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Es ist noch nicht zu spät, Kate!
Es war ein heißer Nachmittag im August. Kate ging in den Park und setzte sich auf die Bank unter der alten Eiche. Dies war der Treffpunkt, wo sie sich jeden Freitag mit ihrer Freundin Sarah traf. Sie kannten sich seit dem Kindergarten und hatte eine Menge Zeit miteinander verbracht, aber jetzt konnten sie sich nur noch freitags sehen. Kate freute sich die ganze Woche darauf.
Kate nahm ihr Buch aus ihrem Rucksack und fing an zu lesen. Aber nach ein paar Minuten kam Sarah schon. Zusammen begannen sie durch den Park zu spazieren. Dabei redeten sie über dies und über das und hatten viel Spaß.
Später gingen sie auch durch die Stadt und schauten sich die Auslagen, der Geschäfte an. Dabei kamen sie auch bei einem Juwelier vorbei. Dort entdeckte Kate zwei wunderschöne Ohrringe.
Sarah bemerkte ihren Blick. „Die haben es dir wohl angetan“, stellte sie fest.
„Ja, nur leider kann ich mir so teure Sachen nicht leisten“ sagte Kate.
Ein paar Straßen weiter stießen sie auf Tom, Kates Freund. Kate war froh ihn endlich wieder zu sehen. Sie hatten sich schon lange nicht mehr getroffen, aber sie war doch so gern bei ihm.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verabschiedete sich Sarah von den beiden, da sie sie lieber alleine ließ.
Kate und Tom spazierten noch ein bisschen durch die Stadt und setzten sich dann in ein Restaurant. Tom erzählte Kate wie es bei der Arbeit lief und wieder Neues über ein indianisches Volk, von dem er ein großer Fan war. Er wusste über ihren ganzen Bräuche und Rituale bescheid und konnte stundenlange Vorträge darüber halten. Doch Kate hörte ihm nur mit einem Ohr zu. Sie blickte viel lieber in seine warmen braunen Augen und träumte davon, wie sie gemeinsam vor den Traualtar schreiten und glücklich bis ans Ende ihrer Tage sein würden.
Aber auch dieser Tag hatte irgendwann ein Ende und als es später wurde verabschiedeten sie sich voneinander und gingen nach Hause
Am nächsten Tag wachte Kate erst spät auf. Sie hatte beschlossen heute nichts Anstrengendes zu tun und alles mit Ruhe anzugehen. Immerhin war heute ihr Geburtstag und der sollte gemütlich werden.
Nach einem ausgiebigen Frühstück setzte sich Kate vor ihren Fernseher. Sie schaltete sich durch die Programme, aber nichts war wirklich interessant. Immer wieder musste sie an Tom denken. Was er jetzt wohl machte, ob er auch an sie dachte. Würde er noch vorbei kommen, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren? Oder hatte er ihn etwa vergessen? Nein, sicher nicht!
Kate stellte sich vor, wie er ihr das rote Kleid schenkte, das sie sich schon so lange wünschte. Sie hatte ihm in letzter Zeit öfters Andeutungen gemacht, ihm gesagt, wie schön sie es fand. Einmal hatte er es auch so geheimnisvoll angelächelt – oder hatte sie sich das nur eingebildet? So vergingen die Stunden, doch niemand kam. Kate schaute sich einen alten Liebesfilm an, blätterte durch ein paar Magazine und aß Tonnen von Süßigkeiten. Sie tat genau die Dinge, die sie sonst immer tun wollte, aber nicht die Zeit dazu gehabt hatte. Allerdings fühlte sie sich nicht besser.
Als sich Kate wieder nach etwas umsuchte, mit dem sie sich die Zeit vertreiben konnte, klingelte es plötzlich an der Tür. Kate sprang auf und merkte zum ersten Mal an diesem Tag, dass sie noch im Pyjama war. Aber jetzt war es auch schon egal, Tom konnte sie ruhig im Pyjama sehen. Kate war sich sicher, dass es Tom war. Wer sollte sonst kommen? Sie lief zur Tür und sah –
„Sarah?“
„Guten Morgen, Kate! Wieso schaust du denn so überrascht? Hast du nicht mit mir gerechnet?“
„Nein, du kommst schon etwas unerwartet. Aber komm doch herein!“
„Glaubst du etwa, dass ich mir nicht die Zeit nehme, um dir zum Geburtstag zu gratulieren?“
Kate und Sarah gingen ins Wohnzimmer.
„Bevor ich es vergesse…hier ist dein Geburtstagsgeschenk.“ Sarah gab Kate eine kleine Schachtel. Darin waren die Ohrringe, die sie am Tag davor gesehen hatten. „Danke, das ist wirklich lieb von dir!“ sagte Kate glücklich und umarmte ihre Sarah. Es war wirklich schön so eine Freundin zu haben.
„War Tom schon hier?“ wollte Sarah wissen. Kates Gesicht wurde wieder ernst. „Nein“, sagte sie.
„Mach dir keine Sorgen. Er…“ In diesem Moment klingelte das Telefon. Kate sprang zum zweiten Mal an diesem Tag auf und eilte zum Telefon. Vielleicht war das ja…es war Tom! Kate machte fast einen lauten Freudeschrei, konnte ihn aber noch unterdrücken. Tom fragte, ob sie zu ihm kommen konnte!
Jetzt musste alles schnell gehen. Kate zog das Erstbeste an, das sie finden konnte, verabschiedete sich von Sarah und lief zu Toms Haus. Ja, hier würde sie wirklich gerne einmal einziehen, vielleicht wartete er drinnen schon mit einem Verlobungsring und dann würde ihr Traum bald war werden. Aufgeregt klingelte Kate. Tom öffnete die Tür und ließ sie ein. Wie immer lächelte er sie an. Sein Lächeln war eines der Dinge die Kate so an ihm mochte.
„Komm! Ich muss dir etwas zeigen“, sagte Tom und führte sie ins Wohnzimmer. Und dort lag es auf dem Tisch – das rote Kleid. Okay, es war kein Verlobungsring, aber immerhin hatte er an ihren Geburtstag gedacht.
„Wie gefällt es dir?“ wollte Tom wissen.
„Es ist wunderschön!“ sagte Kate verträumt. Sie konnte noch immer nicht glauben, was sie sah.
„Ich habe mir gedacht, dass du es magst. Ich hoffe, Betti mag es auch.“
„Betti?“ Wer zum Teufel war Betti?
„Ja, Betti, meine Arbeitskollegin. Ich habe dir doch gestern erzählt, dass ich mit ihr auf diesen einen Ball gehe und da habe ich das Kleid für sie gekauft, aber ich brauchte noch ein bisschen weibliche Beratung, bevor ich es ihr geben konnte und ich wusste, dass du mir helfen konntest.“ sagte Tom, als wäre es nichts besonderes.
Kate war geschockt. Seine Worte machten keinen Sinn. Das Kleid war nicht für sie? War das etwa ein alter indianischer Brauch, dass man seiner Freundin an ihrem Geburtstag das Kleid für eine andere zeigt?
„Ist alles okay, Kate? Du schaust du komisch“, sagte Tom.
„Nein, es ist alles okay“, log Kate. In Wahrheit war sie noch immer sehr verwirrt. Doch vielleicht hatte er sein Geburtstagsgeschenk noch aufgehoben, um es spannender zu machen?
„Ich muss dich jetzt leider rausschmeißen, aber ich muss noch in die Arbeit“, sagte Tom indessen. Teilnahmslos ging Kate mit ihm nach draußen und sah ihn wegfahren. Nun stand sie da – ohne irgendetwas.
Kate ging nach Hause und überdachte noch einmal alles. Was tat er jetzt bloß in der Arbeit? War er wieder bei dieser Betti? Wahrscheinlich bildete sie sich das Problem bei der Sache aber nur ein. Diese Betti war bestimmt ganz harmlos und der Ball war nur geschäftlich. Ja, mit diesem Gedanken konnte sie einschlafen. Trotzdem rief Kate noch Sarah an, um sich ganz sicher zu sein.
„Also ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte Sarah, als ihr Kate alles erzählt hatte. „Ich finde, da ist etwas faul , aber um ehrlich zu sein, fand ich diesen Tom noch nie besonders vertrauenswürdig.“
Darauf legte Kate wütend auf. So etwas wollte sie sich gar nicht anhören. Sie nahm den Glaselefanten in die Hand, den ihr Tom einmal geschenkt hatte. Ihr war noch gar nie aufgefallen, dass seine Augen sehr traurig waren. Konnte ein Elefant denn überhaupt traurig sein?
Schluss – sie hatte genug darüber nachgedacht! Sie würde jetzt zu Tom in die Arbeit fahren und sich versichern, dass sie nichts zu fürchten hatte.
Mit dem Elefanten in der Hand betrat sie die Arbeit ihres Freundes. Zweiter Stock, vierte Tür links – Kate konnte den Weg im Schlaf. Sie trat ein und sah Tom – wie er eine andere Frau küsste!
Das wahr zuviel. Der Elefant fiel Kate zu Boden und zerbrach, so wie ihr Herz gerade zerbrochen war. Ohne ein Wort zu sagen, drehte sie sich um und rannte davon. Sie konnte und wollte Tom nicht mehr hören, der ihr noch etwas nachrief. Vielleicht hätte sie den Wink mit dem Kleid verstehen sollen, vielleicht hätte sie auf Sarah hören sollen, vielleicht hatte der Elefant ihr etwas sagen wollen, aber vielleicht war alles gut so wie es war. Ein Traum war zerplatzt, so viel war sicher, doch er machte Platz für einen neuen Anfang.