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Für einen Moment ...

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04.06.2018
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Für einen Moment ...

Langsam fährt der Wagen die Straße hinunter. Das kleine Mädchen winkt noch einmal durch die Heckscheibe, bevor sie abbiegen. Ein süßes Kind, lebhaft. Die blonden Locken verschwitzt vom Toben im Garten.
Ich gehe zurück ins Haus. Die untere Etage ist bereits leergeräumt. In der Küche lasse ich den Rollladen herunter. Im Wohnzimmer steht die Terrassentür noch offen. Der Garten ein wenig verwildert. Mein Baumhaus, hoch oben im Kirschbaum, überwuchert vom Blattwerk. Auf der Terrasse stehen einige alte Stühle, verlassen, wie stumme Zeitzeugen. Ich sehe Papa dort sitzen, den Kopf hinter der Zeitung verborgen.
"Papi, baust du mir ein Baumhaus?"
"Ein Baumhaus? Brauchen Mädchen ein Baumhaus, Tami?" Doch ich bemerke gleich das lustige Zucken um seine Augen, als er mich über die Zeitung hinweg ansieht.
"Mädchen können alles, was Jungs auch können, siehst du ..." Ich spucke auf den Boden.
"Tami! Sowas machen die Jungs?" Er nahm mich auf den Schoß.
"Ja, Papi, und noch viel mehr. Bekomme ich ein Baumhaus? Bitte." Meine Hände streicheln über seine stoppeligen Wangen. Lachend legt er die Zeitung zur Seite.
"Ein wenig Geduld wirst du brauchen. Dein Papa kann diese Jungssachen nämlich nicht ganz so gut."
Ich schließe die Tür. Lasse meinen Blick über die kahlen Wände schweifen, bleibe an einem der vielen, hellen Flecken hängen, die verraten, wo einst Bilder waren.
Papa und ich, im Garten. Kurz nach der Beerdigung.
Die Treppe nach oben liegt im Halbdunkeln. Ganz bewusst trete ich auf die vorletzte Stufe, höre das laute Knarren durch die Stille der Räume hallen.
"Ich kümmere mich darum", versicherte Papa immer wieder einmal.
Als Kind machte ich meist einen großen Schritt über sie hinweg, um den anstehenden Standpauken zu entkommen. Später wurde es zum Ritual, wenn ich erst nachts nach Hause kam. Ich wusste, Papa lag noch wach, wartete auf das Knarren. Da war Mama schon lange fort.
Nach meinem Auszug verlegte er sein Schlafzimmer nach unten, in einen kleineren Raum.
"Ich bin allein, Tami. Was brauche ich da so viel Platz."
Oben wirkt alles ein wenig gespenstisch. Möbelstücke mit Tüchern bedeckt, voller Staub, wie Geister. Die letzten zwei Jahre ist hier kaum jemand hochgekommen. Die Tür zu Mamas ehemaligem Arbeitszimmer steht offen. Ich ziehe den schweren Rollladen des großen Fensters nach oben. Sonnenlicht flutet den Raum. Staubflusen wirbeln im Licht. Ein heller Fleck im Parkett verrät, wo ihr Schreibtisch stand. Dort saß sie mit gesenktem Kopf und schrieb ihre Kolumnen.
Der riesige Kronleuchter hängt noch an der Decke. Das Klavier in der Ecke, schwer in die Jahre gekommen. Mamas Notenbuch steht auf der Ablage über den Tasten. Ich schlage es auf, betrachte ihre Notizen. Zwischen den Seiten finde ich etwas Bräunliches, Verschrumpeltes. Mit dem Finger versuche ich, es aufzunehmen, doch nur Krümel kleben an meiner Haut.
Eine Woge der Zuneigung ergreift mich, lässt meine Hände wie von selbst zu spielen beginnen. River flows in you ... du hättest es gemocht, Mama. Ich spiele das Lied bis zum Ende, beginne von vorn, fühle die Melodie, jeden einzelnen Ton. Plötzlich ist die Luft erfüllt vom Duft ihres Parfüms, eilige Schritte kommen die Treppe herauf.
"Mama, sieh nur, was ich gefunden habe! Ein vierblättriges Kleeblatt. Es soll dir Glück bringen, für immer und immer."
Sie drückt mich kurz an sich.
"Danke, mein Schatz", sagt sie lächelnd, legt es an den Rand des Klaviers und setzt ihr Spiel fort. Ich tanze durch den Raum. Strecke die Arme aus, drehe mich im Kreis. Mein blaues Sommerkleid hebt sich, die blonden Locken fliegen. Das Licht der Sonnenstrahlen bricht sich in den Kristallen des Kronleuchters, wirft bunte Lichtflecken an Wände und Decke. Wenn ich die Augen zusammenkneife, bis sie nur noch schmale Schlitze sind, verschwimmt die Kontur des Raumes. Dann ist es wie im Märchen, verzaubert.
Ich hatte schon einige Häuser ..., aber dieses ... Doch Papa hatte recht. Er mochte seine neue Wohnung, war nicht länger Geisel des Gartens.
Bald werden andere kommen. Fremdes Lachen wird durch die Räume klingen. Vielleicht erzählen diese Wände ihnen von uns und den Dingen, die sich ereigneten.
Ich verlasse das Haus, halte an der Tür kurz inne, ziehe sie ganz langsam ins Schloss, warte auf das leise Klicken, wenn sie schließt.

 

Hallo felixreiner,

manche Bilder bleiben eben Skizzen, weil die Bedeutung in ihr liegt und das colorieren nur von dem Ablenkt, was eigentlich dargestellt werden soll. Die Frage ist wohl, ob es sich deshalb nicht um ein Bild handelt.

Danke für deinen Besuch.

Liebe Grüße
Charly


Hey TeddyMaria,

gut das du noch mal da warst, sonst hätte ich noch den gedruckten Beweis für meine Kommaschwäche.:-)

Kurz und völlig wollte ich streichen, hab ich auch, in der Handschrift . Hatte ich hier wohl übersehen.
Mit dem Zeilenumbruch, hab ich jetzt kapiert.
In der Version die ich beim Bearbeiten sehe, war der da, die Zeile war da nämlich zuende, dachte in dem Fall wäre der Umbruch automatisch da, ist aber nicht so.

Das schwer ist umgangssprachlich, aber in dem Satz mag ich das, leicht hab ich gestrichen und den Satz zur Erklärung der Situation noch mal geändert.

Danke für deine Mühe.

Liebe Grüße
Charly

 

Liebe Charly1406,

ich habe deine Geschichte schon in der ersten Fassung gelesen, mit Neugier die Überarbeitungen abgewartet.

Ich gehe zurück ins Haus. Die untere Etage ist bereits leergeräumt. In der Küche lasse ich den Rollladen herunter. Im Wohnzimmer steht die Terrassentür noch offen. Der Garten ein wenig verwildert.
Diesen „Stakkato“-Rhythmus mag ich hier nicht. Kann man mal machen, wenn es eine blitzschnelle, spannende Handlug gibt. Actionszene, wo gesprungen, gehüpft, gejagt, geschossen wird etc.

Hier hätte mir aber teilweise längere Sätze gewünscht. Vorschläge wollen mir hier zunächst nicht einfallen, da die fünf Sätze in meinen Augen alles alleinstehende Sätze sind. Bis auf den ersten, der am Anfang stehen muss, ist die Reihenfolge der anderen irgendwie beliebig. Halt, doch:

Ich gehe zurück ins Haus, schreite durch die untere, bereits leergeräumte Etage. In der Küche lasse ich den Rollladen herunter. Im Wohnzimmer steht die Terrassentür noch offen, lässt den Blick auf den Garten frei, der ein wenig verwildert ist.
(So ungefähr. Du könntest auch direkt schreiben „der Blick durch die offene Terrassentür …“, das Wohnzimmer also raus lassen.)

Mein Baumhaus, hoch oben im Kirschbaum, überwuchert vom Blattwerk.
Na ja, „hoch oben“ (klingt wie „im Baumgipfel“) wird das Baumhaus wohl nicht sein. Meistens fängt es doch ungefähr in der Mitte an, dort, wo die dicken Stämme beginnen. :Pfeif:

Mein Baumhaus, hoch oben im Kirschbaum, überwuchert vom Blattwerk. Auf der Terrasse stehen einige alte Stühle, verlassen, wie stumme Zeitzeugen. Ich sehe Papa dort sitzen, den Kopf hinter der Zeitung verborgen.
"Papi, baust du mir ein Baumhaus?"
"Ein Baumhaus? Brauchen Mädchen ein Baumhaus, Tami?“
Ich persönlich hätte versucht, ein „Baum“ zu kürzen, z.B.:
„Ein Baumhaus? Brauchen Mädchen denn eins, Tami?“

"Ein wenig Geduld wirst du brauchen. Dein Papa kann diese Jungssachen nämlich nicht ganz so gut.“
Vater ist handwerklich ungeschickt? Wozu ist das für die Geschichte wichtig? Wenn nicht, streichen.

bleibe an einem der vielen, hellen Flecken hängen, die verraten, wo einst Bilder waren.
Man sollte so wenig für nötig Wörter der „sein“-Form verwenden. Hier wäre folgendes möglich, wie ich finde sogar besser:
„wo einst Bilder hingen.“

"Ich kümmere mich darum", versicherte Papa immer wieder einmal.
Soll das den Faden wieder aufnehmen, dass Vater es handwerklich nicht drauf hatte oder gar faul war? Wofür ist das wichtig? Wahrscheinlich sehe ich hier einen Zusammenhang, den es gar nicht gibt.

Papa und ich, im Garten. Kurz nach der Beerdigung.
Da war Mama schon lange fort.
Mama ist gestorben.
Der andere Satz klingt aber so, als sei Mama ausgezogen (Trennung, Scheidung). Oder kam sie ins Krankenhaus, Pflegeheim, Hospiz („fort“)?

Nach meinem Auszug verlegte er sein Schlafzimmer nach unten, in einen viel kleineren Raum.
„Viel“ könntest du streichen. Auf ein paar Quadratmeter mehr oder weniger kommt es nicht an. Und da ich sowieso nicht weiß, wie groß das ehemalige Schlafzimmer war, sagt mir „viel kleiner“ gar nichts. ;)

Zwischen den Seiten finde ich etwas Bräunliches, Verschrumpeltes. Mit dem Finger versuche ich, es aufzunehmen, doch nur Krümel kleben an meiner Haut.
Was findet sie denn da? Kommt da später noch ein Hinweis?
Ah, könnte das Kleeblatt sein! Sehr gut.

Ich hatte schon einige Häuser verkauft, dieses Haus zu verkaufen ..., aber dieses ... Doch Papa hatte recht. Er mochte seine neue Wohnung, war nicht länger Geisel des Gartens.
Ich glaube, das ist neu hinzugekommen, dass sie Maklerin o.ä. ist.
Das braucht es m.M.n. gar nicht. Dieses Geschäftsmäßige stört mich da irgendwie, macht es doch das schöne Persönliche „kaputt“.
Ohne „einige verkauft“ würde es mir viel, viel besser gefallen.

Und: „Geisel des Gartens“? Verstehe ich nicht. Ist Mama denn im Garten gestorben?

Bald werden andere kommen. Fremdes Lachen wird durch die Räume klingen.
Andere waren doch schon da, oder? Das Auto, das vorher wegfuhr. Da könntest du ruhig einen Bezug herstellen.

Eine schöne, melancholische Geschichte hast du da aufs Papier gebracht. Hat mit gefallen. Ich möchte nicht in der Haut der Prota stecken.

Wünsche dir noch einen schönen Tag.

Liebe Grüße, GoMusic

Bis zum Treffen in K**n. Freue mich. :)

 

Hey GoMusic,

okay ... da du jetzt auch noch über diese aufeinanderfolgenden Sätze schimpfst, gehe ich da noch mal drüber. Aber schreiten wird es nicht. Sie geht nicht zum Altar oder sowas, klingt komisch.

Na, da hat jemand schon mal ein Baumhaus gebaut ... ;) Wie wäre weit oben im Kirschbaum?

Die Wiederholung im Dialog ist Absicht. Er wiederholt das, er zieht sie ja auf. Sie wiederholt es gehört zur Quebgelei. So wie bei, warum denn? Und warum?

Das er handwerklich nicht so geschickt ist und ihr das auch unverblümt so sagt, zeigt dem Leser ein Stück seines Wesens und sagt etwas über das Vater Tochter Verhältnis aus.
Hier hatten einige Papi ziemlich lieb, weil er das sagt. Okay, waren Frauen. Also vielleicht ist das so ein Mädchen-Ding.
Also warum soll ich das streichen GoMusic? Und warum? Aber warum denn? :-D Hab zu lange in der Sonne gesessen, glaub ich.

Mir gefällt hingen auch besser, hatte ich auch, nur habe ich dann hängen, hingen in einem Satz ... hmm ...

Ich kümmere mich darum ...
Ist ein plötzlicher Erinnerungsfetzen, was er tun wollte aber es nie tat, weshalb sie immer geknarrt hat und es noch immer tut.

Es ist eine sagen wir Macke von mir. Ich sage nie das Menschen tot sind und werde es auch nicht. Sie gehen fort von uns. Sie sind nicht mehr bei uns, aber vielleicht sind sie irgendwo anders hingegangen und wir sehen sie nur nicht mehr.

Viel streich ich.

Ich bräuchte das auch nicht mit der Maklerin, aber es taten sich viele schwer den Anfang zu verstehen, daher nahm ich das rein. Das dieses Haus zu verkaufen, soll da allerdings gar nicht stehen. Mach ich gleich noch weg.

Kennst du das nicht? Geisel des Gartens zu sein? Das sagt man doch so, weil er so viel Arbeit macht und es für ihren Vater zu viel war.

Danke das du dir Zeit genommen hast.

Liebe Grüße
Charly


Vielleicht schaffe ich ja den 15. noch. :)

 

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