Was ist neu

Er

Mitglied
Beitritt
18.03.2011
Beiträge
1

Er

Er fand sich auf der Bank aus Metall wieder, als er die Augen öffnete und in das gelbliche Licht blinzelte. Eine ungewohnte Wärme erfüllte seine Glieder, als er sich langsam aufsetzte.

Es war ja normal, dass die Bahnhöfe im Untergrund geheizt wurden. Ja, dachte er, es war normal. Sonst würden diese armen, verweichlichten Menschen hier frieren. Sie wissen nicht, was es heißt, zu frieren. Ja, sie wissen nicht, was es für ein Gefühl ist, in einer Nacht, in der Schnee fällt, im Freien schlafen zu müssen. Ohne genügend zum Anziehen, ohne Feuer, ohne Heizung oder andere Wärme.

Lange hatte er sie gestern beobachtet, bevor er eingeschlafen war. Wie sie rannten, um eine Bahn noch zu bekommen, wie sie sich unterhielten, aßen und tranken, was sie sich gekauft hatten, lachten oder sich durch die Menge drückten, um in eine Bahn zu steigen. Wie sie gingen. Manche schritten stolz und vornehm, andere schlenderten gelangweilt und willenlos an ihm vorbei. Sie waren alle so verschieden. Doch eines hatten sie alle gemeinsam: Sie hielten Abstand von ihm. In einem großen Bogen liefen sie an seiner Bank vorbei und mieden jeglichen Blickkontakt zu ihm.

Nur manches kleine Kind, das nicht wusste, wer oder was er war, ging neugierig auf ihn zu. Wie gut es tat, in dem Blick eines Menschen, und wenn er noch so klein war, keine Verachtung und Angst zu sehen. Es erfüllte ihn mit Wärme. Eine „seelische“ Wärme. Wenn dieses Kind sein Lächeln auch noch erwiderte, schien sein Herz Freudensprünge zu machen. Umso schmerzhafter war es dann aber, wenn die Eltern des Kindes angerannt kamen und es schnell weiterzerrten. Er verachtete sie.

Sie hatten vergessen, dass er nicht immer ein „gefährlicher“ Obdachloser gewesen war. Sie hatten vergessen, dass er einst einer von ihnen war.

Er lehnte sich zurück und beobachtete, wie einige der Menschen in eine Bahn stiegen und diese kurz darauf davonfuhr.

Oh ja, dachte er, es war nun schon 5 Jahre her. Er hatte Jonatan Keck geheißen, war verheiratet gewesen, hatte 2 Kinder und hatte als Sekretär gearbeitet.

Dann hatte er alles verloren.

Immer öfter hatte er zum Alkohol gegriffen. Dann war er nicht mehr ohne ihn ausgekommen. Von Tag zu Tag war es immer mehr Alkohol geworden. Später hatte er sogar auf der Arbeit getrunken. Als der Chef ihn dabei erwischt hatte, wurde er sofort entlassen. Das Geld, um die Familie zu ernähren, war immer knapper geworden. Trotzdem hatte er weiter getrunken. Er gab das dringend benötigte Geld für Alkohol aus. Seine Frau hatte oft auf ihn eingeredet. Doch der Alkohol hatte seine Sinne benebelt. Er konnte sich an den Tagen danach zwar daran erinnern, dass sie mit ihm geredet hatte, hatte aber nicht mehr gewusst, was sie gesagt hatte. Bald reichte seine Frau die Scheidung ein. Vor Gericht hatte sie das Sorgerecht für die Kinder bekommen und war mit ihnen vorübergehend zu ihrer Mutter gezogen. In der Zeit darauf hatte er hohe Schulden gehabt, weil er anstatt die Miete zu bezahlen, nur Alkohol gekauft hatte. Bald wurde sein gesamter Besitz gerichtlich eingezogen, um die Mietschulden zu begleichen. Schließlich hatte er die Wohnung räumen müssen und war auf der Straße gelandet.

Gleichgültig bückte er sich. Suchend ging sein Blick über die weißen Fliesen, die den Boden unter der Bank und des gesamten Bahnhofs bedeckten. Schließlich blieb er an einer halb leeren Bierflasche haften. Er nahm ein paar Schlücke von dem abgestandenen, warmen Bier. Wie schrecklich abgestandenes Bier schmeckte, dachte er bei sich und leerte die Flasche vollends.

Der Alkohol war seine Zuflucht. Ja, die Zuflucht vor dem Alltag. Er brachte ihn weg, setzte ihn in Trance, sodass er sein eigenes, armseliges Leben nicht mehr sehen musste. Sein Versagen, seine Nutzlosigkeit in dieser Welt. Sein sinnloses Dasein.

Und er vertrieb die Erkenntnis, dass er selbst daran schuld war, dass er jetzt hier schlafen musste. Ja, früher hatte er alles gehabt, was man zum Leben brauchte. Ein Zuhause, einen Job, Ansehen in der Gesellschaft, ein warmes, weiches Bett, Freunde und vor allem eine Familie. Jetzt hatte er niemanden mehr. Niemand nannte ihn mehr beim Namen, niemand war mehr da. Würde sich auch nur eine Person an ihn erinnern, wenn er jetzt sterben würde? Wer würde um ihn weinen? Er sehnte sich zurück, er wollte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Doch an seinem Leid war nur er schuld, nur er!

Der Gedanke schien ihn zu packen und nicht mehr los zu lassen. Er quälte ihn Tag für Tag. Wut, Trauer und Verzweiflung stiegen in ihm hoch.

Er starrte auf die leere Bierflasche in seiner Hand.

Von neuem packte ihn die Erkenntnis: Nur er!

Er schleuderte die Bierflasche mit solcher Wucht in den metallenen Mülleimer neben ihm, dass sie in ihm zerbrach. Viele Menschen drehten sich erschrocken zu ihm um, als die Flasche mit lautem Knall zerbrach und gingen dann kopfschüttelnd weiter.

Der größte Teil der Wut auf sich selbst war wohl mit der Flasche zerbrochen – zumindest vorübergehend. Doch jetzt machte sich die Trauer und Verzweiflung noch breiter.

Ja, der Alkohol war seine Fessel. Die Fessel, die er sich selbst angelegt hatte und nun nicht mehr los wurde. Nur durch ihn war er hier und nur, wenn er ihn wieder losgeworden war, hatte er eine Chance, sich wieder ein Leben aufzubauen.

Eine Gruppe von Schulkindern lief geordnet, in Zweiergruppen hintereinander an ihm vorbei. Es waren wohl Erst- oder Zweitklässler.

In dem Alter werden seine Kinder jetzt wohl auch sein. Sie waren noch so klein, als es geschah. Was wird seine Ex-Frau ihnen gesagt haben, als sie nach ihm fragten? Hatte sie ihnen erzählt, dass er sie alle nur wegen Alkohol im Stich gelassen hatte? Hatten sie darüber geweint? War es ihnen egal gewesen? Ja, er hatte sie im Stich gelassen. Seine Ex-Frau hasste ihn jetzt dafür. Und seine Kinder? Er würde sie nie wieder sehen. Wie könnte er ihnen auch unter die Augen treten, so wie er aussah?

Traurig sah er an sich herunter. Er trug abgetretene Schuhe, die aussahen, als würden sie jeden Moment auseinanderfallen. Man konnte nur erahnen, welche Farbe sie einst hatten. Die graue Jeans, die er trug, war bestimmt auch schon 2 Jahre alt. Man sah ihr auch an, dass sie mindestens so lange auch nicht mehr gewaschen worden war. An vielen Stellen war sie aufgerissen. Der braune Rollkragenpullover war in einem ähnlichen Zustand. Von ihm lösten sich schon die Fäden ab. Außerdem trug er eine alte, schwarze Winterjacke, die allerdings auch schon ziemlich mitgenommen aussah.

Wie erbärmlich er doch wirkte. Er war froh, dass er nicht auf seinen eigenen Kopf schauen konnte. Das, was die „normalen“ Menschen als Haare bezeichnen würden, war so dünn, dass man bis auf die Kopfhaut sehen konnte. Er hatte schon oft sein Spiegelbild gesehen, wenn er vor einem der vielen Schaufenster der Stadt stehen geblieben war. Die paar blonden Härchen auf seinem Kopf, waren wohl das armseligste an seiner Erscheinung. Irgendwann würden sie herausfallen. Ob er mit einer Glatze besser aussah?

Wenn seine Kinder erst einmal begriffen hatten, was geschehen war, werden sie sich bestimmt für ihn schämen. Werden sie Lügen über ihn erfinden, wenn ihre Klassenkameraden nach ihrem Vater fragten? Werden sie sagen, dass er ein wichtiger Geschäftsmann wäre und deshalb nie Zuhause ist? Oder werden sie in aller Öffentlichkeit über ihn herziehen? Werden sie der ganzen Welt sagen, was für ein Idiot er doch war?

Und wieder war sie da. Diese erdrückende Wut auf sich selbst. Wie ein immer enger werdender Käfig, schien sie ihn erdrücken zu wollen. Tag für Tag für Tag. Sie quälte ihn so sehr, dass er jedes mal am liebsten losgeschrien hätte. Er hasste sich und sein Leben. Es war kein Leben. Es war eine Folter. Das schlechte Gewissen, seine Fehler von damals und die Sehnsucht zurück waren die größte Folter, die es gab. Denn diese Art von Folter, schindet nicht den Körper sondern zerfrißt die Seele, sodass sie krank wird. Dann bekam man Depressionen, wie er oder Minderwertigkeitskomplexe, die einen gegenüber „normalen“ Menschen Aggressiv werden ließen. Viele der Betroffenen wurden sogar Schizophren.

Er stand auf und suchte in dem metallenen Mülleimer neben der Bank. Er suchte nach irgendwas. Irgendwas an dem er seine Wut auslassen konnte. Die Scherben, der zerbrochenen Flasche, Papier, Verpackungen,... Nichts Brauchbares. Enttäuscht trat er gegen den Mülleimer und humpelte dann zurück zu der Bank. Wieder blickten einige Leute verwundert herüber und er ließ sich immer noch wütend auf der Bank nieder.

Ja, er war depressiv. Was war in seinem „Leben“ denn noch positiv? Worüber konnte er sich denn noch freuen?

Traurig blickte er zu dem Mülleimer, dem er gerade eine Beule verpasst hatte.

Natürlich gibt es Organisationen die Obdachlosen helfen, dachte er. Dort bekommt man etwas zu essen, Kleidung, medizinische Versorgung und man kann sich waschen. Diese Organisationen könnten ihm auch helfen, von der Alkoholabhängigkeit wegzukommen. Doch er traute sich einfach nicht dort hinzugehen. Er wusste nicht warum. Vielleicht war er der Überzeugung, dass er das alles gar nicht verdient hätte? Oder vielleicht hatte er Angst, dass ihm Vorwürfe gemacht werden würden? Er wusste es einfach nicht.

Er bekam doch jeden Monat Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das Geld musste halt reichen. Er gab es zwar oft nur für Alkohol aus, aber durch den Alkohol merkte er bald nicht mehr, dass er Hunger hatte. Wenn er dann nach ein, zwei Wochen kein Geld mehr hatte, setzte er sich oft an eine Treppe des Bahnhofs und bettelte. So war er schon 5 Jahre durchgekommen. Wozu sollte er also zu diesen Organisationen gehen? Er kam auch gut ohne sie aus.

Für ihn war sein Leben schon gelaufen. Keine Freunde, keine Arbeit, kein Geld, kein Zuhause, keine Familie. Einfach gar nichts!

Und wieder stieg diese Wut in ihm auf, diese Verzweiflung und diese Trauer. Die Gefühle, die ihn Tag für Tag für Tag drohten zu erdrücken, zu ersticken und die ihn immerfort quälten. „Ich halte das nicht aus!“, wollte er rufen. Doch stattdessen durchsuchte er panisch seine Hosentaschen. Schließlich hielt er einen 5€-Schein in den schmutzigen Fingern und musterte ihn zufrieden. Langsam stand er auf und lief schnellen Schrittes in Richtung Ausgang des Bahnhofs.

Er würde Bier kaufen gehen. Viel Bier. Er würde alle seine Sorgen und Depressionen darin ertränken. Eine andere Möglichkeit sie los zu werden gab es nicht. Oder doch?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Telezombie

Ich habe leider etwas Mühe mit deiner Geschichte. Dein Text über einen Penner in der Bahnhofshalle plätschert vor sich hin wie ein Goldfischteich ohne Goldfische.

Er lehnte sich zurück und beobachtete, wie einige der Menschen in eine Bahn stiegen und diese kurz darauf davonfuhr.
Das ist so distanziert, wie ein geschlossener Kühlschrank.
Vorschlag: "Er lehnte sich an die kalte Betonwand und sah, wie ein Banker mit weissen Socken gerade noch den Intercity nach Mailand erwischte."

Oh ja, dachte er, es war nun schon 5 Jahre her. Er hatte Jonatan Keck geheißen, war verheiratet gewesen, hatte 2 Kinder und hatte als Sekretär gearbeitet.
Dann hatte er alles verloren.
Aber doch nicht seinen Namen, oder? ;) Und wie hat er alles verloren? Hat er Scheisse gebaut, hatte er was mit der Sekretärin vom Chef? Erzähls mir.

Immer öfter hatte er zum Alkohol gegriffen. Dann war er nicht mehr ohne ihn ausgekommen. Von Tag zu Tag war es immer mehr Alkohol geworden. Später hatte er sogar auf der Arbeit getrunken. [...] Trotzdem hatte er weiter getrunken. Er gab das dringend benötigte Geld für Alkohol aus. Seine Frau hatte oft auf ihn eingeredet. Doch der Alkohol hatte seine Sinne benebelt. [...] In der Zeit darauf hatte er hohe Schulden gehabt, weil er anstatt die Miete zu bezahlen, nur Alkohol gekauft hatte. Bald wurde sein gesamter Besitz gerichtlich eingezogen, um die Mietschulden zu begleichen. Schließlich hatte er die Wohnung räumen müssen und war auf der Straße gelandet.
Das ist eindeutig zuviel Alkohol und du erklärst mir das so ausführlich, - aber es passiert einfach nichts. Wenn du Sachen nur andeuten willst, um gewisse Hintergrundinformationen zu geben, dann fasse dich kurz, so bleibt dann mehr Platz für Aktionen.

Auch das hier erzeugt keine Spannung:

Gleichgültig bückte er sich. Suchend ging sein Blick über die weißen Fliesen, die den Boden unter der Bank und des gesamten Bahnhofs bedeckten. Schließlich blieb er an einer halb leeren Bierflasche haften. Er nahm ein paar Schlücke von dem abgestandenen, warmen Bier. Wie schrecklich abgestandenes Bier schmeckte, dachte er bei sich und leerte die Flasche vollends.

und hier gehts weiter mit noch mehr Alkohol:
Der Alkohol war seine Zuflucht. Ja, die Zuflucht vor dem Alltag.

Und er (genau, der Alkohol) vertrieb die Erkenntnis, dass er (nicht der Alkohol) selbst daran schuld war,
und dann müdet der ganze Abschnitt in der Erkenntnis
Doch an seinem Leid war nur er schuld, nur er!
Was ich damit sagen will, dein Text dreht sich im Kreis, er tritt auf der Stelle.
Dass dein Prot durch seine Schuld in der Gosse gelandet ist, weiss ich inzwischen, aber wo bleibt die Geschichte dazu?

Er schleuderte die Bierflasche mit solcher Wucht in den metallenen Mülleimer neben ihm, dass sie in ihm zerbrach. Viele Menschen drehten sich erschrocken zu ihm um, als die Flasche mit lautem Knall zerbrach und gingen dann kopfschüttelnd weiter.
Hier als Beispiel eine Stelle, die das grosse Problem in deinem Text widerspiegelt:
Du willst einfach zuviel erklären.

Beispiel: Was siehst du, wenn du statt dessen lesen würdest:
"Mit lautem Knall zerbrach die Bierflasche im Mülleimer."

Genau, er muss die Flasche geworfen haben. Und genau das bringt Fahrt in die Geschichte. Gib die richtigen Stichworte, der Leser ergänzt den Rest in seiner Phantasie, das macht viel mehr Spass.

Ja, der Alkohol war seine Fessel. Die Fessel, die er sich selbst angelegt hatte und nun nicht mehr los wurde. Nur durch ihn war er hier und nur, wenn er ihn wieder losgeworden war, hatte er eine Chance, sich wieder ein Leben aufzubauen.
Ach ja, Wiederholung, Wiederholung, gäähn.
Sorry, aber ich möchte dir einfach vor Augen führen, wie ich mich beim Lesen gefühlt habe.

Und nun ein weiteres Problem, das den Text schwach wirken lässt:

In dem Alter werden seine Kinder jetzt wohl auch sein.
Möglichkeitsform (Konjunktiv). Könnte, würde, müsste.
Warum nicht: Seine Kinder waren jetzt im gleichen Alter. - zack - Direkt in die Magengrube.

So, ich springe mal zum Ende, denn mehr als triefendes Selbstmitleid gibt der Rest nicht her.

Schließlich hielt er einen 5€-Schein in den schmutzigen Fingern ...
Er würde Bier kaufen gehen. Viel Bier. Er würde alle seine Sorgen und Depressionen darin ertränken. Eine andere Möglichkeit(Komma) sie los zu werden(Komma) gab es nicht. Oder doch?
Also ich weiss nicht, wieviel bei euch das Bier kostet, aber in der Schweiz gibts für 5 Euro gerade mal ein Sixpack. ;)
Und er wird die Sorgen (haben die einen Namen?) auch nicht los, er kann sie höchstens mit einem Rausch verdrängen.

Fazit:
Der Mann ist in der Gosse gelandet und ist selbst Schuld.
Ok, aber was wolltest du mir denn nun erzählen? Ich kenne nicht mal die Namen seiner Kinder.
Dein Text ist mir einfach zu dürftig um als Geschichte hängen zu bleiben.

Viele Grüsse,
dot.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom