Was ist neu

Ende

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01.03.2017
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Ende

Tim träumt seit vielen Tagen nicht mehr von seiner gesamten Geschichte. Da sind nur noch die Geräusche.
Schwerter krachen zusammen. Drachenschwingen peitschen durch die Lüfte. Raumschiffe schießen aufeinander ein. Geigen spielen ihre Symphonien und kämpfen gegen die Laute von Dudelsäcken. Bären brüllen. Adler kreischen. Dinosaurier stampfen. Geflüsterte Lügen wie „Ich liebe dich“ und geschrieene Wahrheiten wie „Er ist tot!“ mischen sich unter die Kulisse.
Und alles ist schwarz. Nichts ist zu sehen. Nur manchmal, wenn die Geräusche verstummen, erscheint das Feuer.
In einem Kamin verlieren vollbeschriebene, zusammengetackerte Seiten die Schlacht mit den Flammen. Sie fressen sich hinein ins Blatt, reißen die Buchstaben hinaus und schlingen die Wörter herunter. Sie lassen nichts zurück als Asche und Staub.
Tims Träume enden stets mit dem gleichen Wort. Auf einem schwarzen Hintergrund taucht es langsam auf und dann erscheint es noch einmal und noch einmal und es breitet sich über die ganze Schwärze. Es steht dort in weißen Lettern. Immer das gleiche Wort.
ENDE.

Tim erwacht.
Er reibt sich die Augen. Die Schemen von Buchstaben haben sich auf seine Netzhaut gebrannt und flackern nach. Er blinzelt nochmal stark, dann verklingen sie.
Tims Zimmer ist voller Geschichten. Riesige Bücherstapel stehen auf dutzenden Schränken. Zerfledderte Magazine und Comics verteilen sich über den Boden. Zwei Fernseher hängen an gegenüberliegenden Wänden. Vereinzelte E-Books füllen die letzte freien Fläche.
Tim steht auf. Mit waghalsigen, aber geübten Schritten bahnt er sich einen Weg durch das Chaos. Er gleitet durch eine Tür und begibt sich ins Wohnzimmer.
Auch in diesem Raum verläuft die Medienüberflutung zu keinem Ufer, sondern besitzt hier sogar ihre Quelle: Vier Fernseher, zig Bücher, drei Radios, Zeitschriften, Comics, DVDs und ein Beamer überschwemmen den ganzen Raum. Der Esstisch, die Stühle und die Couch sind nur noch zu erahnen. Es riecht nach verstaubten Seiten, nach ausgelaufenen Batterien und verbranntem Plastik.
Tim bahnt sich einen Weg ins Badezimmer. Hier scheinen die Medien abzuebben, doch vereinzelte Bücher neben Shampoos und sogar ein Fernseher über der Tür fanden einen Weg in das kalte Zimmer.
Tim blickt in den Spiegel. Er betrachtet seine dunklen Augen und die dunklen Haare und das helle Gesicht eines Zwanzigjährigen, das leicht ermüdet und stark erschöpft von seinen merkwürdigen Träumen ist. Aber etwas stimmt heute nicht an seinem Spiegelbild.
Seine Hand fährt an seine Brust. Denn dort im Spiegel sieht er wie sich dicke, schwarze Linien hinab in den Kragen seines weißen T-Shirts winden. Mit einem Finger zieht er den Ausschnitt weiter nach unten, doch kann er die verästelnden Striche nicht in ihrer Gänze erkennen. Er zieht das T-Shirt aus. Große, schwarze Buchstaben kleben auf seiner Haut wie ein Tattoo. Sie bilden ein einziges Wort: ENDE.
Nervös versucht Tim die Lettern abzurubbeln. Als er sieht, dass sie haften bleiben, greift er zu einem Schwamm, träufelt ein wenig flüssige Seife darauf und beginnt das Wort abzuschrubben, aber auch der Schwamm versagt.
Zitternd öffnet er einen Schrank unter dem Becken und holt eine Nagelfeile hervor. Zögernd und unter leichtem Zucken geht er dazu über, die Buchstaben abzukratzen. Doch bei jeder Berührung graben sich die Buchstaben fester in die Haut. Schwarzes, dickes Blut tritt aus den wunden Stellen hervor.
Tim schließt die Augen.

Und öffnet sie wieder.
Die Umgebung hat sich gewandelt. Tim steht, während er die Feile weiterhin in der rechten Hand hält, in einem hellen Raum, der ohne fremde Lichtquelle weiß strahlt. Der Raum ist über und über mit beschriebenen Seiten bedeckt. Sie kleben an den Wänden, an der Decke und am Boden. Sie überlappen sich, hängen übereinander oder besitzen ihren ganz eigenen persönlichen Platz.
Tims Augen weiten sich. Denn in einer Ecke quillt etwas Schwarzes hervor. Eklig und klebrig wie Pech. Die umliegenden Seiten sind über und über mit ENDEn bedeckt.
Mit verschwitzten Händen geht Tim auf die Ecke zu. Er beugt sich hinab. Es riecht nach Verwesung und altem Papier. Langsam nährt sich Tim mit der Feile der Schwärze, doch dort, wo die Feile auftrifft, wird es plötzlich fest wie Stein. Tim gibt der Feile mehr Druck, versucht, die Schwärze anzuheben, aber die Feile zerbricht.
Schwer atmend schließt Tim wieder die Augen.

Als er sie öffnet, rennt er sofort aus dem Badezimmer hinüber ins Wohnzimmer. Wild suchend kramt er durch seine Sachen. Schmeißt Bücherstapel um, wirft DVDs beiseite und schiebt sogar einen Fernseher aus dem Weg – bis er schließlich eine Packung großer Streichhölzer findet.
Er reist zurück.

Nachdem er die Augen öffnet, zündet er ohne zu Zögern ein Streichholz an und bückt sich hinunter zu der schwarzen Ecke. Seine Hände zittern, als er das schmale Holz hinab zur Schwärze führt.
Doch sobald die Flamme die Ecke erreicht, erlischt sie. Dunkler Qualm steigt ihm in die Nase. Er lässt das Streichholz fallen.
Die Schwärze breitet sich weiter aus.

„Du hast versucht es zu verbrennen?“
Der Therapieraum ist warm beleuchtet. In Regalen stehen Bücher über Mutter-Kind-Verhältnisse und berühmte Personen wie Mutter Teresa. Zwischen den Regalen hängt ein großes Aquarellbild, auf dem eine Frau und ein Kind, beide an den Händen haltend und nach vorne blickend, in einem Wald stehen.
Tims Therapeutin Anne sitzt ebenso wie Tim auf einem gemütlichen Sessel, der vor einem Fenster mit bunten Vorhängen steht. Durch das Fenster fällt rötliches Licht.
Anne ist eine Frau mittleren Alters. Ihre Augen glitzern braun und die ebenfalls braunen Haare sind zu Locken gewellt. Auf ihrem Schoß liegt ein Klemmbrett. Sie hält einen roten Kugelschreiber in der Hand.
Auf Tims Körper sind mehr Tattoos, mehr ENDEn, erschienen: Eins am Arm und eins über der rechten Augenbraue. Wunde, rote Stellen umgeben die Buchstaben.
Vor den beiden dampfen zwei Tassen Tee auf einem kleinen Tisch vor sich hin.
„Feuer in der eigenen Legende! Du hättest irreparablen Schaden anrichten können. Du hättest – ...“
„Ich geriet in Panik.“
Auch wenn Annes Nasenflügel beben, so kann die Sanftheit ihrer Stimme den Worten nicht genügend Kraft verleihen. Als sie in Tims von Sorgenfalten geprägtes Gesicht sieht, lockern sich ihre Züge vollständig.
„Ja ... Es tut mir leid.“
„Was … Was geschieht mit mir?“
Anne schaut auf ihr Klemmbrett. „Du wirst auserzählt, denke ich.“
Tim schüttelt den Kopf. „Ich dachte, dann verblassen wir. Ich dachte, dann wandern wir zum Ort der Fantasie. Ich dachte, dann fügen wir uns mit anderen zusammen.“
„Ja.“ Anne nickt. „Normalerweise.“
„Normalerweise?“
„Normalerweise wissen die meisten Geschichtenkerne auch nicht, dass sie welche sind. Hättest du mich nicht getroffen, wärst du wahrscheinlich schon vor Jahren vergangen.“
„Können Sie mir helfen?“
Anne blickt aus dem Fenster. „Wahrscheinlich bist du eine geheime Erzählung, die nur noch im kleinen Kreis weitererzählt wurde – und jetzt vergessen wird.“
„Können Sie mir helfen?“ Tim beugt sich vor.
„Sie verändert sich nicht. Sie träumt nicht in einer anderen. Sie ... verschwindet. Vollkommen.“
Tim steht auf.
„Helfen Sie mir.“
Anne schaut zu ihm auf. Ein weiteres ENDE erscheint langsam auf seiner rechten Wange.
„Nein. Ich kann nicht.“
Tim presst seine Zähne aufeinander; die Wangenknochen treten vor. „Warum nicht?“
Ihre Stimme erreicht einen sanften Singsang. „Kerne vergehen. Man kann das Ende nicht aufhalten und man sollte es auch nicht.“
Sie sterben nicht.“
Nun steht auch Anne auf, während sie Klemmbrett und Kugelschreiber auf den Tisch neben die Tassen legt. Sie schauen sich beide in die Augen. Anne ergreift Tims rechtes Handgelenk.
„Ich bin auch mehr als eine zum Leben erwachte Geschichte.“
Sie schließt die Augen.

Als Anne sie wieder öffnet, hat sich die Umgebung verändert.
Annes Legende ist größer als Tims. Zwar ist der Raum ebenfalls verhangen mit beschriebenen Blättern, doch neben den Seiten befinden sich Bilder darunter. Bilder von Frauen in dutzend Größen, sämtlichen Hautfarben und jeglichem Alter. Auf manchen von ihnen steht ein ENDE groß und fett quer über der Seite.
An einer Wand befindet sich ein Fernseher. Darauf werden unterschiedliche Szenen gezeigt; immer wieder sind Frauen im Mittelpunkt zu erkennen.
„Als Archetyp vergehe ich nicht“, beginnt Anne. Sie schaut sich um und findet ein Bild zur ihren Füßen, auf dem eine Frau zu sehen ist, dessen Aussehen ihr ähnelt. Ein ENDE breitet sich darauf aus. Sie bückt sich und hebt es auf.
„Wenn eine Geschichte endet - ...“
Sie zerreißt das Bild in zig Fetzen. Die Schnipsel fallen langsam zu Boden.
„- werde ich zu einer Neuen.“
Annes Aussehen transformiert sich. Sie wird kleiner, ihr Rücken gerader. Die Haare färben sich blond und glätten sich. Ihr Sweatshirt wandelt sich zu einem T-Shirt mit rotem Rock. Sie ist jünger als zuvor. Die Verwandlung geschieht von rechts nach links; eine neue Seite öffnet sich.
„Dann machen Sie mich zu einem“, schlägt Tim vor. „Machen Sie mich zu einem Archetypen.“
Anne lacht kurz auf. „Dazu bin ich nicht fähig. Die Menschen entscheiden.“
„Sie sind machtvoll. Helfen Sie einem ihrer Kinder.“
Anne schüttelt leicht den Kopf. „Wenn ich könnte, hätte ich dir schon längst geholfen.“
„Lügen Sie mich nicht an.“
Tims Hände haben sich zu Fäusten geballt. Er greift in seine Hosentasche und holt die Streichholzschachtel hervor. Mit verkrampften Fingern wählt er ein Streichholz. Er hält es an die raue Seite der Schachtel, bereit es anzuzünden.
„Helfen Sie mir.“ Da ist keine Wut mehr in seiner Stimme. Kein Zorn. Nur noch pure Verzweiflung.
Anne tritt ein paar Schritte auf ihn zu, eine Hand sanft erhoben. Tim drückt das Streichholz näher an die Schachtel.
„Tim ... Die Legende eines Archetypen zu verletzen ist eine schändliche Tat. Die Menschheit wäre nicht mehr dieselbe.“
„Ich sterbe.“
„Auch wenn das schrecklich ist, so ist das notwendig. Wenn Kerne enden, können sich die anderen weiterentwickeln. Neu bilden.“
Tims Lippen bilden ein kaltes Lächeln.
„Archetypen dürfen leben, aber Kerne müssen sterben?“
„Irgendwann hat jede Geschichte ihr Ende erreicht. Ihren Epilog erzählt.“
Tims Grimasse erstirbt.
„Ich dachte, Sie symbolisieren die Mutter. Die Mutter in allen Geschichten. Wo ist Ihre Liebe jetzt?“
Anne tritt wieder einen zaghaften Schritt näher an Tim heran.
„Du verstehst nicht – ...“
„Natürlich verstehe ich“, gibt Tim zurück. „Natürlich verstehe ich euch Archetypen.“
Sein Blick wandert über die zahlreichen Bilder. Schließlich bleibt er an einem Portrait hängen, rechts neben ihm. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu und reißt es von der Wand. Darauf ist eine Frau zu sehen, die Annes Aussehen gleicht.
„Wenn Geschichten sich nicht weiterentwickeln oder vergehen, entstehen keine Neuen.“
Anne nickt eifrig. „Richtig. Deshalb ist dein Ende nicht ohne Bedeutung.“
Tim zündet das Streichholz an. Anne stöhnt auf.
„Wenn es keine neuen Geschichten gibt, gibt es keine weiteren Mütter. Irgendwann wäre dieser Raum leer. Sie würden sterben.“
Tim hält die Flamme an das Bild. Er betrachtet, wie das Feuer sich über das Bild ausbreitet, es komplett zerstört. Ehe er es fallen lassen kann, springt Anne auf ihn zu.

Tim und Anne sind zurück im Therapieraum. Draußen wird es langsam dunkel. Die Wärme im Raum verschwindet nach und nach durch das offene Fenster.
Annes Aussehen hat sich verwandelt. Sie ist nun älter, noch älter als sie es zu Anfang war. Ihre Haare zeigen graue Strähnen und ihr Gesicht ist übersät mit tiefen Falten.
Aus Tims Händen rieselt Asche. Die Flammen sind durch die Reise erloschen. Mit rasselndem Atem sieht er den Flocken dabei zu, wie sie hinab auf den Teppich fallen und sich einnisten. „Du denkst falsch über mich“, spricht Anne. Tim schaut auf, die Stirn gerunzelt. Sie geht hinüber zum Fenster und blickt in die aufkommende Dunkelheit. Personen laufen auf der gegenüberliegenden Straße vorbei. Annes Augen folgen einem Jungen, mitten in der Menge, der ein Buch in der Hand hält. Seine Finger haben es fest umklammert. Er schaut immer wieder mit gerunzelter Stirn hoch zum Himmel.
„Menschen brauchen uns.“
Sie wendet sich wieder vom Fenster ab und breitet die Arme aus. „Ohne Geschichten wäre dieser Raum überfüllt von psychisch Kranken.“
Tim betrachtet die Asche in seiner grauen Hand. Er versucht noch etwas abzuschütteln, doch da erblickt er, dass sich ein ENDE auf seiner Handfläche gebildet hat.
„Aber ich werde nicht nur vergehen. Ich werde ... was genau geschieht mit mir?“
Er schaut Anne lange in die Augen. Sie hält dem Blickkontakt nicht stand.
„Ich weiß es nicht.“
Sie schweigen einen Moment. Schließlich ergreift Tim wieder das Wort.
„Aus mir wird nichts Neues entstehen. Mein Tod nützt niemandem etwas.“
Anne schluckt. Sie wartet kurz, dann holt sie Luft.
„Träumst du noch von dir? Von deiner Geschichte? Spürst du ihre Figuren?“
„Ich … höre nur noch die Geräusche. Es ist alles schwarz.“
Eine letzte Ascheflocke löst sich von seiner Hand.
„Und Flammen“, fügt er hinzu. „Manchmal sehe ich Flammen. Seiten werden verbrannt.“
„Dann wird dein Buch vernichtet. Ich kann dir wirklich nicht – ...“
„Es ist kein Buch.“
Vor Verblüffung kann Anne ihren Mund nicht schließen.
„Es ist ... ein Manuskript.“
„Oh.“
Anne stolpert langsam zu ihrem Sessel und lässt sich auf ihn fallen. Ihr Fuß stößt dabei gegen den Tisch auf dem die erkalteten Tassen gefährlich wackeln.
„Anscheinend ... dein Autor ...“, beginnt sie.
Schnell setzt sich Tim auf seinen Sessel und stellt die Ellenbogen auf die Knie ab. Er faltet die Hände.
„Er hat dich bis zum Ende ausgeschrieben“, fährt Anne fort. „Dich zum Leben erweckt. Und dann ... dann hat er dich aufgegeben.“
Tim versucht ihre Worte voll und ganz zu verstehen.
„Mein Autor? Er … Er tut mir das an?“
„Nicht wissentlich, denke ich.“
„Können wir mit ihm sprechen?“
„Nein“, bricht es aus Anne hervor. „Er muss die Hoffnung in dich alleine finden. Eine erzwungene Geschichte ist eine qualvolle Existenz. Denk an Finn. All die Neuverfilmungen ... Sie haben ihn verändert. Nicht zum Besseren. Nein. Dein Autor ... er muss selbstständig zurück zu dir finden.“
Tim lehnt sich zurück. Jegliche Anspannung fällt von ihm. Drei ENDE gleichzeitig erscheinen an beiden Armen und über der Stirn.
Anne streckt eine Hand nach Tims Gesicht aus. Doch auf halber Strecke lässt sie sie kurz in der Luft hängen und schließlich ganz fallen.
„Vielleicht können wir Zeit gewinnen“, sagt sie. „Lies. Schau. Hör. Konsumiere so viele Geschichten wie möglich. Möglicherweise halten sie dich lange genug am Leben.“

Im Badezimmer haben sich zig mehr Medien versammelt. Offene Bücher liegen in der Badewanne. Zeitungen tapezieren den Boden und ein Fernseher mehr hat sich über der Toilette dazu gesellt.
Tim steht mit freiem Oberkörper vorm Spiegel. Mehr Tattoos sind erschienen. Sein ganzer Brustbereich ist fast vollständig schwarz.
Er greift zu dem T-Shirt, das er über den Badewannenrand gelegt hat und zieht es an.
Dann schließt er die Augen.

Die Schwärze in der Legende hat sich weiter ausgebreitet. Sie nimmt nun die Hälfte des Raumes ein und sie breitet sich immer weiter aus. Doch ...
Tim tritt ein paar Schritte näher an die Schwärze. Dort, in der Mitte seiner Legende, an einer Wand, hängt eine Seite. Weiß und strahlend und von der Schwärze gänzlich unberührt. Seine Finger fahren über das Blatt. „Was - ?“, kommt es nur aus ihm heraus.
Sein Blick fällt zurück zur Schwärze. Sie geht nun auch dazu über, die andere Hälfte des Raumes anzugreifen.
Er hebt seine rechte Hand; die Handfläche gerade ausgestreckt. Dann fährt er mit ihr einen Bogen von rechts nach links als würde er eine große Buchseite umschlagen. Und tatsächlich – der Raum faltet sich zusammen. Von rechts nach links. In der Mitte bildet sich eine Falte und die rechte Wand fällt langsam in sich zusammen, um sich über die andere Wand zu stülpen. Auch Tims Körper klappt zur Seite, nur um sich an einem neuen Ort wieder aufzurichten.
Tim befindet sich in einem kleinen Wald. Doch es ist kein mit Eichen und Tannen übersäter Forst, sondern die Bäume bestehen aus Lutschern und Zuckerstangen. Der Wind riecht nach Zucker und Zimt. Das Gras kriecht aus der Erde, leicht angerissen an den Seiten wie essbares Papier.
In diesem Waldstück stehen mehrere Personen: Eine grazile Frau mit einer vierzackigen Krone auf lockigem Haar unterhält sich mit einem älteren Mann, der einen schwarzen Bart und einen blauen Umhang, der in einer Kapuze endet, trägt. Zu seinen Füßen steht ein Kind, vollkommen verängstigt, ein Junge. Er hält ein Buch in der Hand. Im Hintergrund bilckt ein grimmig dreinblickender Geselle, mit Muskeln übersät, die Haare rot, hinüber zum Ende des Waldes. Denn dort ragt es hervor. Die Schwärze. Die ENDEn beginnen, den Wald anzugreifen. Manchmal ragt ein Tentakel, komplett aus Buchstaben bestehend, aus dem Nichts hervor, greift einen Zuckerstangenbaum und reißt ihn in die Tiefe.
„Tim!“
Er bewegt sich auf die Königin zu, die seinen Namen ruft, als sie ihn unter seiner dunklen Haut erkennt. Sie umarmen sich.
„Seid ihr alle, die noch übrig sind?“
Die Königin nickt, als sie die Umarmung löst. „Es sind noch manche Länder nicht betroffen, aber ihre Bewohner ... Sie sind alle fort. Tim, was geschieht hier?“
„Ich sterbe. Wir sterben.“
„Sagtest du nicht, dass – ...“
„Ja. Aber das hier ist anders. Unser Autor gibt alles auf. Die Geschichte. Ihre Figuren. Mich.“ Seine Schultern hängen noch tiefer als sonst.
„Was wirst du tun?“
„Geschichten. Ich werde ganz viele Geschichten aufnehmen. Anne meint – sie sagte, dass eine große Konfrontation mit ihnen mich vielleicht wieder ein wenig in die richtigen Bahnen führen kann. Ich – ...“
„Du glaubst nicht, dass sie wirken, nicht wahr?“
Tim blickt zurück zur Schwärze. Ein riesiger Tentakel kracht aus der Tiefe hervor und schlägt direkt neben dem grimmigen Krieger ein. Er springt zur Seite und fällt fast in einen Busch, der aus Zuckerwatte besteht.
„Es sind doch nur Geschichten, was sollten sie ...“
„Nur Geschichten?“ Die Königin weist auf den Krieger, der dabei ist sich stöhnend wieder aufzurappeln. „Krieg.“ Sie schaut dem bärtigen Mann in die Augen. „Schmerz.“ Dann streichelt sie dem Jungen durch die Haare. „Verlust. Egal wie schrecklich die Welt ist, wir kehren immer wieder zu ihnen zurück. Weißt du, warum? Weißt du, warum wir Geschichten lieben?“
Tim will antworten, doch es kommt nichts aus ihm heraus. Schließlich muss er sich sogar eingestehen, dass er gar keine Antwort hat. Er schüttelt den Kopf.
„Weil sie neben uns das Menschlichste sind, das wir kennen. Sie fühlen sich nicht nur lebendig an ...“ Sie berührt mit einer Hand Tims von ENDEn verzerrten Wangen. „Sie sind es. Du unterschätzt ihre Macht.“
„Was werdet ihr tun?“
„Kämpfen.“
„Wie? Ihr habt keine Waffen.“
Die Königin lächelt. „Doch.“
Sie bückt sich hinunter zu dem kleinen Jungen. Zitternd blickt er hinauf zu dem Mann neben ihm. „Gib es ihr“, spricht er in einer ruhigen Stimme. Mit wackeligen Händen reicht er der Königin sein Buch.
„Wir haben die gleiche Waffe wie du.“ Sie nimmt das Buch entgegen, hält es hoch und streicht mit den Fingern über den Buchdeckel. „Geschichten.“
Tim schaut ihr tief in die Augen. Er nickt anerkennend. „Viel Glück.“
„Viel Glück, Tim.“
Dann tritt sie zur Seite, nimmt die Hand des Kindes und zusammen mit dem bärtigen Mann gehen sie an den Rand des Waldes, hin zum Krieger. Ein Buchstabententakel taucht auf. Die Königin öffnet ihr Buch. Der Tentakel holt aus.
„Es war einmal mitten im Winter“, beginnt sie, „und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel. Da saß eine Königin am Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte.“ Der Tentakel fängt plötzlich an in der Luft vor sich hin zu zucken. Manche Buchstaben fallen von ihm herab und landen in der Finsternis unter ihm. Er versucht nach der Königin zu langen, doch etwas hält ihn zurück.
Tim hebt eine Hand vor sich. Er blättert die Legende zurück. Von links nach rechts. Der Wald klappt zusammen – die Königin, der Krieger, der bärtige Mann, das Kind – sie alle fallen zur Seite, während der Tentakel in tausend Buchstaben zerbirst.
Tim befindet sich zurück im Raum der Seiten. Argwöhnisch blickt er zu der einen weißen Seite, doch da bemerkt er wie ein weiteres ENDE auf seiner Handfläche erscheint. Er formt sie zu einer Faust und schließt die Augen.

Als er sie öffnet, rennt er zurück ins Wohnzimmer. Auch hier verteilen sich mehr Bücher, Filme, Magazine und Hörspiele. Tim findet einen Weg zu einem Fernseher zu seiner Rechten. Er schaltet ihn an. Ein alter Schwarz-Weiß-Film flimmert über den Bildschirm und taucht das Zimmer gleichzeitig in dunkles und helles Licht.
Tims Statur verändert sich. Sein Gang ist graziler, seine Bewegungen gleiten und wirken feminin. Seine Stimme ist höher.
„Selbst wenn die Krone zerbricht, mein Kind, und der Krieger verliert, bleibt uns noch die Hoffnung.“
Tim geht hinüber zu einem weiteren Fernseher an der gegenüberliegenden Wand, der direkt über der Couch hängt. Tim klettert hinauf und schaltet ihn ein. Der Bildschirm zeigt eine Science-Fiction-Serie. Die Geschosse der Raumschiffe füllen den Raum mit mechanischem Lärm.
Tims Präsenz verändert sich weiter. Jetzt ist sein Gang träger, sein Bauch wirkt fülliger. Seine Stimme ist dunkel.
„Was wäre ich für ein Zauberer, hätte ich die Hoffnung aufgegeben?“
Er bewegt sich hinüber zum dritten Fernseher, der sich direkt neben der Tür zum Badezimmer befindet. Er schaltet ihn ein. Eine Comedy-Serie strahlt ihm entgegen. Die aufgenommen Lacher kämpfen gegen die Geräuschkulisse des Science-Fiction-Streifens.
Tim geht nun wieder aufrecht. Sein Rücken ist gerade und wirkt unzerbrechlich. Der Blick ist eisig. Er stellt sich auf einen Stuhl am Esstisch.
„Und selbst wenn wir verlieren – selbst wenn wir sterben sollten – so leben wir nicht weiter hoffnungslos unter diesem törichten Tyrannen!“ Er greift nach einer Fernbedienung, die auf dem Tisch liegt und schaltet den vierten Fernseher an und nimmt dabei die ganze Wand ein. Der riesige Bildschirm leuchtet abrupt auf. Ein Krimi wird gezeigt: Zwei Polizisten unterhalten sich über den Tathergang.
Tim springt vom Stuhl. Er hüpft nun herum wie ein Kind und eilt von einem Radio zum nächsten, immer wieder leise giggelnd und laut lachend. „Der Sandmann meinte, dass es etwas gibt, das besser ist als jede Erdbeertorte der Welt.“
Er springt hoch zur Decke und schaltet den Beamer an. Er strahlt einen Fantasy-Film direkt an die große Leinwand. Zwerge und Kobolde kämpfen gegen gigantische Riesen.
„Hoffnung.“
Tim wird wieder er selbst.
Im ganzen Raum dröhnen ihm die Stimmen und Geräusche aus zahlreichen Fernsehserien, Filmen, Hörbüchern und -spielen entgegen. Sie werden lauter und lauter, fachen sich schon fast gegenseitig an.
Tim atmet ein.

„Ach du Scheiße!“
Tim und Anne stehen im Therapieraum. Es ist Nacht geworden. Das Zimmer ist jetzt kalt und dunkel.
Tim ist gerade dabei die Kapuze eines Pullovers zurückzuziehen. Fast sein gesamtes Gesicht ist schwarz. Die ENDEn haben sich überall ausgebreitet, jede einzelne Faser übernommen und jede Helligkeit erstickt. Nur noch vereinzelt ist Haut zu erkennen.
„Es hat nicht funktioniert.“
„Ich kann dir nicht – ...“, beginnt Anne und stockt, als sie erkennt, dass sie die Kühle in ihrer Stimme nicht bewahren kann.
„Ich weiß.“ Tim ist den Tränen nahe. „Darum bin ich nicht hier. Ich brauche eine Mutter.“
Anne beobachtet ihn einen Moment. Sie möchte etwas sagen, doch dann … umarmt sie ihn. Jetzt fängt Tim an zu Weinen. Die Tränen rinnen seine schwarze Haut hinab.
„Ich möchte nicht gehen. Nicht allein.“
Er schließt die Augen, um die Tränen zu stoppen.

Die Umgebung verschwindet und wird durch Tims Legende ausgetauscht. Sie ist fast vollkommen schwarz. Nur noch vereinzelt liegen Seiten herum, die nicht angegriffen wurden.
An jeder Wand stehen Fernseher mit schwarzen Bildschirmen. Bücher, DVDs und Comics verteilen sich über den Boden, doch sie sind alle tiefschwarz.
„Das wirst du nicht“, spricht Anne.
Sie beide sinken zu Boden.
„Möchtest du eine Geschichte hören?“, fragt sie ruhig. Tim gibt nur einen Schluchzer von sich.
„Es ... es war einmal ein Kern, der wissen wollte, welche Geschichte er war und vor allem, ob er ein Happy End hatte. Denn – Denn manche Geschichten endeten … tragisch.“
Anne betrachtet den schwarzen Jungen in ihren Armen. Sieht seine Tränen, seine Verzweiflung und seine Furcht. Ihre rechte Hand fährt an ihre Wange. Eine Träne ist aus einem Auge gekrochen.
„Eines Tages“, fährt sie fort, „begann der Kern, die Seiten in seiner Legende zu lesen und – ...“ Sie hält inne. Ihr Blick ist auf eine Seite zu ihrer Linken gefallen. Eine Seite, die von der Dunkelheit nicht betroffen ist. Sie liest die ersten Zeilen.
Dann zucken ihre Hände vor und ergreifen das Blatt. Tim schaut auf. „Was ist los?“
Sie hält ihm die Seite vors Gesicht. „Diese ... Seite ... Sie ...“, stottert Anne. Sie holt Luft. Dann beginnt sie, sie vorzulesen.
„Tim träumt seit vielen Tagen nicht von seiner gesamten Geschichte. Da sind nur noch die Geräusche.“
Tim reißt ihr die Seite aus der Hand. „Was?!“ Er liest sie komplett durch. Nimmt jeden einzelnen Buchstaben auf. Frisst die Wörter. Atmet die Sätze. Und plötzlich ...
„Tim!“, ruft Anne. „Deine Hand ... Die Schwärze verschwindet!“
Tim blickt auf seine Finger. Nach und nach verblasst ein ENDE und helle Haut wird sichtbar.
„Was haben Sie getan?“, keucht Tim.
„Nichts ... Ich denke – er rettet dich.“
„Wer?“
„Dein Autor.“
„Ich verstehe nicht – ...“
Anne steht auf. Mit schnellen Schritten nimmt sie die restlichen weißen Blätter von den Wänden und dem Boden. Ab und zu wirft sie einen Blick über die Worte.
„Ich glaube, du bist jetzt nicht nur noch ein Kern. Er ... hat dir eine Geschichte geschenkt.“
Sie weist auf die Seiten in ihrer Hand. Sie setzt sich wieder hinab zu Tim.
„Aber nicht nur irgendeine. Sondern eine Geschichte direkt über dich. Über dein Leben als Kern. Du hast nun einen eigenen Kern – und solange der neue Kern lebt, lebst auch du.“
Sie blättert durch die Seiten.
„Du bist die erste Geschichte ... mit Geschichte. Und wie es aussieht bist du … bist du Teil einer ...“
„Kurzgeschichte“, beendet Tim ihren Satz.
Er reicht ihr die erste Seite. Sie schaut auf.
„Lies sie mir vor.“ Seine Augen glitzern leicht, trotz der Dunkelheit, die sie umgeben. „Bitte.“
Die Tränen sind aus seinem Gesicht gewichen und sogar ein weiteres ENDE löst sich von seiner linken Wange.
Anne nickt. Dann beginnt sie, alles vorzulesen. Tims Körper bebt leicht unter den gesprochen Worten, seine Finger zittern und sein Körper strahlt eine angenehme Anspannung aus. Je mehr Anne vorliest, desto mehr Schwärze verschwindet immer weiter aus Tims Gesicht. Die ENDEn verblassen einer nach dem anderen. Nur noch wenige sind zu erkennen, als Anne den letzten Satz vorliest.
„Die ENDEn verblassen einer nach dem anderen. Nur noch wenige sind zu erkennen, als Anne den letzten Satz vorliest.“
Sie stockt. Tim blickt auf. Ein ENDE auf seiner Stirn ist gerade eben verschwunden. „Was ist?“
Anne dreht das Blatt in den Händen. „Hier steht nichts mehr.“ Sie reicht ihm die Seite. „Er … nein, er hat dich schon wieder aufgegeben. Nein. Nein … Die Geschichte … ist vorbei.“
Tim begutachtet das Blatt. Er berührt mit den Fingern den leeren Absatz. Bei beiden kehren die Tränen zurück.
Auf einmal ist dort diese Stimme. Eine tiefe, brummige Stimme, die die Legende erfüllt, in Tims Ohren widerhallt und für ihn gleichzeitig fremd, aber auch sehr vertraut klingt. „Nein. Wartet. Ich schreibe sie gerade zu Ende.“
Daraufhin tauchen Buchstaben auf – nach und nach, direkt unter dem letzten Satz – ein S. Ein I. Ein E. Sie. Mehr Buchstaben erscheinen. „Sie ist noch nicht vorbei.“
Die letzten ENDEn verlassen Tims Körper, verschwinden vollends und lassen nichts zurück, dass auf ihre Existenz hingewiesen hätte.
Tim lebt.
„Aber sie ist es jetzt“, sage ich.

 

Hej Sim123,

anfangs habe ich noch mim Stift da gesessen und notiert, was mir auffiel. Kurz nach dem Anfang allerdings habe ich nur noch gelesen. Zum einen weil diese Idee so schön ist, wie die von Tintenherz (Cornelia Funke), zum anderen, weil du dir genauso schön Zeit lässt, sie zu erzählen. Ich hätte fast beinahe geweint, als Tim in Annes Armen liegt und denkt, sterben zu müssen. Heidegott. :cry:
Ich habe dann aber hier und dort gestockt, vermutlich weil ich überfordert war mit all den Begriffen und den Geschichten, bekam so schnell die Bilder nicht zustande. Was geschieht mit Tim, mit Annes Veränderungen, mit den Figuren in Tims Geschichte, mit seiner realen Welt in seiner Wohnung ... leicht überfordert. Vermutlich weil ich das aus Neugier so drübergeflogen bin. :shy:

Andererseits war es gegen Ende ;) deiner Geschichte, Achtung Verwirrung, sprachlich etwas unpräziser als zu Beginn. Du hast viele Wortwiederholungen darin, wie z.B. plötzlich.

Es riecht nach verstaubten Seiten, nach ausgelaufenen Batterien und vermodertem Plastik.

Ich muss überlegen und denke nach und stoppe meinen bisherigen äußerst interessierten Lesefluss und komme zu dem Entschluss: Ich habe keine Ahnung, wie vermodertes Plastik riecht. Das ärgert mich, denn bisher war ich sehr dicht dran an Tim und seinem Lebensraum.

Er wandert zurück.

Hier wundere ich mich, denn in der Szene zuvor machte er einen hektischen Eindruck, etwas Seltsames geschieht ja auch. In diesem Zusammenhang passt so etwas wie wandern nicht ins Bild, finde ich. Ist es doch etwas, was man gerne macht, eher sportlich als bloße Fortbewegung. Hmh.

Ich habe deine fantasievolle Geschichte über Geschichten und deren Figuren sehr gerne gelesen und gleich ein echt schlechtes Gewissen bekommen, hab ich doch die eine oder andere selbst unfertig oder vergessen oder ... :(

Vielen Dank, lieber Sim123 und wenn du möchtest, guck ich noch mal genauer nach, wo es für mich etwas unübersichtlich wurde.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Kanji,
danke für deine Rückmeldung! Freut mich, dass sie dir gefallen hat.

Stimmt. Hab mal nach "plötzlich" im Text gesucht ... und es taucht zum Ende hin tatsächlich dreimal hintereinander eng zusammen auf. Werde mich gleich sofort dransetzen und das ein wenig ändern.

Denke, ich ändere das Plastik zu "verbranntem" Plastik. Passt viel besser und den Geruch kennt man :)

Hm. Ja. Mit dem Wandern habe ich auch meine Probleme. Fand erst, dass das Wort aber auch irgendwie... märchenhaft klingt? Hm. Passt "reisen" besser? Finde ein einfaches "und er ging zurück" oder ein wiederholtes "Er schloss die Augen" unzufriedenstellend, aber ein Reisen klingt vielleicht auch viel zu ... langsam.

Würde mich freuen, wenn du mir die ein oder andere Stelle nennen könntest, wo es unübersichtlich/ unpräzise wurde. :) Aber danke wie gesagt für deine Rückmeldung!

LG Sim123

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Sim123,

ich noch mal, besser aufgestellt und konzentriert.

Tim träumt schon seit mehreren Tagen nicht mehr von seiner Geschichte.

Der berühmte erste Satz hat mich im übrigen angezogen. Mein Hirn war sofort auf Empfang.

Ich mag das bildliche Ende in Form von Tätowierung richtig gern. Kann es sehen. Im Laufe der Zeit wird es schwieriger. Ich achte mal drauf. - edit: nee, wurde es nicht. Alles gut. Alle Tatoos und auch das Verschwinden gehen klar.

Denn dort im Spiegel sieht er etwas unter seinem T-Shirt hervorlugen.

hervorlugen :hmm: Klingt so harmlos. Schimmert es denn durch das weiße Shirt (äh, es ist doch weiß, oder?), ist es leicht erhaben sogar? Vielleicht bräuchte ich hier etwas mehr Einblick?

Zitternd öffnet er einen Schrank unter dem Becken und holt eine Feile hervor. Zögernd und unter leichtem Zucken geht er dazu über, die Buchstaben abzukratzen, doch sie bleiben fest auf der Haut. Schwarzes, dickes Blut tritt aus den wunden Stellen hervor.

Hat er die Feile für den Fall der Fälle eigentlich schon bereit? Hat er das erwartet? Für mich jedenfalls kommt es unerwartet. Müsste ich wissen, dass es allen so gehen kann?

Tim steht dort nun, oberkörperfrei, die Feile immer noch in der rechten Hand in einem hellen Raum, der ohne fremde Lichtquelle zu leuchten scheint.

Oberkörperfrei. Darüber stoppte ich auch. Das Wort ist so dominant. Mit freiem Oberkörper, Ohne Hemd, mit nacktem Oberkörper ... klänge für mich unverfänglicher. So denke ich zu abstrakt. (also ich als Leserlein). Auch das nun brauche ich nicht. Ich will mich ganz auf diese neue Szene einlassen, die du beschreibst. Komischerweise lenkt es mich ab, macht sie irgendwie ... naiv. Woiss nich so genau.

Die umliegenden Seiten sind über und über mit ENDEn bedeckt.

Wäre es nicht eventuell einfacher, wenn du das Wort Ende einfach so schreibst, weil es eben auch bloß das Wort meint, oder?

Ängstlich geht Tim auf die Ecke zu.

Na, hier drängt es sich schon auf, wie sich seine Ängstlichkeit bemerkbar macht. Ich muss ja mit hinein in diese Szenenwechsel und mitfühlen können, damit ich nicht auf der Strecke bleibe. Ist ja schon alles recht abstrakt. Könntest du mir nicht zeigen, was er so macht, wie er sich verhält, wenn er ängstlich ist? Ich weiß, es ist schwer, aber bei diesem ganzen Geraffel, brauche ich viele Bilder, weil mir nichts von alldem vertraut ist, ich auf nichts Eigenes zurückgreifen kann. Weisst du, was ich meine?

Als er sie öffnet, rennt er sofort aus dem Badezimmer hinüber ins Wohnzimmer. Wild suchend kramt er durch seine Sachen. Schmeißt Bücherstapel um, wirft DVDs beiseite und schiebt sogar einen Fernseher aus dem Weg – bis er schließlich eine Packung großer Streichhölzer findet.
Er wandert zurück.

Nachdem er die Augen öffnet, zündet er ohne zu Zögern ein Streichholz an und bückt sich hinunter zu der schwarzen Ecke. Seine Hände zittern, als er das schmale Holz hinab zur Schwärze führt.
Doch sobald die Flamme die Ecke berührt, erlischt sie. Dunkler Qualm steigt ihm in die Nase. Er lässt das Streichholz fallen.
Die Schwärze breitet sich weiter aus.


Das ist super. Ich spüre die Hektik, die Nervosität, seine Angst.

Durch das Fenster fällt helles Licht.

Ist es das nicht immer? Wie wäre es mit weißem Licht oder andersfarbigem, dass es wie alles, zu etwas Besonderem macht?

Anne wirkt wie eine Frau mittleren Alters.

Das heißt also, sie ist in diesem Moment keine Frau im mittleren Alter? Sie wirkt nur so?

Auf Tims Körper sind mehr Tattoos erschienen: Eins am Arm und eins über der rechten Augenbraue. Wunde, rote Stellen umgeben die Buchstaben.

Hier war mir erst nicht ganz klar, dass es sich immer um dasselbe Wort handelt. Ende. Ist es doch auch, oder?

„Feuer in der eigenen Legende! Du hättest irreparablen Schaden anrichten können. Du hättest – ...“

Ich habe wirklich keine Probleme damit gehabt, Legende als das anzunehmen, was es sein könnte. Ich war also an dieser Stelle schon mittendrin in der Abstraktion, innerhalb einer Geschichte sein zu können. Gut, oder?

Anne schaut bedrückt auf ihr Klemmbrett. „Du wirst auserzählt, denke ich.“

Genau wie hier mit dem Wort auserzählt. Alles war klar. Du hast wohl so gut vorgearbeitet, dass ich verstehe, was sich andeutet.

„Normalerweise wissen die meisten Geschichtenkerne auch nicht, dass sie welche sind. Hättest du mich nicht getroffen, wärst du wahrscheinlich schon vor Jahren vergangen.“

Hier allerdings nicht. Also mit Geschichtenkerne komme ich noch zurecht. Was es jetzt mit dem Treffen auf sich hat. Wie sie sich getroffen haben und warum und weshalb das jetzt besser ist, verstehe ich nicht. Außer, dass er eben rückblickend Glück gehabt zu haben schien :Pfeif:
Also ich bräuchte hier noch ein zwei Erklärungen.

„Können Sie mir helfen?“
Anne blickt aus dem Fenster. „Wahrscheinlich bist du eine geheime Erzählung, die nur noch im kleinen Kreis weitererzählt wurde – und jetzt vergessen wird.“
„Können Sie mir helfen?“ Tim beugt sich vor.
„Sie verändert sich nicht. Sie träumt nicht in einer anderen. Sie... verschwindet. Vollkommen.“
Tim steht auf.
„Helfen Sie mir.“

Das hast du so gut gemacht. Ich leide mit dem armen Tim. Spüre seine Angst und seine Verzweiflung. :(

Tims Wangenknochen treten vor. „Warum nicht?“

:eek: Von selbst? Schwellen sie an? Wachsen die Knochen heraus? Bitte, sag was!

Sie schließt die Augen.

Als Anne sie wieder öffnet, hat sich ebenfalls die Umgebung verändert.


Es ist hilfreich, dass du dabei bleibst, immer wenn sich die Umgebung verändert. Auch konsequent Augen schließen und öffnen sich in der Wortwahl.

„Wenn eine Geschichte endet - ...“
Sie zerreißt das Bild in zig Fetzen. Die Schnipsel fallen langsam zu Boden.
„- werde ich zu einer Neuen.“
Annes Aussehen transformiert sich. Sie wird kleiner, ihr Rücken gerader. Die Haare färben sich blond und glätten sich. Ihr Sweatshirt wandelt sich zu einem T-Shirt mit rotem Rock. Sie ist jünger als zuvor. Die Verwandlung geschieht von rechts nach links; eine neue Seite öffnet sich.

Wie schön das wäre, lieber Sim123.

„Sie sind machtvoll. Helfen Sie einem ihrer Kinder.“

Tim ist ein schöner Charakter. Er hat so Vieles in sich. Er ist jung, wild, lebenshungrig, ängstlich, vertrauensvoll und clever. Ich liebe ihn.

„Helfen Sie mir.“ Da ist kein Wahnsinn in der Stimme. Keine Wut mehr. Nur noch pure Verzweiflung.

Und deswegen bräuchte ich den Wahnsinn nicht. Du hast Tim gut aufgearbeitet, dass ich ihm den sowieso nicht zutraue. Aber sicher ist sicher, denkst du vielleicht.

„Tim... Die Legende eines Archetypen zu verletzen ist eine schändliche Tat. Die Menschheit wäre nicht mehr dieselbe.“

Das hätte ich schon gerne näher verstanden. Inwiefern würde sich die gesamte Menschheit verändern? Sie redet schon auch wie ein Orakel.

„Auch wenn das schrecklich ist, so ist das notwendig. Wenn Kerne enden, können sich die anderen weiterentwickeln. Neu bilden.“

Hattest zwischendurch auch mal daran gedacht, sie Samen statt Kerne zu nennen, so wie ich?

„Ich sterbe.“
„Auch wenn das schrecklich ist, so ist das notwendig. Wenn Kerne enden, können sich die anderen weiterentwickeln. Neu bilden.“
Tim beginnt plötzlich zu grinsen. Doch seine Augen lächeln nicht mit.
„Archetypen dürfen leben, aber Kerne müssen sterben?“
„Irgendwann hat jede Geschichte ihr Ende erreicht. Ihren Epilog erzählt.“
Tims Grinsen erstirbt. Sein Blick verdüstert sich.
„Ich dachte, Sie symbolisieren die Mutter. Die Mutter in allen Geschichten. Wo ist Ihre Liebe jetzt?“
Anne tritt wieder einen mutigen Schritt näher an Tim heran.
„Du verstehst nicht --“
„Natürlich verstehe ich.“, gibt Tim zurück. „Natürlich verstehe ich euch Archetypen.“
Sein Blick wandert über die zahlreichen Bilder. Schließlich bleibt er an einem Portät hängen, rechts neben ihm. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu und reißt es von der Wand. Darauf ist eine Frau zu sehen, die Annes Aussehen gleicht.
„Wenn Geschichten sich nicht weiterentwickeln oder vergehen, entstehen keine Neuen.“
Anne nickt eifrig. „Richtig. Deshalb ist dein Ende nicht ohne Bedeutung.“
Tim zündet das Streichholz an. Anne stöhnt auf.
„Wenn es keine neuen Geschichten gibt, gibt es keine weiteren Mütter. Irgendwann wäre dieser Raum leer. Sie würden sterben.“
Tim hält die Flamme an das Bild. Er betrachtet, wie das Feuer sich über das Bild ausbreitet, es komplett zerstört. Ehe er es fallen lassen kann, springt Anne auf ihn zu.

Das ist wunderbar anschaulich geworden! Und Tims Charakter und auch Annes Kraft kommen schön zum Tragen. Am Ende habe ich bloß gedacht, wäre ein Augen öffnen hilfreich gewesen.

Sie scheint nun älter, noch älter als sie es zu Anfang war.

Schein oder Sein. Hier komme ich nicht ganz klar. Auch könntest du für mich auf Begriffe wie wieder bei der Verwandlung verzichten. Ich weiß, dass sie viele Gestalten hat. Es ist eine Tatsache und fester Bestandteil dieser Geschichte. So wie Tim nehme ich es einfach zur Kenntnis.

Die Flammen sind durch die Reise erloschen.

Gut. Nennen wir es Reise. Das ist schön.

Mit erschöpftem Atem sehen sie den Flocken dabei zu, wie sie hinab auf den Teppich fallen und sich dort einnisten.

Hmh. Atem, der sich erschöpft. :hmm: Reicht es nicht, dass sie erschöpft sind. Also Tim. Anne kann das eher gut verkraften, dachte ich.

Sie breitet die Arme aus. „Ohne Geschichten wäre dieser Raum überfüllt von psychisch Kranken.“

Das ist ja mal ne starke Aussage. :read:

„Aber ich werde nicht nur vergehen. Ich werde... was genau geschieht mit mir?“
Er schaut Anne direkt in die Augen. Sie hält dem Blickkontakt nicht stand.
„Ich weiß es nicht.“

Oh, Sim123, ich mag das so so gern: Anne ist nicht allwissend.

Sie schweigen einen Moment. Schließlich ergreift Tim wieder das Wort.
„Aus mir wird nichts Neues entstehen. Mein Tod nützt niemandem etwas. Verstehen Sie?“
Anne atmet erschöpft.

Ich will nicht so viel eingreifen, aber weil ich so drin bin, werd ich pingelig. Mir würde es nämlich an dieser Stelle besser gefallen, wenn Tim ohne Fragesatz zu dieser Erkenntnis kommt. Wie ein Selbstgespräch. Und erschöpft atme mag ich immer noch nicht :shy:

„Es ist kein Buch.“
Annes Mund öffnet sich perplex.
„Es ist... ein Manuskript.“
„Oh.“

Cool, dass er den Unterschied erkannt hat. Auf einer Spur ist, von der selbst Anne nichts wusste.

Anne stolpert langsam zu ihrem Sessel und ihn fallen. Ihr Fuß stößt dabei gegen die Tassen, deren nun kalter Inhalt sich fast über das Klemmbrett ergossen hätte.

Nein, nein, lieber Sim123. Nicht so schnell. Der erste Satz ist unvollständig. Und ihr Fuß stößt sicher nicht gegen die Tassen, vielmehr eher gegen den Tisch, auf dem sie sich befinden.

Tim tritt an seinen eigenen Sessel. Schnell setzt er sich darauf und stellt interessiert seine Armbeugen auf die Knie ab. Er faltet die Hände.

Ich bräuchte den Weg zum Sessel nicht. Sich hineinsetzen reichte mir. Für diese Arm/Knie-Geste ist das interessiert nicht notwendig. Denn sie Beinhaltet mehr als das, denke ich. Er denkt auch nach, ist angespannt. Und es sind bestimmt nicht die Armbeugen, sondern wohl eher die Ellenbogen, nicht wahr?

„Er hat dich bis zum Ende ausgeschrieben.“, fährt Anne fort. „Dich zum Leben erweckt. Und dann... dann hat er dich aufgegeben.“
Tim versucht ihre Worte voll und ganz zu verstehen.
„Mein Autor? Er … Er tut mir das an?“
„Nicht wissentlich, nehme ich an.“
„Können wir mit ihm sprechen?“
„Nein.“, erwidert Anne harsch. „Er muss die Hoffnung in dich alleine finden. Eine erzwungene Geschichte ist eine qualvolle Existenz. Denk an Jack, dem Kern von King Kong. All die Remakes... Sie haben ihn verändert. Nicht zum Besseren. Nein. Dein Autor... er muss selbstständig zurück zu dir finden.“

Wundervoll, wie die Geschichte langsam vorangeht. Ein neuer Aspekt zum Tragen kommt. Well done, boi.

Tim lehnt sich in seinem Sessel zurück. Jegliche Anspannung scheint von ihm zu fallen. Zwei, drei ENDE gleichzeitig erscheinen an beiden Armen und über der Stirn.

Ich denke, die Anspannung fällt in diesem Moment von ihm, es scheint nicht bloß so.

„Vielleicht können wir Zeit gewinnen.“, sagt sie. „Lies. Schau. Hör. Konsumiere so viele Geschichten wie möglich. Möglicherweise halten sie dich lange genug am Leben.“

Im Badezimmer haben sich zig mehr Medien versammelt. Offene Bücher liegen in der Badewanne. Zeitungen tapezieren den Boden und ein Fernseher mehr hat sich über der Toilette dazu gesellt.


Könnte man hier nicht vielleicht erneut ein Augen zu - Augen auf gebrauchen? Weiß auch nicht genau. Kam mir so vor, als wäre es gut für mich.

Tim steht oberkörperfrei vorm Spiegel.

Ich mags immer noch nicht. Das Wort.

Sie nimmt nun die Hälfte des Raumes ein und sie scheint sich immer noch auszubreiten.

Sag doch ruhig, dass sich die Legende weiter ausbreitet und es nicht bloß so scheint. Es wäre kraftvoller, denke ich.

Er hebt seine rechte Hand; die Handfläche gerade ausgestreckt. Dann fährt er mit ihr einen Bogen von rechts nach links als würde er eine große Buchseite umschlagen. Und tatsächlich – der Raum faltet sich zusammen. Von rechts nach links. In der Mitte bildet sich eine Falte und die rechte Wand fällt langsam in sich zusammen, um sich über die andere Wand zu stülpen. Auch Tims Körper klappt zur Seite, nur um sich wieder aufzurichten.

Das war sicher nicht einfach, auszudrücken. Und ich muss mich auch wirklich anstrengen, dieses Bild zu sehen. Aber es geht schon.

Doch es ist kein normaler mit Eichen und Tannen übersäter Ort, sondern die Bäume bestehen aus Lutschern.

Könnten es nicht Zuckerstangen oder so sein. Ich mag Lutscher hier nicht so gerne, weil sie ein Verb bergen und ich an diese Aktion denken muss. Aber, okay, ich gehe ja bloß von mir aus.

Eine grazil wirkende Frau mit einer vierzackigen Krone auf dem Kopf.

Ist sie grazil oder wirkt sie bloß so. Ich habs gerne konkret.

Und weiter hinten abseits von allen steht ein grimmig dreinblickender Geselle, mit Muskeln übersät, die Haare rot.

Im HIntergund fand ich eleganter. Nur mal so, weil ich langsam größenwahnsinnig werde und so eingreife in deine Geschichte. Gerne darfst du ignorieren, was ich sage.

Die ENDEn beginnen, den Wald anzugreifen.

Ich bin ja nach wie vor dafür, es nur das Ende zu nennen.

Manchmal ragt ein Tentakel, komplett aus Buchstaben bestehend aus dem Nichts hervor, greift einen Lutscherbaum und reißt ihn in die Tiefe.

Wie wundervoll fantasiereich.

Er bewegt sich auf die Königin zu, die ihren Namen ruft, als sie ihn unter seiner dunklen Haut erkennt.

Sie ruft seinen Namen, oder?

Er springt zur Seite und fällt fast in einen Busch, der aus Zuckerwatte zu bestehen schien

Lass ihn doch einfach aus Zuckerwatte bestehen. Ich brauche doch ein richtiges Bild.

Tim will antworten, doch es kommt nichts aus ihm heraus. Schließlich muss er sich sogar eingestehen, dass er gar keine Antwort hat. Er schüttelt den Kopf.

Ich liebe Tim so sehr. :herz:

„Weil sie neben uns das Menschlichste sind, das wir kennen. Sie fühlen sich nicht nur lebendig an...“ Sie berührt mit einer Hand Tims von ENDEn verzerrten Wangen. „Sie sind es. Du unterschätzt ihre Macht.“

Und du, lieber Sim123, beweist es hiermit auch.

Wir haben die gleiche Waffe wie du.“ Sie hält das Buch hoch und streicht mit den Fingern über den Buchdeckel. „Geschichten.“

Geschichten als Waffen. Wie schön.

Der Wald klappt zur Seite – die Königin, der Krieger, der bärtige Mann, das Kind – sie alle fallen zur Seite, während der Tentakel in tausend Buchstaben zerbirst.

Ein wildes Bild, das du nur zart erwähnst. Aber gut. Ich weiß ja, du musst weiter.

Als er sie öffnet, rennt er direkt zurück ins Wohnzimmer.

Kein direkt bitte. Alles was Tim macht, ist deutlich.

Auch hier scheint sich das Medienchaos verdoppelt zu haben.

Klingt so ... unpoetisch. Willst du diesen Bruch?

Mit einem Mal verändert sich Tims Statur.

Tims Statur verändert sich. Punkt. Mehr Kraft und Ausdruck. Es geht zum Finale. (aber was weiß ich schon. bin halt voll drin)

Tims Statur wird wieder normal. Er ist voll und ganz er selbst.

Tim wird wieder er selbst. Punkt. Oder so ähnlich. Ganz präzise.

Die ENDEn hatten sich überall ausgebreitet, jede einzelne Faser übernommen und jede Helligkeit erstickt. Nur noch vereinzelt ist Haut zu erkennen.

Gut, dass du es noch einmal zeigst. Ich bin ja immer noch für Ende. Auch schön ,wie das Licht insgesamt verschwindet.

„Es hat nicht funktioniert.“
„Ich kann dir nicht –...“, begann Anne.
„Ich weiß.“ Tim ist den Tränen nahe. „Darum bin ich nicht hier. Ich brauche eine Mutter.“
Anne beobachtet ihn einen Moment. Dann umarmt sie ihn. Jetzt fängt Tim vollends an zu Weinen. Die Tränen rinnen seine schwarze Haut hinab.
„Ich möchte nicht gehen. Nicht allein.“
Er schließt die Augen, um die Tränen zu stoppen.

Ich sagte ja bereits, wie sehr mich diese Stelle mitgenommen hat. Es ist auch echt spannend, weil ich schon dachte, er hätte es geschafft. Auch schön, dass er die Augen auch für etwas anderes schließt als zum Szenenwechsel.

„Möchtest du eine Geschichte hören?“, fragt sie vorsichtig. Tim gibt nur einen Schluchzer von sich.
„Es... es war einmal ein Kern, der wissen wollte, welche Geschichte er war und vor allem, ob er ein Happy End hatte. Denn – Denn manche Geschichten endeten … schlecht.“

Hach, nee. Wäre es möglich, schlecht auszutauschen? Gegen tragisch oder so?

Sah seine Tränen, seine Verzweiflung und seine Furcht. Ihre rechte Hand fährt an ihre Wange. Eine Träne ist aus ihren Augen gekrochen.

Zeit: Sieht seine Tränen, ... Ich wünschte auch, sie würde seine Wange einfach streicheln und eine Träne würde nicht kriechen, sondern rollen oder laufen.

Dann beginnt sie, sie vorzulesen.
„Tim träumt schon seit mehreren Tagen nicht mehr von seiner Geschichte. Da sind nur noch die Geräusche.“
Tim reißt ihr die Seite aus der Hand. „Was?!“ Er liest sie komplett durch. Nimmt jeden einzelnen Buchstaben auf. Frisst die Wörter. Atmet die Sätze. Und plötzlich...
„Tim!“, ruft Anne. „Deine Hand... Die Schwärze verschwindet!“
Tim blickt auf seine Hand. Nach und nach verblasst ein ENDE und helle Haut wird sichtbar.
„Was haben Sie getan?“, keucht Tim.
„Nichts... Ich denke – er rettet dich.“
„Wer?“
„Dein Autor.“

Das ist so wundervoll, dass ich eine Gänsehaut bekomme, lieber Sim123. Eine so schöne Idee, Tims Gedanken vom Beginn aufzugreifen. Ich küsse deine Wange dafür virtuell.

„Aber nicht nur irgendeine. Sondern eine Geschichte direkt über dich. Über dein Leben als Kern. Du hast nun einen eigenen Kern – und solange der neue Kern lebt, lebst auch du.“

Achja, der gute alte Kern/Samen.

„Du bist die erste Geschichte... mit Geschichte. Und wie es aussieht bist du … bist du Teil einer...“
„Kurzgeschichte.“, beendet Tim ihren Satz.

Das ist auch ... lustig. Achja, ich lese ja eine Kurzgeschichte. Ganz vergessen.

Tims Körper bebt leicht unter den gesprochen Worten, seine Finger zittern und sein Körper strahlt eine ungewöhnliche Anspannung aus. Je mehr Anne vorliest, desto mehr Schwärze verschwindet immer weiter aus Tims Gesicht. Die ENDEn verblassen einer nach dem anderen. Nur noch wenige sind zu erkennen, als Anne den scheinbar letzten Satz vorliest.

Du vergisst Tim nicht. Ich mag, dass du ihn bebend zeigst. Und bitte lass Anne den Satz nicht scheinbar den letzten Satz lesen oder den scheinbar letzten Satz.

Auf einmal ist dort diese Stimme. Eine tiefe, brummige Stimme, die die Legende erfüllt, in Tims Ohren widerhallt und für ihn gleichzeitig fremd, aber auch sehr vertraut klingt: „Da hast du Recht, Tim. Ich schreibe sie gerade zu Ende. Sie ist noch nicht vorbei.“
Die letzten ENDEn verlassen Tims Körper, verschwinden vollends und hinterlassen nichts zurück, dass auf ihre Existenz hingewiesen hätte.
Tim lebt.
„Aber sie ist es jetzt.“, sage ich.

Und dann wendet sich der Autor an seine Figur. Das ist süß, wenn auch brummend. Und das letzte Wort hast ... Du.

Lieber, guter Tim, äh, Sim123. Ich habe deine Geschichte heute noch mehr geliebt. Ich finde, du hast so viel richtig gemacht und ich schätze deine Fantasie und deine Konsequenz.
Hach, wat schön!

Es tut mir leid, dass ich jetzt das habe Internet vollgeschrieben habe. Das passiert mir sehr sehr selten. Aber mir beweist es, dass ich voll und ganz in deiner Geschichte war.

Jetzt gehört sie wieder dir.

Lieber Gruß, Kanji

 

Hallo Sim123!

Dein Textanfang hat mich gleich eingefangen. "Geigen spielen ihre Symphonien und kämpfen gegen die Laute von Dudelsäcken." => Ja, das mag ich. Das gibt tolle Bilder und Geräusche.

Allerdings wäre es gut, wenn du genauer hinsiehst und an der sprachlichen Präzision arbeitest.

"Tim träumt schon seit mehreren Tagen nicht mehr von seiner Geschichte. Da sind nur noch die Geräusche."
"Tims Träume enden stets"
=> Träum Tim oder träumt er nicht, wie dein erster Satz behauptet? Willst du nicht eher sagen, er träumt, aber nur Geräusche, keine Bilder mehr?

Und wenn er nur Geräusche träumt, dann solltest du auch das Gehör des Lesers ansprechen, nicht das Auge.
"Drachen schwingen in die Lüfte."
=> Hier sieht man die Drachen, weil du das Bild so malst.
=> Wenn du schreiben würdest: "Drachenschwingen peitschen durch die Lüfte", würde der Leser eher hören als sehen, durch das "Peitschen", was ein Geräusch erzeugt.

"Vereinzelte E-Books füllen die letzten freien Plätze."
=> Vereinzelte E-Books? Es passen doch hunderte E-Books auf einen E-Book-Reader. Was willst du hier also sagen/zeigen?

"Vier Fernseher"
"Es riecht nach verstaubten Seiten, nach ausgelaufenen Batterien und verbranntem Plastik."
=> Interessant. Ich kann zwar noch nicht erahnen, in was für einer Welt ich mich befinde (Post-Apokalypse, oder einfach nur ein sehr verschrobener Protagonist in unserer Welt), aber ich sehe deine Welt im Detail. Mag ich sehr.

"Ihre Stimme erreicht einen sanften Singsang. „Kerne vergehen."
=> Vergehen, verwehen ... Bist du Fan der Unendlichen Geschichte? Südliches Orakel, richtig?
=> Dein Titel hat eine Menge Bedeutungen, was?

=> Also, ich mag deine Geschichte. Wirklich. Nur wurden mir die Parallelen zur unendlichen Geschichte im letzen Drittel deiner Geschichte ein wenig zu viel. Schwärze = Nichts, er liest seine Geschichte vom Anfang an ...

Sieh dir noch die Zeichensetzungsregeln bei der wörtlichen Rede an:
"gewinnen.“, sagt sie" => Kein Punkt in der wörtlichen Rede, wenn die Redebegleitung folgt. Zwischendurch machst du es richtig.

Und vor die Auslassungspünktchen muss ein Leerzeichen, wenn das Wort davor vollständig ist:
"Dein Autor ..."

Das Ende mag ich auch sehr. Ist fies. Und damit perfekt.

Also, dein ENDE habe ich gerne gelesen.

Grüße,
Chris

 

Hey Kanji,
danke für deine ausführliche Erläuterungen zu meiner Geschichte! Die sind sehr, sehr hilfreich.

Ich werde mich gleich direkt dran machen, viele Dinge zu ändern. Erst gestern habe ich noch einen Artikel gelesen, dass doch Autoren das Wort "scheinen" aus dem Vokabular streichen sollten. Tja. Ich hab mich da anscheinend nicht zurückhalten können, aber du hast Recht. Es nimmt Geschwindigkeit.

Gerne würde ich dir ein paar Dinge erklären, die ab und zu in einer Frage enden könnten. Wenn du magst, kannst du sie mir beantworten :)

Schimmert es denn durch das weiße Shirt (äh, es ist doch weiß, oder?), ist es leicht erhaben sogar?
Es... ist tatsächlich weiß. Lustig. Mit "hervorlugen" meinte ich eigentlich, dass die Spitzen von manchen Buchstaben aus dem Ausschnitt schauen, fand aber schlicht keine elegantere Formulierung.

Hat er die Feile für den Fall der Fälle eigentlich schon bereit? Hat er das erwartet? Für mich jedenfalls kommt es unerwartet. Müsste ich wissen, dass es allen so gehen kann?
Ne, die Feile ist dort einfach nur. Werde sie anfangs denke ich zu "Nagelfeile" umändern. Denn das ist sie. Glaube, man stellt sich sonst ein viel zu großes Werkzeug vor.

Wäre es nicht eventuell einfacher, wenn du das Wort Ende einfach so schreibst, weil es eben auch bloß das Wort meint, oder?
Hm. Ich finde es so besser - also die ENDEn - weil man denke ich dazu besser ein Bild dafür bekommt, das sich wirklich zig Buchstaben ausbreiten. Auch durch die Mehrzahl wirkt es für mich richtig wie eine Epidemie. Was meinst du?

Wie sie sich getroffen haben und warum und weshalb das jetzt besser ist, verstehe ich nicht.
Ja, es gibt eine Hintergrundgeschichte: Tim war psychisch krank. Denn Geschichtenkerne können krank werden, wenn sie sich nicht genug mit Geschichten umgeben - sie lesen und aufnehmen. Bekommen z.B. Depressionen. Denn sie ernähren sich auf einer gewissen Weise von ihnen.
Zufällig traf er dann auf der Suche nach einer Therapeutin auf Anne, die ihm erklärte, was er war - ein Kern; denn Kerne wissen häufig nicht, dass sie Kerne sind, weil z.B. die Reise zur eigenen Legende erlernt werden muss - und ihn darauf hinwies, dass er mehr Geschichten "essen" muss. Dadurch ging es ihm besser.

Ich fand schlichtweg keinen Weg, diesen Background in die Geschichte einzuweben und schließlich fiel mir auf, dass es sie auch gar nicht muss. Ich denke, dass es nur angedeutet wird, reicht schon aus. Man muss ja nicht alles wissen; es ist kein zentraler Part der Geschichte. Oder liege ich falsch?

Das hätte ich schon gerne näher verstanden. Inwiefern würde sich die gesamte Menschheit verändern? Sie redet schon auch wie ein Orakel.
Ein Archetyp ist ja fester Bestandteil unserer "Geschichtenkultur" und Geschichten prägen uns und unsere Gesellschaft. Wenn jetzt der Archetyp "Mutter" stirbt und aus sämtlichen Geschichten verschwindet, würde sich die Menschheit drastisch verändern, denke ich. Wenn plötzlich keine relevanten Mutterfiguren mehr in sämtlichen Medien auftauchen.
Braucht es auch hierzu eine genaue Erklärung in der Geschichte?

Hattest zwischendurch auch mal daran gedacht, sie Samen statt Kerne zu nennen, so wie ich?
Tatsächlich hatte ich schon überlegt, sie anders zu nennen. Vor allem, weil ich "Kern" akustisch nicht schön finde. Samen fände ich aber inhaltlich nicht ganz korrekt. Das wirkt so, als würde die Geschichte dann aus den Samen sprießen, als wären sie der Ursprung. Aber das sind sie nicht - es ist eher andersherum. Sie koexistieren, wenn überhaupt.

Könnte man hier nicht vielleicht erneut ein Augen zu - Augen auf gebrauchen? Weiß auch nicht genau. Kam mir so vor, als wäre es gut für mich.
Es ist ja kein Wechsel von einer Legende in die wirkliche Welt. Deshalb fände ich einen Gebrauch davon hier eher verwirrend...

Das war sicher nicht einfach, auszudrücken. Und ich muss mich auch wirklich anstrengen, dieses Bild zu sehen. Aber es geht schon.
Ne, war es tatsächlich nicht... Musste mich stark zurückhalten nicht "wie ein Pop-Up-Buch" zu schreiben, aber das klang für mich zu trivial.

Wie gesagt, danke für deine ausführliche Meinung zu einzelnen Sätzen. Sie werden die Geschichte bestimmt besser machen. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast; hat mich sehr gefreut!

Hey Chris Stone,

Danke für deine Rezension und deine ausführlichen Bemerkungen!

Würde gerne auf die ein oder andere Sache eingehen, den Rest werde ich übernehmen.

Träum Tim oder träumt er nicht, wie dein erster Satz behauptet? Willst du nicht eher sagen, er träumt, aber nur Geräusche, keine Bilder mehr?
Hm, ja, er träumt nur noch von den Geräuschen, aber ich finde, wenn der erste Satz lauten würde "Tim träumt schon lange nicht mehr
wirklich
von seiner Geschichte" würde den das irgendwie entkräftigen.
Das zweite "Träumen" bezieht sich ja auch ein wenig auf das Feuer. Verstehe aber, dass sich das konträr zum ersten Satz liest. Denke, es wäre vielleicht besser einen dritten Satz an den Anfang zu hängen. "Da waren keine Bilder mehr, nur noch die Geräusche." Hoffe, es verdirbt die ersten Sätze nicht.

Vereinzelte E-Books? Es passen doch hunderte E-Books auf einen E-Book-Reader. Was willst du hier also sagen/zeigen?
Eben genau das. Es passen hunderte Bücher auf einen Reader, aber einer ist für seine Sammlung immer noch nicht genug.

Also, ich mag deine Geschichte. Wirklich. Nur wurden mir die Parallelen zur unendlichen Geschichte im letzen Drittel deiner Geschichte ein wenig zu viel. Schwärze = Nichts, er liest seine Geschichte vom Anfang an ...
Ja, bin ein Fan von der Unendlichen Geschichte. Mir ist auch schnell aufgefallen, dass die Schwärze dem Nichts ähneln könnte, aber ich dachte mir, dass sie ja aus zig tausenden Buchstaben besteht und sich deswegen zumindest visuell vom Nichts unterscheidet. Parallelen kann ich aber nicht leugnen.

Dass die Geschichte vom Anfang vorgelesen wird, ist leider auch eine Lösung, zu der ich noch keinen besseren Zugang gefunden habe. Wäre ich als Autor einfach so aufgetaucht und hätte nicht vorher die vierte Wand andersweitig durchbrochen, wären meine Sätze zum Ende hin sehr plötzlich gekommen, finde ich.
Eigentlich existiert von dieser Geschichte auch eine Kurzfilmdrehbuchfassung. Da hängen die Drehbuchseiten in der Legende und der Film läuft zum Ende hin auf den Fernsehern. Fand auch hier, dass es sich dadurch visuell ein wenig unterscheidet. Für die Kurzgeschichte fand ich schlichtweg keinen besseren Weg.

Wie gesagt, danke für deine Rezension, hat mich sehr gefreut! Werde den Text gleich sofort überarbeiten.

LG Sim123

 

Hey, Sim123

Gegenbesuch! Ich muss sagen: Eine Geschichte über Buchfiguren! „Die unendliche Geschichte“, „Tintenherz“, alles Dinge, die einem, wenn man das Lesen und das Schreiben liebt, für immer im Gedächtnis bleiben. Für die Geschichte, an der ich momentan sitze, habe ich auch viel aus „Die unendliche Geschichte“ gezogen, deshalb sind die Passagen für mich auch noch frisch.

Ich finde das einfach magisch, und ich finde, an vielen Stellen bringst Du die Magie gut rüber. Wenn die Welt sich verhält wie eine umgeblätterte Buchseite und vor allem das Ende … Wow! Da hast Du mich richtig gepackt und packst wahrscheinlich so einige hier – denn sind wir nicht alle Leute, die das Lesen und das Schreiben lieben?

Ich werde jetzt nur noch drei Sachen ansprechen, die mir nicht so gut gefallen haben, weil schon so viel gesagt und so detailliert gesagt wurde.

Erstens: Legenden, Kerne und Stereotype. Du hast da einige Begriffe drin, aus denen ich nicht schlau werde. Dass Anne ein Stereotyp ist, also eine wiederkehrende Figur in vielen Geschichten, das habe ich verstanden. Allerdings habe ich nicht genau verstanden, was die Legende ist. Das Konglomerat aus allen Geschichten, die über eine Figur geschrieben wurden? Und was ist ein Kern? Die Essenz der Geschichte? Der Protagonist? Ich muss sagen, das hat mich wirklich verwirrt, und deshalb habe ich viele Dinge auch einfach wirklich nicht verstanden.

Ich weiß nicht, was es mit den Räumen auf sich hat, die sich mit Schwärze füllen, ich weiß nicht, was der Zuckerwald soll … Ich weiß auch gar nicht: Existiert Tim auch in der Realität, oder ist das so eine Art Parallelwelt, in der alle Buchfiguren der Menschheitsgeschichte abhängen (was ziemlich cool wäre)? Ich habe keine Ahnung.

Ich würde Dir entweder raten, Dir mehr Zeit zu nehmen, um das Setting zu entwickeln, und dabei vor allem weniger Settings zu wählen. Wir haben Tims Wohnung, das Zimmer, das sich mit Schwärze füllt, Annes Therapieraum, ihr rätselhaftes Zimmer, ihre Wohnung, den Zuckerwald … vielleicht nimmst Du weniger davon und konzentrierst Dich darauf mehr, denn so wird mir die Bedeutung nicht klar. Oder Du streichst Begriffe wie „Legende“ und „Kern“ und versuchst, Wörter zu finden, die sich selbst erklären. Z.B. „Geschichte“ oder „Charakter“. Ich weiß halt auch nicht, ob ich die Begriffe hier richtig zu fassen bekomme.

Zweitens: Die Medienräume. Das ist mir zu tellig:

Tims Zimmer ist voller Medien.
Auch hier findet die Medienepidemie kein Ende;
Auch hier scheint sich das Medienchaos verdoppelt zu haben.

Nach diesen Sätzen zeigst Du das ja immer. Lass solche Sachen einfach weg. Obendrein finde ich, dass Medien ein verflucht technischer Begriff ist. Das passt nicht zu der Magie von Lesen und Schreiben. Klar ist das der richtige Fachbegriff für etwas, mit dessen Hilfe wir Geschichten transportieren können. Aber ein Fachbegriff schmälert für mich das Leseerlebnis. Vielleicht findest Du etwas anderes. Und ich weiß auch nicht, was es mit diesen Räumen auf sich hat, aber das habe ich oben schon erläutert.

Drittens: Die ENDEn. Ich weiß nicht. Das Bild passt für mich nicht. Ich stimme Kanji zu, dass ich es gut finde, dass Tim langsam schwarz anläuft, praktisch verschwindet. Aber wenn ich „Ende“ unter eine Geschichte schreibe, heißt das doch nicht, dass die Figuren sterben. Im Gegenteil. Dann geht die Reise doch erst los. Ein Problem für die Figuren wäre es doch eher, ich würde nie zu diesem „Ende“ kommen (in meinem Reich gibt es sicher tausende Figuren, die dieses Schicksal erlitten haben). Das, was Du beschreibst, ist ja, dass der Autor das Manuskript in die Tonne tritt. Wäre es nicht besser, Tim würde einfach nur verschwinden (= schwarz anlaufen oder unsichtbar werden)? Also, wie gesagt, ich denke immer, wenn unter einer Geschichte „Ende“ steht, dann ist das eine super Sache für die Geschichte. Deshalb funktioniert das Bild für mich überhaupt nicht.

Du siehst, ich war etwas verwirrt. Ich habe das aber ignoriert, einfach weitergelesen und viele schöne Stellen gefunden. Deshalb, vielleicht kannst Du es etwas weniger komplex aufziehen – oder sorgfältiger etablieren. Dann wird das ein wirklich schönes Ding.

Übrigens, Chris Stone hat das zwar schon angesprochen, aber Deine Zeichensetzung an der wörtlichen Rede hat mich wirklich extrem aufgeregt. Also, wenn Du einen nachgestellten Redebegleitsatz hast und die wörtliche Rede endet mit einem Punkt, dann lässt Du den weg. Ganz einfach:
„Hallo“, sagte Tim.
„Hallo?“, fragte Tim.
„Hallo!“, rief Tim.
Also wirklich easy und eine total regelmäßige Regel. Bitte, bitte im gesamten Text korrigieren und nie wieder falsch machen.

Jetzt bleibt mir nur noch eins zu sagen: Make it work!

Leserattengrüße,
Maria

 

Hej Sim123,

gerne tausche ich mich weiter mit dir aus.

Erst gestern habe ich noch einen Artikel gelesen, dass doch Autoren das Wort "scheinen" aus dem Vokabular streichen sollten. Tja. Ich hab mich da anscheinend nicht zurückhalten können, aber du hast Recht. Es nimmt Geschwindigkeit.

Und weil es keine Zufälle gibt ... ;) lassen wir (ich neige auch zum Scheinen :shy:) es in Zukunft einfach.

Gerne würde ich dir ein paar Dinge erklären, die ab und zu in einer Frage enden könnten. Wenn du magst, kannst du sie mir beantworten

Sehr gerne. Beides.

Es... ist tatsächlich weiß. Lustig. Mit "hervorlugen" meinte ich eigentlich, dass die Spitzen von manchen Buchstaben aus dem Ausschnitt schauen, fand aber schlicht keine elegantere Formulierung.

Wusst ich eben. :shy: Wenn die hervor- herausschauen, warum dann nicht so? hervorlugen impliziert irgendwie jemanden mit Witz oder Frechheit ... find ich.

Ne, die Feile ist dort einfach nur. Werde sie anfangs denke ich zu "Nagelfeile" umändern. Denn das ist sie. Glaube, man stellt sich sonst ein viel zu großes Werkzeug vor.

Ja bitte, erwähne die kleine Version.

Hm. Ich finde es so besser - also die ENDEn - weil man denke ich dazu besser ein Bild dafür bekommt, das sich wirklich zig Buchstaben ausbreiten. Auch durch die Mehrzahl wirkt es für mich richtig wie eine Epidemie. Was meinst du?

Auch hm. Epidemie ist gut. Ich habe durch deine Sprache aber auch so bemerkt, das es sich um heaps von Enden handelt und weil es eben um das Ende geht, die ganze Zeit, tendiere ich nach wie vor zum Singular. Auch wegen der Optik und Einheitlichkeit. :shy: Sorry.

Ja, es gibt eine Hintergrundgeschichte: Tim war psychisch krank. Denn Geschichtenkerne können krank werden, wenn sie sich nicht genug mit Geschichten umgeben - sie lesen und aufnehmen. Bekommen z.B. Depressionen. Denn sie ernähren sich auf einer gewissen Weise von ihnen.
Zufällig traf er dann auf der Suche nach einer Therapeutin auf Anne, die ihm erklärte, was er war - ein Kern; denn Kerne wissen häufig nicht, dass sie Kerne sind, weil z.B. die Reise zur eigenen Legende erlernt werden muss - und ihn darauf hinwies, dass er mehr Geschichten "essen" muss. Dadurch ging es ihm besser.

Das ist aber schon auch cool und interessant und ich bin zumindest froh, es auf diesem Weg zu erfahren. Aber möglicherweise haben andere Leser da draußen eben nicht die Möglichkeit, den Autoren zu kontaktieren. Wäre schon auch schade darum.

Ich denke, dass es nur angedeutet wird, reicht schon aus. Man muss ja nicht alles wissen; es ist kein zentraler Part der Geschichte. Oder liege ich falsch?

Stimmt. Ich handle das selbst gerne so, aber ... :shy: in dieser absurden Welt komme ich nicht von selbst auf diese Begebenheit.

Ein Archetyp ist ja fester Bestandteil unserer "Geschichtenkultur" und Geschichten prägen uns und unsere Gesellschaft. Wenn jetzt der Archetyp "Mutter" stirbt und aus sämtlichen Geschichten verschwindet, würde sich die Menschheit drastisch verändern, denke ich. Wenn plötzlich keine relevanten Mutterfiguren mehr in sämtlichen Medien auftauchen.
Braucht es auch hierzu eine genaue Erklärung in der Geschichte?

Hier hätte ich wiederum selbst drauf kommen, da gebe ich dir Recht.

Tatsächlich hatte ich schon überlegt, sie anders zu nennen. Vor allem, weil ich "Kern" akustisch nicht schön finde. Samen fände ich aber inhaltlich nicht ganz korrekt. Das wirkt so, als würde die Geschichte dann aus den Samen sprießen, als wären sie der Ursprung. Aber das sind sie nicht - es ist eher andersherum. Sie koexistieren, wenn überhaupt.

Macht Sinn. Und ein Apfelkern ist ja auch was Feines.

Es ist ja kein Wechsel von einer Legende in die wirkliche Welt. Deshalb fände ich einen Gebrauch davon hier eher verwirrend...

Oh. Das muss ich noch mal genauer lesen.

Ne, war es tatsächlich nicht... Musste mich stark zurückhalten nicht "wie ein Pop-Up-Buch" zu schreiben, aber das klang für mich zu trivial.

Ja, das wäre wirklich schade gewesen. geht schon klar so.

Wie gesagt, danke für deine ausführliche Meinung zu einzelnen Sätzen. Sie werden die Geschichte bestimmt besser machen. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast; hat mich sehr gefreut!

Mich freut es auch sehr, Kanji

 

Hey TeddyMaria,

Danke für deine Erläuterungen zu Teilen der Geschichte und ihrem Verständnis!

Kleine Korrektur: Anne ist ein Archetyp. :)

"Medien" als Begriff mag ich eigentlich auch nicht. Aber mir ist kein Besserer eingefallen, der kurz und knackig alle Dinge in seinen Zimmern zusammenfasst.

Allerdings habe ich nicht genau verstanden, was die Legende ist.
Eine Legende ist eine Art Parallwelt, in der sich alles befindet, was die Geschichte ausmacht. Die geschriebenen Seiten und sogar die tatsächliche Welt, in der nur die Figuren existieren, die auch in der Geschichte vorkommen.
Wenn eine Geschichte genügend Kraft hat, entsteht ein Kern. Sie wird lebendig. Der Kern ist alles - alles, was die Geschichte ausmacht. Er hat alles in sich - sei es die Geschichte oder auch sämtliche Figuren.

Die Legende ist mit Tim verbunden. Somit verfärben sich beide schwarz. Auch die Welt der Geschichte - der Zuckerwald - ist Teil von Tim und verdunkelt sich.

Aber wenn ich „Ende“ unter eine Geschichte schreibe, heißt das doch nicht, dass die Figuren sterben. Im Gegenteil. Dann geht die Reise doch erst los.
Hm. Deshalb hatte ich ja den Gebrauch von mehreren "ENDE"n benutzt. Alles endet. Nicht nur die Geschichte, das wäre zu einfach. Alles vergeht, jede Figur, jedes Wesen, jeder Ort. Wenn nur die Geschichte enden würde, okay, das wäre wirklich nicht schlimm, aber da alles zu einem Ende findet, ist es dadurch wieder schlecht.

Im Gegenzug steht dazu nämlich Anne. Die teilt deine Auffassung. In ihren ganzen Sätzen spricht sie immer eng von "Enden" und "Neuanfang". Für sie ist das Ende nicht schlecht, für Tim bedeutet es den Tod. Es ist eine fantasievolle Frage: Was passiert wirklich mit den Geschichten und den Figuren, wenn der Autor ein ENDE unter die letzte Seite setzt?

Deshalb, vielleicht kannst Du es etwas weniger komplex aufziehen – oder sorgfältiger etablieren.
Erstaunlicherweise habe ich schon beides gehört. Oder mal auch durcheinander. Die Personen, die die Geschichte lasen, sagten teilweise: "Ich habe nicht alles verstanden. Aber das war auch gut so." Ihnen hat es gefallen, dass alles eher meta ist und man nicht immer direkte Antworten auf alle Fragen erhält. Sie es sich vielleicht sogar selbst ohne Hinweise zusammenreimen müssen. Deshalb fällt es mir ein wenig schwer, die Geschichte zugänglicher zu machen - noch mehr zu erklären. Ich finde, genau das würde den Zauber ein wenig nehmen. Geschichten sind kein Ort voller Regeln, aber wenn ich ihnen welche gebe, dann wirken sie zu starr. Vielleicht liege ich auch falsch.
Es finden bald Gespräche über die Umsetzung eines Kurzfilms statt. Da werden wir bestimmt schauen können, wie wir dem Zuschauer die Geschichte besser näher bringen können.

Die Kritik mit den zu vielen Orten kann ich nachvollziehen. In den ersten Fassungen existierte der Zuckerwald auch nicht. Ich werde mal schauen, ob es sich zumindest vom Setting erleichtern lässt.

Und die wörtliche Rede wird natürlich korrigiert, danke für den Hinweis!

Vielen Dank für deine ausführliche Meinung!

Hey Kanji,
auch dir nochmal vielen Dank für deine Rückmeldung und die Beantwortung meiner Fragen! Das war alles sehr, sehr hilfreich!

LG Sim123

 

Hi Sim123,
jetzt kam ich nicht aus dem Tee mit dem Kommentieren und es wurde schon vieles gesagt, was mich auch beschäftigt hat (z. B die häufige, unnötige Verwendung von „scheint“ in einer Fantasy-Geschichte; das schwächt nur die Aussagen). Also nur noch kurz: Mir hat deine Erzählweise schon gleich am Anfang der Geschichte gut gefallen, schön zackig vom Tonfall. Ich mag deine detailreichen Bilder, die abwechslungsreichen Formulierungen. Und die Idee hinter der Geschichte ist auch clever. Spricht gerade in einem Autorenforum natürlich ein breites Publikum an. :shy: Ich glaube, man darf bei dem Aufbau des Settings nicht zu sehr mit der Logiklupe rangehen, sondern sollte die (Fantasy-)Geschichte frei wirken lassen. Das ist mir gut und gern gelungen. :)

Tims Blick konzentriert sich auf eine Ecke. Denn dort quillt etwas Schwarzes hervor. Eklig und klebrig wie Schimmel.
Bei schwarz und klebrig hervorquellend, denke ich an Pech, nicht an Schimmel.

Tim gibt der Feile mehr Nachdruck,
Ist Nachdruck da das richtige Wort? Man erklärt etwas mit Nachdruck. Vllt. einfach nur mehr oder stärkerer Druck?

Denk an Jack, dem Kern von King Kong. All die Remakes... Sie haben ihn verändert. Nicht zum Besseren.
Diesen Ausflug nach Hollywood bräuchte es für mich nicht.

sondern die Bäume bestehen aus Lutschern. Der Wind riecht nach Zucker und Zimt. Das Gras kriecht aus der Erde, leicht angerissen an den Seiten wie essbares Papier.
In diesem Waldstück stehen mehrere Personen: Eine grazil wirkende Frau mit einer vierzackigen Krone auf dem Kopf. Daneben ein älterer Mann mit einem schwarzen Bart und einem blauen Umhang,
Das ist mir zu viel „Kindermärchen“ – eine Mischung aus Schlaraffenland, Unendliche Geschichte und The Book of Lost Things. Es könnte auch eine andere Real-Life-Geschichte sein. Mit echte(ere)n Menschen hätte ich auch mehr Mitleid, als mit so absolut fiktiven Märchengestalten. Verstehst du, was ich meine?

Noch was, ich trau mich kaum es zu sagen, ich finde den Schluss mit dem Einbezug des reellen Autors nicht so gut. Der Sprung von der Märchenwelt zu der wirklich echten, unseren Welt ist mir zu krass. Aber das ist nur meine Meinung.

Sehr gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey wegen,

auch dir vielen Dank fürs Kommentieren!

Werde ein paar Dinge abändern, vor allem das mit dem Pech gefällt mir sogar viel besser.

Ironischerweise hatte ich den Hollywood-Ausflug aus dem gleichen Grund mal rausgeworfen, aber schlussendlich doch wieder reingesetzt. Vielleicht ein Beispiel der Verschlimmbesserung? Wollte eigentlich nur noch zeigen, dass sich Kerne nicht nur auf Bücher beziehen, sondern z.B. auch auf Filme. Hm. Aber ich sehe, was dich stört.

Das ist mir zu viel „Kindermärchen“ – eine Mischung aus Schlaraffenland, Unendliche Geschichte und The Book of Lost Things.
Auch diese Kritik kann ich verstehen. Nur das Manuskript, auf dem Tim basiert, existiert wirklich. Ich hatte es geschrieben, mochte die Geschichte nicht mehr und habe sie verworfen. Aber irgendwann fragte ich mich, was das wohl mit Geschichten macht und da kam dann das hier zustande. Das Manuskript ist ein Fantasy-Roman und es spielt in einer Traumwelt, die sogar größtenteils von Kindern ausgedacht wurde und in dem diese Art Schlaraffenland Zentralpunkt der Welt war. Deshalb spielt diese Szene dort. Wenn ich es abändere, wird es dem Leser natürlich nicht auffallen, aber mich würde es irgendwie stören, wenn ich den Inhalt des Manuskripts abändere. Die Figuren bleiben auch absichtlich eher charakterlos, weil sie wie das Manuskript noch nicht fertig ausgearbeitet wurden.
Ich überlege das Setting an einen eher "unkindlichen" Ort zu verschieben, bezweifle aber, dass ich es über mich bringe, die Geschichte an einem "realen" Ort spielen zu lassen.

Ja, auch deine Kritik zum Ende kann ich verstehen. Diesen krassen Sprung bemängelte auch mal ein Freund von mir. Ich weiß nicht, irgendwie mag ichs? Es bringt das Ganze wirklich in unsere Welt und könnte das Gefühl geben, das zig Kerne unter uns weilen - ja, wir vielleicht selbst welche sind, ohne es zu wissen.
Freut mich dennoch, dass du deine Kritik mitgeteilt hast, nochmal ein generelles Dankeschön für deine Erläuterungen und freut mich, dass sie trotzdem im Groben und Ganzen gefallen hat!

LG Sim123

 

Hej Sim123,

ich schon wieder (entschuldige, wenn ich penetrant bin, aber ich las sie nun schon zum vierten Mal und da sind ebne Kleinigkeiten aufgefallen).

Schließlich bleibt er an einem Portät hängen, rechts neben ihm. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu und reißt es von der Wand. Darauf ist eine Frau zu sehen, die Annes Aussehen gleicht.

Portrait

Ihr Fuß stößt dabei gegen dem Tisch auf dem die Tassen, deren nun kalter Inhalt sich fast über das Klemmbrett ergossen hätte, gefährlich wackeln.

... dabei gegen den Tisch ...

Jetzt ist sein Gang trägender, sein Bauch wirkt fülliger. Seine Stimme ist dunkel.

... Gang tragender, ... :hmm: (schwerer meinst du damit, oder?)

Eine Träne ist aus ihren Augen gekrochen.

Also, dann kann aber eine Träne nicht gleichzeitig aus zwei Augen kriechen ;)

„Lies Sie mir vor.“ Seine Augen glitzern leicht, trotz der Dunkelheit, die sie umgeben. „Bitte.“

Er duzt Anne, was auch in dieser vertrauten Situation in Ordnung geht. Lies sie mir vor, kleines sie.

Außerdem haben sich so hübsche Sternchen eingeschlichen, die aber keinen Sinn machen.

Lieber Gruß, Kanji

 

Hey Kanji,
Danke für die Hinweise, habe sie korrigiert!
Ein viertes Mal? Hoffe, sie hängt dir mittlerweile nicht aus den Ohren raus...

Außerdem haben sich so hübsche Sternchen eingeschlichen, die aber keinen Sinn machen.
Ja, durchs Korrigieren und wieder Einfügen haben die sich irgendwie in den Text eingebracht. Hm. Hoffe, ich konnte sie alle beseitigen...

LG Sim123

 

Hej Sim123,

Ein viertes Mal? Hoffe, sie hängt dir mittlerweile nicht aus den Ohren raus...

Auf keinen Fall - musste an besagter Stelle sogar schon wieder trocken schlucken. :shy:

Lieber Gruß, Kanji

 

Hallo, Sim123

Ich bin's nochmal, damit keine Missverständnisse entstehen.

Deshalb fällt es mir ein wenig schwer, die Geschichte zugänglicher zu machen - noch mehr zu erklären. Ich finde, genau das würde den Zauber ein wenig nehmen. Geschichten sind kein Ort voller Regeln, aber wenn ich ihnen welche gebe, dann wirken sie zu starr. Vielleicht liege ich auch falsch.

Ich stimme Dir völlig zu. Das ist auch der Grund, weshalb ich an keiner Stelle verlangt habe, dass Du mehr erklärst, sondern stattdessen das hier geraten habe:

Ich würde Dir entweder raten, Dir mehr Zeit zu nehmen, um das Setting zu entwickeln, und dabei vor allem weniger Settings zu wählen. Wir haben Tims Wohnung, das Zimmer, das sich mit Schwärze füllt, Annes Therapieraum, ihr rätselhaftes Zimmer, ihre Wohnung, den Zuckerwald … vielleicht nimmst Du weniger davon und konzentrierst Dich darauf mehr, denn so wird mir die Bedeutung nicht klar. Oder Du streichst Begriffe wie „Legende“ und „Kern“ und versuchst, Wörter zu finden, die sich selbst erklären. Z.B. „Geschichte“ oder „Charakter“. Ich weiß halt auch nicht, ob ich die Begriffe hier richtig zu fassen bekomme.

Entweder Du zeigst mehr und huschst nicht nur so durch, blätterst blitzschnell weiter, sodass ich so: "Huch, was ist eine Legende? - Ach, egal, ist schon wieder eine andere Szene." Ich meine, ja, ich habe das irgendwann auch ignoriert, weil ich nicht dahinter gekommen bin. Aber das ist doch nicht der Sinn der Sache.

Deswegen die andere Möglichkeit: Die erklärenden Wörter weglassen. Dann hätte ich mir diese Gedanken gar nicht gemacht. Ich denke auch, dass, wenn Du das verfilmst, das gar kein Problem ist. Da kann man die Beschreibungen einfach weglassen. Das ist ein seltsamer Effekt von Geschichten, dass Erklärungen es manchmal erst verwirrend machen. Also, diesbezüglich rate ich Dir auf keinen Fall zu mehr. Eher vielleicht zu weniger.

Was den Medienbegriff angeht, habe ich auch gemerkt, dass mir nichts einfällt. Vielleicht nennst Du es Geschichten? Der Raum ist voller Geschichten. Bücher, Videospiele ... Und so weiter. Geht das nicht auch?

Das nur von mir. Ich weiß, ich verwirre die Leute immer damit, dass ich weniger Erklärungen will, wenn ich verwirrt bin. Ich glaube, die Leser/innen in eine andere Welt zu entführen, die ohne Erklärungen einfach funktioniert, ist das, was fantastische Geschichten so verflucht schwierig macht. Ich strauchele da selbst auch wie verrückt, und deshalb habe ich auch keinen richtigen Rat. Ich merke nur beim Lesen, dass erklärende Stellen mich halt rauswerfen. Und Wörter, die ich nicht deuten kann. That's it.

Hoffe, ich konnte das aufdröseln.

Fantastische Grüße,
Maria

 

Hey TeddyMaria,

ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Das ist tatsächlich sehr interessant. Je mehr ich erkläre, desto unerklärter wird es. Ich schau mal, was sich machen lässt. Hatte immer das Gefühl, das ich zu wenig erkläre, nicht, dass das Wenige, weil es so wenig ist, zu viel ist. (Das hört sich wirklich komisch an.)

Hatte tatsächlich auch schon an "Geschichten" gedacht. Finde nur, dass das Wort schon sehr oft fällt und vielleicht zu sehr abnutzt. Aber ich denke, ich verwende es zumindest an einer Stelle.

Danke für deine Erklärung!
LG Sim123

 

Hi Sim123

Coole Geschichte ist dir da gelungen. Gut, dass ich die Kommentare gelesen habe und diese so positiv waren. Denn der erste Absatz hat mich eher abgeschreckt.

Das kann an meiner Abneigung gegen Träume in Geschichten liegen. Ich mag das überhaupt nicht. Immer wenn Träume irgendwo vorkommen, neige ich dazu, sie zu überfliegen. Für mich ist das irgendwie Schummelei, ein Mittel um die Innenwelt der Figur zu zeigen. Aber ist ja wie immer Geschmackssache.
In deinem Fall, bzw. Tims Fall, hat der Traum ja noch mal ein anderes Gewicht, da es hier tatsächlich um seine Geschichte geht.
Die Geschichte scheint ja ganz schön verrückt zu sein. Ein Mischung aus Drachen, Raumschiffen und Dinos ... :lol:
Ich wär ja dafür den Traum wegzulassen und im Bad zu starten. Und dann könnte man ja noch kleine Hinweise auf einen merkwürdigen Traum oder so bringen ...

Auch hier findet die Medienepidemie kein Ende
Epidemie ist so negativ – aber es ist doch nicht schlimm alles voller Bücher und Fernseher zu haben oder?

Seine Hand fährt an seine Brust. Denn dort im Spiegel sieht er etwas unter seinem T-Shirt herausschauen. Etwas Dunkles. Schwarzes. Er zieht sein T-Shirt aus.
Das gefällt mir nicht so. Das hört sich an als würde etwas schwarzes aus dem Tshirt schauen, dass dreidimensional ist, ein Wurm oder so. Und wenn ich etwas auf meiner Haut am Hals sehe, dann ziehe ich das Tshirt erstmal runter und nicht direkt aus. (Es sei denn, man heißt Jakob und ist ein Werwolf.)
Da ist etwas am Hals. Etwas Dunkles. Mit dem Zeigefinger zieht er den Kragen des T-Shirts herunter. Schwarze Linien winden sich über die Brust und verschwinden unter dem Stoff.
Irgendwie so vielleicht?

Übrigens könntest du auf alle vier Possisivpronomen verzichten. Wem sonst sollten Hand, Tshirt und Brust gehören? Überprüf doch bei der Gelegenheit auch direkt alle anderen sein/seine/seinen auf ihre Notwendigkeit.

„Ich dachte, dann verblassen wir. Ich dachte, dann wandern wir zum Ort der Fantasie. Ich dachte, dann fügen wir uns mit anderen zusammen.“
„Ja.“ Anne nickt. „Normalerweise.“
„Normalerweise?“
„Normalerweise wissen die meisten Geschichtenkerne auch nicht, dass sie welche sind.
Das verstehe ich nicht. Kerne, die nicht wissen, dass sie Kerne sind, verblassen irgendwann. Immer? Oder auch nur wenn der Autor sich ihrer entledigt?
Und ich frage mich: Ist das wichtig? Kann man das nicht weglassen?

leer.Sie würden sterben.
Hier fehlt ein Leerzeichen.

„Es ist... ein Manuskript.“
Hier auch ein Leerzeichen vor den drei Punkten.
Woher weiß er das?

Anscheinend...
Leerzeichen

Anscheinend...
Hier auch. Bitte noch mal überall prüfen.

Lies. Schau. Hör. Konsumiere so viele Geschichten wie möglich. Möglicherweise halten sie dich lange genug am Leben.
Warum sollte das helfen?

„Was haben Sie getan?“, keucht Tim.
„Nichts... Ich denke – er rettet dich.“
„Wer?“
„Dein Autor.“
Das finde ich echt cool! Tolle Idee.

„Aber sie ist es jetzt“, sage ich.
Und mir gefällt dieses Ende! :thumbsup:

Insgesamt ziemlich gut geschrieben, lies sich gut lesen. Ich denke trotzdem, dass der Geschichte eine kleine Abspeckkur gut tun würde. Prüfe jedes Wort, ob du es brauchst. Prüfe ganze Sätze.
Brauchst du den Traum, die verblassenden Kerne, den Ausflug zu den anderen Charakteren der Geschichte im Lolliwald?

Hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen. Vielen Dank für deine Geschichte. :)

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Nichtgeburtstagskind,

Vielen Dank für deine ausführliche Meinung! Werde den Text gleich überarbeiten.

Ich wär ja dafür den Traum wegzulassen und im Bad zu starten.
Ich verstehe das Argument mit den Träumen sehr gut. Überfliege sie auch gerne. Hier finde ich es aber irgendwie passend mit einer Geschichte - seien es auch nur die Geräusche einer verwirrenden Geschichte - anzufangen.

Medienepidemie
Klingt Medienüberflutung besser? Klingt finde ich auch sehr gefährlich...

Kerne, die nicht wissen, dass sie Kerne sind, verblassen irgendwann.
Das ist nicht ganz richtig. Anscheinend habe ich die Info falsch rübergebracht. Wenn Kerne auserzählt werden - also, wenn sie niemand mehr kennt und niemand mehr erzählt - dann verblassen sie und "sterben".
Ich finde es wichtig zu erklären, dass Tims "Ende" nicht der Norm entspricht. Um ganz deutlich zu sagen: Okay, Anne versucht zu verstehen, was geschieht, aber sie kann es nicht.

Woher weiß er das?
Er sieht ja das verbrennende Manuskript - die zusammengetackerten Seiten - im Kamin. Er puzzelt es sich selbst zusammen.

Warum sollte das helfen?
Weil Kerne sich von Geschichten "ernähren" können. Sie tun ihnen gut. Das wird - zugegebenermaßen - nicht erklärt, aber dafür ist die Lolliwald-Szene. Sie soll 1. Tim ein wenig überzeugen in dem, was er tut und ihm Hoffnung geben, die sehr wichtig ist, 2. soll sie klar deutlich machen, was für eine Kraft Geschichten haben können.

Was mit der Wichtigkeit von manchen Sätzen und Wörtern angeht - ja, da werde ich auf jeden Fall nochmal drübersehen.

Wie gesagt, danke für deinen Kommentar, freut mich und es freut mich ebenfalls, dass dir die Geschichte generell gefallen hat!

P.S.: Du weist zweimal auf das "Anscheinend" hin. Ist da ein Kopierfehler unterlaufen?

 

Hej @Sim123 ,

ich habe deine Geschichte mal rausgekramt, weil du sie bearbeitet hast und sicher dringend Feedback brauchst. ;)

Tim träumt seit vielen Tagen nicht mehr von seiner gesamten Geschichte.

Sieh es mir bitte nach, wenn ich die Ursprungsschreibweise nicht mehr nachsehen kann und ich möglicherweise etwas anmerke, was ich vorerst nicht kritisiert habe. Bin längst nicht mehr die Kanji von damals :D.
Nun aber ernsthaft: ich erinnere mich, dass ich den ersten Satz seinerzeit richtig gut fand, weil er so lapidar daherkam und ich keine Ahnung hatte, was er meinte. Und wenn du jetzt von einer gesamten Geschichte schreibst, weiß ich zumindest, dass er etwas von seiner Geschichte weiß und ich stocke und denke, was ich ja sowieso nicht so gerne mache.

Geflüsterte Lügen wie „Ich liebe dich“ und geschriene Wahrheiten wie „Er ist tot!“ mischen sich unter die Kulisse.

Daran kann ich mich nun gar nicht mehr erinnern und mag es richtig gern. Obwohl mir die Schreibweise von geschriene nicht passt. :sealed:

Die Schemen von Buchstaben haben sich auf seine Netzhaut gebrannt und hallen nach. Er blinzelt nochmal stark, dann verklingen sie.

Ach Sim123, ich tu mich schwer mit dem Bild von auf etwas einbrennen im Zusammenhang mit nachhallen. Denn während das eine optisch ist, ist das andere ja akustisch. :hmm: Vielleicht flackern die nach oder blinken?

Er gleitet durch eine Tür und begibt sich ins Wohnzimmer.

Nenn mich pingelig, aber bei gleiten denke ich an einen Boden aus Eis oder an Kufen an den Schuhen oder so was in der Art.

Auch in diesem Raum verläuft die Medienüberflutung zu keinem Ufer, sondern besitzt hier sogar ihre Quelle: Vier Fernseher, zig Bücher, drei Radios, Zeitschriften, Comics, DVDs und ein Beamer überschwemmen den ganzen Raum. Der Esstisch, die Stühle und die Couch sind nur noch zu erahnen. Es riecht nach verstaubten Seiten, nach ausgelaufenen Batterien und verbranntem Plastik.

Das ist besser so aus meiner Erinnerung, deutlicher gezeigt, glaub ich.

Auch wenn Annes Nasenflügel beben, so kann die Sanftheit ihrer Stimme ihren Worten nicht genügend Kraft verleihen.

Ich denke das zweite Pronomen brauchst du gar nicht, aus ihrer Stimme können nur ihre Worte hervorgehen.

Vor Perplexität kann Anne ihren Mund nichts schließen.

Nicht nur, das ich diesen Satz wegen des Fremdwortes nicht flüssig lesen kann, es drückt auch weniger Emotionen au, finde ich. Warum denn nicht Fassungslosigkeit oder Bestürzung?
nicht schließen, muss es noch heißen

Tim will antworten, doch es kommt nichts aus ihm heraus. Schließlich muss er sich sogar eingestehen, dass er gar keine Antwort hat. Er schüttelt den Kopf.

Das liebe ich noch genauso wie zuvor.

Jetzt fängt Tim vollends an zu Weinen.

Nimm das vollends ruhig weg - es bremst mein Mitgefühl und ich weiß ja ganz genau, wie erschöpft er ist. :sad:

„Ich möchte nicht gehen. Nicht allein.“
Er schließt die Augen, um die Tränen zu stoppen.

Ich bin echt ein Weichei. An dieser Stelle fluteten schon wieder meine Augen. Nur damit du weißt, dass es zumindest bei einer Leserin funzt.

Ich erinnere mich nicht, ob der Autor zuvor aktiv zu hören war, aber es ist eine gute Möglichkeit, obwohl ich mir uneins bin, ob das der Anfang eines kommunikativen Austauschs ist. Auf jeden Fall
ist mir das Ende verständlicher geworden.

„Aber sie ist es jetzt“, sage ich.

Und ist das jetzt der Autor, den ich kenne? :hmm: Man weiß es nicht.

Lieber Sim123, du hast dir echt viel Mühe gegeben. Ich mag die Geschichte nach wie vor richtig gerne; sie ist fantastisch, sie ist liebevoll und energisch (ich mag, wie Tim in seinem Reich aktiv wird). Wenn ich ganz pingelig sein soll, dann könntest du die sogenannten Füllwörter hier und da entfernen.
Mir hilft es, wenn ich mir die Geschichte vorlese oder sogar aufzeichne und dann erneut anhöre, dann hab ich Distanz und nörgele leichter daran herum.

Hab vielen Dank für die Geschichte und lieber Gruß, Kanji

 

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