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Die einzige Stütze nach dem Verlassen des Hauses wäre die verschmutzte Wand links neben mir. Ich versuche die Blicke der Passanten auf mich zu ziehen, doch sie gleiten über mich hinweg, noch bevor ich den Mund geöffnet habe. Es muss so gehen. Nach einigen Schritten steigt mir der krustig-süßliche Duft aus einer Bäckerei in die Nase. Eine Bäckerei, keine bestimmte. Es gibt zwei Stück hier und ich besuche keine von beiden. Sie hatte immer etwas von „unserem Bäcker” geholt. Ich weiß bis heute nicht, welchen sie meinte.
Von hinten nähert sich ein Motorgeräusch. Sicher ein VW-Diesel. Klingt genau wie der Passat, den ich damals von der Arbeit bekommen hatte. Ein grundsolider Wagen.
Es ist ein Renault. Irgendein silberner Kombi mit fremdem Kennzeichen, der umherirrt.
Auf einer Bank neben einem Brunnen mache ich Pause. Die einstmals bunten Fassaden auf der anderen Straßenseite wirken trotz des warmen Sonnenlichts schal und grau. Der einzige Blickfang ist eine Buche vor dem Spielplatz. Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem. Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Sie hatte mich dann überredet, die Kastanie neben dem Schuppen fällen zu lassen. Doch das ist lange her und die Bilder des eigenen Gartens weit weg.
Obwohl der Wind hier unten kaum spürbar ist, schnellen die Wolken hinter dem Grün der Buche nur so dahin. Ein weißer Kontrast am oberen Rande des Blickfelds. Wie an meinem Geburtstag. Es musste der fünfte oder sechste gewesen sein. Die feinen Sahnewölkchen ganz oben auf der Torte. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
In der Fußgängerzone herrscht viel Betrieb. Ein geregelter Strom von Menschen mitten durch das Gemisch aus Parfüm, Zigarettenrauch und Frittierfett. Begleitet von monotonem Gemurmel und der Geige eines Straßenmusikers. Die Blicke ruhen auf Smartphones, wandern über Schaufensterscheiben oder werden von den Eingängen in die Läden geworfen.
Doch inmitten dieser unterschiedlichen aber doch so gleichen Gestalten tanzt er. Ja, er tanzt. Nicht routiniert und glatt geschliffen wie bei einem Walzer. Ohne jene elegante Ästhetik. Sondern so wie man tanzt, bevor man das Tanzen gelernt hat. Wie sie, während unseres ersten gemeinsamen Urlaubs in dieser Kneipe in Toulouse. Frei, unbeholfen und nicht ganz im Takt. Beinahe stolpernd bewegt er sich vorwärts. Aber es ist kein fehlerhaftes Abweichen von der Routine des Laufens, nicht wie bei mir die Folge einer körperlichen Schwäche. Im Gegenteil, es ist ein Stolpern voller Energie. Jener Energie, die ich will. Seine Beine sind nicht aufeinander eingestimmt, wodurch jeder Schritt ein individueller, neuer ist. Er schlängelt sich vorwärts durch die Masse, die ihn nicht beachtet. Die den Ausdruck von Kraft und Einzigartigkeit nicht zu bemerken scheint. Ein paar Seitenstraßen später haben wir die blinde Menge hinter uns gelassen. Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht er sich das erste Mal um und sieht mich an. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
Obwohl der Wind hier unten kaum spürbar ist, schnellen die Wolken hinter dem Grün der Buche nur so dahin. Ein weiß-weicher Kontrast am oberen Rande des Blickfelds.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Die Formulierung ist nicht ganz sauber, stolpern ist nicht unbeholfen tanzen, sondern ein Missgeschick, jemand stolpert unabsichtlich über ein Hindernis.
Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu. Ich lege dem Jungen die Hand auf die Schulter und stelle mich vor.
Ich lese die ganze Zeit über einen gelben Pulli und am Schluss steckt ein Junge darin, Houdini lebt. Ne, im Ernst, für mich ist das keine gute Idee. Ich würde da nachlegen und aus dem Anfang einer Geschichte einen wirklichen Plot entwickeln. Was bisher passiert ist nur: Alter Mann geht durch die Stadt, folgt einem gelben Pulli (?) und trifft einen Jungen. Da, wo die Geschichte beginnen könnte, blendest du raus.
Mir fehlt da vor allem die Interaktion der beiden, was haben sie sich zu sagen und zu geben? Warum tanzt der Junge da alleine rum und warum fühlt sich der alte Mann so zu ihm hingezogen? Momentan finde ich das ein bissl dürftig, aber du hast ja jederzeit die Möglichkeit nachzulegen, trau dich!
Der Titel macht schon mal neugierig und deine Geschichte hat für mich etwas Rätselhaftes, was ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Der Baum mit seinem faulen Wurzelsystem spielt offenbar eine große Rolle, sonst hättest du diesen Titel ja nicht gewählt.
Daraus folgt, auch der kleine Junge, auf den der Baum niederdonnerte. Gibt es eine Verbindung zu dem Jungen im gelben Pullover? Wenn das so gedacht war, sollte die Verbindung deutlicher gemacht werden. So, wie der Text jetzt dasteht, stochere ich als Leser nur in Vermutungen. Der wandelnde Pulover gehört zu dem Jungen, aber der seltsam tänzelnde Gang erinnert den Ich-Erzähler an seine Frau, die wahrscheinlich schon vor längerer Zeit verstorben ist. Die Beschreibung des Ganges finde ich gelungen. Das hat mein Interesse geweckt.
Von mir aus bräuchte der Pullover auch keine Beine, sondern könnte ein Pullover bleiben, dem am Ende der Erzähler seine Hand auf die Schultern legt. Wenn schon rätselhaft, dann auch richtig! Soweit mein Leseeindruck.
Zur Form will ich hier gar nichts sagen, sondern auf meine Detail-Anmerkungen verweisen.
Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment.
Moin @Takinios ,
oh was freue ich mich, endlich etwas von Dir zu lesen zu bekommen. Ich erinnere mich an Deine so hilfreichen Kommentare zu meinem Romanexpose und freue mich über Deinen Challengebeitrag.
Ich würde sagen, Du bis ein Autor, der seinen Lesern etwas abverlangt, mitdenken, -fühlen fordert und sie dafür mit schönen Bildern belohnt.
Für mich hat hier ein recht gebrechlicher alter Herr eine schmerzhafte, aber dennoch wundervolle Erinnerung an seine verstorbene Frau. Einiges habe ich auch nach einem dritten Lesen noch nicht verstanden, aber dafür kann ich ja die Kommentare verfolgen.
Ja, der Titel erklärt sich aus einem Teil des Textes, aber ist er auch wirklich das, worum es geht? Dann wäre die Erinnerung doch eher die an das Kind, was bei dem Baumunglück starb?
Ich kann auch keine übergeordnete Bedeutung erahnen, denn um Fäulnis, verfall geht es eigentlich nicht. Und Wurzelsystem klingt arg nach Biologieunterrricht - vielleicht nur in der Wurzel? Wurzelwerk?
Ist jetzt echt kleinkariert: Wenn er von einer (also irgendeiner) Bude spricht, dann erscheint mir der zweite Satz zu direkt, zu sehr auf diese Bude bezogen. Ich plädiere für ein "der Dönerbude". Generell gehörst Du wohl eher zu den Verfechtern von mein, dein, sein - fällt natürlich oft unter Geschmackssache.
Klingt genau wie der, den ich damals von der Arbeit bekommen hatte. Ein grundsolider Wagen.
Es ist doch ein Renault. Irgendein silberner Kombi mit fremdem Kennzeichen der umherirrt.
Der Sinn dieses Absatzes hat sich mir noch nicht erschlossen. Geht es darum, das er einmal einen Dienstwagen hatte, also durchaus etwas darstellte? Oder das seine Wahrnehmung nicht mehr zuverlässig ist? Ja, letzteres wäre eine gute Erklärung ...
das fettgedruckte hat für meine Ohren keine schönen Klang, fällt hier auf.
Auf einer Bank neben einem Brunnen mache ich Pause. Die Häuser auf der anderen Straßenseite wurden auch nicht schöner. Die einstmals bunten Fassaden wirken trotz des warmen Sonnenlichts schal und grau.
Der einzige Blickfang ist eine Buche vor dem Spielplatz, deren Blätter sanft vom Wind erzittern. Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem.
Aber eigentlich führt es nur weiter, die Erinnerungen hangeln sich aneinander lang. Buche-großer Baum-Baum fällt-Ehefrau hat Sorge und lässt Kastanie fällen- ...
Mir fehlt ein bisschen Gefühl (sagen wir mal Innensicht), denn Du schiebst mich mit solchen Sätzen wie: die Bilder des eigenen Gartens weit weg - einfach auch von dem Protagonisten weg.
für mich dürfen die Wolken schnellen, ich frage mich nur die ganze Zeit, von wo aus er den Baum sieht. Hinter dem Baum wäre für mich sowas wie auf Augenhöhe mit der Buche, also auf einem Hügel. Aber okay, dass liegt daran, das ich beim Lesen "Filmgucke" und hier keine Ahnung zur Kamerastellung bekomme.
Ein weiß-weicher Kontrast am oberen Rande des Blickfelds. Wie an meinem Geburtstag. Es musste der fünfte oder sechste gewesen sein. Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen.
Sorry, aber ich habe den Teil auch nicht verstanden. Weder die Sahnewölckchen (dann müsste das irgendwie eine besondere Wölkchentorte sein). Und warum bei einem Kind, was schon auf den Tisch gucken kann die Tischplatte wächst - ich freue mich auf die Erklärung.
Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Die erste Sahne bleibt im Kopf kaufe ich, aber was meint er mit der "letzten". hier würde ich etwas offeneres erwarten: Wer weiß, wann/wo die letzte Sahne erscheint sinngemäß
Ein routinierter Strom von Menschen mitten durch das Gemisch aus Parfüm, Zigarettenrauch und Frittierfett. Begleitet von monotonem Gemurmel und der Geige eines Straßenmusikers. Die Blicke ruhen auf Smartphones, wandern über Schaufensterscheiben oder werden von den Eingängen aus zögernd in die Läden geworfen. Taschen und Tüten aller Art wie verwachsen mit den sie tragenden Armen.
Hier kommen die Stellen, die ich wirklich sehr mochte. Oh, sie sind ein bisschen schief, die Bilder, aber es passt für mich zu dem Protagonisten, der schwankt und humpelt. Jedenfalls lese ich es so, kann mich hier voll auf ihn einlassen.
Ja, er tanzt. Nicht routiniert und glatt geschliffen wie bei einem Walzer. Ohne jene elegante Ästhetik. Sondern so wie man tanzt, bevor man das Tanzen gelernt hat. Wie sie, in dieser Kneipe in Toulouse. Frei, unbeholfen und nicht ganz im Takt.
Auch die Stelle mag ich sehr, sehe den Pullover vor mir. Über die Dopplung würde ich nachdenken, der mittlere Teil klingt für mich noch nicht rund, tanzend :-)
Und da ist sie! Die Erinnerung! So wichtig für ihn!
Aber es ist kein fehlerhaftes Abweichen von der Routine des Laufens, nicht wie bei mir das Resultat einer zunehmenden körperlichen Schwäche. Im Gegenteil, es ist ein Stolpern voller Energie.
Die Beine des Pullovers sind nicht aufeinander eingestimmt, wodurch jeder Schritt ein individueller, neuer ist. Er schlängelt sich vorwärts durch die Masse, die ihn nicht beachtet. Die den Ausdruck von Kraft und Einzigartigkeit nicht zu bemerken scheint.
Doch, für mich gehen die Beine des Pullovers in Ordnung. Es geht ja um die durch die knallige Farbe wahrnehmbare Bewegung. Er interpretiert eine Menge hinein in den Pullover, in die damit verbundene Figur/Erinnerung?
Ein paar Seitenstraßen später haben wir die blinde Menge hinter uns gelassen. Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
Und jetzt meckere ich: Er sitzt auf dem Platz, verfolgt den Pullover mit den Augen. Nie könnte er bei den schwungvollen Bewegungen folgen. Ich glaube ihm auf die Entfernung nicht einmal die Comic-Figur, aber das mag an meinem privaten "Kinofilm" liegen.
Wenn er es bis dahin geschafft haben sollte, schlucke ich das abstützen, das wäre ein toller Bezug auf die Ehefrau/Geliebte, die ihn bestimmt immer gestützt hat. Aber warum stellt er sich vor?
Ich bin gespannt!
Zusammengefasst gesagt, ich mag Deine Bilder, ich mag den Sound der kleinen Geschichte. Verstanden habe ich sie garantiert noch nicht ganz .
Viel Spaß noch bei der Challenge
greenwitch
@linktofink, @Sturek, @greenwitch,
vielen lieben Dank euch für eure Zeit und Anmerkungen! Nach einem halben Jahr des Mitlesens ist es natürlich besonders schön, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Text zu beobachten.
Da ihr ja zumindest teilweise die gleiche Kritik geäußert habt, würde ich erst ein paar allgemeine Sätze zu meiner offensichtlich nicht wirklich funktionierenden Vision teilen. Denn ihr alle habt ja angemerkt, dass euch ein bisschen der Plot fehlt oder ihr nicht ganz schlau aus ihm werdet. Das ist natürlich nicht das, was man sich als Reaktion auf die erste Geschichte erhofft hat.
Da ich ja doch schon eine Weile mitlese, kenne ich natürlich das Phänomen, dass - insbesondere bei WK-Neulingen - Texte nach negativen Leseeindrücken von den Autoren vehement verteidigt und erklärt werden. Das ist insofern aus meiner Sicht teilweise fehl am Platz, weil die Notwendigkeit des Erklärens ja bereits zeigt, dass an dem Text noch gefeilt werden sollte. Gleichzeitig schwingt in solchen Erklärungen ja auch oft etwas mit, was die Sicht der Kritiker und damit ihre Arbeit relativiert. À la "Eure Kritik ist falsch, ich sag euch jetzt, warum der Text toll ist."
Diesen Eindruck möchte ich natürlich nicht bei den Leuten hervorrufen, die so nett waren und ihre Zeit in meinen Text investiert haben.
Gleichzeitig gab es ja von eurer Seite schon auch Fragen danach, wie ich mir den Text vorgestellt habe und auch wenn es darum geht, weshalb ich manche eurer Anmerkungen nicht direkt umsetze, spielt meine Intention der Geschichte natürlich schon eine zentrale Rolle.
Deshalb verliere ich jetzt doch ein paar Sätze zu meinen Ansatz, allerdings bin ich mir darüber bewusst, dass - da die von mir intendierte Interpretation/Idee der Geschichte nicht bei euch ankommt - ich diese noch deutlicher herausarbeiten muss!
Also zu meiner Idee der Geschichte:
Im Wesentlichen wollte ich durch meine Geschichte einen im Alter entwurzelten Menschen schildern. Seine Frau lebt nicht mehr und er fühlt und beschreibt seine Umwelt zwar, interagiert aber nicht mit ihr (deshalb die vielen unbestimmten Artikel, eine Bank, ein Brunnen, eine Buche usw., die den fehlenden persönlichen Bezug des Protas zu seiner Umgebung aufzeigen sollen). Stattdessen sind sie nur Auslöser für weit zurückliegende Erinnerungen. Durch die Erinnerung an den umgestürzten Baum (und damit auch durch den Titel) habe ich andeuten wollen, dass beschädigte Wurzeln für die Umwelt - in diesem konkreten Fall für Leo und den Jungen im gelben Pullover - ein Risiko darstellen. Das metaphorische Umfallen des Protas sollte dann durch die im letzten Satz angedeutete unangemessene Annäherung an den Jungen aufgezeigt werden. Den letzten Satz habe ich nach den ersten beiden Kommentaren etwas verschärft, um dieses zentrale Element etwas deutlicher herauszuarbeiten. Gedacht war es so, dass man den assoziativen Ausschweifungen des Protas über weite Teile des Textes gerne folgt, man eventuell seine Faszination für die vom Pullover ausgehende jugendliche Energie nachempfinden kann, bevor der Text in den letzten beiden Sätzen eine unangenehme Wendung nimmt. In der Theorie habe ich versucht diese Wendung natürlich nicht im Text vorwegzunehmen, aber durch Andeutungen (Das Entwurzeltsein des Protas, das bestimmte "der Spielplatz", die Verknüpfung zwischen Pulli und der verstorbenen Frau etc.) im Rückblick nachvollziehbar wirken zu lassen.
Soviel zu meiner Idee. Ich muss mir die nächsten Tage noch einmal etwas Zeit nehmen und gucken, wie ich das besser umsetzen kann. Ich hoffe ihr nehmt es mir deshalb nicht übel, wenn ich mich mit Anpassungen noch etwas zurückhalte, aber eure Punkte nehme ich natürlich mit, vielen Dank dafür! Falls ihr mit meiner Idee im Hintergrund konkrete Vorschläge habt, bin ich für diese natürlich sehr dankbar!
Jetzt noch ein paar konkrete Kommentare zu euren Anmerkungen.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Damit wollte ich auf diese (kindlichen) Momente der Begeisterung anspielen, in denen man die Umwelt ganz anders begreift als sie tatsächlich ist. Ich habe mir beispielsweise früher immer im Bett vorgestellt, wie mein Zimmer wirken würde, wenn die Zimmerdecke eigentlich der Fußboden wäre etc. In diesem konkreten Fall ist das Bild entstanden durch den Gedanken, dass man als Kind beim ersten Kontakt mit Sahne dieser aufgrund der wölkchenhaften Optik womöglich schwebende Eigenschaften zuschreibt. Aber die Stelle hat bei @Sturek und @greenwitch ja auch nicht funktioniert, also gelingt es mir entweder das Bild in meinem Kopf sprachlich besser zu verpacken, oder es muss raus.
Mit dem Verb wird es auf jeden Fall flüssiger, allerdings habe ich die Hoffnung, dass in meiner Version eine gewisse Distanz durch den etwas nüchternen Ton entsteht.
Den Kommentar verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, da Dir eine technisch sehr ähnlich umgesetzte Stelle (im Bezug auf die Backstube) gefallen hat. Auch dort ist ja plötzlich von einer nicht näher spezifizierten "sie" die Rede. Aber ich habe das jetzt auf dem Schirm und gucke, ob weitere Kommentare hier keinen Bezug herstellen.
Die Formulierung ist nicht ganz sauber, stolpern ist nicht unbeholfen tanzen, sondern ein Missgeschick, jemand stolpert unabsichtlich über ein Hindernis.
Dieser Satz war ja darauf bezogen, dass die Fortbewegung von der "normalen" Routine des Laufens abweicht. Gleichzeitig habe ich versucht, im nächsten Satz zu spezifizieren, wie dies vom Prota wahrgenommen wird.
Ich verstehe natürlich was Du meinst. Hoffe aber, genau dadurch wird angedeutet, dass es anscheinend nicht nur um einen umherschwebenden Pullover geht. Aber ja, ich muss gucken, dass der Text durch solche Formulierungen bei euch Lesern nicht zu sehr ins Seltsame abdriftet.
Ich lese die ganze Zeit über einen gelben Pulli und am Schluss steckt ein Junge darin, Houdini lebt. Ne, im Ernst, für mich ist das keine gute Idee. Ich würde da nachlegen und aus dem Anfang einer Geschichte einen wirklichen Plot entwickeln. Was bisher passiert ist nur: Alter Mann geht durch die Stadt, folgt einem gelben Pulli (?) und trifft einen Jungen. Da, wo die Geschichte beginnen könnte, blendest du raus.
Der Baum mit seinem faulen Wurzelsystem spielt offenbar eine große Rolle, sonst hättest du diesen Titel ja nicht gewählt. Daraus folgt, auch der kleine Junge, auf den der Baum niederdonnerte. Gibt es eine Verbindung zu dem Jungen im gelben Pullover?
Hoffe die Verknüpfung zwischen Titel und Geschichte wurde durch meine Erklärung deutlicher. Die gedachte Verbindung zwischen dem kleinen Leo und dem im gelben Pullover war, dass beide durch ein nicht ausreichend verwurzeltes Objekt (Baum/Prota) zu Schaden kommen.
Von mir aus bräuchte der Pullover auch keine Beine, sondern könnte ein Pullover bleiben, dem am Ende der Erzähler seine Hand auf die Schultern legt. Wenn schon rätselhaft, dann auch richtig!
Ja, das ist schon so ein Gedanke, der mir beim Lesen eurer Kommentare kam. Wenn mir für den aktuellen Plot keine adäquate Umsetzung einfallen möchte, könnte ich vielleicht die surrealistische Lesart des Textes stärker herausarbeiten und den bisher bewusst von mir gemiedenen Tag "Seltsam" hinzufügen.
Ja, macht es. Allerdings erzeugt es dadurch auch so etwas Konkretes durch den Verweis auf "das letzte Mal", den ich eigentlich vermeiden wollte. Gleichzeitig funktioniert meine Umsetzung bisher nicht, weshalb der gesamte Satz für mich ein Streichkandidat ist.
Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Der Gedanke war, dass dieser Satz einem sich-Hineinversetzen des Protas in den Baum nachkommt und dadurch eine Vorahnung für den weiteren Verlauf der Geschichte liefern soll.
Ich hatte ein bisschen Bedenken, dass man ohne diesen Zusatz über den Jungen im nächsten Satz stolpert. Also durch meine Formulierung wollte ich klar machen, dass der Prota keinen Hund im gelben Pullover vor sich hat
Aber ja, das sollte raus!
Vielen Dank Dir für Deine Zeit und Anmerkungen - bis die Tage unter Deinem Challenge-Beitrag!
oh was freue ich mich, endlich etwas von Dir zu lesen zu bekommen. Ich erinnere mich an Deine so hilfreichen Kommentare zu meinem Romanexpose und freue mich über Deinen Challengebeitrag.
Vielen Dank für die netten Worte!
Dein überarbeitetes Expose steht auch noch auf meiner Liste der zu kommentierenden Beiträge - nur vermutlich erst nach der Challenge.
Ich freue mich über Deinen so nett formulierten Kommentar!
Ja, der Titel erklärt sich aus einem Teil des Textes, aber ist er auch wirklich das, worum es geht? Dann wäre die Erinnerung doch eher die an das Kind, was bei dem Baumunglück starb?
Ich kann auch keine übergeordnete Bedeutung erahnen, denn um Fäulnis, verfall geht es eigentlich nicht. Und Wurzelsystem klingt arg nach Biologieunterrricht - vielleicht nur in der Wurzel? Wurzelwerk?
Lustig, dass Du den Titel herausgegriffen hast. Ich hatte beim Schreiben tatsächlich den Gedanken, ob er von der Botanikerin des WK-Hauses akzeptiert wird.
Weshalb ich finde, dass der Titel den Kern der Geschichte abbildet, ist hoffentlich bei meinen obigen Erklärungen herauszuhören.
Zu der konkreten Formulierung: Ja, da schwingt der Biologieunterricht schon mit. Gleichzeitig gefällt sie mir recht gut, da sie so einen diagnostischen Tonfall hat, der sich für mich gut auf den Baum und den Prota übertragen lässt.
Ist jetzt echt kleinkariert: Wenn er von einer (also irgendeiner) Bude spricht, dann erscheint mir der zweite Satz zu direkt, zu sehr auf diese Bude bezogen. Ich plädiere für ein "der Dönerbude". Generell gehörst Du wohl eher zu den Verfechtern von mein, dein, sein - fällt natürlich oft unter Geschmackssache.
Wie oben schon angemerkt habe ich in dem Text versucht, bestimmte Artikel sehr gezielt einzusetzen. Deshalb ist es für mich - analog zur Backstube - "eine Dönerbude". Ich muss jetzt mal überlegen, ob das ein Stilmittel ist, dass aufgrund des scheinbar geringen Impacts zugunsten des Leseflusses rausfliegt.
Klingt genau wie der, den ich damals von der Arbeit bekommen hatte. Ein grundsolider Wagen.
Es ist doch ein Renault. Irgendein silberner Kombi mit fremdem Kennzeichen der umherirrt.
Der Sinn dieses Absatzes hat sich mir noch nicht erschlossen. Geht es darum, das er einmal einen Dienstwagen hatte, also durchaus etwas darstellte? Oder das seine Wahrnehmung nicht mehr zuverlässig ist? Ja, letzteres wäre eine gute Erklärung ...
das fettgedruckte hat für meine Ohren keine schönen Klang, fällt hier auf.
Ja, meine Intention war Deine zweite Erklärung.
Ich sehe was Du mit dem Klang meinst. Ich tendiere aktuell dazu, es zu "wie der von der Arbeit damals." umzuformulieren. Danke Dir!
Auf einer Bank neben einem Brunnen mache ich Pause. Die Häuser auf der anderen Straßenseite wurden auch nicht schöner. Die einstmals bunten Fassaden wirken trotz des warmen Sonnenlichts schal und grau.
Ja, das war schon beim Schreiben so ein Sorgenkind. Ich wollte es eher unbestimmt formulieren und habe deshalb das "werden" gemieden. Der Satz steht für mich deshalb insgesamt auf der Kippe.
Der einzige Blickfang ist eine Buche vor dem Spielplatz, deren Blätter sanft vom Wind erzittern. Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem.
Aber eigentlich führt es nur weiter, die Erinnerungen hangeln sich aneinander lang. Buche-großer Baum-Baum fällt-Ehefrau hat Sorge und lässt Kastanie fällen- ...
Mir fehlt ein bisschen Gefühl (sagen wir mal Innensicht), denn Du schiebst mich mit solchen Sätzen wie: die Bilder des eigenen Gartens weit weg - einfach auch von dem Protagonisten weg.
Das war schon auch so ein Kernelement des Textes, dieses Assoziative. Auch das Wegschieben war bewusst. Ich habe dadurch versucht, den von seiner Umwelt isolierten Ich-Erzähler teilweise auch vom Leser immer wieder zu isolieren. Deshalb teilt er mit dem Leser auch Intimes eher indirekt und nicht explizit. Aber vielleicht ist das zu viel.
für mich dürfen die Wolken schnellen, ich frage mich nur die ganze Zeit, von wo aus er den Baum sieht. Hinter dem Baum wäre für mich sowas wie auf Augenhöhe mit der Buche, also auf einem Hügel. Aber okay, dass liegt daran, das ich beim Lesen "Filmgucke" und hier keine Ahnung zur Kamerastellung bekomme.
Hmm, ich verstehe was Du meinst. Für mich sind die Wolken bei einer Perspektive von unten irgendwie auch hinter dem Baumwipfel aber wahrscheinlich ist ein "über" akkurater.
Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Die erste Sahne bleibt im Kopf kaufe ich, aber was meint er mit der "letzten". hier würde ich etwas offeneres erwarten: Wer weiß, wann/wo die letzte Sahne erscheint sinngemäß
Hier kommen die Stellen, die ich wirklich sehr mochte. Oh, sie sind ein bisschen schief, die Bilder, aber es passt für mich zu dem Protagonisten, der schwankt und humpelt. Jedenfalls lese ich es so, kann mich hier voll auf ihn einlassen.
Das doch war von mir als sprachliches Signal intendiert. À la "Alles ist routiniert (und langweilig) doch da erblicke ich etwas, dass mich anzieht." Ich schlafe noch mal drüber!
Ja, er tanzt. Nicht routiniert und glatt geschliffen wie bei einem Walzer. Ohne jene elegante Ästhetik. Sondern so wie man tanzt, bevor man das Tanzen gelernt hat. Wie sie, in dieser Kneipe in Toulouse. Frei, unbeholfen und nicht ganz im Takt.
Auch die Stelle mag ich sehr, sehe den Pullover vor mir. Über die Dopplung würde ich nachdenken, der mittlere Teil klingt für mich noch nicht rund, tanzend :-)
Und da ist sie! Die Erinnerung! So wichtig für ihn!
Danke Dir fürs Aufzeigen, die Dopplung hatte ich übersehen. Leider fällt mir gerade noch keine gute Alternative ein, aber den Satz nehme ich noch mal mit!
Aber es ist kein fehlerhaftes Abweichen von der Routine des Laufens, nicht wie bei mir das Resultat einer zunehmenden körperlichen Schwäche. Im Gegenteil, es ist ein Stolpern voller Energie.
Ja, das sehe ich. Glaube ich habe diese etwas abstrakt anmutende Formulierung verwendet, um nicht zu sehr ins Explizite abzurutschen, was für mich nicht zu dem Text passt. Aber ja, vielleicht finde ich noch eine elegantere Lösung.
Die Beine des Pullovers sind nicht aufeinander eingestimmt, wodurch jeder Schritt ein individueller, neuer ist. Er schlängelt sich vorwärts durch die Masse, die ihn nicht beachtet. Die den Ausdruck von Kraft und Einzigartigkeit nicht zu bemerken scheint.
Doch, für mich gehen die Beine des Pullovers in Ordnung. Es geht ja um die durch die knallige Farbe wahrnehmbare Bewegung. Er interpretiert eine Menge hinein in den Pullover, in die damit verbundene Figur/Erinnerung?
Und jetzt meckere ich: Er sitzt auf dem Platz, verfolgt den Pullover mit den Augen. Nie könnte er bei den schwungvollen Bewegungen folgen. Ich glaube ihm auf die Entfernung nicht einmal die Comic-Figur, aber das mag an meinem privaten "Kinofilm" liegen.
Wenn er es bis dahin geschafft haben sollte, schlucke ich das abstützen, das wäre ein toller Bezug auf die Ehefrau/Geliebte, die ihn bestimmt immer gestützt hat. Aber warum stellt er sich vor?
Ich bin gespannt!
Gut, dass Du meckerst! In meinem Kopf gibt es zwischen dem zweiten und dem dritten Absatz einen zeitlichen Sprung und der Prota sitzt nicht mehr auf der Bank, sondern ist in der Fußgängerzone und dann bei dem Jungen. Aber ja, da muss ich wahrscheinlich noch etwas zur zeitlichen/lokalen Orientierung einbauen.
Noch mal vielen Dank für Deine Zeit und den Kommentar, zu meinem Gegenbesuch komme ich hoffentlich zeitnah!
Hallo @Takinios,
schön, dass du dabei bist! Ich dachte, ich schreibe erstmal wie deine Geschichte bei mir ankommt und dann gucke ich mir deinen Spoiler an.
Der einzige Blickfang ist eine Buche vor dem Spielplatz, deren Blätter sanft vom Wind erzittern. Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem. Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Doch inmitten dieser unterschiedlichen aber doch so gleichen Gestalten tanzt ein gelber Pullover. Ja, er tanzt. Nicht routiniert und glatt geschliffen wie bei einem Walzer. Ohne jene elegante Ästhetik. Sondern so wie man tanzt, bevor man das Tanzen gelernt hat.
Ein paar Seitenstraßen später haben wir die blinde Menge hinter uns gelassen. Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
Und hier denke ich, das wird doch hoffentlich kein Traum sein? Dass er den Jungen gleich so anfasst, noch bevor er sich vorstellt, löst ein bisschen Unbehagen aus bei mir. Jetzt wirkt es ja einfach so, dass das tatsächlich ein Mensch ist, ein Junge eben, den der Mann vorher "Pullover" genannt hat, weil der gelbe Pullover so prägnant war, vielleicht?
So, jetzt habe ich den Spoiler gelesen und bin nicht so viel schlauer. Die Entwurzelung als Gefahr für die Jungen, den aus der Erinnerung und den echten in der Straße? Also ein alter Mann, verwirrt, distanzlos, der tatsächlich so zudringlich wird?
Aber dann endet die Geschichte mir hier zu früh, denn jetzt würde es doch erst interessant. Wie reagiert der Junge, den wir bisher ja gar nicht als Menschen, sondern nur als Pullover kennen?
Was funktioniert und was du ja auch beabsichtigt hast ist, dass ich den Mann anfangs sympathisch finde, ein bisschen Mitgefühl habe, und am Ende schleicht sich da eben dieses Unbehagen ein. Aber das reicht einfach in meinen Augen nicht, ist noch etwas dünn, da empfinde ich die Geschichte auch als unentschieden, was sie eigentlich sein will.
Hab gerade nochmal in die Kommentare gelesen und deine Antworten.
Hoffe die Verknüpfung zwischen Titel und Geschichte wurde durch meine Erklärung deutlicher. Die gedachte Verbindung zwischen dem kleinen Leo und dem im gelben Pullover war, dass beide durch ein nicht ausreichend verwurzeltes Objekt (Baum/Prota) zu Schaden kommen.
Ja, aber noch kommt der Junge ja nicht wirklich zu Schaden, das bleibt noch sehr abstrakt. Und geht es da um Pädophilie? Da fehlt für mich auch sonst der Bezug, das wäre für mich nicht das Wurzelwerk, sondern eben eine bestimmte Störung des Protagonisten.
Also ich bleibe dabei, da fehlt am Schluss was.
nachdem du ja hier schon einiges kommentiert hast, gehe ich davon aus, dass du schon weißt, wie der Hase läuft. Da es aber deine erste eigene Story hier (?) ist, spreche ich es lieber noch einmal an: Mein Kommentar ist nicht persönlich, sondern rein textbezogen verfasst, und stellt nur meine persönliche Ansicht dar.
Vielleicht ahnst du es schon: Ich tue mich mit deinem Text schwer. Er ist ja sehr kurz und will trotzdem viel aussagen, habe ich das Gefühl. Er vermittelt mir auch eine gewisse Stimmung von Nostalgie und Anstrengung, aber auch von verbliebenem Lebensmut bzw. verbliebener Neugier. Es schwingt auch etwas Geheimnisvolles mit, ein ganz klein wenig wie im "Steppenwolf", wo der einsame Melancholiker in der Stadt der "magischen Spur" hinterherläuft.
Leider finde ich, dass der Text sprachlich nicht genug abliefert, um auf so kleinem Raum die Wirkung zu erzielen, die du im Sinn gehabt hast (meiner Einschätzung nach).
Ich gebe zu, ich habe wirklich kleinlich und kritisch gelesen, aber so ist das hier bei kurzen Texten nun mal: Da kann man auch mal so genau hingucken, wie man es bei eigenen Texten auch machen würde.
Aus diesen beiden gepaarten Sätzen werde ich nicht schlau: Er heißt es, es gibt eine Wand als Stütze, dann, dass es ohne sie gehen muss. Warum muss es ohne gehen? Und warum erwähnt er die Wand dann und sagt nicht:
Der Grillgeruch einer Dönerbude steigt mir in die Nase. Riecht definitiv besser als es schmeckt. Nach einigen Schritten verschwindet er und wird ersetzt durch einen krustig-süßlichen Duft aus einer Backstube.
Zunächst einmal: Dass Döner besser riecht, als es schmeckt, das würde ich persönlich nicht unterschreiben. Ich wohne direkt über einer Dönerbude und das riecht nicht gerade appetitlich – obwohl ich Döner liebe. Aber das ist sicher Ansichtssache.
Zum Sprachlichen: "Ersetzen" finde ich hier keinen guten Ausdruck, denn das Wort klingt nach einer Funktion, danach einen funktionalen Gegenstand bewusst mit einem anderen, ähnlichen, besseren oder intakten zu tauschen. Da gibt es auch einen Agens, jemanden, der das ausführt.
Das alles sehe ich bei Gerüchen, die zufällig wechseln, nicht gegeben.
Dann das "krustig" – das passt in meinen Augen überhaupt nicht zu einem Geruch. Wie riecht denn etwas "krustig"? Das ist doch eine haptische Beschreibung. Bestenfalls kann es noch das Hören betreffen, wenn eine Kruste bricht oder so. Aber nach Kruste riechen? Das geht doch nicht.
Eine Backstube, keine bestimmte. Es gibt zwei Stück hier und ich besuche keine von beiden. Sie hatte immer etwas von „unserer Backstube” geholt. Ich weiß bis heute nicht, welche sie meinte.
Den Gedanken hinter der Stelle finde ich gut. Aber er ist etwas umständlich und sperrig ausgeführt, finde ich:
Der erste Satz, über den stolpert man. Und über das "besuchen" auch. Erstens passt "besuchen" für mich nicht, wenn es um Läden geht. Zweitens besucht man ja als Kunde nicht die Backstube, sondern das Ladenlokal davor.
Mein Vorschlag wäre so was:
Nach einigen Schritten verschwindet er und ich rieche jetzt den süßlichen Duft einer Backstube. Es gibt zwei Bäcker hier und ich kaufe bei keinem. Sie hatte immer etwas von „unserem Bäcker” geholt. Ich weiß bis heute nicht, welchen der beiden sie meinte.
Von hinten nähert sich ein Motorgeräusch. Sicher ein VW-Diesel. Klingt genau wie der, den ich damals von der Arbeit bekommen hatte. Ein grundsolider Wagen.
Nicht sicher: "Nähern" sich Geräusche oder die Verursacher von Geräuschen?
Zum Inhalt: Muss ja echt ein Fachmann sein, wenn er nicht nur die Motorenart, sondern auch noch den Hersteller am Klang erkennt. Würde ich mal challengen, zumal er den Wagen geschenkt bekam, also nicht erwähnt wird, dass er selbst ein Fachmann ist.
Ungereimt für mich auch, dass er das Modell nicht nennt. Es gibt doch nicht den "VW-Diesel", es gibt den "Golf-Diesel", den "Passat-Diesel" etc. Wird dadurch relevant, dass du dann ja einen spezifischen Wagen "grundsolide" nennst. Das heißt für mich, es sollte auch ein spezifischer Wagen/Modell genannt werden.
Die einstmals bunten Fassaden wirken trotz des warmen Sonnenlichts schal und grau. Der einzige Blickfang ist eine Buche vor dem Spielplatz, deren Blätter sanft vom Wind erzittern.
Und ich glaube, etwas kann nicht "von etwas erzittern". Man erzittert vor etwas, oder? Ich erzittere vor Angst. Für die Blätter hier passt das aber nicht, also eher:
Sie erzittern im Wind.
Sie erzittern durch den Wind.
Es kann sein, da bin ich mir jetzt nicht sicher, dass es sogar Quatsch ist, von "erzittern" zu sprechen, wenn die physische Ursache des Zitterns außerhalb des Zitternden liegt und bekannt ist.
Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem. Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Etwas verloren ohne Kontext, diese Anfügung. Und warum schwenkt er jetzt noch mal zu seinem Garten? Damit haben wir auf engem Raum gleich drei Mal Baum/Garten. Das ist etwas viel, finde ich.
Hmmm ... Bin nicht überzeugt, glaube ich. Ergibt das Sinn? Und wenn nicht: Ergibt das Nicht-Sinn-Ergeben Sinn?
Was ist ein "weißer Kontrast"? Ist das nicht unmöglich, ein Kontrastteil ohne Widerpart? Noch dazu, wo es ums Weiß geht. Ein "grauer Kontrast" wäre vielleicht noch möglich, im Sinne von: "grau-grauer Kontrast", also Kontrast zwischen zwei Grautönen. Aber weiß ist weiß.
Und selbst wenn wir annehmen, dass hier zwei "Weiß"-Abstufungen "kontrastieren" sollen, also z. B. ein bläuliches mit einem gelblichen Weiß – wo sind denn diese Weißtöne in der Szene? Die Wolken sind weiß und sonst?
Wie an meinem Geburtstag. Es musste der fünfte oder sechste gewesen sein. Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen.
Möglicherweise ist das eine verschenkte Möglichkeit zu mehr Witz. Du stellst hier mit einer Ellipse zwei Zustände gegenüber, aber auch wenn der erste Teil mit einer Metapher arbeitet, so ist das eine so geläufige Metapher, das sie längst zu einem festen Begriff geworden ist, den man nicht mehr eigentlich liest: "im Kopf bleiben".
Schöner wäre ein stärkeres Spiel mit den Worten, eine Kontrastierung (da haben wir es wieder) von physischer Konkretheit und sprachlichem Abstraktum:
Die erste Sahne blieb an der Nasenspitze hängen, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Begleitet von monotonem Gemurmel und der Geige eines Straßenmusikers. Die Blicke ruhen auf Smartphones, wandern über Schaufensterscheiben oder werden von den Eingängen aus zögernd in die Läden geworfen.
Werden die Blicke zögernd geworfen oder werden nicht eher zögernde Blicke geworfen? – Heißt: In meinen Augen ;-) ... sind die Blicke zögernd, nicht der Akt des Werfens.
Ein "unsicherer" Blick wird nicht unsicher geworfen, "heiße" Blicke fliege nicht heiß hin und her. Alle Blicke werden gleich geworfen, es sind nur immer andere Blicke.
Bleibe ich hängen: Wie viele "Arten" von Tüten gibt es? – Plastik, Stoff, Papier ... Sonst noch was? Bei Taschen gibt es auch kaum Arten, zumal Tragetaschen ja Tüten sind :-) Also bleiben noch Handtaschen und ...?
Und wie muss man sich das vorstellen – eine Papiertüte von Alnatura oder eine Plastiktüte von LIDL ist wann genau "wie verwachsen mit einem Arm"? Und wann wird sie hingegen ganz normal getragen?
Doch inmitten dieser unterschiedlichen aber doch so gleichen Gestalten tanzt ein gelber Pullover. Ja, er tanzt. Nicht routiniert und glatt geschliffen wie bei einem Walzer. Ohne jene elegante Ästhetik. Sondern so wie man tanzt, bevor man das Tanzen gelernt hat. Wie sie, in dieser Kneipe in Toulouse. Frei, unbeholfen und nicht ganz im Takt. Beinahe stolpernd bewegt sich der gelbe Fleck vorwärts. Aber es ist kein fehlerhaftes Abweichen von der Routine des Laufens, nicht wie bei mir das Resultat einer zunehmenden körperlichen Schwäche. Im Gegenteil, es ist ein Stolpern voller Energie. Die Beine des Pullovers sind nicht aufeinander eingestimmt, wodurch jeder Schritt ein individueller, neuer ist. Er schlängelt sich vorwärts durch die Masse, die ihn nicht beachtet. Die den Ausdruck von Kraft und Einzigartigkeit nicht zu bemerken scheint.
Hier kann ich mir nicht wirklich ein Bild machen. Wie kann etwas ein Fleck sein und sich zugleich schlängeln? Wie kann etwas nur Pullover (Oberkörper) sein, aber auch Beine haben?
Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
Wie sie, in dieser Kneipe in Toulouse. Erweitern ... Wie wer? Da springst du mitten im Text in eine Rückblende zu einer Situation mit einem Menschen, den du nicht eingeführt hast.
Den Kommentar verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, da Dir eine technisch sehr ähnlich umgesetzte Stelle (im Bezug auf die Backstube) gefallen hat. Auch dort ist ja plötzlich von einer nicht näher spezifizierten "sie" die Rede. Aber ich habe das jetzt auf dem Schirm und gucke, ob weitere Kommentare hier keinen Bezug herstellen.
Erst einmal hier zu: Tatsächlich war ich auch kurz davor, das anzusprechen. Habe es nur deswegen gelassen, weil ich in der Stelle schon anderes markiert hatte und da keine formale Verwirrung stiften wollte.
Ich gebe hier @linktofink völlig recht: So spät in der Story nicht einmal halbherzig auf eine neue, eigentlich ja sehr wichtige Figur zu verweisen, ist geradezu ein No-Go. Leser hassen diesen Trick! Du willst hier, ohne dir Mühe zu machen, schnell noch mal viel mitnehmen und läufst hier voll in ein Klischee: Die Erinnerung des alten Mannes an diese eine Frau damals in der Kneipe. Wirklich, dieser Topos wurde sogar schon in einer Bierwerbung verwendet, wenn ich mich recht erinnere.
Aber auch inhaltlich/plot-technisch sehe ich das als regelrechten Fehlgriff an der Stelle an. Du willst laut deiner Aussage den Leser ganz subtil dahinführen, dass der Mann an Ende einem Jungen zu Nahe tritt – und weist hier noch einmal in unmittelbarer Nähe auf seine Sexualität hin, die du aber mit einer normal-erwachsenen Frau (!) verknüpfst. Why?
Nachdem ich deinen Spoiler und deine Antworten gelesen habe, glaube ich dir einen Tipp geben zu können: Überschätze nicht die Aufmerksamkeit und das Interesse der Leser. Du hast da zwar nachvollziehbare Gedanken umgesetzt in deiner Story, aber dabei sind dir die Dimensionen verrutscht. Ich kenne das selbst: Man klügelt immer mehr aus, bis man am Ende nur noch ein völlig eindeutiges, ja vielleicht immer noch zu durchschaubares Konstrukt sieht. Die Leser hingegen setzen sich vor den Text und folgen einfach relativ stumpf einer Figur durch die offensichtliche Handlung.
Im besten Fall haben sie am Ende das Gefühl, das neben der eigentlichen Geschichte noch mehr im Text steht. Aber dafür muss die eigentliche Geschichte überzeugt haben (!) Die Leser müssen schon etwas in der Hand haben und mehr wollen. Nicht: Die Leser haben noch nichts in der Hand und sollen sich nun noch einmal neu auf die Suche machen.
Wenn du uns dahin führen willst, dass wir am Ende einen entwurzelten Mann kennengelernt haben, der aus diesem Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit übergriffig wird – was uns nachdenklich bis empört stimmen soll – dann muss im Grunde alles im Text, was kein ganz gezieltes Ablenkungsmanöver ist, irgendwie dorthin führen. Es muss eine Kette mit mehr oder weniger subtilen Hinweisen aufgebaut werden, über die man beim zweiten Lesen denkt: Wie klar war das eigentlich? Wie konnte ich das alles nicht sehen?
Aber wo sind die Hinweise auf die Pädophilie im Text? Es ist "der Spielplatz", nicht "ein Spielplatz"? Das ist viel zu schwach. Das wäre ein Detail, das vielleicht eine Facharbeit noch ausgraben würde als Kleinigkeit, die zeigt, an was der Autor alles gedacht hat. Das ist kein Hint für den normalen Leser.
Ich denke auch, dass du die Vereinsamung noch deutlicher machen kannst. Sie ist zwar da, aber sie ist nicht so, dass sie einen Schurken schafft. Da fehlt die aktive Enttäuschung beim Protagonisten, so ein Zurückgewiesenwerden, das in ihm den Grundstein fürs Unmoralische legt. Dafür muss tatsächlich ein Kontrast her: Um Ausgrenzung und Einsamkeit zu schaffen, musst du von Geselligkeit erzählen – an der muss der Mann abprallen bzw. abgeprallt sein. Es reicht in diesem Fall nicht, wenn wir ihn nur als bereits einsamen Mann erleben. Das ist nichts Außergewöhnliches, sodass wir als Leser gar nicht drauf kommen können, dass in dieser Einsamkeit der Schlüssel zu einer dunklen Seite liegt.
Ich reagiere jetzt nicht auf alle Deiner Anmerkungen, da Du ja oftmals Punkte kritisierst, die die anderen bereits genannt haben. Nichtsdestotrotz vielen Dank fürs Aufzeigen, so bekommen die einzelnen Punkte logischerweise noch mehr Gewicht, was mir die Überarbeitung (zu der ich hoffentlich die Tage komme) erleichtert.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
So, jetzt habe ich den Spoiler gelesen und bin nicht so viel schlauer. Die Entwurzelung als Gefahr für die Jungen, den aus der Erinnerung und den echten in der Straße? Also ein alter Mann, verwirrt, distanzlos, der tatsächlich so zudringlich wird?
Aber dann endet die Geschichte mir hier zu früh, denn jetzt würde es doch erst interessant. Wie reagiert der Junge, den wir bisher ja gar nicht als Menschen, sondern nur als Pullover kennen?
Was funktioniert und was du ja auch beabsichtigt hast ist, dass ich den Mann anfangs sympathisch finde, ein bisschen Mitgefühl habe, und am Ende schleicht sich da eben dieses Unbehagen ein. Aber das reicht einfach in meinen Augen nicht, ist noch etwas dünn, da empfinde ich die Geschichte auch als unentschieden, was sie eigentlich sein will.
Natürlich doof, dass auch mit der Erklärung der Text für Dich nicht sehr viel klarer wurde. Allerdings ist das ja ein ganz wichtiger Punkt, da er mir aufzeigt, dass nicht nur Details in der Umsetzung nicht funktionieren, sondern auch in der Konstruktion der Geschichte Dinge für euch nicht so nachvollziehbar sind, wie sie es mir zu sein scheinen. Du hast in Deinem Leseeindruck im Gegensatz zu den anderen Kommentatoren ja tatsächlich an vielen Stellen das beschrieben, was ich machen wollte. Aber die Wirkung bzw. Überzeugungskraft fehlt halt (noch).
Hoffe die Verknüpfung zwischen Titel und Geschichte wurde durch meine Erklärung deutlicher. Die gedachte Verbindung zwischen dem kleinen Leo und dem im gelben Pullover war, dass beide durch ein nicht ausreichend verwurzeltes Objekt (Baum/Prota) zu Schaden kommen.
Ja, aber noch kommt der Junge ja nicht wirklich zu Schaden, das bleibt noch sehr abstrakt. Und geht es da um Pädophilie? Da fehlt für mich auch sonst der Bezug, das wäre für mich nicht das Wurzelwerk, sondern eben eine bestimmte Störung des Protagonisten.
Also ich bleibe dabei, da fehlt am Schluss was.
Hmm. Ich verstehe was Du meinst, allerdings ist für mich in dem Satz bereits eine klare Grenze überschritten worden und die Andeutung, dass es nicht dabei bleibt (oder der Prota zumindest weitergehende Intentionen hat) steckt für mich im sich-vorstellen. Ich glaube es ist schon eher das Problem, dass man nicht ausreichend darauf vorbereitet ist. Aber rein ästhetisch hätte ich persönlich gesagt, dass ein Cut die Wirkung eines Schlusses oft verstärkt.
Nehmen wir zum Beispiel eine Geschichte, in der ein Mensch die ganze Zeit mit einem Messer in der Tasche herumspielt und der letzte Satz ist ein "Ich umklammere das Messer in meiner Tasche und betrete die Bank." dann hätte dies für mich mehr Impact, als wenn jetzt noch geschildert wird, wie genau er die Bankmitarbeiter bedroht und wie die auf ihn reagieren.
Also, vielen Dank Dir noch mal für Deinen Leseeindruck - nehme ich definitiv mit in die Überarbeitung.
Liebe Grüße und bis zu meinem Gegenbesuch unter Deiner Geschichte
Takinios
danke auch Dir für Deine Zeit und die präzisen und detaillierten Anmerkungen!
Gleich vorweg: ich reagiere jetzt aus Zeitgründen nicht auf jeden einzelnen Kommentar zu den einzelnen Formulierungen, ich sehe aber die meisten Deiner Punkte und werde sie bei der Überarbeitung auf jeden Fall heranziehen! Da aber ja doch fast alles an dem Text noch nicht funktioniert, brauche ich für die Überarbeitung doch etwas mehr Zeit.
Da es aber deine erste eigene Story hier (?) ist, spreche ich es lieber noch einmal an: Mein Kommentar ist nicht persönlich, sondern rein textbezogen verfasst, und stellt nur meine persönliche Ansicht dar.
Aus diesen beiden gepaarten Sätzen werde ich nicht schlau: Er heißt es, es gibt eine Wand als Stütze, dann, dass es ohne sie gehen muss. Warum muss es ohne gehen? Und warum erwähnt er die Wand dann und sagt nicht: Ich verlasse das Haus ohne Stütze. Es muss gehen!
Der Gedanke war, dass er das Bedürfnis hat, sich abzustützen, dafür aber nur eine verschmutzte Wand neben sich zur Verfügung hat, welche er nicht nutzen möchte.
Zum Sprachlichen: "Ersetzen" finde ich hier keinen guten Ausdruck, denn das Wort klingt nach einer Funktion, danach einen funktionalen Gegenstand bewusst mit einem anderen, ähnlichen, besseren oder intakten zu tauschen. Da gibt es auch einen Agens, jemanden, der das ausführt. Das alles sehe ich bei Gerüchen, die zufällig wechseln, nicht gegeben.
Dann das "krustig" – das passt in meinen Augen überhaupt nicht zu einem Geruch. Wie riecht denn etwas "krustig"? Das ist doch eine haptische Beschreibung. Bestenfalls kann es noch das Hören betreffen, wenn eine Kruste bricht oder so. Aber nach Kruste riechen? Das geht doch nicht.
Hier habe ich ehrlich gesagt schon früher mit einem Kommentar gerechnet. Ich finde schon, dass krustig-gebackenes einen speziellen Geruch hat. Habe es in meinem Umfeld auch mal getestet und die Person wusste, was ich meine. Ist aber natürlich absolut nicht repräsentativ und ich sehe Dein Problem.
Mein Vorschlag wäre so was: Nach einigen Schritten verschwindet er und ich rieche jetzt den süßlichen Duft einer Backstube. Es gibt zwei Bäcker hier und ich kaufe bei keinem. Sie hatte immer etwas von „unserem Bäcker” geholt. Ich weiß bis heute nicht, welchen der beiden sie meinte.
Hmm, gute Frage. Auf dem Papier nähert sich natürlich die Geräuschquelle, allerdings finde ich schon, dass ein personaler Erzähler sich bei einer rein auditiven Beschreibung so ausdrücken darf.
Schwülstigkeitsefahr. Und ich glaube, etwas kann nicht "von etwas erzittern". Man erzittert vor etwas, oder? Ich erzittere vor Angst. Für die Blätter hier passt das aber nicht, also eher: Sie erzittern im Wind.
Sie erzittern durch den Wind. Es kann sein, da bin ich mir jetzt nicht sicher, dass es sogar Quatsch ist, von "erzittern" zu sprechen, wenn die physische Ursache des Zitterns außerhalb des Zitternden liegt und bekannt ist.
Dann oder auch sonst ohne "er-": Sie zittern vom Wind.
Sie zittern im Wind. Oder: Der Wind lässt sie zittern.
Ja, sehe ich. Hatte hier auch erst "zittern" fand das aber vom Klang merkwürdig. Da ich die potenzielle Schwülstigkeit ebenfalls sehe, tendiere ich dazu, das ganz zu streichen.
Ein schöner Baum. Sehr groß. Fast so wie der bei Wesemanns damals. Hat durch den Sturm das Haus ziemlich zerstört. Fäulnis im Wurzelsystem. Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Passt das in diesem Fall nicht? Das Wanken kann er ja wahrscheinlich in der Form nicht unbedingt wissen (also zeige ich an, dass er es sich vorstellt), dass der Baum aber umgefallen ist und das Zimmer getroffen hat schon. Oder missverstehe ich Dich hier?
Etwas verloren ohne Kontext, diese Anfügung. Und warum schwenkt er jetzt noch mal zu seinem Garten? Damit haben wir auf engem Raum gleich drei Mal Baum/Garten. Das ist etwas viel, finde ich.
Hmmm ... Bin nicht überzeugt, glaube ich. Ergibt das Sinn? Und wenn nicht: Ergibt das Nicht-Sinn-Ergeben Sinn? Was ist ein "weißer Kontrast"? Ist das nicht unmöglich, ein Kontrastteil ohne Widerpart? Noch dazu, wo es ums Weiß geht. Ein "grauer Kontrast" wäre vielleicht noch möglich, im Sinne von: "grau-grauer Kontrast", also Kontrast zwischen zwei Grautönen. Aber weiß ist weiß. Und selbst wenn wir annehmen, dass hier zwei "Weiß"-Abstufungen "kontrastieren" sollen, also z. B. ein bläuliches mit einem gelblichen Weiß – wo sind denn diese Weißtöne in der Szene? Die Wolken sind weiß und sonst?
Ich glaube da muss ich noch mal ran. Die Wolken sollte den Kontrast zu restlichen Blickfeld bilden. Also kein Kontrast innerhalb der Weißtöne sondern zwischen dem Weiß am oberen Rand und dem restlichen Blickfeld.
Wie an meinem Geburtstag. Es musste der fünfte oder sechste gewesen sein. Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen.
Bleibe ich hängen: Wie viele "Arten" von Tüten gibt es? – Plastik, Stoff, Papier ... Sonst noch was? Bei Taschen gibt es auch kaum Arten, zumal Tragetaschen ja Tüten sind :-) Also bleiben noch Handtaschen und ...? Und wie muss man sich das vorstellen – eine Papiertüte von Alnatura oder eine Plastiktüte von LIDL ist wann genau "wie verwachsen mit einem Arm"? Und wann wird sie hingegen ganz normal getragen?
Hier kann ich mir nicht wirklich ein Bild machen. Wie kann etwas ein Fleck sein und sich zugleich schlängeln? Wie kann etwas nur Pullover (Oberkörper) sein, aber auch Beine haben?
Ich sehe, sehr viele von euch haben (logischerweise) tatsächlich den reinen Pullover vor Augen, während es mir eher um eine optisch auffallende, abstrakte Projektionsfläche ging.
Warum hier Umgangssprache? (Pulli) Den Schlusssatz sehe ich nicht wirklich ablaufen vor meinem geistigen Auge. Warum lässt er die Hand über den Rücken wandern?
Ich gebe hier @linktofink völlig recht: So spät in der Story nicht einmal halbherzig auf eine neue, eigentlich ja sehr wichtige Figur zu verweisen, ist geradezu ein No-Go. Leser hassen diesen Trick! Du willst hier, ohne dir Mühe zu machen, schnell noch mal viel mitnehmen und läufst hier voll in ein Klischee: Die Erinnerung des alten Mannes an diese eine Frau damals in der Kneipe. Wirklich, dieser Topos wurde sogar schon in einer Bierwerbung verwendet, wenn ich mich recht erinnere. Aber auch inhaltlich/plot-technisch sehe ich das als regelrechten Fehlgriff an der Stelle an. Du willst laut deiner Aussage den Leser ganz subtil dahinführen, dass der Mann an Ende einem Jungen zu Nahe tritt – und weist hier noch einmal in unmittelbarer Nähe auf seine Sexualität hin, die du aber mit einer normal-erwachsenen Frau (!) verknüpfst. Why?
Wahrscheinlich habe ich durch meine nicht ganz präzise Antwort an link hier Verwirrung gestiftet. An dieser Stelle im Text soll nicht auf eine neue, noch nicht im Text vorgestellte Person verwiesen werden. Jedes unspezifische "sie" steht für seine verstorbene Frau. Dachte das wird am Anfang durch den Kontext und anschließend durch die Wiederverwendung des Musters deutlich. Bin am überlegen, hier durch ein "in unserem gemeinsamen Urlaub" o.ä. mehr Klarheit zu schaffen.
Nachdem ich deinen Spoiler und deine Antworten gelesen habe, glaube ich dir einen Tipp geben zu können: Überschätze nicht die Aufmerksamkeit und das Interesse der Leser. Du hast da zwar nachvollziehbare Gedanken umgesetzt in deiner Story, aber dabei sind dir die Dimensionen verrutscht. Ich kenne das selbst: Man klügelt immer mehr aus, bis man am Ende nur noch ein völlig eindeutiges, ja vielleicht immer noch zu durchschaubares Konstrukt sieht. Die Leser hingegen setzen sich vor den Text und folgen einfach relativ stumpf einer Figur durch die offensichtliche Handlung. Im besten Fall haben sie am Ende das Gefühl, das neben der eigentlichen Geschichte noch mehr im Text steht. Aber dafür muss die eigentliche Geschichte überzeugt haben (!) Die Leser müssen schon etwas in der Hand haben und mehr wollen. Nicht: Die Leser haben noch nichts in der Hand und sollen sich nun noch einmal neu auf die Suche machen. Wenn du uns dahin führen willst, dass wir am Ende einen entwurzelten Mann kennengelernt haben, der aus diesem Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit übergriffig wird – was uns nachdenklich bis empört stimmen soll – dann muss im Grunde alles im Text, was kein ganz gezieltes Ablenkungsmanöver ist, irgendwie dorthin führen. Es muss eine Kette mit mehr oder weniger subtilen Hinweisen aufgebaut werden, über die man beim zweiten Lesen denkt: Wie klar war das eigentlich? Wie konnte ich das alles nicht sehen?
Ich glaube Du beschreibst hier das Kernproblem des Textes. Dadurch, dass ich keinerlei Erfahrung darin habe, bei einem fiktiven Text einschätzen zu können, wie groß die Distanz zwischen Leser und Autor letztlich ist, und ich zudem den Text bewusst sehr subtil halten wollte, habe ich mich da schlichtweg verhoben. Ich traue mich kaum, es zu schreiben: Aber das ist bereits eine etwas explizitere Version der Geschichte .
Eine Rolle spielt wahrscheinlich auch dieser generelle Tipp für Anfänger, den Lesern mehr zuzutrauen. Das habe ich wohl etwas zu ernst genommen, denn in den Kopf gucken könnt ihr mir logischerweise nicht .
Aber wo sind die Hinweise auf die Pädophilie im Text? Es ist "der Spielplatz", nicht "ein Spielplatz"? Das ist viel zu schwach. Das wäre ein Detail, das vielleicht eine Facharbeit noch ausgraben würde als Kleinigkeit, die zeigt, an was der Autor alles gedacht hat. Das ist kein Hint für den normalen Leser.
Verstehe ich und war mir schon auch vorher bewusst, dass das als Hint nicht ausreicht. Dachte durch das Beispiel der Backstube im Text sensibilisiere ich die Leser bereits dafür und als weiterer hint sollte schon die beschriebene Anziehungskraft des Pullovers dienen. In der Theorie sollte sich (spätestens im Rückblick) die jugendliche Energie als deren Kern identifizieren lassen. Offensichtlich funktioniert das bisher noch nicht.
Danke Dir für die vielen Anmerkungen und Gedanken - diese sind sehr hilfreich für mich!
Liebe Grüße und bis die Tage unter Deinem Text
Takinios
Ein weiß-weicher Kontrast am oberen Rande des Blickfelds. Erweitern ... Hmmm ... Bin nicht überzeugt, glaube ich. Ergibt das Sinn? Und wenn nicht: Ergibt das Nicht-Sinn-Ergeben Sinn? Was ist ein "weißer Kontrast"? Ist das nicht unmöglich, ein Kontrastteil ohne Widerpart? Noch dazu, wo es ums Weiß geht. Ein "grauer Kontrast" wäre vielleicht noch möglich, im Sinne von: "grau-grauer Kontrast", also Kontrast zwischen zwei Grautönen. Aber weiß ist weiß. Und selbst wenn wir annehmen, dass hier zwei "Weiß"-Abstufungen "kontrastieren" sollen, also z. B. ein bläuliches mit einem gelblichen Weiß – wo sind denn diese Weißtöne in der Szene? Die Wolken sind weiß und sonst?
Ich glaube da muss ich noch mal ran. Die Wolken sollte den Kontrast zu restlichen Blickfeld bilden. Also kein Kontrast innerhalb der Weißtöne sondern zwischen dem Weiß am oberen Rand und dem restlichen Blickfeld.
die Stelle mit den Kontrasten habe ich wohl halb-falsch gelesen.
Ich glaube, ich habe das zu genau angeguckt, denn der Grund, warum ich dachte, es wäre nur vom Weiß die Rede war das "weiche". Denn – so mein Gedanke – Grün und Weiß bilden zusammen keinen weichen Kontrast. Und blau (Himmel) und Weiß eigentlich auch nicht. Also wusste ich nicht, warum der Kontrast "weich" sein soll. Diese Kontraste sind zwar auch nicht gerade "hart", aber eben besonders "weich" auch nicht. Weich wäre für mich ein Kontrast zwischen blau und lila, weiß und beige, schwarz und grau, aber vielleicht liege ich da falsch und das wird gemeinhin anders verstanden.
Dann hatte ich im Nachgang noch eine Idee, die exemplifiziert, worauf mein zweiter Kommentar in etwa abzielte:
Was wäre denn, wenn du erzählst, wie sich der Mann nach dem Tod seiner Frau einem Nachbarsjungen angenommen hat. Er hat ihm zum Beispiel Klavierspielen beigebracht oder sonst was. Dadurch hatte er sozialen Anschluss an diese Familie und das Gefühl gebraucht zu werden. Dann ist der Junge da rausgewachsen und/oder sie sind weggezogen. An dieser Stelle denkt sich der Leser: Der arme, da hatte er wirklich niemanden mehr.
Und erst am Ende fällt einem dann auf: Moment mal, dass mit dem Jungen am Anfang, war das etwa auch? Das wäre genau so ein Fall, wo früh Hints setzen könntest, natürlich wirklich so subtil, dass man in dem Fall nicht nur nichts ahnt, sondern sogar Sympathie zum alten Mann aufbaut. Und du hättest quasi diese von außen kommende Einsamkeit inszeniert (erst der Tod der Frau, dann dieser traurige Einschnitt).
Kannst du ja mal drüber nachdenken und wenn es nur zu weiteren Gedanken führt.
Hmm. Ich verstehe was Du meinst, allerdings ist für mich in dem Satz bereits eine klare Grenze überschritten worden und die Andeutung, dass es nicht dabei bleibt (oder der Prota zumindest weitergehende Intentionen hat) steckt für mich im sich-vorstellen. Ich glaube es ist schon eher das Problem, dass man nicht ausreichend darauf vorbereitet ist. Aber rein ästhetisch hätte ich persönlich gesagt, dass ein Cut die Wirkung eines Schlusses oft verstärkt.
Damit hast du natürlich recht. Und hier wird schon klar eine Grenze überschritten, die, selbst, wenn nichts weiter passiert, dem Jungen mit großem Unbehagen in Erinnerung bleiben wird, das ist sehr "schmierig". Eigentlich passt dazu auch, dass er ihn vorher nur als Pullover wahrnimmt, eben nicht als Menschen. Im echten Leben gibt es dieses Unvorbereitete ja schon und hinterher die Schwierigkeit das einzuordnen, so wie es das für den Jungen wäre.
Aber ich glaube, das stimmt auch was du schreibst, das Problem im Text ist, dass das Thema für mich als Leserin so gar nicht vorher auftaucht, dass das nicht vorbereitet ist.
Deine Geschichte fängt so traurig schön an, lässt mich mit deinem Wittwer die Welt wiederentdecken, da er anscheinend länger nicht draussen war. Sich möglicherweise nach dem Verlust ins Haus verkrochen hatte. Jedenfalls wähne ich mich in einer intimen Lebensgeschichte, die mir am Ende aber durch die (falsche) Intimität ganz schön an die Nieren geht. Gehen könnte, wenn nicht diese Distanziertheit des geschilderten Übergriffs den Abschluss bildet.
Hier soll gemäss deiner Intention seine Gebrechlichkeit illustriert werden. Hat für mich nicht ganz funktioniert. Er ekelt sich vor der Wand und versucht ohne zurechtzukommen. Vorschlag:
'Ich verzichte, muss ohne gehen.'
Ich las vorhin, der Satz fliege raus. Ich fand den aber spannend, weil er ja im Jetzt den Vergleich zu früher zieht. So quasi: na, geh ich mal schauen, ob die Strasse sich verändert hat, und da sind die Häuser eben nicht schöner geworden.
zerstört ist für mich Totalschaden. Das beisst sich für mein Sprachgefühl mit ziemlich. So wie ziemlich schwanger.
Daher: ziemlich ramponiert, beschädigt, o.ä.
Spricht man bei einem Baum vom Wurzelsystem? Ungewöhnlich, werde ich nicht warm mit. Ich sehe auch weniger die Metapher des Zerfalls und Verlust der Standfestigkeit im Alter, mich berühren mehr die Erinnerungen an seine Frau, wie dieses einschneidende Erlebnis des Unglücks bei den Nachbarn ihr zu denken gibt und er schweren Herzens seine geliebte Kastanie für sie aufgibt.
Hier kommt mir die Erwähnung von Leo eher zufällig vor, warum jetzt diese Hervorhebung "des kleinen Leo", was sich ja dann mit Lesen des letzten Satzes im Text als schreckliches Puzzleteil eines gut gehüteten Geheimnis entpuppt.
Durch die Sahnewölkchen auf der Torte wurde die Tischplatte für meine kindlichen Augen in die Höhe gezogen. Nie sind mir die Beine des Tisches so hoch vorgekommen wie in diesem Moment. Die erste Sahne blieb im Kopf, an die letzte kann ich mich nicht erinnern.
Hier finde ich spannend, wie der Erzähler die Person am Pulli fest macht. Und gleichzeitig verwirrt mich die Faszination, die der gelbe Pullover bei ihm auslöst.
Und das ist alles in diesem gelben Pullover zu sehen? Da ahnte ich auch noch nicht, dass ich im nächsten Moment in den Abgrund moralischer Verwerfung gestossen werden würde.
Autsch, Übergriff, Missbrauch. Dieses distanzierte 'und stelle mich vor' wirkt für mich fehl am Platz.
Um die Wucht des cut zu unterstreichen, wie wäre es mit einem aktiven:
"Magst du Lakritze?"
Aber – und da gehe ich voll mit @Chutney – auch mir fehlt hier noch was. Der cut ist mir zu offen, Reaktion (des Jungen) und Rechtfertigung (des Erzählers) bleiben aus.
Ich gehe daher etwas unbefriedigt aus der Geschichte raus.
Trotzdem mit Interesse mehrfach gelesen, da mich beschäftigte, ob es Stellen gibt, die das Einreissen des schönen Scheins bereits vorausahnen lassen könnten.
Von hinten nähert sich ein Motorgeräusch. Sicher ein VW-Diesel. Klingt genau wie der, den ich damals von der Arbeit bekommen hatte. Ein grundsolider Wagen.
Es ist doch ein Renault. Irgendein silberner Kombi mit fremdem Kennzeichen, der umherirrt.
Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
"Nun dreht sich der Pulli das erste mal um und ein im Comic-Stil gezeichneter Hund lacht mir von seiner Vorderseite zu.
Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor."
Irgendjemand Gebrechliches folgt einem Pullover, der sich als Junge entpuppt. Zwischendurch geht es um Bäume, einer mit fauligem Wurzelsytem. Wenn ich (da es die Überschrift ist) daran anknüpfe, tippe ich auf einen Hinweis auf marode menschliche/gesellschaftliche Strukturen. Kann sie aber nicht mit dem Gefühl einer Folgerichtigkeit dem Pullover oder dem Schwächlichen zuordnen, ebenso kann ich den Schlusssatz nicht inhaltlich weiterführen.
(Mir scheint auch ein Bezug zum Challenge-Thema in weiter Ferne ...).
Ich bin mir sicher, dass du den Text mit einer Absicht konstruiert hast, begrüße auch, dass sich das nicht alles (wie so oft) als Traum entpuppt. Es gibt (für mich) einfach zu wenig Bezüge zwischen den Elementen des Textes, um seine Essenz gewissermassen zu destillieren.
So, jetzt lese ich den Spoiler ... wehe, es war doch ein Traum ...
ich war sehr gespannt auf eine Geschichte von dir und für mich entfaltet sie sich rückblickend, wenn man von der letzten Szene aus noch mal alles rekapituliert. Insofern hat es Ähnlichkeit mit einer Pointengeschichte (nicht so ganz meins, kommt aber drauf an), wobei die Sequenzen vor der Pointe allein nicht so viel an Erzählung tragen.
Es mag zudem sein, dass ich den letzten Satz grandios missverstehe. Fand den extrem creepy.
Bissl um die Ecke formuliert, ist imA auch etwas arg offen, wieviel Hilfe er benötigt - denn wenn es nicht so gut 'so ginge', könnte er ja jemanden ansprechen. Dann im Weiteren bin ich unsicher, was genau er von den Passanten wollte, denn er bewegt sich ja (ohne Stock oder Rollator) durch die Stadt - es wäre ja sicher niemand mit ihm den ganzen Weg gegangen, nur, dass er sich hätte abstützen können. Geht es ihm um Treppen?
Du siehst, zumindest ich hab zu viele Fragen für eine vermutlich extrem schlichte Handlung - vllt. statt den Blicken eine Erwartung / Hoffnung setzen, dass man gleich weiß, genau welche Hilfe ihm da entgeht.
(An sich finde ich die Ignoranz der Passanten aber sehr gut & passend.)
Ich bin eindeutig Team 'krustig', hab einige Komms durchgescrollt und gesehen, dass sich hier wohl die Geister scheiden. Würde ggfs, sogar das süßlich kicken, denn krustig hat schon Süße dabei.
Find ich sehr gut, selbstbewusst solche Worte eingesetzt.
HIer würde ich kursiv oder einfache Anführungsstriche als wiedergegebene Rede bevorzugen. Das 'bis heute nicht' finde ich extrem gut, es zeigt subtil eine Distanz (bissl Zweckheirat, oder die Liebe erlosch schnell im Alltag), auch stark getrennte Sphären.
abgestandene Fassaden? Ich weiß, dass es auch im übertragenen Sinne verwendet werden kann, aber auch dann geht es um keine Farbe / kein Licht, sondern einen Geschmack, find ich sehr unschön. Hab in den letzten Jahren auch oft 'seicht' falsch eingesetzt gelesen ("seichtes Licht" z.B.), vllt. triggert mich das hier auch.
Wie der Stamm nach all den Jahren langsam ins Wanken geraten sein muss, schließlich den letzten Halt verlor und auf das Zimmer des kleinen Leo niederdonnerte.
Wanken ist eine deutliche, fast raumgreifende und eigenständige Bewegung, das ergibt hier ein ulkiges Slapstick-Bild.
Das ginge nur, wenn das Zimmer unterm Dach wäre, also vllt. eben 'Dachzimmer' oder wie die heißen. Und dann durchaus 'in', oder? Wenn da etwas zerstört wird, muss ja zumindest ein Teil der Wand und Decke beschädigt werden.
Sie find ich hier etwas abrupt. (Oben war es imA passender.) Er denkt / erzählt ja extrem eloquent, kann sich an Baumarten usw. erinnern, wieso verschweigt er den Namen seiner Frau?
Wieso 'unten'? Wo sind wir denn? Das würde ich konkreter machen, dass er da Schutz durch eine Mauer, Hecke oder so hat. Denn streng genommen gibt es 'oben' über den Wolken / der Stratosphäre auch kein Wettergeschehen und damit keinen Wind mehr, das sind so Gedanken, die ich an dieser Stelle nicht gebrauchen kann. :-)
Das ist sehr grobmotorisch, sag doch 'im Gedächtnis behalten'. Wie gesagt lässt sonst sein Erzählton nicht auf Beeinträchtigungen und Wortfindungsstörungen schließen.
Das klingt imO albern - ruhen gut, über etwas wandern grad noch, aber in einem so langen Statzteil von Position X auf Ziel Y geworfen werden, würde ich kicken. Bin aber eh kein Freund von physisch-aktiv handelnden Blicken.
Ein paar Seitenstraßen später haben wir die blinde Menge hinter uns gelassen. Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht er sich das erste Mal um und sieht mich an. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
Das finde ich sehr creepy, merke aber gerade, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt, dies zu lesen (wie ich dachte, bis ich beim Kommentieren hier angekommen war), sondern zwei.
Meine bevorzugte wäre, dass die Geschichte hier eine zweite Bedeutungsebene aufmacht und sagt, dass er dem Jungen etwas antun wird. (Sexuelle oder sonstige Gewalt.) Dann kann ich es sogar als Mörder lesen, der seine Opfer dadurch aussucht, dass sie ihm Stütze gewähren, was die ersten Sätze in anderem Kontext erscheinen lässt, nämlich dass er einen Teil seiner Gebrechlichkeit vorschützt. Das würde auch erklären, warum er doch recht locker längere Wege unternehmen kann. (Vgl. Es gibt in den USA Mörder, die mit ausgeschalteten Scheinwerfern fahren, dann den verfolgen und ermorden, der sie als erster darauf aufmerksam machte.)
Dann wäre es auch keine Pointe, sondern ein wunderbarer, überraschender Rundschluss. Man läse somit den 'freundlichen Alten von nebenan', der einem eher leid tut, plötzlich als berechnende Figur, die einerseits planen kann, andererseits auch in pathologischen Strukturen gefangen ist - diese verschleiert der Autor, indem er dem Icherzähler nur harmlose Erinnerungen gibt. Das wäre imA sehr klug und fies gemacht.
Dann mag es sein (das gefiele mir nicht), dass der Junge sein geisterhafter, Lebenalter-versetzter Doppelgänger ist und er quasi ins Jenseits geleitet wird. Allerdings redet er auch von seiner Frau mit 'sie', daher denke ich, es ist unwahrscheinlich, sonst hätte er wohl nur den Jungen mit 'er' bezeichnet (um dabei zu verschleiern, dass es sich um ihn selbst dreht). Auch sagtest du, dass du nicht Phantastik schriebst, und dies - als Doppelgänger/Sensenmann-Interpretation - wäre ja paranormal, also spekulativ.
Vermutlich bin ich auf dem Holzweg mit beiden Leseweisen ... (Ich hab ein paar Komms überflogen, aber nicht deine Antworten, daher weiß ich nicht, ob und wenn wie du deinen Text geplant hattest.) Ich mag offene Enden, hier ist es möglicherweise etwas zu offen - käme drauf an, ob du Wert auf eine bestimmte Leseweise legst. Andererseits auch selbstbewusst abgeschlossen, ist keine direkte Kritik jetzt.
EDIT: Okay, hab deine Intention gefunden. Dann fehlt mir hier der Plot, das wäre eine Figuren-Skizze: Weil weder Prota noch Plot (hier auch eher Handlungen + Erinnerungen) eine Entwicklung oder eine Wende erleben.
Ich bleibe einfach frech bei meiner kriminologischen Lesweise, weil dann die einzelnen Teile in ein schönes Ganzes fallen und die Mitte mit den Kleinigkeiten plötzlich einen morbiden Touch bekommt.
Hoffe sehr, dass du mit meinen Anmerkungen etwas anfangen kannst, ganz herzliche Grüße,
Katla
Ich versuche die Blicke der Passanten auf mich zu ziehen, doch sie gleiten über mich hinweg, sind an mir vorbeigegangen, noch bevor ich den Mund geöffnet habe.
Da komm ich nicht mit – wie kann ich mir das vorstellen?
Vielleicht: ... oder verlieren sich in den Eingängen der Läden. Falls es dir auf den Satzdreiklang ankommt.
Stolperndes Tanzen, das sich hindurchschlängelt? Ich seh solche Beschreibungen generell nicht so eng, aber das Bild gerät in meinem Kopf doch arg schief.
Ich folge ihm. Ein paar Seitenstraßen später haben wir die blinde Menge hinter uns gelassen. Unter einer Linde bleibt er stehen. Nun dreht er sich das erste Mal um und sieht mich an. Ich geh zu ihm. Ich stütze mich auf der Schulter des Jungen ab, lasse die Hand über seinen Rücken wandern und stelle mich vor.
@Chutney@H. Kopper@dotslash@Woltochinon@Katla@Sammis - vielen Dank für eure Zeit und eure (erneuten) Rückmeldungen! Ich bin leider die letzten Tage nicht dazu gekommen, hier aktiv zu sein. Das sollte in der nächsten Woche aber besser werden. Dann reagiere ich ausführlich auf eure hilfreichen Kommentare und – noch wichtiger – trete die noch ausstehenden Gegenbesuche an! Tut mir wirklich leid, dass es so lange dauert.
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