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Fett auf mager
Eine Ewigkeit vergeht, bis du Termine bekommst. Und niemand sagt dir, wie du es bis dahin schaffen sollst. Dann ein, zwei Sitzungen die Woche, natürlich ohne Erfolg, also wird das Ganze verlängert. Der Leidensdruck wird nur erhöht, wenn man mich fragt. All der Mist, der ausgegraben wird ... Ich war kurz davor, einen Schlussstrich zu ziehen. Und das hab ich dann ja auch. Zumindest einen Strich gezogen. Mit meinem Blut – Blut auf Leinwand. Dann Acryl – immer fett auf mager.
„Haben Sie es dabei?“, fragte ich und zog Nitrilhandschuhe an.
Die Kundin griff in die Tasche und reichte mir das Serumröhrchen. Ihre Hand zitterte.
„Legen Sie sich doch einfach auf die Liege da und entspannen ein wenig“, sagte ich und deutete Richtung Fenster. Winterwiesen und Äcker draußen, der Himmel aus Blei.
„Wird es lange dauern?“ Sie streifte die Schuhe ab, zog am Kostüm und begab sich in die Horizontale.
„Nein, nein, paar Minuten, nicht mehr.“ Der Ausschwingrotor surrte los. Mich zog es zur Staffelei, der Keilrahmen war vorbereitet: Gesso, grob aufgespachtelt, mit dem Föhn durchgetrocknet. Die Oberfläche fühlte sich herrlich strukturiert an, Hebungen und Senken, ich nahm feinste Risse wahr. Letztlich geht es immer noch um Kunst!
„Haben Sie sich entschieden?“
Sie wollte nicht alles weg. Es gebe auch gute Tage, meinte sie und lächelte, wackelte mit den Zehen. Nur das mit dieser Schlampe, also das ertrage sie nicht – die beste Freundin! Zwischen den Brauen bebte es, Tränen folgten. Ich riss ein Blatt Küchenpapier von der Rolle, ging zu ihr und legte es auf die Liege. Sie beachtete es nicht mal, starrte nur nach draußen.
Die Eieruhr durchbrach das Schweigen, ich stellte die Maschine aus, hielt das Serumröhrchen gegen das Licht und schnippte dagegen.
Die Kundin sagte: „Wenn Tobias weg ist, verschwindet auch das mit Caro?“
„Dass sie mit Ihrem Freund geschlafen hat?“
Sie nickte, schaute weiter aus dem Fenster und wiegte die Füße hin und her.
Ich zog mit einer Spritze Serum ab.
„Mit Caro verbinde ich einfach zu viel. Und es hat ihr leidgetan. Ganz bestimmt“, sagte sie. „Und Tobias ... ach, dem ist nicht zu trauen. Schürzenjäger. Eigentlich kenne ich ihn ja erst seit ... warten Sie, zwei Monaten, denke ich.“
„Wenn er weg ist, hat's auch keinen Betrug gegeben.“ Meine Wahl fiel auf ein lichtes Pastellblau, ich mischte das Blutplasma hinzu. Kein Klumpen, sämige Konsistenz wie Eitempera.
„Gut, dann machen wir das. Ich will, dass sie ihn auslöschen. Nicht Caro.“ Sie faltete die Hände. „Das blöde Arschloch!“
„Ganz sicher?“
„Ja.“
„Er wird sich aber an Sie erinnern.“
„Ist mir egal. Soll er doch!“
Bisschen Cyan, ein wenig French Blue und ein Tupfen Indigo – immer schön mager, noch glänzend –, dann das präparierte Pastellblau, fetter aufgetragen. Ich gab etwas Weiß mit rein und bekam einen zarten Hintergrund. Eine Bühne, auf der sich alles entfalten konnte.
„Beschreiben Sie ihren Freund.“ Den Pinsel wusch ich in Alkohol aus, trocknete ihn an einem Tuch ab, und nahm einen feineren zur Hand. „Stellen Sie sich vor, er liegt Ihnen gegenüber; hier auf der Liege.“
Die Kundin schloss die Lider. „Er sieht gut aus, bisschen beleibt“, sagte sie. Das mit den Füßen schien ein Tick von ihr zu sein: hoch, runter, links, rechts. „Schwarze Locken, die Augenbrauen zusammengewachsen. Ich sage immer, er soll sie sich machen lassen, aber er will nicht. Gerade Nase, behaarte Brust“, sie hielt inne, „aber nicht so sehr, also nicht so ... affenartig.“ Dann drehte sie sich zu mir um, öffnete die Augen.
„Ja“, sagte ich, „schon klar. Irgendwas Auffälliges? Außer den Brauen. Narben oder ...“
„Ein großes Muttermal, direkt unterm Nabel.“
„Und groß heißt?“
„Weiß nicht, wie ein Zwei-Euro-Stück vielleicht.“
„Hm, okay.“ Konturen, Haare, der Leberfleck zeichneten sich ab, die Figur schälte sich wie von selbst heraus. Keine Ahnung, ob das Gemalte aussah wie dieser Tobias, aber es sah ihm sicher ähnlich.
„Darf ich es sehen?“, fragte die Kundin.
„Nein.“
Ihr Mund wurde spitz, Regen prasselte an die Scheibe. „Sind wir dann fertig?“
„So schnell geht das nicht.“
Zum Trocknen nahm ich den Föhn zur Hand, keiner sprach ein Wort. Binder kam zum Einsatz, eine Art Klarlack. Ich versiegelte immer transparent das ursprüngliche Bild. Es konnte ja sein, man verhunzte was, das Deckbild ließe sich abwaschen, verändern, ohne Darunterliegendes anzugreifen. Lackgeruch verteilte sich im Raum.
Dann der große Spachtel, viel Weiß und ein Tüpfelchen Phthaloblau. Ich trug fett auf, erschuf Berge, Täler, Gletscherzungen. Eine Landschaft aus Fels und Eis, die sich über Tobias schob, ihn unter sich begrub.
Der Vordergrund: dunkel, den Kontrapunkt in gleichen Tönen, und ein zwei Ausarbeitungen – Highlights an den Gipfeln.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich.
Die Kundin zuckte zusammen, löste den Blick vom Fenster und sah mich an.
„Kommen Sie.“ Ich winkte sie her und lächelte. „Nun, machen Sie schon.“
Sie setzte sich auf, schlüpfte in ihre Schuhe und stand kurze Zeit später neben dem Bild, die Stirn in Falten gelegt.
„Schön“, sagte sie. „Wow, wirklich, es sieht ... Was ist das? Wellen? Rauschendes Meer?“
„Wenn Sie das so sehen wollen.“
„Nein, warten Sie, eine Berglandschaft, eine winterliche Berglandschaft, nicht?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Es sieht großartig aus.“
„Danke.“
„Und verraten Sie mir, was ...“
Ich grinste. „Das ist nicht Ihr Ernst.“
„Nein, aber ... Dass ich wirklich keinen Schimmer hab, was Sie mir entfernt haben.“
„Wie fühlen Sie sich denn?“
Die Kundin zuckte mit den Schultern, atmete tief ein, sagte: „Ich weiß nicht. Gut, hoffe ich. Ja, doch, ich fühle mich gut.“
Schon verrückt. Kein Mensch hat sich für meine Bilder interessiert, bevor sie mir – wie soll ich es beschreiben? – ihren tieferen Sinn offenbart haben. Kapiert hab ich vermutlich gar nichts, aber das spielt keine Rolle.
Inzwischen hängen dutzende meiner Arbeiten in irgendwelchen Häusern rum. Die Kunden zahlen gut, weil es funktioniert. Hätte nie gedacht, dass mich Pinsel und Farben je ernähren könnten. Alles prima, seit ich übermale, was zu übermalen ist. Was zu übermalen gewünscht wird.
Stehe ich vor den unverkauften Bildern, die mich davor bewahrt haben, verrückt zu werden, grübele ich schon mal darüber nach, was da überpinselt wurde. Was verbirgt sich unter meinem Selbstbildnis in Moll? Oder der Skyline from Nirvana, dem Whale in Red? Übrigens mein Lieblingsbild. Ein weißer Wal durchkreuzt ein Meer aus Blut.
„Stimmt was nicht?“ Ich berührte die Kundin am Rücken und lenkte sie Richtung Stuhl. „Nehmen Sie doch Platz.“
Kaum dass sie saß, begann sie zu heulen, kramte ein Taschentuch hervor und hielt es sich vors Gesicht.
„Was kann ich für Sie tun?“
Die Frau fing sich, hob ihr kajalverschmiertes Gesicht und entschuldigte sich. Meinte, sie hätte jemanden kennengelernt, den sie schnell wieder vergessen wollte.
„Heißt diese Person zufällig Tobias?“
„Ja, woher ...“
„Haben Sie sich erinnert?“
„Erinnert?“ Sie zog die Brauen zusammen. „Sie meinen, ich bin das letzte Mal ... wegen ihm?“
„Ja, sind Sie. Es ist nun mal so: Tobias haben Sie aus Ihrem Kopf. Er Sie aber nicht.“
„Erklärt so manches. Das Arschloch hat sich verhalten, als wenn er mich schon ewig kennen würde.“
„Fanden Sie das nicht merkwürdig?“
„Ich dachte, nein, er dachte wohl, es wäre ein Spiel oder so.“
„Na gut, ich schlage vor, Sie lassen sich wieder Blut abnehmen und wir vereinbaren einen neuen ...“
„Wollen Sie nicht wissen, was passiert ist?“
„Nein, bringen Sie die Blutprobe, das reicht schon.“
Die Kundin streckte mir ein Serumröhrchen entgegen. „Bitte“, sagte sie.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich sah auf die Uhr, erwartete noch einen Kunden: Verkehrsunfall, drei Tote, seit einem Jahr in Therapie.
„Eigentlich fehlt mir die Zeit.“
„Bitte, ich zahle das Doppelte.“ Sie zeigte auf die Staffelei. „Und es steht doch alles bereit.“
Eine Stunde musste reichen. „Erwarten Sie aber keinen Picasso von mir.“
„Nein! Hauptsache ...“
„Schon gut, legen Sie sich einfach wieder hin und entspannen.“
Nachdem ich das Bild zum Trocken nach hinten gestellt hatte, klingelte es an der Tür. Ich hatte mich für eine Toskanalandschaft entschieden, Felder in orangestichigem Gelb, ein Gebäude, zwei, drei Zypressen – schnell erledigt. Die Kundin würde es in zwei Tagen abholen, hatte sie gesagt, wie letztes Mal.
Der Mann mit der posttraumatischen Störung sollte mich seit langem wieder spüren lassen, was das Befriedigende an meiner Arbeit war. Die Augen dunkel umrahmt, die Nase spitz, abgekaute Nägel, nervöses Zappeln mit den Fingern. Der Tod dreier Menschen hatte Spuren hinterlassen.
Kaum hatte ich die Unfallszene unter Massen Weiß begraben, verwandelte er sich. Die Schultern gaben nach, die ganze Anspannung wich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
„Ich kann ... wieder atmen“, sagte er, „ich kann ...“ Tränen liefen ihm die Wangen hinab. „Was hat mich nur so fertiggemacht?“
„Vergessen Sie's“, sagte ich. „Und wie besprochen, ich rate dringend dazu, dass sie wegziehen, neu anfangen, okay?“
„Ist das Ihre?“ Der Kunde studierte mein Werk und streckte mir eine Damenbörse entgegen. "Lag unter der Liege."
Ich klappte sie auf und erkannte die Frau auf dem Führerscheinbild.
„Nein, aber ich weiß, wem sie gehört. Danke.“
Big-Ben-Läuten ließ mich die Augen verdrehen. Der ganze Fall hier, Seitensprung und Co., mich nervte das alles.
Ein Mädchen – elf oder zwölf – öffnete die Eichenholztür. Wache Augen, Veronesergrün; Lücke zwischen den Zähnen, ein wenig mager vielleicht.
„Hallo, mein Name ist Fauter, ist deine Mutter zu Hause?“
„Meine Pflegemutter“, korrigierte sie und strich eine blonde Haarsträhne zurück. „Tanja, für di-ich!“, rief sie nach hinten und dampfte los. Ich blieb stehen, spickte durch die halbgeöffnete Tür und sah die Kundin hereilen.
„Herr Fauter, woher ...“
Ich hielt ihr das Portemonnaie entgegen und lächelte.
„Gott sei Dank“, sagte sie, „ich wollte schon anrufen.“
„Das Bild ist noch nicht trocken, sonst hätte ich es mitgebracht.“
„Ach so, ja, nein, ist doch kein Problem, ich hole es wie vereinbart bei Ihnen ab. Haben Sie vielen Dank!“
„Keine Ursache.“
„Ich würde Sie gerne hereinbitten, nur bin ich blöderweise in Eile.“ Sie sah auf die Uhr.
„Ist schon gut“, sagte ich. „Bitte entschuldigen Sie meine Neugier, mich würde nur interessieren, ob Sie das Bild aufgehängt haben?“
„Die Berglandschaft?“
Ich nickte.
„Natürlich, großartige Arbeit und so ... hilfreich auch.“
„Danke.“ Aus einem Impuls heraus oder weil ich mich nicht so abwimmeln lassen wollte, sagte ich: „Darf ich es sehen? Nur kurz, ich will Sie wirklich nicht aufhalten.“
Die Frau zögerte. „Leider habe ich, wie gesagt, nicht viel Zeit, aber“, sie verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, „kommen Sie rein.“
Sie gab den Blick auf den gefliesten Flur frei. Am Ende führte eine Treppe nach oben. Das Bild hing allerdings unten, im Wohn-Ess-Bereich. Ein großer Raum, dunkle Möbel, Ledercouch und ein Ungeheuer von Holztisch – acht Stühle ringsum. Dahinter mein Werk an der Wand. Die Blautöne fanden kein Pendant zu den restlichen Farben im Raum, allerdings harmonierten sie ganz gut mit dem Braun und Ocker hier und da.
„Einen guten Platz haben Sie gewählt. Gefällt mir, das ganze Haus übrigens. Sie wohnen sehr schön.“
„Danke.“
Wieder Big Ben. Tanja, die Kundin zuckte zusammen, das Mädchen sauste die Treppe runter und öffnete die Haustür, Tanja lief ihr nach.
„Tobias?“, hörte ich das Mädchen sagen. Ihre Stimme klang sehr jung.
„Ja“, sagte der Mann. „Ich bin ...“
Tanja schrie regelrecht: „Es passt gerade nicht!“ Dann schlug die Tür zu.
Ich öffnete ein Fenster und spähte raus, ein fetter Mann schritt davon. Ich rief ihm nach: „Hey! Sie da!“
Er drehte sich zu mir um, Lockenkopf, zusammengewachsene Brauen.
„Warten Sie!“, rief ich und lief in den Flur.
„Was ist denn los?“, fragte das Mädchen. „Tobias ...“
Ich blieb stehen. „Der Mann da? Heißt der so?“
„Caro! Geh auf dein Zimmer!“, sagte Tanja und stieß das Mädchen Richtung Treppe.
„Nein, warte mal.“ Ich sah nach draußen, der Mann war verschwunden.
„Mischen Sie sich nicht ein. Sie gehen jetzt besser!“, blaffte mich Tanja an.
Das Mädchen ging zur Treppe, ich sagte: „Und du heißt Caro?“ Sie blieb stehen und nickte. Dann sah sie mich an, die Augen groß geworden. „Ich geh in mein Zimmer, bin krank.“
Ich riss mich von Tanja los, die mich an der Jacke gepackt hatte, und ging zu Caro rüber, die zwar zurückwich, aber stehenblieb. „Sag mal, hat man dir vielleicht Blut abgenommen?“, fragte ich.
„Es reicht jetzt!“, fauchte Tanja.
Das Mädchen streckte den rechten Arm aus, ich zog den Ärmel hoch. „Ich vergesse immer so viel. Auch Tobias. Ich soll mir einfach vorstellen, er wäre in Afrika gewesen.“
„Ich ruf jetzt die Polizei!“, hörte ich.
Ein Pflaster in der Ellenbeuge, hautfarben, ein lächelnder Löwe darauf. Mein Mund wurde trocken, Caro entblößte auch den linken Arm: Blau-, Gelb- und Grüntöne. Ein alter Bluterguss.
Dann blieb die Zeit stehen, niemand rührte sich, sagte was. Ein Moment der Stille, ein Rädchen griff ins nächste.
„Wenn hier jemand die Polizei ruft, dann bin ich das!“, schrie ich, das Mädchen flitzte schluchzend nach oben. „Schließ dein Zimmer ab!“ Ich rempelte die Frau an die Wand und lief nach draußen.
„Und was wollen Sie erzählen?“
Gab dem Vorgartentor einen Tritt.
„Niemand wird es glauben!“
Schloss das Fahrzeug auf.
„Das können Sie nicht!“ Die Stimme überschlug sich. „Dürfen Sie nicht!“ Die Frau sank in die Knie. „Denken Sie doch an Caro! Was Sie ihr damit antun!“
Ich stieg ins Auto und gab Gas.
Wenn man bedenkt, dass ich mir nicht mal Mühe gegeben habe. Eine Klischeelandschaft: Klischeezypressen, Klischeefelder; ausdrucksloses Haus.
Das Wasser ist kalt, ich setze den Lappen an, ganz leicht, ganz sanft – sachte, in kreisenden Bewegungen. Das Tuch schwitzt Orangetöne aus.
Ein Nylonfaden zieht sich in meinem Inneren zusammen und schnürt Organe ein. Niemand wird es glauben! Denken Sie doch an Caro!
Ich nehme das Gemälde aus der Staffelei und stelle es an die Wand. Unverrichtet. Ein leicht verwaschener Wirbel verleiht der Szenerie etwas Bizarres.
Das können Sie nicht!
Dürfen Sie nicht!
Es bleibt ein Landschaftsbild.
Gleich darüber mein Whale in Red.
Der Wal wird rosa, beginnt zu bluten. Es geht jetzt ganz leicht, die Farben sind wieder feucht, der Schwamm verrichtet gute Arbeit, rote Bäche fließen an der Leinwand hinab, über die Hände, auf den Boden, mein Hemd bekommt was ab, dann erkenne ich, was da verborgen liegt.
Der Nylonfaden spannt sich, frisst sich tief ins Innere.
Wie in Trance durchschreite ich mein Atelier, den Dachspitz, steige die Treppe zu den Wohnräumen runter. Spuren auf den Klinken, Wohnzimmer, Esszimmer, der Küchenschublade – Rot auf Hochglanzweiß.
Ich wiege das Messer in der Hand. Eine verschmierte Hand. Eine, die zu mir passt.
Der Schnitt ist tief genug. Egal jetzt die Konsistenz oder ob später was klumpt, ich zeichne einen Strich auf eine Leinwand. Dann mehr, immer wieder muss ich drücken, mich melken. Das schmerzt, tut gut. Blut trocknet rasch, ich beeile mich. Ein großer Fleck, der Pinsel fürs Detail. Die Frau im Kostüm auf der Liege blickt durchs Fenster, ein Röhrchen in der Hand. Binder zum Versiegeln. Fertig.
Dann zum Ursprung, es fällt schwer, in das zu sehen, was tief in mir vergraben liegt. Die Ränder sind noch rot, der Wal ist weg. Ich halte mich nicht lange auf, nie male ich mit schwarz, jetzt schon, scheiß was auf die Kunst!
Der Nylonfaden lässt ein wenig nach. Ich spanne die Blutfrau wieder in die Staffelei, wie von Sinnen, wie in meinen besten Tagen – voll im Flow. Die Oberfläche ist schon trocken, ich fange an, immer fett auf mager. So hab' ich es gelernt.