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Ey die Hunde

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15.03.2008
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Ey die Hunde

Ungefähr sechs Stunden nach dem Kennenlernen gibt's Sex. Schnell, hart und wild, als wären beide ausgehungert. Carla ist unglaublich laut, er ist sicher, Francois nebenan wird auch was davon haben, vielleicht mehr als er wissen wollte, sicher mehr, als er um drei Uhr morgens hören will. Ihr expressives Stöhnen wirkt durch den Gegensatz zu seiner letzten Geliebten, die überhaupt keinen Laut machte, noch krasser. Priva muss zwischendurch die Idee wegschieben, sie stöhne für Publikum. Vielleicht ne Visitenkarte, denkt er. Sie meinte doch vorhin so nebenbei, wie sie lebt und liebt. Könnte sein, die sind so unterwegs? Er kennt sich da nicht aus.

Priva leert seine Gedanken, konzentriert sich auf den Akt, sieht und spürt ihre definierten Muskeln, die sehr helle Haut, das Gesicht, voll hingegeben, schutzlos, der prächtige Arsch. Da muss er gleich noch mal grabschen. Als er ihre Beine auf seine Schultern legt, muss er aufpassen, sie nicht zu verletzen. "Arbeitest du hier Stellungen ab?", fragt sie, als er ihren Körper wieder anders hinlegt, um sich von hinten an sie ranzumachen. "Will nur sehen, was so ein Artistenkörper alles kann." Sie versteht ihn richtig und lacht. Hebt den Arsch ein Stück, schiebt ein Kissen drunter und streckt sich ihm ein kleines Bisschen entgegen. Damn, babe.
Carla stöhnt beim ersten Kontakt wieder so laut, er ist versucht, den Rücken durchzustrecken, um eine gute Figur zu machen.
Später, als sie auf ihm sitzt und schneller wird, greift er nach ihrer Kehle und drückt zu. Leicht, nur leicht. Trotzdem wirft sie sich nach hinten, knallt mit dem Schädel gegen die Heizung und verdreht dabei seinen Schwanz so schmerzhaft, dass ihm ihr vorwurfsvoller Blick erst mal gleichgültig ist. "Mach das nie, nie wieder." Er nickt. Nickt und schweigt, konzentriert sich aufs Brennen im eigenen Körper, geht in den Schmerz, um ihn auszuhalten. Priva fragt nicht, was gerade passiert ist. Er will so eine Geschichte nur hören, wenn es sein muss. Wenn sie will, dass er es weiß, wird es ohnehin erzählt werden.

"Kannst du dir vorstellen, so zu leben?", fragt Carla.
"Vorstellen kann ich's mir. Wir werden sehn wie's läuft." Priva steht am Balkon und raucht, spürt die stille Erschöpfung im Raum, ihrer beider Begehren, die verdammten Erwartungen sich anschleichen. Vor dem "La Strada" stehen ein paar Straßenschmoks, teilen sich nen Jolly und beleidigen einen alten Mann, der an ihnen vorübergeht. Er kriegt Bock, sich zu schlagen, und schließt die Balkontür, um die Wut auszusperren.
"Ich find das auch nicht immer einfach", sagt sie.
"Warum willst du dann so lieben, was soll das?"
"Es fühlt sich einfach richtig an, wir gehören niemandem. Menschen sind kein Besitz."
Eine Binsenweisheit, denkt Priva, die so auch nicht stimmt.

Später, wieder im Bett. Die luziden Momenten kurz vorm Schlaf, dem kleinen Tod. Die Bilder wechseln schon schneller, das Bewusstsein schaltet langsam auf Autopilot um, da drängt sich noch ein Gedanke ins Bewusstsein, viel zu klar und definiert für diese Uhrzeit: Wir sind unfrei und täten besser daran, damit zu arbeiten, statt so zu tun, als wäre die Welt anders eingerichtet. Er weiß, sie werden miteinander noch einiges an Zeit verbringen. Das wird nicht nur einfach sein.

Am nächsten Morgen hat sie deutliche Mühen, sich um sieben vom warmen Bett loszureißen. Priva würde nicht mit ihr tauschen wollen, und dass sie sich nicht drum kümmert, leise zu sein, ärgert ihn nicht. Wachsein ist nicht das Problem, jetzt raus in die kalte Welt zu müssen, das wäre ätzend, aber er liegt ja und hat auch nicht vor, allzu bald aufzustehen. "Ich hab ein graues Haar! Mein erstes graues Haar! Ich werde sie färben müssen, sonst kriegt die Rollen im Kindertheater wer anders!" Priva antwortet, sie solle sich bloß die Haare färben, ihm sei das Grauhaar schon gestern aufgefallen und es sehe furchtbar aus. Sie zieht ihre bunten Winterklamotten an, bei denen er sich schon gestern fragte, aus welcher Spende sie die gezogen hat, und küsst ihn noch mal zum Abschied. Sieht ihn einen Moment nur an, sagt "der erste Morgen", und er nickt, ja, es sehe aus, als hätten sie noch was öfter miteinander zu tun. Ihre Mimik verändert sich kein Stück, als er das sagt, sie sieht ihn weiter einfach nur an und strahlt, ein paar Sekunden, die sich verdammt lang anfühlen, zum Ende sogar unangenehm werden, er weiß nicht wieso, aber als er die Tür ins Schloss fallen hört, hat er das Gefühl, eben wie ein Spielzeug angesehen worden zu sein. Wie ein Spielzeug, das jemand besitzen will. Er steht auf und kuckt ihr hinterher: Carlas schreiend bunte Gestalt, grüner Anorak, blaue Thermohose. Sie geht um den Brunnen rum, an dem schon so früh, im Winter, die Suffis mit ihrem Bier hocken. In zwei, drei Minuten wäre sie beim Hauptbahnhof, von wo aus sie die U-Bahn nehmen wird, Linie 3, zum Workshop für Neuen Zirkus. Am Ende dieser Woche ist eine kleine Show geplant, für Carla und ihre Kolleginnen. Fast nur Frauen in dem Team. Er wird sich das wohl ansehen, jetzt also Zirkus und Theater. Eine überraschende Wendung, mal wieder.

"Wir müssen mal raus."
"Du gehst doch raus. Jeden Morgen machst du einen Heidenlärm. Wenn du nicht schläfst, sollen auch die anderen wach sein."
"Aber du nicht."
"Ich war das letzte halbe Jahr praktisch nur unterwegs. Zwischendurch die Welt drei Wochen von hier im Auge behalten, ist ne gute Sache."
"Wir können ja mal kucken, kuck doch mal nach."
Priva fährt den Laptop hoch und klickt sich durch den Bewegungsmelder und die Argonautensuche, liest hier einen Filmtitel und dort den Bandnamen.
"Wer spielt, Mühlheim Asozial? Zeig mal her, das glaub ich nicht."
Carla liest und erzählt, das seien Freunde von ihr, da müssten sie hin. In der Flora sei sie auch noch nicht gewesen! Priva würde lieber weitervögeln, den Winter von drinnen betrachten und vorbeiziehen lassen. Abends auf die Ankunft ihres prächtigen Arsches warten. Aber früher oder später kriegen alle nen Rappel und wollen irgendwas machen, besser man gewöhnt sich dran, so lange sie noch gut gelaunt sind. Man weiß es nicht, es könnte sogar Spaß machen.

Auf dem Weg von der Sternschanze zur Flora gehen sie am Stand vorbei, wo er im Sommer seine Erdbeeren kauft, über den Platz, wo die Bullen sie vor einem Jahr gekesselt haben, und lassen den Schanzenpark links liegen, über den die Beginner gerappt haben, wo die Junkies rumhingen und Stoff vertickt haben, bevor das Gefahrengebiet eingerichtet wurde.
Eine Straße weiter gibt sie ihm ihre Jacke und macht eine Fahne an einem Straßenschild. Und das it wirklich mal was, das ihn beeindruckt, passiert nicht mehr oft, die Jahre fordern ihren Tribut, aber das hier, ihr Körper, der scheinbar mühe- und schwerelos horizontal in der Luft liegt, nur von ihren Armen gehalten! Dass das überhaupt geht.
Als sie loslässt und sich auf Signal von ihm fangen lässt, applaudieren ein paar Menschen auf der anderen Straßenseite. Carla strahlt und winkt zu ihnen rüber, sieht sein schwarzes Gesicht und fragt, ob alles in Ordnung sei. "Klar", sagt Priva, "Körperbeherrschung ist fast so sexy wie korrekte Konjunktive". Doch schon ist der starke Moment vorbei und erneut legt sich ein Schatten über Welt und sein Gesicht wie ein Schleier. Diesmal muss er hinsehen. Er wird noch nichts sagen. Wie könnte er auch am zweiten Tag das tiefe Misstrauen ansprechen, das Priva gegen Bühne und Beifall hegt.

Sie stehen mitten auf der Tanzfläche und sehen sich um. Carla begrüßt jemanden und stellt sie einander vor. Das ist also einer von der Band, ja, hi. Sie führen ein nettes Gespräch, beziehungsweise versuchen ein Gespräch in Gang zu bringen, so viel Mühe gibt sich Priva eigentlich nicht, wenn Carla den nicht kennen würde, wäre er schon längst woanders. Die nächsten zehn Minuten stehen sie zu dritt im Eingang, neben dem Tresen, aufgehangen in einem schleppenden Gespräch. Scharen von gerüsteten Punks marschieren ein. Das Bild drängt sich Priva gerade auf. Wie es hier klirrt und klingt, das Stampfen der schweren Stiefel und die betont harten Ansprachen der Jungs lassen Priva an den Einmarsch einer undisziplinierten Truppe denken. "Das kann ja wieder was werden", sagt Carlas Kumpel. Er sieht unglücklich aus, und hört sich auch so an. "Was ist das Problem?", fragt Priva.
"Die Jungs sehen nach Stress aus. Wir wollen nicht dass sich jemand wehtut, aber das Publikum sieht das meistens anders." Priva will lachen, sieht noch mal genauer hin, und reagiert gar nicht. Der meint das ernst, denkt er, das wurde eben wirklich gesagt.

Fünfzehn Minuten später geht's los. Kann sein, es waren sechzehn.

Mitten im Pogen gibts nen Schlag in die Nieren von irgendwo, Priva zieht unwillkürlich die Luft ein, schmerzt gleich noch mal, gleich doppelt, wer weiß, vielleicht kommts auch von innen. Auf dem Weg aus dem Kessel fällt ein Altpunk von der Statur eines riesigen Wildschweins vor seine Füße. Trotz der Schmerzen muss er grinsen. Lehnt sich an eine Säule und sieht sich um. Direkt vor der Bühne ist Hexenkessel. Ist bestimmt zehn Jahre her, dass er gesehen hat, wie Leute so abgehen.
„Ey die Hunde!“, kommt der Refrain und wird von zig Kehlen zurück geworfen. Ein Kidpunk taumelt gegen Priva, haut ihm fast die Beine weg, entschuldigt sich. Er nickt und lacht. Ziemlich genau die Szene vor fünfzehn Jahren war er selbst das Kid, er siehts noch vor sich, also das Gesicht des alten Punkers, bei dem er sich damals entschuldigte, der nur meinte, er solle weitermachen, weiterspielen. In der Nacht, als Ana und Karl sich vom Acker machten, um zu ficken. Fühlt sich an als wäre das so fünf bis sieben Leben her.
Priva kuckt noch mal rüber zur Seitenbühne, wo er zuerst mit Carla stand, bis ihn der Hexenkessel fortlockte. Wo sie eben stand und tanzte, steht sie nicht mehr.
Und wieder der Refrain und wieder werden massig Leute von den Beinen gehauen, durch den Raum geschleudert. „Ich muss mal ne Ansage machen“, sagt der Sänger, die Instrumente schweigen. „Seid lieb zueinander, tut euch nicht weh. Wenn das weiter so krass abgeht, hören wir auf.“
Süß, denkt Priva, das kuschlige Köln.
Weiter wird gespielt. Weiter abgegangen. Schmerzen lassen nach.
Da hinten ist doch was zu sehen, diese hässliche Jacke, das kann nur sie sein. Was machen die da? Er checkts echt nicht. Dann doch, klar. Küssen sich. Priva schüttelt den Kopf. Erstes Mal zusammen weg und dann so ne Nummer. Wenn er was nicht leiden kann, ist es so demonstrativer Bullshit.
Als hätte sie das gehört, sieht Carla auf, ihm in die Augen. Die blonde Frau folgt dem Blick. Jetzt grinsen ihn zwei Blondinen an. Ja, well. Er grinst zurück, gibt den Daumen. Zweites Bier und nachm Tanzen, who cares. Er lässt die beiden machen und die Atmosphäre der Flora wirken. Ihr kurzes Gespräch auf dem Hinweg läuft noch mal Revue.
„Haha, nee, komm! Das meinst du nicht ernst, du warst echt noch nich in der Flora?“
„Klar. Was soll ich da?“

Jetzt singt und grölt die Band was davon, unter der Woche in der Bank zu arbeiten und am Wochenende trotzdem Punk zu sein. Ab und an fallen ihm welche aus der Pogo-Meute vor die Füße, rappeln sich wieder auf und springen in die Meute zurück.
Ein junges Mädchen, Mitte zwanzig, quatscht ihn an, fragt nach Feuer und bleibt stehen, versucht ihm was über die Jungs auf der Bühne zu vertellen, aber Priva versteht kein Wort, gibt sich aber auch keine Mühe. Was soll der Scheiß, sich auf nem Konzi gegenseitig in die Ohren zu schreien, riesen Aufwand, uneffektiv. Sie gibt aber nicht auf, labert weiter. Zwischendurch überlegt er, ob sie denkt, er höre zu, und sich da reinhängt und er ein Arsch ist, wenn er das so laufen lässt. Deutet Richtung Bühne und auf seine Ohren. „Ja, die sind mega!“, schreit ihm das Mädchen ins Ohr. Priva nickt, stellt sein leeres Glas gegen die Säule, nimmt ihr Bier, zieht nen längeren Hieb, bietet die Flasche wieder an.
Der Sänger ist jetzt völlig durch, auch durchgeschwitzt in seinem Bühnenteil aus hellblauem Fellimitat, so Ganzkörperanzug.
Alle haben Wasser neben sich stehen. Was haben die? Wasser neben sich stehen. Priva kuckt noch mal durch, tatsächlich, gute Leute. Pseudo-Punks auf Wasser spielen eine Meute echter Punks noch besoffener, die ohnehin voll drüber ist und alle satirischen Texte ernst nimmt.
Carla hat ihm auf dem Herweg erzählt, wie seltsam das für die Jungs zuerst gewesen sei, dass Deutschlands Punks voll auf die Texte eingehen und abgehen, dabei sind die halt nicht ernst gemeint.
Zuerst habe die Band das witzig gefunden, aber mittlerweile eher unheimlich, und sie wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollen. Touren erst mal durch Deutschland und müssen sich feiern lassen.

Er fragt die Kleine nach noch nem Schluck, beim Rübergeben der Flasche beugt sie ihren Oberkörper mit und schreit ihm ins Ohr, ob er allein hier wäre. Cool, Nippel gezeigt.
Er zeigt auf die beiden Blondinden, die anscheinend Schokolade am Mund haben und sich gegenseitig die Brüste überprüfen. Sie muss lachen und spuckt ihm dabei nen halben Mundvoll Bier über Oberarm und Gesicht. Der muss mit ihrem Bier geholfen werden, bevor die noch mehr verschwendet.
„Welche von denen ist deine?“
„Beide“, sagt er und nimmt noch nen Schluck Bier.
Eigentlich hätte er wieder Bock auf den Kessel, aber nach dem Vollspucken will er die Kleine neben sich auch nicht mehr aufgeben. Kaum fängt man an, was zu opfern, bleibt man am Ball. Er dreht seinen Kopf und sieht ihr ins Gesicht. Könnte für unverschämt gehalten werden, so was kriegt er immer wieder zu hören. Sie hält seiner Musterung gelassen stand und fragt, ob ihm gefalle, was er sehe. Nicken. Ob seine Freundinnen was dagegen hätten, wenn sie ihn auch mal küssen würde? Kopfschütteln.

„Ey, das ging ja schnell! Euch geht’s wohl gut?!“, ruft Carla, steht auf einmal neben Priva. „Wie heißt sie denn?“ Priva zuckt die Schultern. Kommt die jetzt angeschissen, das gibt’s doch nicht. Er sieht das Mädchen an und will sagen, sie solle sich vorstellen, da sagt sie schon selbst: „Frida“, und reicht Carla die Hand. Die beiden beginnen ein Gespräch, schreien sich also an.

Die Flora ruft geschlossen nach Zugabe. „Zugabe, Zugabe, Zugabe!!“ der Kölner Jung stammelt ins Mikro, dass er sich gerade nicht so fühlt und sie ihm das bitte nachsehen mögen, aber er werde jetzt die Bühne verlassen, wenn sie Glück hätten, spielten die andern noch ein Instrumental.
„Nee.“ „Was? Nee!“ „Auf keinen Fall!“
Jeder schnappt sich seine Wasserflasche und schon sind die runter von der Bühne.
„Ey die Hunde!“, ruft Priva in den Saal, der jetzt vom Stimmengewirr surrt. Er liebt diesen Sound nach dem Konzert, nach der Mucke, nach dem Tanzen, mit Bier im Blut. Die meisten gehen nach draußen, wo es stärker schneit, dicke weiße Flocken. Priva freut sich auf die Anblicke der Straße auf dem Weg nach Hause.
„Und, wie küsst er so?“, hört er Carla fragen.
Frida wird rot, „also ja, hm, wie soll ich …“
„Ich kann auch kurz mal ein paar Schritte weiter gehen“, sagt Priva.
„Einfach mega, wie ihr das macht!“, platzt Frida raus.
„Wie wir was machen?“, fragt Carla. „Was machen wir denn?“
„Ja, das ihr halt alles dürft und damit cool seid!“
„Ist das so? Priva? Dürfen wir alles und sind damit cool?“
„Weiß nicht. Haben wir nicht besprochen. Wird sich zeigen.“
„Nicht besprochen?“ Frida kriegt große Augen.
„War schon gewagt“, sagt Carla. „Hat sich so ergeben.“
„So cool. Ich will das auch, aber mein Freund ist eifersüchtig.“
Priva denkt, nee, nicht schon wieder so ein Gespräch.
„Aber du bist entspannt damit, das ist so cool!“
Er glaubt das nicht ganz verstanden zu haben und fragt noch mal nach: „Was bin ich?“
„So cool! Mein Freund ist mega eifersüchtig!“
„Ah ja, das habe ich doch verstanden. Ich dachte da käme noch was.“
„Nee nee.“ Sie wird schon wieder rot, oder ist’s immer noch. Er merkt sich den Anblick und wettet mit sich, dass sie postkoital ziemlich genau so aussieht.
„Ist der hier?“, fragt er.
„Wer?“
„Dein Freund.“
„Nee, Quatsch.“
„Dann ist seine Eifersucht ja nicht unser Problem.“
„Du grinst wie ein Haifisch“, sagt Carla.
„Ist nicht so gemeint.“
„ … und du musst Mädchen küssen“, sagt Carla zu Frida, „damit kommen Typen erfahrungsgemäß besser klar.“ Sie lacht. „Oder, Priva, was denkst du?“
Frida und Carla kucken ihn an.
„Was ich denke? Mädchen küssen ist cool.“
Die Kleine lacht als hätte er was Lustiges gesagt, Carla grinst, als hätte er sich verraten und hakt sich bei ihm unter und sagt der Kleinen, die solle sich am andern Arm festhaken, zieht sie beide mit zum Sänger, der an der Bühne steht und an seinem Wasser nuckelt. Stellt ihn erst mal Frida vor, die pauschal ihre Begeisterung raustut. Wie super die gespielt hätten!
„Danke“, sagt der Sänger und kuckt sie zweifelnd an.
Priva muss lachen: „Backgroundcheck für’s Lob?“
Lacht der Sänger mit. „Haha, stimmt, o Mann.“
„Hab ich was Falsches gesagt?“, fragt Frida.
„Nein, nein“, beruhigt Carla, „die haben n…“
„Woher weißt du das denn“, fragt der Sänger dazwischen.
„Stimmt das nicht, hat sie was Falsches gesagt?“
„Nein, nein“, beruhigt sie der Sänger, fast in gleichem Ton und Sprechrhythmus wie Carla.
Sie lachen wieder. Frida wird wieder rot. Priva sieht Carla zärtlich Frida betrachten, die verträumt den Sänger ansieht. Carla streichelt über Fridas Wange, wickelt eine Haarlocke um ihren Zeigefinger und flüstert ihr was ins Ohr. Die steht da, wird noch röter, ist jetzt ampelrot, grinst und nickt.

„Echt, ist so! Ihr wart super!“, kommt eine andere Stimme angerollt, von hinten. „Ey di Hunde Aller!!“ Priva könnte schwören, dass des Sängers Gesicht einen Sekundenbruchteil in sich zusammen fiel.
Der Mensch zu der Stimme geht noch ein paar Schritte, Priva dreht sich, sieht nen spacken Schlacks näher kommen, unsanft in aller Mitte drängen, dem Sänger auf die Schulter schlagen und lachen, lachen, lachen.
„Ich arbeite in keiner Bank und am Wochenende bin ich trotzdem Punk!! Hamma Alla, derber Hamma!!!“, sprach der Unbekannte und schlug dem Sänger noch drei Mal auf die Schulter.
Glückwunsch, denkt Priva, ‚ Jeder sollte einen Fan haben. Hoffentlich verdienen die Geld mit dem Kram.
Der Sänger wirkt nicht, als wäre er von dieser Situation überrascht. Dieser leidende Gesichtsausdruck eines Märtyrers, Priva sieht die Schulter, auf der des Fans Hand liegt, um fünf Zentimeter absinken, als er antwortet: „Eigentlich heißt es ja: ‚Du arbeitest in einer Bank und am Wochenende biste trotzdem Punk.’“
Der Andere überlegt einen Moment, einen langen Moment, es sind fast zwei Momente, aber dann lacht er wieder. „Was? Waasss? Das ist ja noch geiler!!!“

„Und‚ ‚ey die Hunde!’ ist sowieso der Knaller, ehrlich, ich liebe es.“ Was wohl so ziemlich genau das ist, was jeder Zweite immer wieder sagt, und jeder Erste jedes zweite Mal, wenn Carla richtig zählte und erzählte.
Der andere nimmt seine Pranke von der Sänger-Schulter, fragt ob er sich eine drehen dürfe von jemandem und gräbt wahrscheinlich in den Untiefen seines Schädels nach dem nächsten Geistesblitz.

Wenn das jetzt hier keiner beendet, wären sie noch locker ne halbe Stunde die Geiseln dieser Situation. Nicht in diesem Leben, und wenn er jemanden verprellt und wenn er sich schlagen muss. Egal. Lieber Arsch als Dulder.
Priva fingert seinen Tabak raus, zieht ein Blättchen, sagt „Hand auf“, drückt ihm beides auf die sich öffnende Handfläche, legt seine andere Hand darüber, als bekräftige er einen Schwur oder wichtigen Handel.
Nimmt die fast leere Flasche von Frida, drückt sie in die freie Hand des Fans, der kooperativ ist, als wäre er eine lebendige Schaufensterpuppe: Bereitschaft, Lernwille und Scharniere.
Als alles beisammen ist, dreht Priva ihn um 180 °, zeigt auf die Bar und meint, er könne dort die Flasche abstellen und die Kippe drehen. Der Fan stratzt los.
„Wirkt nicht so, als wäre er sauer“, überlegt Carla.
„Der ist gut unterwegs“, antwortet Priva.
"Fans", sagt der Sänger, "sind eine seltsame Sache."

 
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Hi, Tintenfass,

Achso, Boxen. Pogen – Boxen? Lieber mal Wiki fragen. Aha. Weitergelesen und verstanden.
Ich will damit sagen, dass ich zu sehr auf dem Pogen rumgetrampelt bin. Hätte ich gleich weitergelesen, dann wäre ab hier

es ist halt die Frage, wie mensch liest. wenn ich vereinzelte Wörter lese, die sich mir nicht gleich erschließen, komme ich mit dem Text trotzdem weiter, wenn der mir Kontextsicherheit bietet.
wie du ja schreibst, dass nach der nächsten Beschreibung und aus der Folge des Pogens - hier: Schmerz - genug Informationen vorhanden waren, um verstehen zu können, selbst wenn das Wort unbekannt ist.
ich glaube wir achten hier auf dieser Seite auf solche Irritationen auch stärker als wir das beim privaten Lesen täten. kann ja im Sinne konstruktiver Kritik auch hilfreich sein.

Das wäre eine Überlegung wert. Sexszenen sind natürlich immer gut. Wenn du sie gleich am Anfang bringst hast du schon mal deine Leser.

erst mal das Vögeln an sich. und die postkoitale Intimität und Entspanntheit könnte auch einen glaubwürdigen Rahmen abgeben, um die Outlines der Beziehung zu definieren. Carla oder Priva könnten ihre emotionale Involviertheit zugeben, die dann das Signal wäre, dass gewisse Themen geklärt werden müssen. wenn sie zusammen sein wollen und sich gleichzeitig keinen sexuellen Zwang antun wollen, gäbe es so grob zwei Möglichkeiten.
Monogame Beziehung: jeder Verkehr außerhalb der Beziehung wäre fremdgehen. nächste Frage: leben sie das heimlich oder offen.
Polylove / Yologamie: Sex wäre auch außerhalb der Beziehung erlaubt. nächste Fragen: welche Regeln werden definiert. / wird nur der Fakt gesagt dass jemand außerhalb vögelt oder gehts ins Detail oder wollen sie das prinzipiell gar nicht wissen? / wie kommen die beiden damit klar, wenn die andere Person sich mit anderen vergnügt?

Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann geht es dir in der Geschichte um zwei Themen. Dieses spezielle Beziehungskonzept und die Band, die von ihren Fans nicht verstanden wird. Beide Themen sind bei mir nicht so intensiv angekommen, wie du es dir vorgestellt hast. Meine Überlegung war, ob die Themen evtl. zu wuchtig sind, um sie in eine KG zu verpacken.

richtig. dass das nicht besonders intensiv oder eindringlich wäre, war mir allerdings fast klar. dass letztendlich fast niemand der Kommentatoren "meine Themen" gepickt hat und die thematisiert wurden, überraschte mich zwar in Ausmaß und Quantität, aber nicht an sich.
wenn die Geschichte nur wie eine "nette Geschichte" wirkt, die man wegen des Stils bis zum Ende liest, ohne dass man sich verschaukelt vorkommt, ist schon mal ein Minimal-Anspruch erfüllt.
dass die Themen eher unterschwellig mitlaufen und im Zweifel überlesen werden, überrascht mich in anbetracht allgemeiner Lesegewohnheiten nicht. nicht aus der jetzigen Perspektive gesehen.
ich habe die jetzt außerhalb des Forums zum Lesen rumgegeben und die Erfahrung gemacht, dass die Themen ausgelesen werden können.
sind zwar alles Freunde, also die kennen mich und meine Themen, aber ich habe keine Hinweise gegeben, worauf ich hinaus will. dass die das trotzdem raffen, ermutigt mich, diesen Weg weiterzugehen. letztendlich will ich trotzdem maximale Synthese zwischen meinen Ideen und allgemeiner Lesbarkeit / Verständlichkeit für möglichst viele Leser.
jetzt ist die Frage, was ich will. mir ist es wichtig, dass der Abend weiterhin glaubwürdig wirkt und die Themen möglichst organisch ins Setting eingeflochten bleiben. ich werde noch ein paar Veränderungen einbauen - wie zB die Anfangsszene - und vorsichtig versuchen, meine Themen zu verdeutlichen.
aber ich will beide Themen drinlassen und die organische Anmutung erhalten.
im Zweifel eher auf Intensität verzichten.
wenns gut läuft, kommt die im Laufe des nächsten Jahres wieder. bzw in einer anderen Geschichte. das ist ja auch ein Auf und Ab und hängt von verschiedenen Faktoren ab.

was du von der Wuchtigkeit schreibst, lese und höre ich öfter. dass ich mir damit keinen Gefallen tue und den Lesern auch nicht. ich habe jetzt drei Jahre wegen meiner Lebensumstände kaum schreiben können und fühle mich jetzt - nach dieser Zwangspause - beim Schreiben wieder sehr unvoreingenommen und merke, wie natürlich sich mein Gestaltungswillen anfühlt. und wenn das meine Art zu schreiben ist, wenn sich das richtig anfühlt, dann muss ich das entwickeln. ich mache das nicht, um Leser zu ärgern oder ihnen Knacknüsse zu geben, sondern um meinem spezifischen Weg zu folgen. ich freue mich ja, wenn ihr was mit meinen Texten anfangen könnt. wenn die gern gelesen werden oder sogar zum mehrmaligen Lesen einladen. aber ich muss meinem Weg folgen, das ist die einzige Chance. wenn das bedeutet, jahrelang zu schreiben, ohne dass es begeistert oder interessiert, ist das so. ich habe im Laufe der Jahre einige Schreiber erlebt, die sich entwickelt haben, mit denen ich mal gleichauf war oder die weniger Wirkungen als ich erzielt haben, und die an mir vorbei gezogen sind. weil sie konsequent an ihrer Stilistik gearbeitet haben und ihre Themen ausgebaut haben. die öfter auf Lesebühnen eingeladen, vom Publikum gefeiert werden und mehr kleine Scheine verdienen als ich. ich will auch erfolgreich sein, mir geht einer ab, wenn das Publikum mich feiert. trotzdem muss ich meinen Weg weiter gehen und ich weiß ja, wo ich hin will. vllt kommt nie ein break-even-point, vllt finde ich nie ein breiteres Publikum, vllt werde ich das Text-Produkt, das mir vorschwebt, nie vollenden können. doch das spielt keine Rolle. ich kann nur alles dafür tun, um meine Vision zu verwirklichen, der Rest liegt nicht in meiner Hand.

Mir gefallen sie zwar, weil du das mit den Kommas hinkriegst und das Knappe mir die Denke/die Sprache des Protagonisten zeigt. Aber ich habe festgestellt, dass mich diese Sätze verleitet haben, sie hektischer zu lesen. So, als würde der Prot schnell sprechen, weil er in Eile ist und ich ihm schnell fogen muss. Das ist dann womöglich zu Lasten der Info gegangen, die darin steckt.

spielt sicher ne wichtige Rolle. meine Schreibe ist auch noch nicht ganz auf ihrer Höhe. muss wieder reinkommen. vereinfacht gesagt, halte ich Wechsel von knappen, harten Sätzen und sinnvoll zusammengefügten Nebensatzkonstruktionen für attraktiv. das hat was mit Kontrasten zu tun und funktioniert idealerweise so ähnlich wie die Fallhöhe zwischen einem maximal brutalen Textabschnitt und einer lässigen Beobachtung, die sich nahtlos anschließt.
so was kann sich nie an alle richten und ich erlebe immer wieder, wie abgestoßen die Leser von Inhalt und Form meiner Texte sind. was nie das einzige ist, was ich erreichen will. das kann immer nur Transportmittel sein. längst gebrochene Tabus erneut und wieder zu brechen ist nicht meine Absicht. das können nur Mittel sein, um Geschichten zu erzählen.

Schon mal als Alternative an die Ich-Perspektive gedacht?

die Ich-Perspektive gehört zu meinem Repertoire. aber die nutze ich fast ausschließlich für völlig durchgeknallte, unzuverlässige Ich-Erzähler, bei denen ich mich an Knut Hamsuns Hunger orientiere, an Bonaventuras Nachtwachen oder, weniger, an Becketts abgefahrenen Gestalten (das ist existentielle Literatur, nicht so Scheiße aus Schlau von Sartre.)

ich versuche durch die Anpassung im Ton des Erzählers an die verfolgten Figuren eine höhere Nähe herzustellen, als die üblicherweise von personalen Erzählern erreicht wird. geht stellenweise Richtung Identität von Erzähler und Figur, da verschwimmen mitunter die Grenzen beim Mitlesen, hat eigene Probleme diese Erzählweise, kann aber auch was.

deine Fragen und Anmerkungen haben wichtige Gedanken für mich angestoßen. bin gerade in einer Phase der erneuten Annäherung ans Schreiben und muss mir Verschiedenes bewusst machen. 2014 / '15 / '16 haben wir vor allem andere Kunstprojekte gemacht und ich eher wissenschaftlich schreiben müssen als literarisch - das war alles Absicht und wichtig, aber mir ist das literarische Schreiben zwischendurch verloren gegangen. katastrophal für mich. hätte nie gedacht, dass mir das passieren könnte. jetzt nähere ich mich wieder an. das zur Erklärung.

Danke!

muss erst mal Schluss machen. morgen früh hoch zur Lohnarbeit.

Cube

 

Hi, Kellerkind,

pogen steht mittlerweile im Duden.

ah ja, interessant. wird auch Zeit.

An Deiner Stelle würde ich mir keinen Kopf darüber machen, wenn szenetypische Begriffe und Situationen nicht allen Lesern bekannt sind.

ich denke, es kommt drauf an. "pogen" halte ich für zumutbar, auch für wichtig hier. was wäre das für ein Gehampel, diese besondere Situation zu beschreiben, ohne pogen zu schreiben? es gibt Begriffe, die werden gebraucht in Texten die bestimmte Subkulturen als Setting haben. es ist vllt ähnlich wie mit Fachsprachen: manche Begriffe sind wichtig für Exaktheit und Klarheit, machen neugierig und schaffen Atmosphäre, aber zu viele Fachwörter verriegeln den Zugang zum Text. ganz selten gefallen mir Texte mit zu viel Fachsprache, die wirken auf mich oft wie die Selbstverteidigung einsamer Intellektueller. eine Ausnahme die mir gerade einfällt: wenn die Flucht nach vorne angetreten wird, und der selbstreflektierte Schreiber seine eigene Elfenbeinturmschreibe ins Absurde übersteigert, wie bei Infinite Jest oder Pale King bspw.

Bei mir ist alles angekommen, was Du vermitteln wolltest.

ich hab zwar Intentionen, will aber nichts vermitteln. will sagen, meine Lesart des Textes ist nur wichtig, um den Text zu schreiben und danach - ist sie halt da, spielt aber keine besondere Rolle. wenn mein Text nicht verstanden wird, aber trotzdem gefällt, oder wenn die Leser andere Interpretationen hätten als es meine Intention war - sehr gut. Lesergedanken sind mit das Spannendste und Beste, was einem Text passieren kann, die runden einen Text erst ab, bereichern meinen Blick.

Das Publikum hört oft nur auf Textbrocken, die es wahlweise mitgröhlen oder empört ablehnen kann.

ich habe die Ausmaße dieser Fehl-Interpretationen als abgefahren empfunden. die von dir beschriebenen Phänomene kenne ich auch. bin ja manchmal feiernder Pöbel und in anderen Situationen hole ich den Spieß raus und will mir empört eine Textzeile vom Leib halten, die mich provoziert. ich bin zwar anders empört als einer aus der Kleinbürger-Familie, aber diese Andersheit ist halt auch nur ein menschliches Merkmal. kann wohl was anfangen mit deinen Statements bin ja Ende der 90er u.a. in der Ostpunkszene aufgewachsen.

Zwei dicke Themen, die beide nur halb erzählt werden. Hier wäre mein Ansatz, die Geschichte eindeutig auf ein Thema zu begrenzen, denn ich Leser muss mehrmals den Fokus wechseln und am Ende habe ich keins der Themen befriedigend erschlossen

was ist denn ein Thema befriedigend erschließen? wie ich bereits zu Tintenfass schrieb: die beiden Themen gehören für mich hier rein. ich weiß dass die Begrenzung von Themen eine Mehrheitsmeinung ist, aber als ich diese Geschichte schrieb, dachte ich darüber nicht nach (wie ich dann sowieso diesen ganzen literaturtheoretischen Kram nicht präsent habe). und wenn ich nach meiner langen Schreibpause von selbst auf diese Verflechtung von Setting und Themen komme, dann muss ich damit einverstanden sein. es hat jeder Kreative seinen Weg.

Es funktioniert gut, sich selbst zu fragen, was man eigentlich erzählen will. Diesen einen Punkt herausarbeiten, und den Rest nur für die Kulisse behalten.
und über das andere Thema schreibst Du einfach eine neue Geschichte.

ja, kann man machen. empfehle ich selbst manchmal.
wenn ich einen Roman schreiben will, muss ich das sogar so machen, weil ich mir bisher immer in längeren Texten verlaufen habe, wenn sie nicht vorstrukturiert waren.
aber meine Kurzgeschichten die knappen Prosatexte will ich weiterhin organisch schreiben: meistens fange ich mit irgendwas an, skizziere eine Figur oder eine Szene und arbeite von da aus in alle Richtungen, die die innere Plausibilität des Textes hergeben.
wenn es gut läuft, kriege ich heute nacht oder morgen den Text hier etwas überarbeitet. mal sehen, vielleicht schaffe ich es ja doch, dass er euch trotz zweier Themen besser gefällt als die erste Version.

vielen Dank für die Rückmeldung, Kellerkind.

Schreiben ist Schädelmagie.

Gruß,
Kubus

 

- Text aktualisiert.

hab mir das alles noch mal durch den Kopf gehen lassen, Stichpunkte gemacht. daraus eben einen Text geschrieben und vor die Erzählung gesetzt, um behutsam die Themen zu verdeutlichen.

 

Guten Morgen, Bea,

ies ist die erste Geschichte, die ich von dir lese. Bei dem Wort ´Rote Flora´spitzten sich mein Ohren, denn deine Figur und ich wohnen in der gleichen Stadt, wenn auch nicht im gleichen Viertel.

ist meine zuletzt geschriebene Geschichte. Hamburg kenn ich ganz gut, nehm ich öfter für Settings diese reiche Stadt im Norden und ihre Quartiere.

Ich habe deinen Text mit großem Interesse gelesen und während der Lektüre versucht zu ergründen, was der tiefe Kern dieser Geschichte und was die Intention des Autors ist.

ja, kann ich verstehen dass das dann hier enttäuschend ist. meine Themen ziehen sich hier vom Anfang bis zum Ende, aber es gibt keinen Kern, keinen Konflikt und keine Auflösung. so was ist generell nicht mein Ding, aber trotzdem können Texte stärker wirken. der hier trifft die meisten Leser anscheinend nicht so richtig. die Geschichte ist jetzt ja leicht überarbeitet und bis auf Feinschliff war es das auch jetzt erst mal.

Aha. Auch sehr schön. Da kollidieren zwei Wünsche miteinander. Sie zieht es hinaus in die Welt und er will drinnen bleiben. Aber nun, man kann eben eben nicht alles haben, daher ...

intressant. von meiner Intention her (da du es schon mal angesprochen hast) ist das eher so ein Nebenschauplatz, sollte aber die eigentlichen Themen nicht stören.

Aber was passiert dort genau zwischen Priva und Carla und der anderen? Gibt es einen Konflikt? Muss es einen geben? Ich finde ja, denn so fing die Geschichte an. Du hast es mir versprochen, am Anfang, und dann verläppert sich die Story.

aber nein, das sind deine Lese-Erwartungen. ich verspreche keine Konflikte.
ich weiß dass auch meiner Überarbeitung die beiden Themen auch nur leicht verdeutlicht wurden und weiter angedeutet bleiben.
ein Thema sind polyamoröse Vorlieben, die sie mit in die Beziehung bringt und das andere Thema ist der Konflikt zwischen Welt und Bühne, Rolle und Identität, Fiktion und Realität. mit dem Wissen im Hinterkopf müsste es eigentlich spätestens möglich sein, die Geschichte auf die Intention hin auszulesen, wenn das gewünscht wäre.
was du und ihr als Verläppern empfindet, gefällt mir mehr als einen Konflikt künstlich zuzuspitzen, der so nie stattfinden würde.

Was tut er da? Ich habe es kaum verstanden. Du musst das dramaturgisch besser herausarbeiten, denn sonst ist es langweilig. Selbst wenn es die Langweile, das Ich-bin-hier-fehl-am-Platz oder Ihr-nervt-mich-Gefühl ist, vermuschelt es sich leider so, dass man aufgrund der Fülle der Beobachtungen das Gefühl hat, du hättest hier den Faden verloren. Denk dran: Du als Autor musst dich entscheiden! Soll Priva in einen klassischen Konflikt zwischen zwei Frauen geraten? Soll er sich vom Acker machen, weil er wieder nicht das bekommt, was er eigentlich will? Oder, oder, oder ... (habe ich das nicht richtig verstanden, weil eventuell ungenau gelesen?) Bleib bei deinen Figuren! Schreib die Geschichte probeweise in der ICH-Perspektive.

ich habe mich entschieden. deine Rückmeldung zu dieser Geschichte ist nicht die erste, die in diese Richtung zeigt. ich registriere das und habe mich entschieden, die Geschichte leicht zu überarbeiten, aber diesem andeutenden Stil hier treu zu bleiben. meine rötlichen Fäden ziehen sich von Anfang bis Ende. ich bin auch bei meinen Figuren. warum sollte ich die in der Ich-Perspektive schreiben? nein, das war eine Fingerübung. ich habe die Rückmeldungen aufmerksam und genau gelesen, die Geschichte etwas überarbeitet, das muss reichen.

Das Ende überarbeiten.

mit so ner Aussage kann ich nix anfangen.

Habe ich letztens auf einer Lesung mehrmals gehört und mich gefragt, was ´Autopilot´in diesem Zusammenhang bedeutet? Scheint ein IN-WORT (eine Floskel, eine Phrase zu sein, aber das wissen die Germanisten hier besser als ich) in HH zu sein ... mir aber zu ungenau.

In-Wort und Phrase sind keine Synonyme. das ist eine Übertragung. Bewusstsein / Unterbewusstsein // Pilot / Autopilot.

Zwei Ausrufezeichen. Das muss also extrem wichtig sein. Ich würde eines streichen.

kannst du etwas klarer argumentieren? schreib doch dass das in deinen Augen schlechter Stil ist. ist es ja. im Fließtext würde ich das nicht schreiben, in der wörtlichen Rede hier um zu signalisieren, wie drüber der Typ ist.

Irritierte mich zuerst, weil mir nicht klar war, was eine Fahne am Straßenschild ist. Später ist es mir dann aufgegangen.

deswegen habe ich es danach doch erklärt also beschrieben wie es aussieht. "Fahne" ist eine Figur am Chinesischen Mast.

Ich verstehe diese Aussage in Bezug auf die Figur nicht. Weder im Kontext, noch als einzelnes Satzfragment.

guter Punkt. vielleicht fliegt das. hab die Sätze gestern schon misstrauisch beäugt.

Ich persönlich würde die einfachen Anführungszeichen bei den Gedanken weglassen. Durch denkt er wird hinreichend klar, dass es sich um Gedanken handelt. Ich glaube, man kann beides machen, aber eleganter ist ohne.

ist auch ein guter Punkt. mache ich vielleicht wieder, stört mich selbst die optische Anmutung.

Ich sehe Potential in der Geschichte, ja, der Anfang haut hin! Sehr lebensnah, authentisch. Das kennt jeder. Danach verläppert es sich leider. Aber es kann richtig gut werden, glaub ich.

das ist fast lustig. den Anfang habe ich gestern direkt in das Textfenster von WK getippt, nach Notizen, die ich mir in der Woche gemacht habe. der Anfang dient eigentlich nur dazu, die späteren Themen zu verdeutlichen. macht wahrscheinlich einfach keinen Sinn, Geschichten so umfangreich zu überarbeiten, auch wenn die Absicht löblich ist, ist's oft einfach vergebliche Liebesmüh. ich sehe auch nicht, wie mir solche Erfahrungen und das Überarbeiten helfen könnten beim Schreiben künftiger Geschichten.

Danke für die Rückmeldung.

Kubus

 

Moinsen Bea,

Schade! Ich hoffe, ich habe dich nicht frustriert. Es tut mir leid, aber deine beiden Themen sind nicht bei mir angekommen.

ja, das habe ich gemerkt. aber nein, das hat mich nicht frustriert, es war von Anfang an keine Herzensgeschichte, sondern eher als kleines Häppchen zwischendurch gedacht. die Themen sind ja auch bei den Vorkommentatoren nicht so angekommen.
ich war also gewarnt und habe mich trotzdem entschieden, nicht ein Thema rauszuschmeißen und mich aufs andere zu konzentrieren. dass dein frischer Blick ähnliche Schwierigkeiten mit der Geschichte hat wie viele der vorherigen Kritiker, macht da einen insgesamt folgerichtigen Eindruck auf mich.
und es gibt ja bei jeder Rückmeldung was zu lernen, das ist anscheinend unerschöpflich.

Aus meiner Erfahrung und denen berühmter und weniger berühmter Autoren macht das Überarbeiten einen nicht unerheblichen Teil der Schreibarbeit aus und hat sich immer gelohnt.

Überarbeitungen sind auch wichtig! bei manchen Geschichten lege ich drei, vier Überarbeitungsstufen ein, bevor ich sie herzeige. aber es scheint für mich einen Punkt zu geben, ab dem ich nicht mehr viel zum Besseren wenden kann.
also hier zum Beispiel scheint das ein Konstruktionsfehler zu sein, wenn man die fehlende Auslesbarkeit als Fail labeln möchte. und wenn sich das Problem durch die gesamte Konzeption zieht, ist es vielleicht sinnvoller, eine neue Geschichte zu schreiben, als ewig an einer nicht stimmigen Erzählung rumzufrickeln.

Danke fürs Nachhaken und schönen Sonntag auch,
Kubus

 

Hallo @Kubus

Komme zur Zeit wenig zum Schreiben. Daher melde ich mich erst jetzt, obwohl ich deine neue Version schon lange gelesen habe.
Mir gefällt das sehr gut, was du vorangestellt hast. Ich weiß jetzt nicht, ob das auch ein Bestreben von dir war, aber es bringt mir den Protagonisten nochmal ein ganzes Stück näher.

Am Herzen lag dir zum einen, das Konzept offene Beziehungen/idealistisches Lieben und seine Auswirkungen herauszuarbeiten. Ich finde, das ist hier besser gelungen. Muss aber einräumen, dass ich auf Grund deiner Kommentare ja wusste, worauf du hinaus willst. Ob ich das auch ohne dieses Wissen herausgelesen hätte? Bin nicht sicher. Diese Art einer Beziehung ist mir zu wenig präsent, ich kenne niemand der das auslebt und damit auseinandergesetzt habe ich mich auch nie richtig. Doch wenn ich es mal schaffen würde etwas über den Tellerrand zu schauen, dann könnte ich darauf kommen. Denn du gibst Hinweise:


Priva muss zwischendurch die Idee wegschieben, sie stöhne für Publikum. Vielleicht ne Visitenkarte, denkt er. Sie meinte doch vorhin so nebenbei, wie sie lebt und liebt. Könnte sein, die sind sind so unterwegs?

"Kannst du dir vorstellen, so zu leben?", fragt Carla.

"Warum willst du dann so lieben, was soll das?"
"Es fühlt sich einfach richtig an, wir gehören niemandem. Menschen sind kein Besitz."


Privas Einstellung zu diesem Lebensmodell war mir in der alten Version nicht klar. Jetzt erkenne ich sie. Er ist verunsichert. Weiß nicht, was er will. Einerseits:

"Kannst du dir vorstellen, so zu leben?", fragt Carla.
"Vorstellen kann ich's mir. Wir werden sehn wie's läuft."

andererseits:

… die verdammten Erwartungen sich anschleichen.
Er kriegt Bock, sich zu schlagen, …
Wir sind unfrei und täten besser daran, damit zu arbeiten, statt so zu tun, als wäre die Welt anders eingerichtet. Er weiß, sie werden miteinander noch einiges an Zeit verbringen. Das wird nicht nur einfach sein.
Erstes Mal zusammen weg und dann so ne Nummer. Wenn er was nicht leiden kann, ist es so demonstrativer Bullshit.

Hm. Die Kontra-Seite ist aber deutlich länger.

Es hätte sich anfangs noch um Teenager/junge Erwachsene handeln können, die auf der Suche sind. Da finde ich es gut, dass du die grauen Haare erwähnst. So bekommt man ein ungefähres Alter von Carla und ich schätze, dass Priva ähnlich alt ist. Macht vielleicht auch die Ernsthaftigkeit des Themas deutlicher.

Auch das mit dem Würgen fand ich gut. Wie aufgebracht Carla war und ihre Aussage, dass er das nie, nie, nie wieder machen soll. Priva wird also nicht gleich ad acta gelegt.

… er weiß nicht wieso, aber als er die Tür ins Schloss fallen hört, hat er das Gefühl, eben wie ein Spielzeug angesehen worden zu sein. Wie ein Spielzeug, das jemand besitzen will.

Auch hier lese ich wieder Zögern und Unsicherheit.
Ja, ich mag das, wie du ihn beschreibst. Und dass er so ganz anders ist als Carla, habe ich auch erst in der überarbeiteten Fassung bemerkt:

Priva würde lieber weitervögeln, den Winter von drinnen betrachten und vorbeiziehen lassen. Abends auf die Ankunft ihres prächtigen Arsches warten. Aber früher oder später kriegen alle nen Rappel und wollen irgendwas machen, besser man gewöhnt sich dran, so lange sie noch gut gelaunt sind. Man weiß es nicht, es könnte sogar Spaß machen.

Als sie loslässt und sich auf Signal von ihm fangen lässt, applaudieren ein paar Menschen auf der anderen Straßenseite. Carla strahlt und winkt zu ihnen rüber, sieht sein schwarzes Gesicht und fragt, ob alles in Ordnung sei. "Klar", sagt Priva, "Körperbeherrschung ist fast so sexy wie korrekte Konjunktive".

Du erwähnst das schwarze Gesicht. Ich blick' das nicht. Ist das Privas Hautfarbe oder ist einer der Applaudierenden gemeint? Falls es Privas ist, wieso ist sie für dich wichtig? Oder ist das auch ein Bezug auf eine andere Geschichte, so wie die Sache mit Ane und Karl?

btw: der Punkt am Ende gehört vor die Schlusszeichen.

Ich finde, dass dein neuer Anfang die Geschichte aufwertet, Kubus. Jetzt ist auch für mich die Situation der drei Menschen (Priva, Carla und Frida) auf dem Konzert verständlicher.
Das zweite, das du hervorheben wolltest, war das Band-Fan-Verhältnis. Das kann ich nun auch besser herauslesen:

"Die Jungs sehen nach Stress aus. Wir wollen nicht dass sich jemand wehtut, aber das Publikum sieht das meistens anders." Priva will lachen, sieht noch mal genauer hin, und reagiert gar nicht. Der meint das ernst, denkt er, das wurde eben wirklich gesagt.

Pseudo-Punks auf Wasser spielen eine Meute echter Punks noch besoffener, die ohnehin voll drüber ist und alle satirischen Texte ernst nimmt.
… wie seltsam das für die Jungs zuerst gewesen sei, dass Deutschlands Punks voll auf die Texte eingehen und abgehen, dabei sind die halt nicht ernst gemeint.
Zuerst habe die Band das witzig gefunden, aber mittlerweile eher unheimlich, und sie wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollen.


Gesoffen wird immer und überall, das wissen die Musiker doch und was ist schlimm daran, dass die Fans ihre Band ernst nehmen? Ist das wirklich nur in Deutschland so? Ich hab' da keine Ahnung.

Am Ende ärgert sich der Sänger über den Fan. Das war in der anderen Version schon. Doch das geht fast bei mir unter, weil mich der Fan so genervt hat und ich hoffte, dass der endlich verschwinden würde.
Überlegt habe ich mir, was passieren würde, wenn Musiker und Fan heftiger aufeinanderträfen. Sich streiten oder handgreiflich werden. Der Sänger herumbrüllt, dass die Fans ihre Musik doch gar nicht verdient hätten oder zu blöd wären, sie zu kapieren. So einen kleinen Konflikt eben, der das verdeutlicht. Doch die Band scheint mir zu lieb zu sein, als dass sie in die Konfrontation ginge. Sind die wirklich so drauf?


Textkram:

... als er ihren Körper wieder anders hinlegt, um sich von hinten an sie ranzumachen.

"Körper" stört mich hier. Klingt fast, als wäre Carla leblos oder eine Gummipuppe. Irgendwie teilnahmslos.

... das Grauhaar schon gestern aufgefallen und es sehe furchtbar aus. Sie zieht ihre bunten Winterklamotten an, bei denen er sich schon gestern fragte, aus …

Eine Straße weiter gibt sie ihm ihre Jacke und macht eine Fahne an einem Straßenschild. Und das it wirklich mal was, das ihn beeindruckt, passiert nicht mehr oft, die Jahre fordern ihren Tribut, aber das hier, ihr Körper, der scheinbar mühe- und schwerelos horizontal in der Luft liegt, nur von ihren Armen gehalten! Dass das überhaupt geht.

ist

die Szene hat mit total gefallen, hab mir das gut vorstellen können, wie sie da am Mast "hängt".

Inzwischen habe ich gelesen, dass du ein Konstruktionsfehler siehst und es als sinnvoller erachtest eine neue Geschichte zu schreiben, als ewig hier herumzubasteln. Doch ich wollte dir trotzdem Rückmeldung geben, wegen der Mühe die du dir mit der Überarbeitung gemacht hast und weil ich die Geschichte mag.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hallo, Tintenfass,

Mir gefällt das sehr gut, was du vorangestellt hast. Ich weiß jetzt nicht, ob das auch ein Bestreben von dir war, aber es bringt mir den Protagonisten nochmal ein ganzes Stück näher.

das ist was Gutes. eigentlich habe ich vor allem die Verdeutlichung der beiden Themen im Blick gehabt, weil die Unklarheit bezüglich der Themen die häufigste Rückmeldung war. aber wenn der Protagonist deutlicher wird, hilft das bestimmt auch der Geschichte insgesamt.

Ich finde, das ist hier besser gelungen. Muss aber einräumen, dass ich auf Grund deiner Kommentare ja wusste, worauf du hinaus willst. Ob ich das auch ohne dieses Wissen herausgelesen hätte? Bin nicht sicher. Diese Art einer Beziehung ist mir zu wenig präsent, ich kenne niemand der das auslebt und damit auseinandergesetzt habe ich mich auch nie richtig. Doch wenn ich es mal schaffen würde etwas über den Tellerrand zu schauen, dann könnte ich darauf kommen. Denn du gibst Hinweise:

ja, die Frage bleibt bestehen. wir können ja unser Gedächtnis nicht löschen und eine bereits gelesene Geschichte erneut zum unkartierten Land machen. trotzdem ist es hilfreich zu lesen, welche Punkte du hier pickst und in Relation zum Thema setzt. so erfahre ich doch, dass es möglich ist, die einzelnen Textstellen herauszulesen. mir war es wichtig, die Themen zu verdeutlichen, ohne die großen Hinweispfeile auszupacken. ob das jetzt verständlich wird, ohne den literarischen Beipackzettel gelesen zu haben, bleibt fraglich, ich tendiere zu der Annahme, dass es eher nicht herausgelesen wird.

was Priva will [...] er ist verunsichert. weiß nicht was er will [...] die KOntraseite ist deutlich länger

ja, dass er so gelesen wird, kann ich nachvollziehen. diese Verunsicherung verstehe ich als Gegengewicht zu ihrer behaupteten Sicherheit. er wäre für mich der Champion der Identität, indem er tatsächlich so spricht und handelt, wie er fühlt, was er glaubt. sie wäre eher eine Vertreterin einer anderen Lebensschule, die wesentlich verbreiteter ist: fake it till you make it. diese längere Kontraseite steht für eine möglichst große innere Autonomie. da gehe ich mit einem französischen Denker, der sinngemäß sagte, dass es die Kritik ist, die uns in einer unfreien Welt das Höchstmaß an innerer Freiheit ermöglicht. also dieses Kontra empfinde ich nicht als per se negativ, im Gegenteil. es mag auf den ersten Blick so wirken, aber mit der richtigen inneren Ausrichtung, hilft dieser methodische Skeptizismus sogar dabei, eine möglichst klare und positive Einstellung zu Welt und Leben zu kultivieren.

Da finde ich es gut, dass du die grauen Haare erwähnst. So bekommt man ein ungefähres Alter von Carla und ich schätze, dass Priva ähnlich alt ist. Macht vielleicht auch die Ernsthaftigkeit des Themas deutlicher.

erfreulich. das habe ich gar nicht gesehen.

Auch hier lese ich wieder Zögern und Unsicherheit.
Ja, ich mag das, wie du ihn beschreibst. Und dass er so ganz anders ist als Carla, habe ich auch erst in der überarbeiteten Fassung bemerkt:

das ist schön. mir ist diese literarische Darstellung schon so selbstverständlich geworden, dass ich das gar nicht mehr richtig wahrnehme. also ein besonderer Dank für deinen Blick an dieser Stelle.

Du erwähnst das schwarze Gesicht. Ich blick' das nicht. Ist das Privas Hautfarbe oder ist einer der Applaudierenden gemeint? Falls es Privas ist, wieso ist sie für dich wichtig?

das ist so was wie ein Zeichen für ein Gesicht, das sich verdunkelt, düsterer wird. weniger zugänglich, eben weil was geschieht, das ihm nicht schmeckt. das bildet sich in seiner Mimik ab, da er sich nicht oder kaum verstellt. wieder die Identität von Eindruck und Ausdruck. aber das zu ändern dürfte kein Problem sein. wenn ich zB schreibe, dass sich sein Gesicht verdunkelt / verdüstert, ist der Inhalt erhalten, aber es wird deutlicher. wenn man diese farbliche Zuordnung machen wollte, müsste das in der Geschichte häufiger auftauchen und vllt auch erklärt werden, um das so zu etablieren, dass es auch verstanden wird.

Ich finde, dass dein neuer Anfang die Geschichte aufwertet, Kubus. Jetzt ist auch für mich die Situation der drei Menschen (Priva, Carla und Frida) auf dem Konzert verständlicher.

gut zu wissen!

Gesoffen wird immer und überall, das wissen die Musiker doch und was ist schlimm daran, dass die Fans ihre Band ernst nehmen? Ist das wirklich nur in Deutschland so? Ich hab' da keine Ahnung.

und ich bin da absolut kein Fachmann für. die Band ernst zu nehmen, ist sicher nicht schlimm. schwierig wird es, wenn uneigentliches Sprechen wie Ironie nicht als solche identifiziert wird. gestern habe ich da gerade mit einem Videokünstler drüber gesprochen. der macht teils sehr krasse Videos mit vielen Muschis und Titten, sieht sehr nach Porno aus, wirkt abstoßend sexualisiert auf viele Zuschauer. aber in den Videos sind immer auch Elemente versteckt, die eben diese Lesart sabotieren und die es ermöglichen, das ganze Werk als Lächerlichmachung von den billigen Schablonen und Tricks der Porno- und Erotik-Industrie zu verstehen. das ist wohl eine ewige Schwierigkeit mit dieser Technik, mit dieser Art zu arbeiten: wenn man solche Themen aufgreift und wiedergibt, kriegen sie eine Plattform und bilden eben diese Themen ab, auch wenn es KOntrapunkte in der Bearbeitung gibt, die eine alternative Sichtweise ermöglichen. es ist sicher eine Gefahr, so zu arbeiten und sorgt häufig auch für einen Ausschluss aus der Community. ich kenne allein hier in Leipzig diesen Videokünstler von der HGB, der so arbeitet, einen Meisterschüler aus der KLasse von Neo Rauch, also Malerei, und einen Schreiber vom Literaturinstitut. also drei Künstler aus drei verschiedenen Disziplinen, die aber wegen der Themenwahl und der Darstellung Schwierigkeiten haben, Publikum zu finden, und die sogar Schwierigkeiten innerhalb der jeweiligen Kunstszene haben, weil sie als nicht PC gelabelt werden. obwohl eigentlich wenigstens die Künstler alle Voraussetzungen haben, um diese Art zu arbeiten richtig einzuschätzen. aber die Kunst wird häufig so moralisiert und Künstler vertreten explizit moralische und moralisierende Standpunkte, weil sie damit den gesellschaftlichen Mainstream bedienen - und auch Erfolg haben. finden Publikum, werden gefördert etc. die von mir beschriebenen, anders arbeitenden Künstler, werden vom künstlerischen Mainstream verbissen. bestimmt auch wegen dieser Übernahme moralischer Positionen in der Kunst - diese Künstler machen sich moralische Positionen so sehr zu eigen, dass sie andere Positionen sofort angreifen oder niederignorieren.
okay, hier ist das Thema noch etwas anders gelagert: die Fans verstehen das uneigentliche Sprechen nicht und missverstehen die Intention der Band. sie können oder wollen Ironie nicht als zweite Ebene zwischen den Zeilen verstehen, sondern nehmen die INhalte ganz plump so, wie sie dastehen. obwohl es gar keinen Sinn macht, wenn man die Lebenswelt der Punks mit den Texten der Band gleichsetzt. die Szene wo der Sänger den Fan auf ein anderes Missverständnis aufmerksam macht, zeigt das Thema noch mal von einer anderen Seite. es gibt so viele Möglichkeiten, falsch verstanden zu werden.

Am Ende ärgert sich der Sänger über den Fan. Das war in der anderen Version schon. Doch das geht fast bei mir unter, weil mich der Fan so genervt hat und ich hoffte, dass der endlich verschwinden würde.
Überlegt habe ich mir, was passieren würde, wenn Musiker und Fan heftiger aufeinanderträfen. Sich streiten oder handgreiflich werden. Der Sänger herumbrüllt, dass die Fans ihre Musik doch gar nicht verdient hätten oder zu blöd wären, sie zu kapieren. So einen kleinen Konflikt eben, der das verdeutlicht. Doch die Band scheint mir zu lieb zu sein, als dass sie in die Konfrontation ginge. Sind die wirklich so drauf?

ich habe das so erlebt, ja. die sind auch mit sich selbst identisch. als wir mit denen privat mal was gemacht haben, wirkten die so wie ich sie auf der Bühne erlebte. als hätten sie keine Bühnenpersona, sondern würden einfach das vertonen, was ihnen ohnehin im Kopf rumgeht, was sie ohnehin leben. Ironie kann ja viel Spaß machen, aber birgt auch immer diese Fallstricke. ich fand das als Thema ganz spannend, weil wir damit hier ja auch viel zu tun haben. eben wenn es darum geht, wie wir Texte verstanden wissen wollen, und wie die hier ausgelesen werden.

aber nur weil ich mich so daran erinnere, heißt es ja nicht, dass das in Stein gemeißelt ist. ich denke da noch mal drüber nach. hm. die Art, wie der Fan spricht, tut schon weh, mglw nehme ich die mehrfachen Ausrufezeichen raus und lass den Sänger austicken, wenn der Fan seine Hand auf des Sängers Schulter legt. das ist ja ein überschaubarer Aufwand, der das zweite Thema effektiv verdeutlichen könnte.

"Körper" stört mich hier. Klingt fast, als wäre Carla leblos oder eine Gummipuppe. Irgendwie teilnahmslos.

ja, guter Punkt. das geht nicht gut, das ändere ich.

Inzwischen habe ich gelesen, dass du ein Konstruktionsfehler siehst und es als sinnvoller erachtest eine neue Geschichte zu schreiben, als ewig hier herumzubasteln.

dieser Gedanke läuft einfach immer mit. da gibt es für mich keine klare Antwort drauf. ist sicher auch eine Entscheidung, die von Mal zu Mal neu getroffen werden muss. wenn es einen Leser gibt, dem die Geschichte nach der Überarbeitung besser gefällt, hat sich die Arbeit schon gelohnt.

vielen Dank für die Rückmeldung, die hat Spaß gemacht und geholfen.

Grüße,
Kubus

 

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