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Exzellente spanische Küche
Vor einigen Jahren überredete mich meine Freundin Helga zu einem Mallorca-Urlaub. Eine Insel, die ich nie wieder betreten wollte. Und das hatte mehrere Gründe: Beim Fliegen stehen mir die Haare zu Berge, das Essen war schlecht, es war mir zu heiß und meine damalige Reisebegleitung, mein Ex-Mann, begann mir langweilig zu werden.
Ich ließ mich aber überzeugen, dass sich inzwischen auf der Insel, außer dem Klima, einiges geändert hätte. Vor allen Dingen das Essen.
"Die spanische Küche ist exzellent". Helga malte mit wohlklingenden Worten die Vielfältigkeit von Tapas aus und erklärte, dass sie ihren geliebten Vater notfalls dafür erstechen würde.
Schließlich bekehrte sie mich vollkommen, indem sie mit der Aufzählung unzähliger Gerichte begann, bei denen mir vor lauter Vorfreude das Wasser im Mund zusammen lief.
Der Reiseveranstalter offerierte uns für Anfang September ein derart günstiges Angebot mit Halbpension, für das es sich gelohnt hätte, ein einen Kleinkredit aufzunehmen. Die Temperaturen würden dann erträglich sein und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mir mit Helga langweilig würde. Was das Fliegen anbetraf: Nun, da müsste sie mir – während ich Entspannungsmantren in mich hineinaffirmierte – meine Hand halten müssen.
Als wir in Palma ankamen, waren die Temperaturen angenehm. Und das versöhnte mich mit den Balearen. Der Flug war überstanden. Mir war bisher nicht langweilig geworden. Und so machten wir uns in einem klimatisierten Bus auf den Weg ins Hotel.
Bis jetzt hatte Helga in allem recht gehabt.
Meine gesamten schlechten Erfahrungen waren erstaunlich schnell durch positive ersetzt worden. Ich war allerdings jetzt ziemlich gespannt, ob Helga auch mit dem Essen Recht behalten sollte.
Am Abend stylten wir uns voller Vorfreude auf das spanische Essen. Tapas, Tintenfische, Aioli kamen mir wieder in den Sinn. Bis jetzt hatte sich alles zum Guten gewandt. Ich war durchaus geneigt, mich nun auch lukullisch überzeugen zu lassen.
"Hast du mal einen Blick auf die Speisekarte werfen können?" fragte ich meine Begleiterin.
"Ich glaube, die liegt auf den Tischen", bekam ich zur Antwort. "Es hängt jedenfalls nichts aus."
Ich liebe diese ersten Abende. Diesen Szenenwechsel. Diese völlige Entspannung nach Tagen der Hektik und des Vorbereitens. Plötzliches Eintauchen in eine völlig andere Atmosphäre: die Ruhe, die Wärme, die Farben, die fremdartigen Klänge. Herrliches Kontrastprogramm. Helga strahlte, weil sie mir jetzt ihr Mallorca zeigen konnte.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass ich retraumatisiert werden würde.
Nach einem schmackhaften Aperitif, den wir gelöst vor dem Hotel – mit Blick aufs Meer – eingenommen hatten, machten wir uns voller Vorfreude auf den Weg in den Speisesaal, nahmen Platz und wagten einen interessierten Blick auf die Karte.
"Salat mit Schinkel", verkündete diese ohne Scham.
Ich sah Helga an. Helga sah mich an. Wir schwiegen. Keine Spur von Tapas.
Am nächsten Abend irritierten uns die "rott Boehnen".
Der dritte Abend erwartete uns mit "Tunafisch mit gekohten Kartofeln".
Hier kamen mir zum ersten Mal Zweifel an Helgas Aussagen bezüglich der exzellenten spanischen Küche.
"Helga", sagte ich drohend", du hast mir Tapas versprochen. Wo sind die? Morgen kommen die bestimmt mit Westfälischem Schlodderkappes oder Schwartemagen um die Ecke", meckerte ich.
Helga blieb cool.
Die "Grat Kartofeln" am vierten Tag und die "Linseneinsuppe" an Tag fünf ignorierten wir beleidigt.
Um es kurz zu machen: In einer kleinen Seitenstraße, rechts neben unserem Hotel gab es eine kleine, verwinkelte Gasse. Dort gab es eine kleine, dunkle Bodega. In der Bodega gab es exzellente, nicht ganz billige Tapas, und Tintenfische und Aioli und ... und … und …
Der Preis? Ich musste nach der Beendigung des Urlaubs einen Kleinkredit aufnehmen.