Hallo allerseits,
ich bin natürlich genauso in Rage wie alle anderen, die sich hier so empören. Ich hätte die Geschichte ebenfalls nicht empfohlen - dafür ist sie zu speziell und fragmentarisch.
Deshalb geht es mir auch auf den Senkel, dass man mir unterstellt, ich würde mich über diese Empfehlung "sicherlich" freuen. Nein, überhaupt nicht. Wie sollte ich?
Man verzeihe mir, dass ich nun nicht auf jede empörte Stimme einzeln eingehe. Letztendlich überschneidet sich die Kritik sowieso, so dass es darauf hinausläuft, dass Inhalt und Sprache (bzw. insbesondere die Wortwahl an bestimmten Stellen) kritisiert werden.
Es ist unter diesen Umständen etwas schwierig, den Spagat zwischen Verteidigung, Entkräftigung und Zustimmung zu finden. Denn: Ich halte die Geschichte inhaltlich selbst nicht für gänzlich gelungen - dafür ist sie zu kurz und nicht tiefgängig genug. Allerdings: DAS sollte sie auch nie sein! Ich hatte nicht vor, diesen seltsamen Prot. tiefschürfend zu durchleuchten. Nein, die Story war schon hauptsächlich für dieses "Umkippen" in der Nacht geschrieben. Sie sollte den langweiligen Alltag anritzen, dieses Gehetze vom Büro zum Einkaufen, vom Snackeinwerfen zum Fernseher und schlussendlich diese einzige helle Stelle im dunklen Schlafzimmer skizzieren. Und dann eben die Schlusspointe. Mehr nicht. Da KANN man nun natürlich schimpfen, dass das eine furchtbar flache Charakterdarstellung sei, dass es nicht reiche, anzudeuten, der Prot. habe null Bock auf seine Arbeit, sei nicht an frischer Luft oder normalen sozialen Kontakten interessiert und erdreiste sich auch noch, abends wie ein halbwegs gewöhnlicher Mensch über den Kommerz in den Kanälen zu grunzen, während er danach ins Bett steigt, um gezielt eine Puppe zu besteigen. Man KANN das kritisieren. Bitte.
Allerdings war es nie meine Idee, irgendetwas anderes zu zeigen. So sollte die Geschichte sein und so ist sie. Wie gesagt: Ich hätte sie auch nicht empfohlen, da ich sie für zu kurz und fragmentarisch halte.
So, nun bitte ich aber zu bedenken, dass ich die Geschichte nicht selbst empfohlen habe und dementsprechend ein wenig frustriert bin, erst aufgrund dieser leidigen Empfehlung überhaupt so offen Feedback zu bekommen. Nebenbei gefällt es mir überhaupt nicht, dass nun besonders spezifische Textkritik begangen wird, auf die ich doch bitte schnell, ganz schnell, zu reagieren habe. Ja, habe ich? Ich wundere mich nur gerade: Wäre diese Empfehlung nicht gekommen, würde diese tiefer gehende Kritik doch gar nicht da stehen. Dann hätte ich ruhig fernbleiben können?
Es geht nun hauptsächlich um vermeintlich schiefe Sätze. Es gefällt nicht, dass er die Luft "kostet" und dass sie ihm zu "lieblich" ist?
- Nun, das mag euch nicht schmecken. Mir aber eben doch. Das ist so gewählt, weil ich durchaus wollte, dass er die Luft eben im Hasten "probiert" und dass sie ihm zu gut, zu "lieblich" schmeckt. Diese Passage ist eine Andeutung auf den Schluss. Irgendwer forderte die Ebene "Geruch". Ich kann mit der Ebene "Geruch" wenig anfangen. Also ist da die Ebene "Geschmack". Allerdings ist die später nicht präsent, weil so ein Püppchen nicht nach viel schmeckt. Künstlich eben. Im Umkehrschluss schmeckt ihm das Natürliche, der süße Naturduft - meinetwegen auch weiter gefasst: die Liebe in ihrer natürlichen Form; unter Menschen - nicht. Versteht man nicht aus dem Text? Nun, dann ist das eben nicht die Ebene, die euch gefällt. Das ist kein Problem. Höchstens mein Problem, weil das letztlich niemand lesen mag. Aber immer im Hinterkopf behalten: ICH habe den Text nicht empfohlen!
Den Satz, dass Blütenstaub den Rost verdeckt, habe ich wieder entfernt. Einfach weil mir die Dopplung von Staub nicht mehr gefiel. Einerseits war es eine unschöne Dopplung, andererseits so ein hässlicher Widerspruch, weil der eine Staub aufgewirbelter Dreck und der andere duftendes Naturgut war. Gefiel mir nicht mehr. Flog raus. Ich denke noch jetzt demjenigen, der den Einwand gab.
Die Szene im Supermarkt soll vor allem zeigen, wie der Prot. andere Menschen empfindet. Er blickt eben nur drauf, interagiert nicht, glaubt auch nicht so recht daran, dass er das könnte, denn erst wirkt der Mitarbeiter so, als schlafe er gleich ein, dann geht er weg.
Der Prot. kommt spät nach Hause. Zu spät? Darüber kann man sich streiten. Wofür soll er früher kommen? Was sind die Vorteile, wenn man so spät nach Hause kommt?
Er "verstaut" seine paar Einkäufe. Ja, für ihn ist es ein "Verstauen". Weil für ihn so gut wie jede Aktion ein mühsames Unterfangen ist und sei es nur das Wegräumen von Schinkenimitat, etc. Dann "wirft" er dieses Essen ein. Ja, so im Vorbeigehen. Es ist ihm nicht wichtig, er macht es quasi so nebenbei, weil er muss - er will ja nicht sterben. Soll er sich neben die Puppe setzen und ihr auch etwas anbieten?
Dann setzt er sich vor den Fernseher. Und dort wirkt er fast etwas out of character, weil er so ziellos herumzappt? Was passt daran nicht? Es ist genau das, was zu erwarten ist, nachdem er den anderen Dingen, die er nicht mag, entkommen ist. So ist er nur ein Beobachter und kann mürrisch vor sich hinnörgeln. Im Verborgenen herummeckern. Und kritisiert unter anderem auch die seelenlose Sexindustrie.
Nun könnte man natürlich meinen, es sei kein bisschen besser, was er später tut - zugegeben, ich habe das zunächst so geschrieben, als läge da ein Mensch, so dass man meinen könnte, er habe einen Knall - gerade eben noch über Sexhotlines genölt, nun macht der sowas. Aber tja, es ist nur eine Puppe ... Was man davon halten mag, bleibt jedem selbst überlassen. Ich selbst habe mir dabei durchaus meine Gedanken gemacht, aber versucht, sie nicht so sehr hineinfließen zu lassen.
Das Schlafzimmer ist dunkel, damit er das Silikonding nicht mit offenen Augen und starrem Blick da liegen sieht, wenn er hineinkommt. Denn das will er nicht sehen. Er ist ja nicht beschlagen - er weiß schon, was da liegt. In dem Moment, wenn er ins Schlafzimmer kommt, versucht er sich, sich eine andere, träumerische Stimmung einzureden, achtet mehr auf den Lichteinfall, macht sich irgendwie selbst etwas zurecht, einfach weil er's so braucht, um seinen lahmen, tristen Alltag weiterführen zu können.
Natürlich ist das eine leidlich schwülstige Bettszene. Das war mir beim Schreiben durchaus bewusst. Und so soll es auch sein.
Ich habe das durchaus alles so geschrieben und formuliert, wie ich es schreiben wollte. Wenn das für den Leser schief wirkt, dann tut es mir leid. Aber es war tatsächlich so intendiert, dass an dieser und jener Stelle sehr unterschiedliche Stile zugange sind. Und auch dass er die Luft in der Hast "kostet". Meiner Meinung nach ist das eine Geschmacksfrage. Wenn ihr meint, das sei eine Sache der Qualität, dann ist das okay. Damit kann ich leben. Denn für mich funktioniert der Text. Und das ist alles, was ich wollte.
Und immer im Hinterkopf behalten: Ich habe den Text nicht empfohlen! Auch wenn ich nach wie vor von ihm überzeugt bin, hätte ich ihn auch nicht empfohlen - eben weil er recht fragmentiert ist. Und ja, sicher gibt es hier etliche Texte, die besser sind, vor allem thematisch mehr Tiefe haben. Aber es gibt auch schlechtere.
So, habt noch einen schönen Sonntag!
LG
Schleife