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Erwartungen an Fantasyliteratur

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17.06.2004
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Erwartungen an Fantasyliteratur

Hallo

Mich würde mal interessieren, was ihr persönlich als Leser (und Verfasser) von Fantasy-Literatur erwartet.

Reizt euch eher das Neue, Fremdartige? Wollt ihr in unbekannte Welten mit noch nie dagewesenen Geschöpfen entführt werden? Oder sehnt ihr euch nach dem Vertrauten und Bewährten (also tolkienhafte Welten mit den üblichen Rassen und ein oder zwei Abweichungen)?

Bevorzugt ihr eine möglichst realistische Darstellung des Phantastischen? Oder mögt ihr es märchenhafter, bzw. könnt ihr euch in alles ohne Mühe hineinversetzen? Dürfen auch mal Kobolde und Feen auftauchen, oder ist euch das generell zu kitschig/kindlich? Und wenn diese auftauchen, sollten sie dann eher 'Menschen wie du und ich' sein oder eher so etwas wie übernatürliche Erscheinungen, deren Unnatürlichkeit nie in Frage gestellt wird?

Und falls ihr zufällig auch ab und zu Fantasy schreibt, würde mich noch interessieren, was dabei eure Ziele sind, falls sie von euren Leseerwartungen abweichen. Macht ihr euch viele Gedanken um die Frage, wieviel Realismus angebracht ist, oder denkt ihr, in Fantasy ist eigentlich alles 'erlaubt'? Stichwort suspension of disbelief.

Ich mache mir darüber schon längere Zeit Gedanken, da ich zu den Leuten gehöre, die ihre Fantasy eigentlich eher realistischer und 'kantiger' mögen und mit dem Hineinversetzen zunehmend Probleme haben, die aber gleichzeitig auch Wert auf Fremd- und Neuartigkeit sowie Originalität, gerade in Kurzgeschichten, legen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich kaum noch Fantasy lese, denn wenn etwas sehr fantasiereich ist, ist es mir oft auch schon zu kitschig oder naiv oder eben durchzogen von Klischees (vielleicht wäre es interessant, das Horror-Dogma-Experiment auch mal auf Fantasy auszuweiten).

Was sind eure Meinungen / Vorlieben?

Und an alle, die Fantasy überhaupt nicht (mehr) mögen: Gäbe es eine Voraussetzung, unter der ihr euch mit dem Genre (wieder) anfreunden könntet bzw. was fehlt euch und was stört euch?

LG,
Megries

 

mahlzeit!

also, ich lese jetzt seit über 20 jahren fantasy der unterschiedlichsten art (von tolkien bis pratchett und alles dazwischen inkl. z.t. eigentlichen "kinder"-büchern) und muss sagen: je mehr vielfalt desto besser! und ich finde es sehr begrüssenswert, dass moderne fantasy sich nicht auf feen und ähnlichen kram beschränkt, sondern bei krimi, thriller, sf, horror, humor, historik etc. anleihen nimmt und teilweise genre-grenzen verschwimmen lässt.
mich persönlich nervt/langweilt nämlich die 1 millionste verwurstung des klassischen tolkienschen elf-zwerg-ork-schemas mittlerweile nur noch zu tode. geschichten dieser art lese ich, sobald ich weiß, wo es lang geht, inzwischen gar nicht mehr weiter. es ist einfach nur gähn...

bei meinen eigenen fantasy-stories bin ich zwar derzeit noch nicht so rasend originell, bemühe mich aber wenigstens, die klassischen fantasy-motive (magie, krieger-ethos etc.) mit z.b. klassischen oder auch moderneren (zwischen)menschlichen motiven zu verweben, um so ein gewisses mindestmaß an vielschichtigkeit zu erreichen und dabei so weit als möglich die allzu bösen klischees zu umschiffen. grundlegend finde ich, dass sich auch und gerade fanatsy nicht so sehr auf ihren ureigenen motiven ausruhen bzw. diese bis zur unerträglichkeit plattwalzen sondern sich noch viel mehr auf charaktere und deren beziehungen etc. konzentrieren sollte. gerade das kommt nämlich mE gerade bei den "klassischen" fantasy-plots viel zu kurz. da geht es leider viel zu oft immer nur um den magischen bogen, der die ork-horden in die flucht schlägt blabla. schade drum...

ich finde insgesamt, den begriff "fantasy" auf tolkien und abarten zu reduzieren, ist mE nicht nur unzulässig sondern vor allem ein korsett, das nicht passt. im grunde kann fast alles "fantasy" sein, wenn man die entsprechenden "fantastischen" elemente einbaut. es gibt allein hier unterschiedlichste geschichten, die thematisch lichtjahre von tolkien und konsorten entfernt sind, in denen z.b. ein ganz normaler depressiver teenager von einer sarkastisch angehauchten feen-erscheinung genervt wird ("Josis Tag") oder auch hexenmagie beim bau der eisenbahn im wilden westen mithilft ("Die Kerzengießerin"). das alles ist für mich fantasy. entscheidend ist - wie bei jeder geschichte - ein guter, spannender plot, glaubhaftes sujet, überzeugende und lebendige charaktere usw.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Megries,

sehr schwierige Frage, obwohl die Formulierung der Frage schon viele Antworten beihaltet.

Zunächst: Auch wenn Tolkien eine Explosion (im Bezug auf den Erfolg) des Genres bewirkt hat, so wird gerne vergessen, dass es schon vor Tolkien interessante Fantasy gab. (Viele hier werden das wissen, aber für die anderen erwähne ich das nochmal.) Insbesondere Fantasy-Neulinge meinen sich oft als Hüter der "Reinen Lehre" aufspielen zu müssen, aber Vampire, Engel usw. waren schon Anfang der 30er (sieben Jahre vor dem Hobbit) fester Bestandteil des Fantasy-Genres.

Ich persönlich finde, dass die etwas künstliche Aufspaltung der Phantastik in Horror, SF und Fantasy zwar manchmal einen gewissen Orientierungscharakter ermöglicht, aber oft einfach nur lästiges Korsett ist. Ich möchte nicht den tausendsten Tolkien Aufguss lesen (weil es sowieso bei einer Imitation bleibt), genausowenig, wie ich die tausendste Wüstenplanet- oder 2001-Imitation lesen möchte.
Als Leser erwarte ich mir neue Ideen, insofern ist die erste (näherungsweise) Antwort: Ja, ich will neue Ideen.

Mit der Neuheit ist es aber so eine Sache. Richtig neu ist das wenigste, daher gebe ich mich meist schon mit neuen Kombinationen zufrieden.

Was die Plausibilität (Du nennst es Realismus) betrifft, finde ich die fast am wichtigsten: Plausibel ist eine Geschichte, wenn sie wenige fantastische Grundannahmen trifft (z.B. Tiere können sprechen) und sich ab dann konsequent an diese Regeln hält. Nur in diesem Spannungsfeld kann eine Fantasy-Story ihre Sprengkraft entwickeln. Nichts ist öder, als Magie, die plötzlich aus dem Hut gezaubert werden kann, ohne vorherige Vorbereitung, ohne echten Nachteil. Deus ex machina, die Magic Bullet, das sind Dinge, die es mir als Leser echt verleiden. Genauso das "Traumende", am Schluss erkennt der Protagonist, es war alles nur geträumt oder eine Halluzination oder so. Das war vor 100 Jahren vielleicht mal originell, inzwischen ist es einfach nur noch öde.

Wenn ich Fantasy schreibe, versuche ich aus wenigen Grundannahmen eine in sich logische Welt zu entwickeln. Farbigkeit der Beschreibung macht einen Reiz aus, aber wenn ich z.B. Wesen aus Feuer beschreibe, muss ich mir Gedanken machen, welche Schwächen sie haben, wie sie sich Ernähren (Feuer braucht ständig brennbaren Nachschub!), usw. Genausowenig, wie ich unplausiblen Schwachsinn lesen möchte, will ich ihn schreiben.
Andererseits bietet Fantasy einige Möglichkeiten, die in anderen Genres schwieriger sind. Der Leser wird ein offensichtlich unmögliches Element leichter akzeptieren, daher sind viele Plots nur als Fantasy erzählbar. Riesige fliegende Drachen zum Beispiel.

Insgesamt finde ich damit sowohl als Leser als auch als Autor den Grenzbereich im Moment am interessantesten: Da wo sich verschiedene Genres treffen, entsteht etwas Spannendes, etwas Neues.

Michael Swanwick: Die Tochter des stählernen Drachen
Japser Fforde: Thursday Next Serie
China Mieville: Perdition Station Romane

 

Für mich bedeutet Fantasy vor allem "Fantasie". Damit ist es für mich ausgeschlossen, a) als Autor olle Klischees nachzuplappern und b) als Leser Bücher toll zu finden, in denen das geschieht.
Andererseits verbinde ich mit Fantasy aber natürlich die üblichen Stereotypen: Übernatürliche Wesen, stolze Kämpfer und mächtige Zauberer ... Irgendwas davon sollte schon in einer Fantasy-Geschichte auftauchen, in welcher Form auch immer. Das Ambiente muss mich in eine Fantasy-hafte Welt entführen. Dem steht der Anspruch des Realismus gegenüber, daher darf man den nicht überstrapazieren. Was natürlich nicht heißt, dass eine Fantasy-Geschichte unplausibel sein darf.

Ansonsten unterschreibe ich einfach, was Horni geschrieben hat und schwitze weiter vor mich hin *tropf*

 

Ich habe vor einiger Zeit meine Jahresarbeit mit dem Thema "Schreiben einer Fantasy-Geschichte" verfasst. Diese beinhielt eine etwas längere selbstgeschriebene Geschichte und eine Beleuchtung/Bearbeitung des "Fantasy-Millieus". Es ist wirklich so, dass viele Personen, selbst Lehrer, Fantasy-Literatur verurteilen, als oberflächlichen Mist ansehen. Dabei reduzieren viele, wie Horni ganz richtig sagte, auf das Tolkien-Szenario. Das Orwells "1984" auch Fantasy ist, das Märchen zur Fantasy gezählt werden, daran denken die wenigsten.
Gerade deshalb lege ich, wenn ich denn schreibe, einen hohen Wert auf eine gewisse Tiefgründigkeit, arbeite sehr viel mit Symbolik oder mythologischen Ausläufern. Was nun in der Geschichte vorkommen kann, das schränke ich nicht ein.
Ich halte Fantasy inzwischen für eines der gewichtigsten und wichtigsten Genres der Literatur, weil es so vielseitig ist und weil es sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Leider hängt ihm, wie schon gesagt, noch das Image der sinnfreien Literatur noch nach.

Und zu den Personen, die sich nicht in auschweifendere Fantasy versetzen können: Das liegt dann wohl mehr am Leser als am Text. Da fehlts einfach an Phantasie. ^^

PS: Wer sich mal in der Computerspiel-Branche ümschaut, genauer gesagt bei den Rollenspielen, der wird manch literarischen Fantasy-Schatz entdecken, denn hier hat man, bei guter Verarbeitung durch den Entwickler, interaktive Fantasy-Bücher, die es fast, aber auch nur fast, mit guten Fantasy-Büchern aufnehmen können. Und obendrein darf man da noch selbst den Held spielen. ;)

 

ich erwarte gar nichts, nur inhaltliche Logik.
Es gibt nichts, was mehr bäh ist als peinliche Logikfehler (Hohlbein-esk) in einem Fantasy-Text.

Orwell würde ich aber trotzdem eher als SciFi einstufen als als Fantasy. Mag vielleicht Haarspalterei sein. Ich lese auch gern das klassische Held-besiegt-Drachen-Szenario. Ich habe kein großes Problem damit, wenns nicht innovativ ist. Nur logisch und gut lesbar muss es sein.

 

@Tezet: Na ja, ob man nun "1984" zu Fantasy zählen sollte, finde ich schon etwas zweifelhaft. Zur Phantastik im Suhrkamp-Sinn vielleicht, aber wo liegt denn bei "1984" das fantastische Element? Egal, eigentlich sind's ja sowieso Schubladen :D

P.S.: Welche Computerspiele meinst Du? Für Spiele-Verhältnisse mag der ganze AD&D/D&D-Krempel ja ganz ordentlich sein, aber das Niveau der Geschichten kommt doch nicht über die üblichen Bücher zu den Serien (Dragonlance, Forgotten Realms, Dark Sun, DSA und wie der ganze Krempel heißt) hinaus. Mag sein, dass ich etwas übersehe, ich bin schon seit über zehn Jahren aus der Szene raus.

 

1984 gehört zum Genre der "utopischen Romane", dieses wiederrum ist ein Subgenre der Fantasy, welches sich grob wie folgt definieren lässt: "...Romane, in denen sich das Individuum in einer von heute verschiedenen Gesellschaftsform behauptet, nennt man utopische Romane."
Die ganze Diferenzierung ist recht ekelhaft, da es wirklich Kleinarbeit ist. "1984" würde ich nicht als Sci-Fi bezeichnen, weil im Sci-Fi Genre ein wesentliches Gewicht auf der Wissenschaft liegt. Das ist bei Orwell ja nicht der Fall.

@Naut: Solche wie D&D meine ich nicht, das sind Kommerzprodukte, denen eben dieses 0815 Schema zu Grunde liegt und die ich nicht leiden kann.
Bei PC-Spielen habe ich keine große Erfahrung. Bei der Play Station fällt mir da spontan die "Vandal Hearts"-Reihe ein. Hat nie große Schlagzeilen gemacht, ist aber in der Story eines der besten Spiele, die ich je gespielt habe. Final Fantasy 9 war diesbezüglich, im Gegensatz zu den anderen FF-Teilen, auch sehr gut.

 

@Tezet: Und die einer Utopie zugrundeliegenden Wissenschaften sind: Soziologie, Psychologie, Politologie und Philosophie. Bloß weil es "soft sciences" sind, heißt das noch lange nicht, dass es damit keine SF ist.
Woher beziehst Du Deine Definition von Fantasy? ME heißt das von Dir umrissene (Meta-)Genre (allgemeine) Phantastik, bin aber kein Literaturwissenschaftler.

Die Computerspiele kannte ich nicht. Schön, dass es auch da noch gute Sachen gibt.

 

Was ich erwarte?

Gute Unterhaltung – alles andere ist mir zunächst einmal wurscht.

 

Naut schrieb:
@Tezet: Und die einer Utopie zugrundeliegenden Wissenschaften sind: Soziologie, Psychologie, Politologie und Philosophie. Bloß weil es "soft sciences" sind, heißt das noch lange nicht, dass es damit keine SF ist.
Woher beziehst Du Deine Definition von Fantasy? ME heißt das von Dir umrissene (Meta-)Genre (allgemeine) Phantastik, bin aber kein Literaturwissenschaftler.

Die Computerspiele kannte ich nicht. Schön, dass es auch da noch gute Sachen gibt.


Ich habe sie von

http://www.bibliotheka-phantastika.de/

Mit dieser Seite habe ich während meiner Jahresarbeit recht intensiv gearbeitet. Sie ist im Großen und Ganzen gut geführt und ich war mit ihr sehr zufrieden.
------------
Vielleicht missverstehe ich dich ja, aber laut deiner Erklärung sind auch die von dir genannten "soft sciences" Bestandteil des Sci-Fi Genres. Daraus folgen würde dann aber, dass jedes Buch, welches sich etwas mehr mit Philosophie beschäftigt auch in gewisser Weise ein Sci-Fi-Buch sein müsste!? Und das bezweifle ich an dieser Stelle noch sehr stark. :/
Oder verstehe ich dich gerade einfach falsch?

 

Eure Postings sind sehr interessant und ich stimme eigentlich mit dem meisten überein, was Horni und Naut gesagt haben.

Ich glaube, mein 'Realismus'-Anspruch hat z.T. mehr mit Form als mit Inhalt zu tun. Wenn eine Welt so realistisch geschildert wird wie beispielsweise in der Dune-Serie (die vielleicht eher SF ist), habe ich kein Problem mit Drachen, nicht mal mit Würmern. ;)

Und Kurzgeschichten sind sowieso eine andere Sache als längere Texte.

@Naut,
ich fand "Zork Nemesis" sehr toll, was Tiefe und Atmosphäre anging. Da hat wirklich alles gestimmt. Leider habe ich danach kaum noch was gespielt (das war noch zu DOS-Zeiten, glaube ich. Falls du das Spiel mal irgendwo siehst, zugreifen!
Danke auch für die Buch-Empfehlungen. Jasper Fforde steht schon im Regal und Mieville will ich auch demnächst mal ausprobieren.

 

Die typischen Fantasy-Klischees finde ich dann öd, wenn eine Geschichte nur darauf basiert und keine neuen Ideen bringt, d.h. für mich z.B. Plots nach dem Schema: Magischer Gegenstand wird gesucht, Held muss sich auf Reise begeben, um mit dem besagten Gegenstand die Welt zu retten, die der absolut böse Bösewicht vernichten will. Erinnert an Tolkien... Ich will damit nicht meinen, dass Herr der Ringe schlecht ist, aber die vielen Tolkiennachahmer gehen mir langsam auf den Geist.
Doch ich glaube, Tolkien beeinflusst auch mich beim Schreiben. Mein persönliches Ziel ist, eine möglichst originelle Geschichte in einer möglichst fantasievollen, aber in sich glaubwürdigen Welt zu schreiben. Und dabei ist Mittelerde nun mal ein Vorbild, was die Komplexität einer solchen Welt betrifft. Natürlich werde ich vermeiden, nur Zwerge, Elben und Orks vorkommen lassen.
Klischees müssen nicht zwingend vollständig weggelassen werden, irgendwie gehört das einfach zu Fantasy, jedoch sollten diese nicht überwiegen und in einem originellen Kontext eingebettet werden.

Was ich an Fantasy mag, sind diese eigenen Welten, in die ich gerne entführt werden will. Es muss aber nicht einmal anspruchsvoll und tiefgängig sein, für das gibt es noch viele andere gute Bücher, aber der Plot sollte in einem flüssigen Stil spannend erzählt sein und nicht in einem 0815-Schluss enden.
In dem Sinn habe ich aber sonst keine Erwartungen, sondern lasse mich gerne überraschen. Ich manchmal die Fantasy-Archetypen (bevorzugt Anti-Helden), aber auch poetische und ruhigere Geschichten und episches Schlachtengetümmel.

 

Erstmal etwas Offtopic:

@Tezet: Du verstehst mich richtig, all das ist für mich SF. :) Was ich aber damit bei Dir anregen möchte, ist, Deine eigene, etwas beengte Denkweise über Schubladen in der Literatur hinter Dir zu lassen: Du hast erkannt, dass viele Bücher sich unter Fantasy einordnen lassen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht gleichzeitig SF sein können. Diese Kategorien sind nützlich für Buchhändler, weil sie dann wissen, wo sie das Buch hinstellen sollen. Darüber hinaus bleibt der Zweck zweifelhaft.

@Megries: Ja, das gute alte Zork. Trotzdem finde ich, dass für mich die Immersion bei Büchern höher ist, außerdem ist Lesen nicht so anstrengend. Daher spiele ich nicht mehr.

Ontopic:

Ich weiß schon, warum ich mich gerade hier so wohl fühle: So viele Meinungen und allen kann ich zustimmen! Wird Zeit für die Gegenrede. *ruft* Thorin?! :)

 

Lieber Naut,
nicht jede Art der Kategorisierung oder der "Einteilung in Schubladen" ist gleich schlecht oder stellt gar eine Beengung der eigenen Sichtweise dar.
Solche Kategorien sind immer nur die Hilfslinien durch den "literarischen Dschungel". Spätestens, wenn du mal in einer Buchhandlung gearbeitet hast und eine alte, nette, wenn auch sehr unentschlossene Dame vor dir hattest, deren erklärtes Ziel es ist, ihrem Enkel eines dieser neuen in Mode gekommenen "Fantasy-Bücher" zu kaufen und dabei keine Ahnung hat, was sie mit den Büchern aus den großen Weiten des Fantasy-Regals anfangen soll. :)
Dir als Verkäufer wird es dann ein Segen sein, eine solche Einteilung machen zu können und nicht zu jedem Buch die Handlung aufrollen zu müssen.

Dass das alles sehr nahe beisammen liegt, das habe ich eingangs ja auch schon gesagt, dem stimme ich dir zu, nur vergiss nicht, dass du mit der Differenzierung begonnen hast, indem du "1984" aus der Fantasy herausziehen und dem Sci-Fi zuführen wolltest. ;)

 

Tezet schrieb:
[...]Solche Kategorien sind immer nur die Hilfslinien durch den "literarischen Dschungel". [...]Dir als Verkäufer wird es dann ein Segen sein, eine solche Einteilung machen zu können und nicht zu jedem Buch die Handlung aufrollen zu müssen.
Genau das habe ich ja geschrieben: Für Buchhändler ist es extrem praktisch ;)
Dass das alles sehr nahe beisammen liegt, das habe ich eingangs ja auch schon gesagt, dem stimme ich dir zu, nur vergiss nicht, dass du mit der Differenzierung begonnen hast, indem du "1984" aus der Fantasy herausziehen und dem Sci-Fi zuführen wolltest. ;)
Geh mal in den Buchladen und durchsuche das Fantasy-Regal nach "1984". Na? :D Oder noch besser: Wikipedia behauptet, das "Glasperlenspiel" sei Fantasy. Abgesehen davon, dass das genauso zweifelhaft ist, findet man im Buchladen Hesse bestimmt nicht neben Hohlbein. Aber ist schon Ok, zumal es ja auch Offtopic ist. Wir sind uns einig, dass Genres außerhalb der Buchhandlung nicht existieren (sollten)?

 

Jepp. Da stimmen wir überein. Das Glasperlenspiel habe ich noch nicht gelesen, ist es zu empfehlen?

 

Tezet schrieb:
Das Glasperlenspiel habe ich noch nicht gelesen, ist es zu empfehlen?
Hmm. Also Hesse ist ja nicht jedermanns Sache, daher fand ich's stellenweise ganz schön zäh. Aber die Grundidee ist ein ziemlicher Killer, allein dafür hat es sich gelohnt. Der Rest ist typisch Hesse.

 

"1984" ist eigentlich ein sonderfall, da es sich um eine utopie (bzw. dystopie) handelt, was eine eigene lit. gattung ist, deren wurzeln bis ins 15./16. jh. zurück gehen (stichwort thomas morus). irgendwann hat man dann aber wohl angefangen, auch diese werke dem erweiterten begriff der SF zuzuordnen - nach dem motto "sience fiction ist alles, was irgendwie mit zukunft zu tun hat..."

grundlegend kann man all diese - teilweise recht synthetischen - genre-bezeichnungen unter dem großen oberbegriff der phantastik zusammenfassen. innerhalb dieses teiches tummeln sich dann teilweise sehr spezialisierte fischchen (hard-sf, soft-sf, horror, "swords & sorcery" etc. pp.). ich denke, es wäre also nicht verwerflich, zb auch sf in allen spielarten, horror und anverwandten usw. als vertreter der phantastik in diese diskussion mit einzubeziehen.

(der stern-verlag in düsseldorf zb - eine riesige buchhandlung über 3 etagen - nimmt mWn auch nur eine solche grobe unterteilung vor. dort standen, so weit ich mich an meinen letzten besuch erinnern kann, sämtliche autoren von douglas adams über dean koontz bis tolkien mehr oder weniger nach alpahet sortiert in der phantastik-abteilung. oder war das doch woanders? ach egal...)

 
Zuletzt bearbeitet:

Tja, da hatte ich gestern so einen schönen und vor provokativen Geistesblitzen strotzenden ( ;) ) Endlosbeitrag verfasst, und dann hat mein Rechner sich entschieden, ein kurzes Nickerchen einzulegen...

gbwolf schrieb:
Bei den komplett neu gezimmerten Welten mit den ungewöhnlichen Wesen hat man ja auch oft den "Nachteil", dass man ewig braucht, um sich einzulesen und die Welt kennen zu lernen. So über mehrere Bände. Und wenn man dann irgendwann auf de Trichter kommt, dass die Welt nicht gut durchdacht ist, wird es für mich ärgerlich.
Gut gemachte neue Welten faszinieren dafür um so mehr.
Ein paar Klassiker sind gar nicht so schlecht, vor allem für das kurze Lesevergnügen zwischendurch, wenn man keinen komplett anderen Kosmos lernen möchte. Schlimm wird es vor allem, wenn der Schreiber das Ding zwar "Elf" nennt, aber es natürlich komplett anders aussehen muss, als die Disney- und Tolkien-Elfen, anders riecht, sich anders benimmt ... dann tut's auch ein anderer Name ;)

Okay, ich nehme das mal als Aufhänger, obwohl ich dir an sich nicht widersprechen möchte (einzige Ausnahme: Ich finde es nerviger, wenn ein Autor die Dinger nicht "Elf" nennt, obwohl sie im Grunde eben doch welche sind, siehe Tad Williams. Dann fühle ich mich nämlich wirklich verarscht.).

Was ich mal hinterfragen möchte, ist diese Einstellung, dass Mittelerde sozusagen das "default setting for all things fantasy" ist. Ein User hat mich vor kurzem zum Nachdenken gebracht, weil er (sinngemäß) meinte, dass er sich bei all dem immer abgefahreneren Weltengebastele manchmal nach der guten alten Elfen-und-Drachen (oder Elfen-und-Orks, ist ja auch egal) Fantasy, der "normalen" Fantasy zurücksehnt.

Diese Einstellung will ich gar nicht kritisieren, weil es ja Geschmackssache ist und ich mit 13 z.B. Terry Brooks ganz toll fand und unbedingt auch sowas schreiben wollte (HDR hatte ich noch nicht gelesen, den fand ich nach ein paar Seiten zu albern, habe das aber Jahre später nachgeholt, also nicht steinigen ;) ).

Was ich hinterfragen will, ist die Einstellung, dass es so etwas wie eine "Normalität" geben soll/kann/muss/darf. (Dass es sie offenbar gibt, ist eine andere Sache)

Klar hat Tolkien eine glaubhafte und wohldurchdachte Welt geschaffen, die das Gesicht der phantastischen Literatur des 20. Jahrhunderts ff. nachhaltig geprägt hat...blablablubb. Aber ich stelle mir mal folgendes Szenario vor: Ein Autor im Science-Fiction-Bereich würde seine Stories ständig nur mit Vulkaniern oder Klingonen bevölkern, weil ihm die 'Tierchen' halt so ans Herz gewachsen sind. Würde man ihm nicht automatisch vorwerfen, nur Fan Fiction zu schreiben?

Die Elfen, wie wir sie aus der heroischen/klassischen oder wie auch immer genannten Fantasy kennen, hat in dieser Form ja Tolkien 'erfunden', wenn mich nicht alles täuscht. Davor hat man sich Elfen mWn eher als schmetterlingsgroße Plagegeister vorgestellt. Zwerge gab es in dieser Form dagegen schon zuvor in der Mythologie und im Märchen. Die Elfen als 'edle Übermenschen' hingegen sind Tolkiens Schöpfung, wer sie also benutzt, der kopiert immer Tolkien. Das hätte Tolkien vielleicht gefreut, weil er da tatsächlich so etwas wie einen Archetypus geschaffen hat, aber es bleibt eben ein Geschöpf ausschließlich Mittelerdes, keine 'schon ewig dagewesene Mythengestalt'. (Wenn das nicht stimmt, schreibe ich freiwillig eine super-kitschige Elfengeschichte :) )
Man kann jetzt vielleicht sagen, dass es in der Fantasy sowieso eher um Allegorien geht, dass Tolkiens Elfen eben repräsentativ für viele Dinge stehen, dass es in der Fantasy sowieso um keine echten Charaktere sondern vielmehr um Repräsentanten für gewisse Ideale, Moralvorstellungen usw. geht, und die Elfen halt nun mal perfekt das Edle, Moralische, Weisheit, Feingeistigkeit etc. repräsentieren, und man deshalb immer so etwas wie Elfen in klassicher Fantasy braucht, da sie dem Derben, Degenerierten, Bösen etc. als Gegenpol dienen.

Aber es ist trotz allen Einflusses nur ein einziges Buch. *fußstampf*
Trotzdem werden Elfen automatisch als "normale" Fantasy-Bevölkerung angesehen, die es schon immer gab und immer geben wird.

Das ist nicht das Einzige, das mich an Fantasy abschreckt. Da gibt es ja auch noch Drachen (gibt es keine anderen großen, furcherregenden Tiere?), die Trolle, die Orks, die Zwerge usw. Alles Dinge, die mich grundsätzlich erstmal die Stirn runzeln und ein Buch doch lieber zurück ins Regal stellen lassen.

Vielleicht habe ich einfach nicht genug Fantasy gelesen, um überhaupt solche Behauptungen aufstellen zu können, aber das liegt u.a. auch daran, dass mir viele Fantasy entweder als Fan Fiction oder als abgewandelte Fan Fiction vorkommt, die eher das Ziel hat, sich in ihrer 'Tolkieneskheit' zu suhlen oder die Schlacht in Helm's Klamm (so hieß die doch?) zum x-ten Mal nachzustellen, als echte Charaktere zu schaffen.

Das, oder es ist mir einfach zu 'putzig'. Die 'Putzigkeit' der Hobbits war ursprünglich auch der Grund, weshalb ich so lange gebraucht habe, um die Mutter aller Klone zu lesen. Ich geb's zu: Hobbits, Kobolde, Rumpelwichte, Gartenzwerge und wie sie alle heißen, sind mir ein Greuel. :D

So, war das einigermaßen provokativ? Oder liege ich falsch? Oder bin ich einfach nur fantasielos, weil mir das nicht liegt?

Das soll nicht heißen, dass ich nicht offen fürs Romantische, Poetische und eben, ja, auch tolkieneske bin, wenn es eine originelle Story und echte Charaktere gibt. Gerade bei Kurzgeschichten geht es ja eher um die Pointe und mir persönlich auch um den Schreibstil und die Atmosphäre. Und wenn der Stil vielversprechend ist und ich nicht im ersten Absatz schon über zehn Klischees stolpere, werde ich auch eine 'klassische' Fantasiegeschichte gern lesen. Ob ich sie mir allerdings in Buchform kaufen würde, nachdem ich den Klappentext gelesen hätte, ist fraglich.

Vielleicht noch was zu meinem persönlichen "Realismus"-Anspruch, um zu verdeutlichen, was ich damit meine: Als ich so 15, 16 war, habe ich mir immer gewünscht, Stephen King (dessen Schreibstil mir damals eben als der Gipfel des Realistischen vorkam) würde mal Fantasy schreiben, in genau diesem Stil. Und dann meinetwegen sogar mit Elfen. Vielleicht geht es gar nicht so sehr um das Was als um das Wie.
Tja, und irgendwie habe ich die Turm-Serie immer noch nicht gelesen, aber das kommt noch (und ich hoffe, dass ich dann nicht auf einmal feststelle, dass mich SK inzwischen auch nur noch nervt). ;)

Okay, das war's erstmal. Ich hoffe, mir stürzt jetzt nichts ab...

Gruß,
Megries

 

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