffstutzigkeit oder an meiner gewissen Besessenheit, gerade in seltsamen Geschichten oder in Horror eine immanente Logik entdecken zu wollen, und da stören mich wohl auch winzige Unebenheiten, wo andere drüberweglesen.

Und dann veranlassen ihn diese Ereignisse, seine eigenen Löschbilder abzuwaschen. Da ist dann alles wieder klar. Er will den Wal auf Rot wegwaschen. Und das, was er zu sehen bekommt, bringt ihn dazu, auch die Erinnerung an den Betrug und die Misshandlung der Tochter durch seine Kundin zu übermalen. (Blut klauen ohne dass der Beklaute das weiß, ist ja auch eine Art von Misshandlung) Weil es ihn sonst ewig daran erinnern würde, dass auch er sein Päckchen im Hintergrund hat. Naja, der Whale in Red ist schon auch sehr gut in Szene gesetzt, von Anfang an. Das Meer aus Blut lässt einen schon gleich an was Gewaltmäßiges denken, ohne dass es zu greifbar wäre, denn immerhin könnte es sich ja auch auf sein eigenes Blut beziehen, mit dem er malt.

Also wie auch immer. Faszinierende originelle Geschichte. Toller Horror. Ganz wunderbare vielschichtige Idee mit Überraschungen. Hast halt in deiner Geschichte was von Fautners Malerei wahrgemacht. Erst mal einiges übermalt und die Schichten dann wieder Streifchen für Streifchen abgeblättert.
Viele liebe Grüße von Novak

 

Hallo @hell

krasse Geschichte! Gefällt mir gut, du hast echt tolle Ideen.
Hab sie dreimal gelesen, bevor ich angefangen habe, diesen Kommentar zu schreiben. Beim ersten Mal lesen habe ich nicht kapiert, warum am Ende das Ganze so eskaliert, aber dann ist es mir klar geworden. Merkwürdig, dass ich dafür so lang gebraucht habe, denn eigentlich ist es ziemlich klar. :) Umso erschreckender war es. Ich bin mir sicher, das Menschen so etwas tun würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.

Fett auf mager

Der Titel ist top. Ich wusste auch gleich, worum es in der Geschichte geht, zumindest thematisch, da ich den Begriff aus der Malerei bereits kannte. Ich liebe ihn auch deshalb, weil er ja eigentlich so unschuldig ist, aber die Worte rückwirkend eine unfassbare Härte an sich haben, da sie ja quasi direkt aussprechen, was passiert. Richtig gut gelungen!

Winterwiesen und -äcker draußen,

Das ist Geschmackssache, aber darüber stolpere ich beim Lesen, das würde ausformulieren. :)

»aber nicht so sehr, also nicht so ... affenartig.« Dann drehte sie sich zu mir um, öffnete die Augen.

Hier musste ich erst lachen, weil ich niedlich fand, wie sie ihren Freund noch verteidigt. Im Nachhinein schaudert es mich.

Ich trug fett auf, erschuf Berge, Täler, Gletscherzungen.

Guter Satz.

Wache Augen, Veronesergrün;

Super, seine Beobachtung als Maler.

Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf.

Grausam, wirklich. Cool, dass du das Ganze noch gebrochen hast, mit dem lächelnden Löwen.

Eine Klischeelandschaft: Klischeezypressen, -felder, -haus.

Hier würde ich die Wiederholung einfach ausschreiben, sonst klappt sie meiner Meinung nach nicht so gut, da man beim Lesen den Extraschritt gehen muss, um sich die "Klischee-"-Parts dazuzudenken.

Die Oberfläche ist schon trocken, ich fange an, immer fett auf mager. So hab' ich es gelernt.

Das Ende gefällt mir auch, so abgeklärt.

Was mir noch nicht klar ist: Warum besucht er seine Kundin eigentlich? Das ist tatsächlich das Einzige, was mich gestört hat beim Lesen. Er scheint es ja irgendwie selbst nicht zu wissen, folgt einem "Impuls", aber das war mir etwas zu wenig, da er ja auch so beharrlich ist. Vielleicht könnte er ja seinem Check hinterherlaufen? Oder er bringt ihr sein Bild, da sie es nicht abgeholt hat? Ist aber nur eine inhaltliche Anmerkung der logischen Natur, wie du magst. ;)

*​
Was soll ich sagen ... ich habe nicht wirklich viel anzumerken, da es nicht wirklich viel zu verbessern gibt. Du schreibst toll, die Geschichte ist so durchdacht und funktioniert richtig gut. Ist es für dich ein Kompliment, wenn ich sage, das mich die Geschichte sehr an King erinnert hat? Nicht die Art zu schreiben, da machst du ja dein ganz eigenes Ding. Aber die Kreativität, das Böse, dass sich hinter den Zeilen versteckt. Ich finde es großartig, an was für Themen du dich herantraust und wie souverän du sie verpackst.

Viele liebe Grüße, PP

 
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Hallo @hell ,

da hast du einer so sehr im Realen verorteten Perosn eine echte Nuss zum Knacken gegeben. Mehrmals habe ich nach den Tags geguckt, eigentlich "Horrror" erwartet und doch nur "seltsam" gefunden. Ich begreife aber, dass schließlich das ganze Leben seltsam ist und ich es hier mit einem kranken Protagonisten und dessen "Kunden" zu tun habe. Ein Psychodrama im künstlerischen Ambiente, was die Dramatik natürlich steigert.

Glaub bloß nicht, dass ich auf Anhieb alles durchschaut hätte. Ohne die Hilfe von @peregrina bestimmt nicht. Und das ist jetzt meine (vorläufige?)Lesart:

All der Mist, der ausgegraben wird ... Ich war kurz davor, einen Schlussstrich zu ziehen. Und das hab ich dann ja auch. Zumindest einen Strich gezogen. Mit meinem Blut – Blut auf Leinwand. Dann Acryl – immer fett auf mager.

Das ist für mich Programm und Quintessenz. Ein Künstler möchte seine Blutschuld vergessen und bedient sich dafür seiner Malkunst.

Letztlich geht es immer noch um Kunst!

Malen als Therapie ist keine seltene Vorgehensweise bei psychischen Störungen.

Ich versiegelte immer transparent das ursprüngliche Bild. Es konnte ja sein, man verhunzte was, das Deckbild ließe sich abwaschen, verändern, ohne Darunterliegendes anzugreifen.

Das deutet für mich auf die durchaus vorhandene Erkenntnis des Protas, dass die fette Deckschicht beliebig veränderbar wäre, das Darunterliegende aber Bestand hat und haben soll/muss.

Alles prima, seit ich übermale, was zu übermalen ist. Was zu übermalen gewünscht wird.

Ich wiege das Messer in der Hand. Eine verschmierte Hand. Eine, die zu mir passt.

Dann zum Ursprung, es fällt schwer, in das zu sehen, was tief in mir vergraben liegt. Die Ränder sind noch rot, der Wal ist weg. Ich halte mich nicht lange auf, nie male ich mit schwarz, jetzt schon, scheiß was auf die Kunst!

Ist das jetzt der Durchbruch? Keine Ahnung. Es kann auch sein, dass er erst recht abdriftet. für mich deutet die folgende Textstelle darauf hin.

Der Nylonfaden lässt ein wenig nach. Ich spanne die Blutfrau wieder in die Staffelei, wie von Sinnen, wie in meinen besten Tagen – voll im Flow. Die Oberfläche ist schon trocken, ich fange an, immer fett auf mager. So hab' ich es gelernt.

Na ja, es ist mein Versuch, den Text zu deuten. Da werden hoffentlich noch weitere hilfreiche Kommentare eintrudeln.

Dass ich wirklich keinen Schimmer hab, was sie mir entfernt haben.«

Hier weiß ich nicht, ob du das Pronomen absichtlich klein geschrieben hast. Es lenkt mich in eine andere Richtung.

Bin gespannt, was die Leute hier schreiben.

Herzliche Grüße
wieselmaus

Habe gerade gesehen, dass weitere Komms vorliegen. Die lese ich jetzt.:)

 

@hell


Ja, harter Text. Ich lesen das so, dass Tobias das Mädchen mißbraucht hat, deswegen sagt der Erzähler auch: Wenn hier einer die Polizei ruft, bin ich das. Perfide, echt. Geht nah.

Also, diese Idee mit dem Übermalen und dem Erinnerungen löschen, meine Fresse. Die ist echt mal abgefuckt und genial. Erinnert natürlich ein wenig an Total Recall und Konsorten, aber der hier rückt alles ins bürgerlich-realistische, das klingt nach Reihenhaus und Bohemien, also alles sehr nah. Das ist krass. Und was gut ist, dass man nie genau weiß, wie und was er da macht, also ist er ein Scharlatan oder hat er tatsächlich bestimmte Begabungen, es bleibt mysteriös.

Kann ich sonst nicht viel zu sagen. Ist ein Brett.

Gruss, Jimmy

 

Hallo hell,

Ich finde Deine Geschichte unglaublich beeindruckend! Die Idee ist super!:rolleyes: Ein Maler, dem zuvor noch kein Erfolg beschieden war, denkt sich eine Therapie aus, die Menschen vergessen hilft, was sie vergessen wollen. Er malt das Schreckliche, Beschämende, Ungeliebte, vielleicht auch Schändliche und überdeckt das Gemälde mit einem dekorativen Landschaftsbild. Damit die Magie perfekt ist, muss die Farbe mit Blut gemischt werden . . .

Das Geschäft läuft, doch er hält die traurigen und üblen Bekenntnissen kaum noch aus, und als er zufällig den Missbrauch eines Kindes aufdeckt, rastet er aus.

Der Aufbau des Textes ist perfekt. Er beginnt rätselhaft, man vermutet was, das sich nach und nach als falsch erweist, und plötzlich kapiert man und staunt!

herzlichen Glückwunsch
niebla

 

Hallo @hell,

deine Neue weckt starke Erinnerungen an zwei andere Geschichten: die eine ist Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray", die andere ist deine letzte KG "Schönmacher", wo der Prota ebenfalls in einer Art geheimer Versuchsanordnung Frauen "behandelt". Die Parallelen sind sehr deutlich, ohne dass es eine reine Variation des Themas wäre.
Ich wollte kurz was zu Tobias/Caro/Tanja dalassen, weil ich die Konfusion nicht so ganz verstehe. Die ganze Seitensprungkiste ist für mich nur vorgegaukelt, was schon daran ablesbar wird, dass Caro das Pflegekind und nicht die behauptete Freundin ist. Nach meiner Lesart ist Tobias der leibliche Vater und Tanja als Pflegemutter möchte, dass Caro ihren Vater vergisst, doch das Band ist so stark, dass es zwei Behandlungen braucht. Also letztlich ein Eifersuchtsmotiv. Und da dem Maler die Hände gebunden sind, denn niemand wird ihm glauben, entschließt er sich final, die Frau mit seinem Blut zu malen, um sich selbst zu blitzdingsen? Auch wenn ich völlig danebenliegen sollte, bleibt es ein guter crazy shit.

Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @hell,

eine packend geschriebene Geschichte, in der mir am besten die Teile gefallen, in denen dein Protagonist sein blutiges Tun beschreibt und reflektiert.

Weniger gut hat mir die Ausgestaltung der Schlüssel-Szene gefallen. Das haut für mich sprachlich und inhaltlich leider noch nicht so recht hin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dir der Flow zwischenzeitlich ein wenig verlorengegangen ist. Und auch die Handlung braucht an dieser Stelle für mein Empfinden zu viele Kunstgriffe, damit sie funktioniert. Da ist einmal das vergessene Portemonnaie, das ich als Anlass noch hinnehmen kann, dann aber die Begründung, warum es nicht nur bei dessen Abgeben bleibt:

»Ich würde Sie gerne hereinbitten, nur bin ich blöderweise in Eile.« Sie sah auf die Uhr.
»Ist schon gut«, sagte ich. »Bitte entschuldigen Sie meine Neugier, mich würde nur interessieren, ob Sie das Bild aufgehängt haben?«
»Die Berglandschaft?«
Ich nickte.
»Natürlich, großartige Arbeit und so ... hilfreich auch.«
»Danke.« Aus einem Impuls heraus oder weil ich mich nicht so abwimmeln lassen wollte, sagte ich: »Darf ich es sehen? Nur kurz, ich will Sie wirklich nicht aufhalten.«

Bis zu diesem Moment hegt er doch noch keinen Verdacht. Warum also dieses Insistieren? Gerade er kennt sein Bild doch am besten. Aber plot-technisch muss er ja im Haus bleiben, denn er soll ja dem Tobias begegnen, der, ein weiterer Zufall, sich gerade in diesem Moment wieder einfindet.

Und so geht dem Maler jetzt ein Licht auf, was sein Übermalen eigentlich bewirkt hat, und dass ihm da etwas untergejubelt worden ist, er nun zum Mitwisser des Ganzen geworden ist. (So zumindest meine Interpretation.)

Und wiederum aus einem Impuls heraus findet er den Beweis dafür:

»Sag mal, hat man dir vielleicht Blut abgenommen?«, fragte ich aus einem Impuls heraus.

Leider überzeugen mich in dieser Szene auch die Dialoge nicht so recht:

»Warten Sie!«, rief ich und lief in den Flur.
»Was ist denn los?«, fragte das Mädchen. »Tobias ...«
Ich blieb stehen. »Der Mann da? Heißt der so?«
»Caro! Geh auf dein Zimmer!«, sagte Tanja und stieß das Mädchen Richtung Treppe.
»Nein, warte mal.« Ich sah nach draußen, der Mann war verschwunden.
»Mischen Sie sich nicht ein. Sie gehen jetzt besser!«, blaffte mich Tanja an.
Das Mädchen ging zur Treppe, ich sagte: »Und du heißt Caro?« Sie blieb stehen und nickte. Dann sah sie mich an, die Augen groß geworden. »Ich geh in mein Zimmer, bin krank.«

und auch die Personenzeichnung unterscheidet sich von der Akribie des Anfangs:
Sie wollte nicht alles weg. Es gab auch gute Tage, meinte sie und lächelte, wackelte mit den Zehen. Nur das mit dieser Schlampe, also das ertrage sie nicht – die beste Freundin! Zwischen den Brauen bebte es, Tränen folgten. Ich riss ein Blatt Küchenpapier von der Rolle, ging zu ihr und legte es auf die Liege. Sie beachtete es nicht mal, starrte nur nach draußen.
Das mit den Füßen schien ein Tick von ihr zu sein: hoch, runter, links, rechts.
Sehr schön gezeichnet.

Caro fehlt dies alles. Sie bleibt durchgängig das kleine Mädchen ohne Eigenschaften. Da fehlen mir die feinen Details des ersten und letzten Teils.

Am Ende der Szene wird mir das Gesause, Geflitze und Gerempel leider ein wenig zu klamottenhaft und ich vermisse die sprachliche Eleganz der Maler-Szenen und vor allem ihren Einfallsreichtum. Irgendwie hätte ich mir auch diese Szene etwas ausgefeilter und subtiler gewünscht. Zum Glück geht es danach aber im Stil des Anfangs weiter.

Und so ist das zum Schluss eine Geschichte mit einer tragfähigen Grundidee und einer über weite Strecken schön-konzipierten und gut ausgearbeiteten Handlung. Ein Text, den ich gerne gelesen habe.

Liebe Grüße
barnhelm

Nb: Ich kenne den Ausspruch ‚fett auf mager‘ bei der Ölmalerei. Gilt das auch für Acryl?

 
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Hallo @barnhelm

Nb: Ich kenne den Ausspruch ‚fett auf mager‘ bei der Ölmalerei. Gilt das auch für Acryl?
Nein, weil die Vorgabe mit dem Fettgehalt der Ölfarbe zu tun hat, und Acryl ja auf Wasserbasis ist.

Letztlich sind die obersten Schichten auch bei Ölbildern aber wieder 'magerer', da werden z.B. Details und Lichteffekte gesetzt, indem die Farbe fast transparent aufgetragen wird (= mit viel Malmittel angerührt).

In dieser Geschichte könnte man jetzt aber nicht Acryl gegen Öl austauschen, denn Blut kann bei Öl ebensowenig wie Wasser als Malmittel dienen. Das ginge höchstens, wenn aus Zeitersparnis für die Grundierung Acryl genommen würde (umgekehrt, Acryl auf Öl, geht nicht).
Als Grundierung Blut + Acryl also, oder wenn das Blut ungemischt als erste Schicht aufgetragen wird, und die Ölfarbe später auf den getrockneten Untergrund.

Ich denke nicht, dass ein professioneller Künstler Alkohol statt Seifenwasser verwenden würde, obwohl die Farbe nicht am Pinsel festgetrocknet ist (und dazu würde er es nicht kommen lassen).
Keinesfalls würde er aber zum Fön greifen (siehe Thema 4 im Link). Bei einer dicken Farbschicht zum Abschluss muss bis zu 2 Wochen gewartet werden, bis die Firnis aufgetragen werden kann.

Es gibt mehrere, auch bekannte, Künstler/innen, die mit ihrem eigenen Blut Bilder malen. Beispiel, wie ästhetisch das ausehen kann: www.youtube.com/watch?v=eU4w1Ifr-PE

(Sorry @hell , ich hoffe, das ist dennoch kein OT. Die Geschichte selbst hab ich abgbrochen (und wegen der Techniken grad mal überflogen) weil mir die Geschichte viel zu dialoglastig ist, und ich daher keine Geduld hatte, der storyline zu folgen. Die wörtliche Rede klingt vom Tonfall / Idiolekt zudem bei allen Figuren gleich, und unterscheidet sich auch nicht wesentlich von der Erzählstimme, sorry. Liebe Grüße dennoch - Texte mit Kunstpraxis darin sind immer eine gute Idee!)

Viele Grüße,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Katla,

ich antworte erst mal dir, auch @barnhelm wird es interessieren.

Fett auf mager ist tatsächlich eine Grundregel aus der Ölmalerei, stimmt, mit Acryl hat man einfach andere Möglichkeiten.
Ist trotzdem so, dass von Malern, die mit Acryl arbeiten, immer wieder mal von "fett auf mager" gesprochen wird. Gemeint ist dann: dünne Farbe (wasserverdünnt, lasurartig), dann dicke Farbe, u.a. um die Poren zu schließen. Ich belasse es jedenfalls dabei.

Kann ja sein, dass es nicht jeder zugibt, aber es wird auch mit dem Föhn gearbeitet, nicht nur im Hobbybereich. Links spare ich mir mal, kannst du gerne googeln ;).
Abgesehen davon ist im Text verankert, dass er nicht sonderlich erfolgreich war als Künstler, insofern ... Klar, passt mir natürlich auch gut in den Kram.

Ach, und Alkohol deswegen, weil er mit Fremdblut arbeitet.

Ist natürlich schade, dass du keinen Zugang zum Text gefunden hast, aber gut, so ist es dann eben.
Trotzdem lieben Dank für deinen Beitrag!

Gruß

hell


Hey barnhelm,

eine packend geschriebene Geschichte, in der mir am besten die Teile gefallen, in denen dein Protagonist sein blutiges Tun beschreibt und reflektiert.
Das freut mich natürlich.

die Handlung braucht an dieser Stelle für mein Empfinden zu viele Kunstgriffe, damit sie funktioniert. Da ist einmal das vergessene Portemonnaie, das ich als Anlass noch hinnehmen kann, dann aber die Begründung, warum es nicht nur bei dessen Abgeben bleibt
Ja, das Portemonaie, immerhin schluckst du das. Später, ich weiß nicht, noch reicht mir das, noch möchte ich nicht näher ins Detail. Vermutlich ist es die Eitelkeit des Künstlers, weswegen er sich nicht abwimmeln lassen möchte. Er will sehen, ob das Bild nicht nur Mittel zum Zweck gewesen ist. Bloße Neugierde mag auch eine Rolle spielen.
Ist aber ein guter Punkt, den überdenke ich.

Und wiederum aus einem Impuls heraus findet er den Beweis dafür
Leider überzeugen mich in dieser Szene auch die Dialoge nicht so recht
Einen Impuls hab ich ins Nirvana verbannt, die ganze Szene, die Dialoge schaue ich mir auch noch genauer an. Ich wollte hier eine gewisse Hektik, ein bisschen Chaos, sich überschlagende Ereignisse. Mal sehen, danke für den Hinweis!

Caro fehlt dies alles. Sie bleibt durchgängig das kleine Mädchen ohne Eigenschaften. Da fehlen mir die feinen Details des ersten und letzten Teils.
An Caro gehe ich nicht ran, die bleibt so. Finde ich zu heikel, zu billig auch, sie mit feinen Details zu versehen. Ich fürchte, das wäre nach der Auflösung zu dick aufgetragen. Zu sehr Tränendrüse auch. Umschiffe ich ganz bewusst, die bleibt eine nahezu weiße Leinwand.

Am Ende der Szene wird mir das Gesause, Geflitze und Gerempel leider ein wenig zu klamottenhaft und ich vermisse die sprachliche Eleganz der Maler-Szenen und vor allem ihren Einfallsreichtum.
Wie oben geschrieben: Ich wollte hier eine gewisse Hektik, ein bisschen Chaos, sich überschlagende Ereignisse.
Aber auch hier gilt: Mal sehen (was ich daran ändern werde), danke für den Hinweis!

Und so ist das zum Schluss eine Geschichte mit einer tragfähigen Grundidee und einer über weite Strecken schön-konzipierten und gut ausgearbeiteten Handlung. Ein Text, den ich gerne gelesen habe.
Damit kann ich leben :D.

Hab' Dank für deine Auseinandersetzung mit dem Text, sie wird mich weiter beschäftigen.

Gruß

hell


@linktofink, schön, dass du wieder mit von der Partie bist!

deine Neue weckt starke Erinnerungen an zwei andere Geschichten: die eine ist Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray", die andere ist deine letzte KG "Schönmacher", wo der Prota ebenfalls in einer Art geheimer Versuchsanordnung Frauen "behandelt". Die Parallelen sind sehr deutlich, ohne dass es eine reine Variation des Themas wäre.
Ich mag deine Vergleiche :D. Und ja, an den Schönmacher musste ich auch immer mal wieder denken, stimmt schon, wenngleich das hier schon ein anderer Text ist. Reine Variation des Themas sollte nicht sein, bin auch froh drum, dass das nicht so bei dir angekommen ist.

Die ganze Seitensprungkiste ist für mich nur vorgegaukelt, was schon daran ablesbar wird, dass Caro das Pflegekind und nicht die behauptete Freundin ist. Nach meiner Lesart ist Tobias der leibliche Vater und Tanja als Pflegemutter möchte, dass Caro ihren Vater vergisst, doch das Band ist so stark, dass es zwei Behandlungen braucht. Also letztlich ein Eifersuchtsmotiv. Und da dem Maler die Hände gebunden sind, denn niemand wird ihm glauben, entschließt er sich final, die Frau mit seinem Blut zu malen, um sich selbst zu blitzdingsen?
Bis aufs Eifersuchtsmotiv und der biologischen Vaterschaft bin ich ganz bei dir. Ist aber deine Lesart, passt schon. Ich hab einfach böser gedacht.

Auch wenn ich völlig danebenliegen sollte, bleibt es ein guter crazy shit.
Ist ja kein Quizz, freut mich sehr, linktofink!

Gruß

hell


Fortsetzung folgt (und das nicht weiter in der umgekehrten Reihenfolge) ...


Hey @peregrina,

wie schön, on board, freut mich echt.

eine Geschichte, die erschreckt und verblüfft und offensichtlich sprachlos macht.

Ihr liegt eine interessante Konstruktion zugrunde und die gesamte Tragik, das Ausmaß des Ungeheuerlichen, kann man als Leser erst Farbschicht für Farbschicht freilegen. Also mir ging es so. Für mich war es wie eine Drei-Etappen-Erkenntnis, und ich bin ein erklärter Anhänger deiner Geschichten.

Was soll ich dazu schreiben ... Geht natürlich sehr geschmeidig runter :).

Und da ich mir gut vorstellen kann, dass der Autor über seinem Titel mindestens genau so lange brütet wie er am Text arbeitet und ohne Doppelbödigkeit geht ohnehin gar nichts, bringt der Titel mir die Auflösung. Steht doch eindeutig da: Fett auf mager
Klar, der soll schon aussagen, was sich da abgespielt hat.
@PlaceboParadise trifft so ziemlich ins Schwarze:
Ich liebe ihn auch deshalb, weil er ja eigentlich so unschuldig ist, aber die Worte rückwirkend eine unfassbare Härte an sich haben, da sie ja quasi direkt aussprechen, was passiert.
Den Effekt wollte ich erreichen, also das mit der rückwirkenden Härte nach dem unschuldigen Vorspiel. Schön, dass das bei einigen aufgegangen zu sein scheint.

Hast du extra einen Mal-Kurs besucht, um mit den Fachbegriffen aufwarten zu können?
Bisschen gemalt habe ich auch schon mal, stümperhaft zwar, aber gut. Paar Recherchen haben mir immerhin das Schreiben erleichtert :).

Sag doch nicht Phthaloblau (das ist ein schrecklicher Zungenbrecher), wenn du königsblau meinst, haha! Denke aber, das gibt dem Erzähler Glaubwürdigkeit und man nimmt ihm zwar nicht alles, jedoch vieles ab, was er so von sich gibt.
Das ändere ich nicht. Die Begründung lieferst du ja selbst - übrigens: Ich mag das Wort :D.

Gibt es denn keine andere Bezeichnung als "Kundin"? Es ist zwar eine Geschäftsabwicklung, aber der Maler und sein Modell klingt so schön erotisch.
Fauter distanziert sich so von seinen ... ähm ... Kunden. Das die Idee dahinter. Denke aber noch mal darüber nach. Danke.

Eine packende, intelligent gebaute Geschichte, die den hellschen Kurs weiterverfolgt, Ereignisse zu erzählen, die sich dem Leser erst nach genauerem Hinsehen offenbaren. :thumbsup:
Hat mir gefallen!
Ist mir beinahe peinlich, dich wieder zu zitieren. Aber ... weil's so schön ist ...


Liebe peregrina, hab lieben Dank für die Honigworte! Hast mir den Tag versüßt!

Gruß

hell

PS: Klar, "guck" ruhig noch mal rein.

 

Hallo @hell,

zum Inhalt deiner Geschichte hab ich mich ja schon ausgetobt, was jetzt folgt, ist nur ein bisschen Erbsenzählerei und Anmerkungen, die mit persönlichem Geschmack zu tun haben.
Hier zum Beispiel:

Winterwiesen und -äcker draußen, der Himmel wie aus Blei.

Wenn man bedenkt, dass ich mir nicht mal Mühe gegeben habe. Eine Klischeelandschaft: Klischeezypressen, -felder, -haus.

Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf. Mein Mund wurde trocken, Caro entblößte auch den linken Arm: Blau-, Gelb und Grüntöne. Ein alter Bluterguss.
Die Bindestriche sind direkt Stolpersteine für mich. Sie zerstören das Gesamtbildnis des Textes.;)
(Hinter Gelb fehlt so ein Kerlchen, wenn es denn sein muss.)

Eigentlich kenne ihn ja erst seit ... warten Sie, zwei Monaten, denke ich.«[/QUOTE]
da fehlt ein ich

Die Kundin zuckte zusammen, löste den Blick vom Fenster und sah mich an.
»Kommen Sie.« Ich winkte sie her. »Machen Sie schon.«
Warum spricht er so harsch mit ihr? Findest du nicht, dass er sich im Ton vergreift?
Müssten da am Ende nicht außerdem Ausrufezeichen stehen?

Die Frau fing sich, hob ihr kajalverschmiertes Gesicht und entschuldigt sich.
Zeitsprung

Die Kundin würde es in zwei Tagen abholen, hatte sie gesagt, wie letztes mal.
ich denke: Mal

»Ist das Ihre?« Der Kunde studierte mein Werk und streckte mir eine Damenbörse entgegen, ich klappte sie auf und erkannte die Frau auf dem Führerscheinbild.
»Nein, aber ich weiß, wem er gehört. Danke.«
Beim Überarbeiten durchgeflutscht?

Ein großer Raum, dunkle Möbel, Ledercouch und ein Ungeheuer von Holztisch – acht Stühle darum.
Wirkt so abgehackt, dieses darum. Vielleicht fällt dir eine elegantere Formulierung ein?

Auf meine Bemerkung:

Gibt es denn keine andere Bezeichnung als "Kundin"? Es ist zwar eine Geschäftsabwicklung, aber der Maler und sein Modell klingt so schön erotisch.
antwortest du:
Fauter distanziert sich so von seinen ... ähm ... Kunden. Das die Idee dahinter. Denke aber noch mal darüber nach. Danke.
Das Wort Kundin wirkt clean, sachlich, nüchtern, dann solltest du es nicht austauschen, denn die von dir gewünschte Distanz bleibt so gewahrt.

Das war peregrinas zweiter Akt.
Liebe Grüße und bis bald

 

Hallo @Tell,
deine Geschichte hat mich ziemlich schnell gepackt, schon der erste Absatz macht richtig neugierig. Die Idee, das Übermalen als "umgekehrte Psychotherapie" zu nutzen, gezielt Belastendes zu vergessen finde ich raffiniert und in den ersten Szenen und Dialogen gelingt dir für mich genau die Balance, du lässt die wesentlichen Informationen nach und nach einfließen und hältst die Spannung perfekt aufrecht. Die "wunderbare Geschäftsidee" macht ein mulmiges Gefühl, diese oberflächliche Ebene des Erfolgs, des Profis, der weiß was er tut, scheint porös. Das, was aus dem Bewußtsein ausgeschlossen wird, wird möglicherweise Probleme bereiten, auch wenn es zunächst hilft weiter zu leben. Du gehst aber noch einen Schritt weiter, beschreibst, wie die Methode, die helfen soll, mißbraucht wird von einer Kundin. Ab dem Zeitpunkt wo der Erzähler das Haus der Kundin betritt, habe ich Mühe zu verstehen, was da passiert und es löst sich auch im letzten Abschnitt nicht so ganz auf. Wobei am Ende noch meine Verwirrung darüber einsetzt, was mit dem Erzähler selbst passiert ist.

Also "Fett auf Mager", (danke @peregrina ), der fette Tobias hat das magere Mädchen Caro mißbraucht, mißhandelt. Ihre Pflegemutter hat das mitbekommen und läßt beim ersten Mal ihre eigene Erinnerung daran löschen, und beim zweiten Mal die Erinnerung des Mädchens? Oder bringt sie schon von Anfang an das Blut des Mädchens mit um den Mißbrauch immer wieder zu ermöglichen und dann zu löschen? (Damit hätte deine Geschichte den furchtbaren Hintergrund, dass es ja tatsächlich Wege gibt, Kinder dazu zu bringen, zu dissoziieren, das Geschehene komplett abzuspalten.)

Als der Maler das aufdeckt, will er zunächst das Ganze rückgängig machen, also dem Mädchen die Erinnerung wiedergeben. Warum nicht die Polizei rufen? Er entscheidet sich dann aber um. Warum jetzt das? Stattdessen schaut er sich seine eigenen Bilder an, wischt die Übermalung weg. Ich erfahre aber nicht, was er sieht, oder? Das finde ich ziemlich unbefriedigend. Dann löscht er seine eigene Erinnerung an die ganze Sache mit der Frau und dem Mädchen, macht sich also aus dem Staub, wird sich nicht einmal mehr an seine Mitschuld erinnern. Auch ein Mechanismus, den es gibt, wegzugucken und zu verdrängen, wenn man ein Unrecht wahrnimmt. Du hast da mit dem Malen ein treffendes Bild gefunden. Aber am Ende ist es mir zu wirr.

Die Kundin sagte: »Wenn Tobias weg ist, verschwindet auch das mit Caro?«
»Dass sie mit Ihrem Freund geschlafen hat?«
Sie nickte, schaute weiter aus dem Fenster und wiegte die Füße hin und her.
Ich zog mit einer Spritze Serum ab.
»Mit Caro verbinde ich einfach zu viel. Und es hat ihr leidgetan. Ganz bestimmt«, sagte sie. »Und Tobias ... ach, dem ist nicht zu trauen. Schürzenjäger. Eigentlich kenne ihn ja erst seit ... warten Sie, zwei Monaten, denke ich.«
»Wenn er weg ist, hat's auch keinen Betrug gegeben.« Meine Wahl fiel auf ein lichtes Pastellblau, ich mischte das Blutplasma hinzu. Kein Klumpen, sämige Konsistenz wie Eitempera.
»Gut, dann machen wir das. Ich will, dass sie ihn auslöschen. Nicht Caro.« Sie faltete die Hände. »Das blöde Arschloch!«
Das deute ich so, dass sie hier noch ihre eigene Erinnerung löscht.


»Wie fühlen Sie sich denn?«
Die Kundin zuckte mit den Schultern, atmete tief ein, sagte: »Ich weiß nicht. Gut, hoffe ich. Ja, doch, ich fühle mich gut.«
Das kommt mir echt vor.

»Ich hab zu danken«, sagte er. »Ich kann ... wieder atmen, ich kann ...« Tränen liefen ihm die Wangen hinab. »Was hat mich nur so fertiggemacht?«
»Vergessen Sie's«, sagte ich. »Schön, dass es Ihnen besser geht. Und wie besprochen, ich rate dringend dazu, dass sie wegziehen, neu anfangen, okay?«
Hier gibt es natürlich dann einige praktische Probleme mit der Methode. Der Mann hat den Unfall vergessen, sein Leben hat sich aber nicht verändert. Hat er sogar seine Angehörigen vergessen? Das wäre ein verdammt hoher Preis.


»Tobias?«, hörte ich das Mädchen sagen. Ihre Stimme klang sehr jung.
»Ja«, sagte der Mann. »Ich bin ...«
Sie weiß noch seinen Namen, weil die Farbe noch nicht trocken ist? Oder ist das ihre Reaktion darauf, dass er sich gerade vorgestellt hat? Oder hat sie nur eine Teilamnesie?


Das Mädchen streckte den rechten Arm aus, ich zog den Ärmel hoch. »Ich vergesse immer so viel. Auch Tobias. Ich soll mir einfach vorstellen, er wäre in Afrika gewesen.«
Das verstehe ich nicht so richtig.

»Das können Sie nicht!« Die Stimme überschlug sich. »Dürfen Sie nicht!« Die Frau sank in die Knie. »Denken Sie doch nur, was Sie damit anrichten?«
Was denn? Ich verstehe nicht , was sie hier meint.


Dann zum Ursprung, es fällt schwer, in das zu sehen, was tief in mir vergraben liegt. Die Ränder sind noch rot, der Wal ist weg. Ich halte mich nicht lange auf, nie male ich mit schwarz, jetzt schon, scheiß was auf die Kunst!
Sehr frustrierend, dass ich das als Leserin nicht auch sehen kann.

Der Nylonfaden lässt ein wenig nach. Ich spanne die Blutfrau wieder in die Staffelei, wie von Sinnen, wie in meinen besten Tagen – voll im Flow. Die Oberfläche ist schon trocken, ich fange an, immer fett auf mager. So hab' ich es gelernt.
Der Nylonfaden ist klasse.

Also, spannende Idee, sprachlich toll, Stimmung und Dramatik packt mich irgendwie, aber ich hake so an diesen Logik und Verständnisdingern, dass ich doch eher ratlos zurückbleibe.

Liebe Grüße von Chutney

 

Vielen Dank, Leute, freut mich riesig, dass ihr euch so viele Gedanken zu meinem Text gemacht habt (und diese mit mir teilt)!
Leider grätscht mir ständig der Job dazwischen - na ja, nicht nur der. Damned RL!

Gebt mir bitte noch ein bisschen Zeit, spätestens Sonntag kann ich mich freischaufeln und näher auf eure Komms eingehen. Freue mich drauf.

Gruß

hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Novak,

so schön, dass du vorbeischaust :). Bitte entschuldige, dass ich dich so lange auf Antwort hab warten lassen. Zwölf Tage Dauerstress, heute komme ich endlich wieder zum Atmen.

ich bin ein wenig ratlos, weil ich an einer Stelle zu wenig verstehe für meinen Geschmack, aber dennoch finde ich deine Geschichte ganz wunderbar.
Nach dem ersten Schrecken ist die Anspannung schnell wieder gewichen. Toll, dass du trotz Ratlosigkeit den Text ein bisschen genießen konntest :shy:.
Und den Rotstift aus der Hand legen, weil die Geschichte zu Fangen weiß ... Mehr kann ich mir kaum wünschen, auch was du zur Sprache schreibst, freut mich echt, dass sie dir ausgewogen rüberkommt. Ja, danke für die Komplimente, Novak!

Winterwiesen und -äcker draußen, der Himmel wie aus Blei.
Nur wegen des Rhythmus: "wie" streichen
Erst war's mit wie, dann mit aus, dann mit beiden. Bin dir hier gefolgt, merci.

»Ist das Ihrer?« Der Kunde studierte mein Werk und streckte mir eine Damenbörse entgegen, ich klappte sie auf und erkannte die Frau auf dem Führerscheinbild.
Da finde ich die Bezüge unklar gesetzt. Würde "ihre statt "Ihrer" schreiben, dann bezieht es sich klar auf die Geldbörse.
Right.

So und beim Inhalt krieg ich dann leider an einer Stelle ein Problemchen. Ich meine damit, warum die Frau die Erinnerung ihrer Tochter löschen lassen will, bzw. welches Verhältnis zw. Tobias und Caro dahintersteckt. Das war mir wichtig, das zu verstehen, weil die flehentliche Bitte der Frau, Fautner dürfe das nicht, er wisse ja nicht, was er damit anrichte, ihn dazu bringt, das zweite Bild vom übermalten Tobi zu lassen und es zwickt ihn, seinen eigenen Erinnerungen auf die Spur zu gehen. Dieses Verhältnis zw. Tochter und Tobias und das Motiv der Mutter haben also ein gewisses Gewicht für mich.
Klar hat das Gewicht, vielleicht sollte ich das besser ausleuchten, andererseits hab ich mir so einen retadierten Erkenntnisgewinn erhofft. So nachbrennermäßig. Paar Hinweise sind verankert (vielleicht zu wenig). Mageres Pflegekind, fetter Tobias ... Mal schauen, was ich daraus mache. Haben ja einige Probleme damit, alles zusammenzupuzzeln, andereseits ... Ist jedenfalls ein wichtiger Hinweis für mich. Danke dafür.

Insgesamt aber, also unabhängig von der Szene, sind Idee und Geschichte und immer wieder die neuen Wendungen so raffiniert und spannend, dass ich mich einfach nur darüber freuen mag und prächtig unterhalten fühle
:shy:

Ich habe mich gefragt, in welchem Verhältnis Tobias und die Tochter zueinander standen/stehen. Warum will die Mutter unbedingt, dass das Mädchen ihn vergisst.
Ist blöd, wenn Autoren nachträglich erklären müssen, was in ihren kaputten Hirnen vorging. Dann hat was einfach nicht funktioniert. Mein Fehler. Ist vielleicht einfach zu kryptisch.

Ich meine, das Mädchen ist zwölf, da denke ich natürlich nicht an einen verflossenen Liebhaber des Mädchens, der der Mutter unlieb ist, sondern eher an eine Vaterfigur. Also entweder ist es der echte Vater? Würde das Mädel ihn dann Tobias nennen? Oder es ist der Verflossene der Mutter, zu dem Caro ein gutes Verhältnis hatte, was die Mutter unterbinden will. Sie hat Caro zweimal Blut abgenommen, das wird aus dem Text eindeutig klar.
Missbrauch, zwei mal ... vielleicht auch in Fauters Vergangenheit, das erfahren wir nicht. So meine Hintergedanken, die ich verschlüsseln wollte, blöd natürlich, wenn der Leser keinen Zugang findet. Wobei ich gar nichts gegen Interpretation habe. Kann und darf man ja gerne was anderes aus dem Text ziehen. Wird mich weiter beschäftigen.

Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf. Mein Mund wurde trocken, Caro entblößte auch den linken Arm: Blau-, Gelb und Grüntöne. Ein alter Bluterguss.
Oder soll der zweite Bluterguss, der ja doch recht prominent im Text plaziert ist, ein Hinweis auf eine Misshandlung sein? Sagt die Mutter deswegen, Fautner wisse ja nicht, was er damit anrichte? Eigentlich kommt mir das überinterpretiert vor, weil Fautner die Tragweite dessen, was passiert ist, erst da so wirklich klar wird, also können sich die Erkenntnisrädchen nicht auf eine Misshandlung beziehen, sondern darauf, dass Fautner grad kapiert, dass die Mutter immer das Blut der Tochter dabei hatte.
Ich finde, du bist sehr nahe an meinen Gedanken dran. Der ältere Bluterguss steht für die erste Blutentnahme zur ersten Sitzung. Wenn du damit einfach Missbrauch assoziierst, triffst du ja auch ins Schwarze. Passt mir schon auch in den Kram. Was es bedeutet, "all den Mist aus der Vergangenheit auszugraben" erfährt Fauter dann ja später. Was es bedeutet, sich mit traumatischen Ereignissen auseinandersetzen zu müssen, weiß er.
Die Frage, die ich im Text etablieren wollte, ist eine psychologische. Ich denke da an Psychoanalyse, an das Konfontierenmüssen, -wollen mit Traumata vs. Verdrängung, was ja auch ihre Berechtigung hat. Nicht umsonst können Dinge von unserem Hirn verdrängt werden. Bis zu einem gewissen Maß zumindest. Abspaltung kann zu Problemen führen, ja, muss es das immer? Wann ist es ratsam ans Eingemachte zu gehen, wann nicht. Darüber streitet sich auch die Fachwelt.

Naja, das ist nur eine Kleinigkeit, du merkst nur, dass ich nach einem Hinweis darauf suche, warum der Mutter es so immens wichtig ist, dass die Kleine den Tobias vergisst. Und dass das etwas Ambivalentes sein muss, denn
im weiteren Verlauf löscht Fautner das zweite Bild ja nicht mehr, es bleibt ein Landschaftsbild.
Sie will einerseits vertuschen (interessant übrigens, dass das gar nicht so selten ist), andererseits hat sie auch Mitleid mit der Pflegetochter. Und Fauter auch, er trifft die Entscheidung, dass es besser ist, dass sich die Kleine nicht daran erinnert, was passiert ist (er weiß auch, warum). Er trifft ferner die Entscheidung, dass auch er den "Fall" besser aus seinem Gedächtnis löscht, weil er mit dem Wissen darüber nicht weiter leben möchte.

Blut klauen ohne dass der Beklaute das weiß, ist ja auch eine Art von Misshandlung
Schön, dass du das so rausgelesen hast.

Naja, der Whale in Red ist schon auch sehr gut in Szene gesetzt, von Anfang an. Das Meer aus Blut lässt einen schon gleich an was Gewaltmäßiges denken, ohne dass es zu greifbar wäre
Auch das freut mich.

Also wie auch immer. Faszinierende originelle Geschichte. Toller Horror. Ganz wunderbare vielschichtige Idee mit Überraschungen. Hast halt in deiner Geschichte was von Fautners Malerei wahrgemacht. Erst mal einiges übermalt und die Schichten dann wieder Streifchen für Streifchen abgeblättert.
Und das erst :D!


Ganz lieben Dank, Novak, für deinen Besuch und der intensiven Auseinandersetzung mit meiner Geschichte. Dein Komm wird mich weiter beschäftigen und ist ungemein hilfreich!


Gruß


hell


Hey @PlaceboParadise,


toll, dass du deine Gedanken mit mir teilst!

krasse Geschichte! Gefällt mir gut, du hast echt tolle Ideen.
Danke. Das Witzige ist, wir haben beim Stammtisch kurz über Malerei gesprochen, erinnerst du dich?, anschließend - im Hotel - hatte ich die Grundidee zum Text. Es ging ums Übermalen, Wegwischen und neu Ansetzen.

Merkwürdig, dass ich dafür so lang gebraucht habe, denn eigentlich ist es ziemlich klar. :) Umso erschreckender war es. Ich bin mir sicher, das Menschen so etwas tun würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
Dreimal Lesen ist zu lang, finde ich, aber dass erst im Nachhinein die erschreckende Erkenntnis zündet, finde ich prima :). Mal sehen, ob ich nicht doch mehr Hinweise einbauen sollte, dass das besser nach dem Erstlesen funkt. Vielleicht war der Text auch noch nicht abgehangen genug. Vielleicht hätte ich ihn bisschen mehr reifen lassen sollen. Aber ich war einfach zu froh darüber, mal wieder was abgeschlossen zu haben.
Was Menschen alles so tun, erschreckt mich auch immer wieder aufs Neue. Überraschen tut es mich aber nicht mehr.

Winterwiesen und -äcker draußen,
Das ist Geschmackssache, aber darüber stolpere ich beim Lesen, das würde ausformulieren. :)
Hatte ich mal so, mal so, mal so ... Dann fand ich es elegant gelöst, jetzt zweifele ich wieder. Und dafür bedanke ich mich auch noch bei dir :D.

»aber nicht so sehr, also nicht so ... affenartig.« Dann drehte sie sich zu mir um, öffnete die Augen.
Hier musste ich erst lachen, weil ich niedlich fand, wie sie ihren Freund noch verteidigt. Im Nachhinein schaudert es mich.
Yeah, so soll das! Der Ekel stellt sich im Nachhinein ein. Schön, dass das funktioniert hat bei dir. Wobei mich meine Hintergedanken schon auch erschrecken.

Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf.
Grausam, wirklich. Cool, dass du das Ganze noch gebrochen hast, mit dem lächelnden Löwen.
Freut mich, ich mag das, ist schon auch Effekt, den ich will, ja, gebe ich zu, aber wenn es funktioniert hat ...

Eine Klischeelandschaft: Klischeezypressen, -felder, -haus.
Hier würde ich die Wiederholung einfach ausschreiben, sonst klappt sie meiner Meinung nach nicht so gut, da man beim Lesen den Extraschritt gehen muss, um sich die "Klischee-"-Parts dazuzudenken.
Ähnlich wie oben, ich fand das irgendwie elegant gelöst. Die erzwungenen Pausen dazwischen gefallen mir an sich auch ganz gut - vom Rhythmus her, meine ich. Aber ich denke noch mal darüber nach.

Was mir noch nicht klar ist: Warum besucht er seine Kundin eigentlich? Das ist tatsächlich das Einzige, was mich gestört hat beim Lesen. Er scheint es ja irgendwie selbst nicht zu wissen, folgt einem "Impuls", aber das war mir etwas zu wenig, da er ja auch so beharrlich ist. Vielleicht könnte er ja seinem Check hinterherlaufen? Oder er bringt ihr sein Bild, da sie es nicht abgeholt hat?
Auch darüber. Das Portmonnaie ... Hm, barnhelm stolpert ja auch. Ich gucke mir das auf jeden Fall näher an. Danke für den Hinweis.

Was soll ich sagen ... ich habe nicht wirklich viel anzumerken, da es nicht wirklich viel zu verbessern gibt. Du schreibst toll, die Geschichte ist so durchdacht und funktioniert richtig gut. Ist es für dich ein Kompliment, wenn ich sage, das mich die Geschichte sehr an King erinnert hat? Nicht die Art zu schreiben, da machst du ja dein ganz eigenes Ding. Aber die Kreativität, das Böse, dass sich hinter den Zeilen versteckt. Ich finde es großartig, an was für Themen du dich herantraust und wie souverän du sie verpackst.
Ob der Kingvergleich ein Kompliment ist? Machst du Witze :D?
Freut mich sehr, sehr, PlaceboParadise, was du mir hinterlässt, ehrlich!


Hoffe, wir sehen und lesen uns bald mal wieder.
Lieben Dank für deinen Komm!


Gruß


hell


Fortsetzung in Bälde ...


Hey @maria.meerhaba,


nach deiner Einleitung dachte ich: Mist, hab sie wieder nicht erreicht, Maria im Zerfetzungsmodus. Dann das:

Okay, jetzt hast du mich. Jetzt wird es wirklich interessant und spannend und die langatmige Vorarbeit beginnt sich hier zu entfalten.
:D

Und dann noch so manches hinterher.

Ich weiß gar nicht so recht, was ich dir noch schreiben könnte. Bist du böse, wenn meine Antwort auf deinen Komm sehr kurz ausfällt? Hoffe nicht, zitieren kann ich dich jedenfalls keinesfalls. Das käme mir wie ... ach, weiß auch nicht.

Kurzum: Hab' mich unheimlich gefreut, Maria. Vielen lieben Dank! Ich weiß, du bist 'ne harte Nuss. Ich bilde mir echt was darauf ein, dich zum Loben gebracht zu haben.


Gruß

hell

 

Hey @wieselmaus,


freue mich sehr, dass du mit an Bord bist.

Mehrmals habe ich nach den Tags geguckt, eigentlich "Horrror" erwartet und doch nur "seltsam" gefunden. Ich begreife aber, dass schließlich das ganze Leben seltsam ist und ich es hier mit einem kranken Protagonisten und dessen "Kunden" zu tun habe. Ein Psychodrama im künstlerischen Ambiente, was die Dramatik natürlich steigert.
Ja, Horror, habe ich mir auch überlegt, passt schon, stimmt. Enthüllungshorror. Nennt man das so? PP musste an King denken. Ich denke aber, Seltsam passt auch.

Das ist für mich Programm und Quintessenz. Ein Künstler möchte seine Blutschuld vergessen und bedient sich dafür seiner Malkunst.
Gefällt mir, die Lesart. Ja, kann sein, oder er möchte nur ein traumatisches Erlebnis vergessen; beides möglich.

Malen als Therapie ist keine seltene Vorgehensweise bei psychischen Störungen.
Stimmt, deswegen passt mir das prima mit rein.

Ich versiegelte immer transparent das ursprüngliche Bild. Es konnte ja sein, man verhunzte was, das Deckbild ließe sich abwaschen, verändern, ohne Darunterliegendes anzugreifen.
Das deutet für mich auf die durchaus vorhandene Erkenntnis des Protas, dass die fette Deckschicht beliebig veränderbar wäre, das Darunterliegende aber Bestand hat und haben soll/muss.
Schön, du bist so aufmerksam. So sehe ich es auch, wenngleich er in meinem Kopf eher intuitiv handelt, weniger reflektiert, er kämpft für mich sogar gegen Selbstreflexion an, das spielt aber überhaupt keine Rolle. Ist beides möglich.


Gefällt mir sehr gut, wie du den Text deutest, wir reiten so ziemlich auf der selben Welle, wieselmaus.


Herzlichen Dank für deine Gedanken, die Zeit, die du dem Text gewidmet hast und überhaupt. Hat mich sehr gefreut!


Gruß

hell


Hey @jimmysalaryman,


Ja, harter Text. Ich lesen das so, dass Tobias das Mädchen mißbraucht hat, deswegen sagt der Erzähler auch: Wenn hier einer die Polizei ruft, bin ich das. Perfide, echt. Geht nah.
Genau das. Da sollte auch der Schlüssel für den Leser liegen. Toll, dass du ihn aufgegriffen hast, toller noch, dass das dann zündet bei dir. Ging mir übrigens selbst so beim Schreiben.

Also, diese Idee mit dem Übermalen und dem Erinnerungen löschen, meine Fresse. Die ist echt mal abgefuckt und genial. Erinnert natürlich ein wenig an Total Recall und Konsorten, aber der hier rückt alles ins bürgerlich-realistische, das klingt nach Reihenhaus und Bohemien, also alles sehr nah. Das ist krass. Und was gut ist, dass man nie genau weiß, wie und was er da macht, also ist er ein Scharlatan oder hat er tatsächlich bestimmte Begabungen, es bleibt mysteriös.
Freut mich, Jimmy, sehr sogar. Klar, es gibt sicher Parallelen, keine Frage, ich fand die Idee aber auch recht gut, weshalb ich den Text auch in Rekordzeit schreiben konnte - für meine Verhältnisse jedenfalls.

Kann ich sonst nicht viel zu sagen. Ist ein Brett.
:D


Jimmy, freut mich einfach nur! Kann selbst auch nicht viel mehr schreiben.
Vielen Dank für deinen Besuch, an den werde ich mich noch lange erinnern!


Gruß

hell


Hey @niebla,


Ich finde Deine Geschichte unglaublich beeindruckend! Die Idee ist super!:rolleyes: Ein Maler, dem zuvor noch kein Erfolg beschieden war, denkt sich eine Therapie aus, die Menschen vergessen hilft, was sie vergessen wollen. Er malt das Schreckliche, Beschämende, Ungeliebte, vielleicht auch Schändliche und überdeckt das Gemälde mit einem dekorativen Landschaftsbild. Damit die Magie perfekt ist, muss die Farbe mit Blut gemischt werden . . .

Das Geschäft läuft, doch er hält die traurigen und üblen Bekenntnissen kaum noch aus, und als er zufällig den Missbrauch eines Kindes aufdeckt, rastet er aus.

Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können :).

Der Aufbau des Textes ist perfekt. Er beginnt rätselhaft, man vermutet was, das sich nach und nach als falsch erweist, und plötzlich kapiert man und staunt!
Ist wirklich ein super Gefühl, wenn so was gelingt, niebla. Bei dir scheint es das ja.


Hab mich sehr über deinen Komm gefreut, du hast mir ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert - gerade eben aus Neue :D.
Vielen Dank!


Gruß

hell

 

Hallo @hell,

leider fehlt mir gerade die Zeit für einen ausführlichen Kommentar, aber auf den Tippfehler wollte ich Dich wenigstens schnell aufmerksam machen:

»Stimmt was nicht?« Ich berührte die Kundin am Rücken und lenkte Sie Richtung Stuhl. »Nehmen Sie doch Platz.«

Gruß Geschichtenwerker

 

Hi @hell

Das Witzige ist, wir haben beim Stammtisch kurz über Malerei gesprochen, erinnerst du dich?, anschließend - im Hotel - hatte ich die Grundidee zum Text.

Hahaha, geil! Ja, ich erinnere mich gut. Die Muse schlägt halt zu, wann sie will, manchmal eben auch irgendwann um halb 3 morgens. :D

Aber ich war einfach zu froh darüber, mal wieder was abgeschlossen zu haben.

Wem sagst du das? :hmm: Ich habe auch drei oder vier Stories angefangen, seit dem Stammtisch. Jedesmal entdecke ich etwas, das mir nicht gefällt und beginne etwas Neues.

Ähnlich wie oben, ich fand das irgendwie elegant gelöst. Die erzwungenen Pausen dazwischen gefallen mir an sich auch ganz gut - vom Rhythmus her, meine ich.

Ich denke, dass das einfach Geschmackssache ist. ;) Ist beides gut eigentlich. Aber ich mag Wortwiederholungen als Stilmittel, vielleicht liegt es auch einfach daran.

Ob der Kingvergleich ein Kompliment ist? Machst du Witze :D?

Freut mich! Das Kompliment ist ganz ehrlich und aufrichtig gemeint. Ich bin echt baff, was für gute und interessante Ideen du hast! Witzigerweise finde ich auch, das King in seinen Kurzgeschichten immer am besten ist. ;) Man merkt, das die Kurzgeschichte für ihn ein Vehikel darstellt, sich auszuprobieren und der Fantasie freien Lauf zu lassen.

Deine Geschichte hat mir jedenfalls richtig gut gefallen, ich bin gespannt, was als nächstes in der "Hölle" ausgekocht wird. :xxlmad::lol:

Viele liebe Grüße, PP

 

Lieber @hell,

ich komme gerade so wenig zum Lesen hier, dass mir deine Geschichte fast durchgerutscht wäre. Aber zum Glück nur fast. Ich finde sie nämlich wirklich gut. Ich habe mir die anderen Kommentare nicht durchgelesen, also verzeih, wenn du manche Dinge nun doppelt liest.

Der Einstieg gefällt mir sehr. Das ist ein knapper Absatz, der aber völlig ausreichend beschreibt, in welcher Ausgangslage sich dein Protagonist befindet - und zwar ohne es plakativ auszusprechen. Das ist echt gut gemacht. Generell gilt das für viele Teile deiner Geschichte, dieses leichte in-der-Luft-hängen, das Nicht-Erklären, ich musste den Text zwei Mal lesen, um ihn zu fassen zu kriegen. Das mag ich nicht immer, wenn es zu nebulös wird, nervt mich das eher, als dass ich es gut finde - aber hier gefällt es mir, weil sich die Geschichte mir dann doch erschließt und ich gut finde, was du da machst.

Ich verstehe den Wendepunkt, also die Szene, als er bei der Frau im Haus ist und ihre Tochter kennenlernt, checkt, dass es ihr Blut war, so, dass die Kleine von dem Kerl missbraucht wurde. So verstehe ich dann auch den Titel. Und das ist erschreckend, weil echt hart. Als ich mit der Geschichte fertig war, wirkte tatsächlich der Titel bei mir nach ...

Das ist vermutlich kein Kommentar, der dich viel weiterbringt, sondern eher ein Leseeindruck. Ich wüsste auch nicht, wo ich da jetzt feilen würde, denn sprachlich gefällt mir das echt gut. Inhaltlich auch, zwischendrin musste in an Das Bildnis des Dorian Gray denken, ich weiß noch, dass ich das damals gelesen und mir gedacht habe - Was ne geile Idee, die Realität, die er nicht erträgt (in diesem Fall das Altern), verbannt er einfach in ein Bild. Deine Idee geht da ja noch mal tiefer, weil es nicht um dieses oberflächliche und eitle "Oh Gott, ich will nicht alt und hässlich werden" geht, sondern um Traumata, die nicht bewältigt, sondern einfach gelöscht werden sollen. Stellt sich mir die Frage, die ich mir immer bei solchen Szenarien stelle: Ob das so gut ist?

Eine tolle und interessante Geschichte, hell, Kompliment!
Liebe Grüße
RinaWu

 

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