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Feng Shui

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24.01.2006
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Feng Shui

„Überraschung“, sagte er, nahm ihr die Augenbinde ab und führte sie in die Drei-Zimmer-Wohnung. „Na, wie gefällt es dir?“
„Was soll denn das? Warum hängt das Bild dort gerade und was ist das überhaupt für eine bescheuerte Wandfarbe?“
„Aber ... aber ... ich wollte dich überraschen. Ich dachte dir gefällt es“, antwortete Thomas kleinlaut.
„Gefallen? Weißt du überhaupt, was du da gemacht hast?“, wetterte Sina weiter. „Der Tisch steht genau vor einer Wasserader. Und die Stühle ...“
„Natürlich steht er vor einer Wasserader. Dahinter ist ja auch die Spüle. Wo soll der Küchentisch denn sonst stehen.“
„Auf dem Balkon, wo er hingehört. Hier kann er auf keinen Fall stehen bleiben. Er behindert ja den kompletten Fluss.“
„Fluss? Was soll denn fließen?“
„Na, das Qi. Was denn sonst?“
„Natürlich“, sagte er und schaute sie fragend an. „Das Qi! Was denn sonst!“
„Glaubst du, ich habe dich als Mitbewohner ausgewählt, weil du so gut aussiehst oder so toll kochen kannst?“
„Hast du nicht?“
„Nein natürlich nicht. Ich dachte, du hättest dieselbe esoterische Lebenseinstellung wie ich.“
„Iso was?“
„Nix Fitness! E – S – O. Von Esoterik. Bist du so blöd oder tust du nur so?“ Sina wurde immer lauter.
„Tut mir leid, Sina. Ich stelle alles wieder auf die ursprüngliche Position. Ich dachte nur im Winter wäre es vielleicht nicht so schön auf dem Balkon zu frühstücken und ...“
„Ach, du hast ja keine Ahnung. Wie kann man denn einen Tisch vor eine Wasserader stellen.“ Heftiges Kopfschütteln. „Überhaupt: So eine Frechheit gleich an deinem ersten Tag alles hier umzustellen. Das bringst du wieder in Ordnung“, meckerte sie und ging in ihr Zimmer.

Nach zwei Stunden hatte Thomas den Ausgangszustand wiederhergestellt. Der Tisch stand wieder auf dem Balkon. Das Bild im Wohnzimmer hing schräg und das Sofa versperrte die Tür, sodass man diese nur einen Spalt breit öffnen konnte. Der Fernseher stand mit dem Bildschirm zur Wand und die Blumen hingen von der Decke. „Fünf-Elemente-Lehre“, hatte Sina gesagt. Thomas hatte verständnisvoll genickt.

Nachdem Sina ihre Yogaübungen beendet hatte und gerade dabei war die Tarotkarten zu legen, startete Thomas noch einen Versuch:
„Kann ich nicht wenigstens das Sofa ein Stückchen zurückziehen? Die Tür geht ja nicht mal auf.“
„Bitte, wenn dir das Karma scheißegal ist, dann mach doch“, höhnte Sina.
„Also kann ich?“
„Nein!“

Erschöpft ging Thomas an diesem Abend zu Bett. Sobald ich eine neue Wohnung gefunden habe, ziehe ich hier aus, dachte er. Die Alte hat sie ja nicht mehr alle. Qi und Karma. So ein Quatsch!

In den nächsten Tagen verbrachte Thomas viele Stunden mit der Wohnungssuche, doch er fand kein halbwegs vernünftiges und dazu bezahlbares Zimmer. So fügte er sich seinem Schicksal und versuchte mit Sina auszukommen. Nach und nach entdeckten beide, dass sie sich gar nicht so unähnlich waren. Eines Abends kamen Sinas Freunde vorbei, um das Pendel kreisen zu lassen. Thomas schloss sich spontan der Runde an. Als er das Pendel halten durfte und es sich tatsächlich in die gewünschte Richtung bewegte, fühlte er sich wie elektrisiert, ja geradezu von spiritueller Kraft durchzogen. Er war gleichsam ergriffen und euphorisch.

Seit diesem Abend wohnte er jedem Treffen der Gruppe bei. Manchmal organisierte er sie sogar. Sina lehrte ihn das Handlesen und nahm ihn zu fernöstlichen Lesezirkeln mit. Thomas besuchte an der Abendschule Feng-Shui-Kurse und meditierte oft. Die Kunst der Esoterik zog ihn in ihren Bann.

Eines Tages kam Thomas gerade aus der Bibliothek nach Hause, als sein bester Freund vor der Tür bereits auf ihn wartete.
„Hi, was machst du denn hier?“, fragte Thomas erfreut.
„Ich hab gedacht ich schau mal vorbei. Die ganze Woche sind keine Vorlesungen und da wollte ich dich einfach mal überraschen“, antwortete Sebastian.
„Das ist dir geglückt! Freut mich sehr. Aber komm doch erst mal rein.“
Thomas schloss die Tür auf und beide traten ein.
„Was möchtest du denn trinken?“, fragte Thomas.
„Ein Bier, bitte.“
„Bier? Das ist nicht dein Ernst? Ich kann dir einen schwarzen Tee anbieten.“
„Ja, ja. Geht klar“, sagte Sebastian und grinste über Thomas’ Scherz.
„Ich bring ihn dir gleich. Du kannst ja schon mal ins Wohnzimmer gehen.“

Als Thomas in die Küche gegangen war, hörte er einen lauten Knall; danach schrie Sebastian. Eilig rannte Thomas ins Wohnzimmer um nachzusehen.
„Sebastian, alles klar? Was ist denn passiert?“
„Ich bin gegen die Tür gelaufen, weil sie nicht komplett aufgeht. Das Sofa steht genau dahinter.“
„Ja, natürlich steht es genau dahinter. Man muss sich durch den Spalt quetschen.“
„Aber warum denn das?“
„Feng Shui ... Bin gleich wieder da. Setz dich doch“, sprach Thomas und war schon wieder in der Küche verschwunden. Gleich darauf kam er mit einer dampfenden Tasse zurück.
„Hier, bitte, dein Tee.“
„Ich dachte, das wäre ein Scherz gewesen und du würdest mir ein Bier bringen.“
„Quatsch, Tee ist doch viel gesünder und besser fürs Karma.“
„Karma ... Tee ... Sicher, dass es dir gut geht, Thomas?“
„Ja, so gut wie nie. Warum fragst du?“
„Passt schon. Übrigens, der Fernseher stand falsch herum. Ich hab ihn umgedreht.“
„Du hast was? Hast du nen Schlag. Du kannst doch nicht einfach den Fernseher umdrehen.“
„Warum denn nicht? Man hat doch gar nichts sehen können.“
„Als wenn es darauf ankommen würde! Du hast ja keine Ahnung!“
„So hab ich nicht ... Auf was kommt es denn an?“
„Na, aufs Qi?“
„Bist du total bekloppt?“
„Dachte ich mir schon, dass du das nicht verstehst. Fernöstliche Philosophie war noch nie deine Stärke.“
„Fernöstliche Philosophie. Von was redest du denn überhaupt?“
„Feng-Shui, Esoterik, Konfuzianismus. Das sagt dir wohl alles nichts, was?“
„Ist das nicht ein Lied von System of a Down?“
„Das heißt Chop Suey und ist was ganz anderes. Du kannst einem nur Leid tun.“
„Da fragt man sich, wer einem Leid tun kann. Und weißt du was? Das Bild hab ich auch gerade hingehängt. So!“
„Das Bild ... gerade ...“ Thomas' Stimme bebte jetzt. „Dir geht’s wohl zu gut. Raus hier. Aber ganz schnell!“

 

Hi neukerchemer,

mal von hinten angefangen: Im dritten Teil wiederholen sich im Prinzip bekannte Gags, so richtig deutlich wird auch nicht, warum Thomas auf die esoterische Schiene kommt. Wer wichtig, die entsprechenden Mechanismen satirisch aufzuzeigen.

„Bitte, wenn dir das Karma scheißegal ist, dann mach doch“, höhnte Sina.“

Das hat natürlich nix mit Karma zu tun, würde deutlicher hervorheben, dass die ‚Erleuchtete’ keine echte Ahnung von dem hat, über das sie redet.
Es gab hier auch mal einen Diskussions-Thread über Esoterik, ein wichtiges Thema. (War im Kaffekranz)

Gruß

- Pol

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Polaris,
vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ja, dass das Ganze etwas "platt" daherkommt wurde ja schon bemängelt, aber es war auch schon so beabsichtigt. Ich hab auch noch eine zweite Version von der Geschichte geschrieben. Da sieht das Ganze anders aus.

Das hat natürlich nix mit Karma zu tun, würde deutlicher hervorheben, dass die ‚Erleuchtete’ keine echte Ahnung von dem hat, über das sie redet.
Natürlich nicht. Ich denke es wird, aber deutlich, dass sie eigentlich keine Ahnung hat. Erklären möchte ich es eigentlich nicht. Das ist dann zu holzhammermäßig.

Danke nochmal.


Hi Hollywoodfan,
dir auch vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass es dir gefallen.

Ich denke eigentlich, dass die Geschichte hier in dieser Rubrik besseraufgehoben ist. Immerhin ist sie schon sehr übertrieben.

lg neukerchemer

 

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