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Ellis im Sprung

Seniors
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19.05.2008
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Ellis im Sprung

Als Kind hatte sich Ellis immer vorgestellt, ihr Bett könnte fliegen. Der Teppich mit den Blumen war ein Blumenfeld gewesen. Nachts richtete sie die Nachttischlampe auf die roten und weißen und gelben Blüten am Boden. Wände, Poster, Mädchenspielsachen und Poesiealben verschwanden in der Dunkelheit. Sie hatte sich das so sehr vorgestellt, dass ihr schwindelig wurde davon und sie niesen musste. Irgendwann hatte Rocco eine Zigarette fallen gelassen und weil der Teppich ohnehin zu kindlich für ihr Alter war, hatten sie ihn weggeschmissen. Dann war das Bett nur noch ein Bett, auf dem sich Ellis von Rocco ficken ließ. Jetzt beschien die Nachttischlampe Zigarettenstummel und zerknüllte Taschentücher.

An dem Tag, an dem Marek ihr begegnete, hatte Ellis nicht geweint. Aber sah man genau hin, konnte man die Spuren ihrer letzten Tränen sehen, und Marek sah genau hin. Sie standen an einer verschneiten Haltestelle und warteten auf die Straßenbahn. Marek studierte den Fahrplan und fluchte. Er sagte, dass es manchmal gut täte, die ganze Scheiße aus dem Leben auf einen Tag zu schieben. Der heutige Tag eigne sich besonders dafür. Das Warten störte sie nicht. Sie blickte auf die andere Straßenseite und auf die Schneeflocken, die zwischen ihr und dem gegenüberliegenden Haus schwebten. Es schien, als würde Ellis sie zählen oder unter ihnen nach einer suchen, die sie schon einmal gesehen hatte. Dann sagte sie: „Ja.“

Marek war schmutzig im Gesicht. Auf seiner blauen Arbeiterhose war Öl verschmiert. STREICH MOBILE stand darauf. Trotz der Kälte roch er nach Schweiß. Seine Hände konnte sie nicht sehen, weil er Handschuhe trug, aber sie war sich sicher, dass Arbeiterhände darin steckten. Sie mochte keine Arbeiter und als sie sich bei diesem Gedanken ertappte, schämte sie sich dafür.
„Ich mag deine Jacke“, sagte sie.
Marek schaute sie an.
„Machst du dich über mich lustig?“
„Nein. Ich meine das ernsthaft“, log sie, auch wenn es stimmte, dass sie sich nicht über ihn lustig machte. „Sieht warm aus.“
„Ist aber scheißkalt“, sagte Marek.
Der Schnee hatte die Schienen verdeckt und das Glashäuschen sah aus, als stünde es an der falschen Stelle.
„Eigentlich schade“, sagte Marek. „Damals habe ich mich gefreut, wenn es geschneit hat, hab Schneemänner gebaut oder eine Schneeballschlacht gemacht mit Freunden. Heute ist es ätzend, weil ich den Schnee in der Einfahrt räumen muss oder Reifen wechseln.“
„Du hast ein Auto?“
Marek schüttelte den Kopf.
„Denkst du, die Straßenbahn kommt heute noch?“, fragte er.
Ellis zuckte mit den Achseln.

Sie stapften durch den Schnee und obwohl Ellis‘ Schritte viel kleiner waren als seine, war sie schneller. Sie ging mit ihm, aber irgendwie wäre sie ihm auch gerne davon gelaufen. Die Luft tat weh beim Atmen und roch so, als würde man unter eine Motorhaube schnüffeln. Außerdem arbeitete er in einer Werkstatt. Der hatte bestimmt keine Ahnung von Fromm oder Dostojewski, von der scheinbaren Umlaufbahn des Mondes oder was es bedeutete, Retroviren in seinen Zellen zu tragen. Weil sie dachte, dass sie nicht mit ihm reden könne, redete sie nicht mit ihm, aber weil er mit ihr reden wollte, sagte er: „Du hast in letzter Zeit viel geweint, stimmt‘s?“

Sie blieb stehen und er ging die zwei, drei Schritte weiter, die sie ihm voraus war. Ellis schaute ihn an, ertappt und ängstlich und ein bisschen sauer. Dann bückte sie sich, griff in den Schnee, formte einen Ball und klatschte ihn Marek mitten ins Gesicht.

Die Straßenbahn fuhr vorbei und die beiden saßen lachend im Schnee.
„Es tut mir leid“, sagte Marek.
„Ist schon okay“, sagte Ellis.
Er stand auf, putzte sich den Schnee von der Hose bis die Ölflecken wieder zu sehen waren und half Ellis aufzustehen.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte er.
„Ellis.“

Marek wollte Ellis nach Hause begleiten, obwohl er in die entgegengesetzte Richtung musste.
„Ich will nicht, dass du weißt, wo ich wohne“, sagte sie.
„Denkst du, ich bin ein Triebtäter oder so?“
„Ja.“ Ellis nickte. „Genau das denke ich.“ Dass sie ihn mochte, sagte sie ihm nicht.

Nach dem ersten Kuss mit Rocco hatte sich Ellis hübsch und intelligent gefühlt, vor allem lebendig. Es war in einer Wiese gewesen und sie hatte den Geruch von frisch geschnittenem Gras noch immer in der Nase, wenn sie daran zurückdachte. Seit zwölf Tagen aber dachte sie ans Sterben und an den Tod. Sie fühlte sich nicht krank. Sie hustete nicht. Ihr tat nichts weh und das Gesicht im Spiegelschrank schien gesund, wenn sie heimlich ihre Medikamente schluckte. Rocco klopfte an der Tür. „Jetzt nicht“, sagte Ellis. Er probierte es trotzdem, aber es war abgeschlossen. Als sie damals Roccos beschnittenen Schwanz gesehen hatte und ihn nicht schön fand, tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass so weniger Krankheiten übertragen wurden. In den letzten Tagen hatte sie etwas Ähnliches in einer Wochenzeitung von ihrem Vater gefunden. Sie hoffte, dass es stimmte. Roccos Zigaretten konnte sie nicht ausstehen, aber sie mochte, wie er sich anzog; nicht, was er anhatte, sondern wie er es trug. Sogar in Boxershorts und T-Shirt sah er nicht albern aus. Sie mochte, wie er sich auszog, und das Gefühl an ihrer Fingerspitze, wenn sie das Relief seiner Bauchmuskulatur nachfuhr. Sie sammelte Gedichte, die er ihr schrieb, sich nicht ausdachte, sondern von berühmten Dichtern abschrieb und umschrieb, bis sie passten. Am liebsten bastelte er an den Zeilen von Rainer Maria Rilke.


Was hat mich unter dieses Mädchen gelegt,
Duftend wie ein Blumenteppich,
Hin und her bewegt,
Rufend zugleich und bange,
Dass einer den Ruf vernimmt,
Und zum Untergange,
In einem anderen bestimmt.

Wenn er aus NATURE vorlas, lauschte sie gern. Er krächzte, wenn er mit ihr oder jemand anderem sprach, aber wenn er vorlas, hatte er die Erzählstimme aus einer Fernsehdokumentation. Zuletzt zitierte er einen Artikel, der von Tränen handelte und davon, dass sich Freudentränen im Mikroskop von Tränen des Schmerzes unterschieden. Tränen beim Zwiebelschneiden sahen wieder anders aus. „Es ist, als würde jede einzelne Träne einen Mikrokosmos all unserer Gefühle in sich tragen.“ Gerne hätte Ellis ihm die Tür aufgeschlossen, aber sie traute sich nicht. Mit heißem Wasser duschte sie ihre Tränen weg. Danach legte sie sich zu ihm ins Bett. Wie eine aufblasbare Sexpuppe lag sie dort. Eine Puppe, die wie dreiunddreißig Millionen Menschen weltweit mit diesem Virus infiziert war. Sie hatte sich testen lassen. Kurz darauf bekam sie einen Brief, in dem stand, sie solle sich bei einem Arzt, namens Dr. Sternthal, vorstellen. Er tastete nach irgendwelchen Knoten, fand aber keine. Ob sie im letzten Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt hätte, wollte er wissen. Achso, aha. Ellis‘ Mund fühlte sich an, wie er sich anfühlte, wenn Rocco geraucht und sie dann geküsst hatte. Dr. Sternthal nahm ihr Blut ab, nur zwei kleine Röhrchen voll, und bestellte sie nach fünf Tagen erneut. Seine ruhige Stimme klang noch beruhigender, aber alles, was er sagte, war Lärm. Ein unerträglicher Lärm in ihren Ohren und allem, was dazwischen lag. Dann brach sie zusammen.

Und ihre Welt. Aber wenn sie ihrer Mutter dabei zusah, wie sie Heidelbeeren auf einem Teig verteilte und danach pfeifend den Kuchen in den Ofen schob, oder wenn sie ihrem Vater dabei zusah, wie er ein Modellflugzeug, das er gerade zusammenklebt hatte, mit einem Faden von der Decke baumeln ließ oder wenn sie vom Fenster aus die vorbeifahrenden Autos beobachtete und das Blinzeln der Leute am Steuer, weil die Sonne blendete, die trotz allem, jeden Tag auf- und unterging, erkannte Ellis, dass die Welt nicht gebrochen war, sondern einen Sprung hatte, und sie sich in diesem Sprung befand.

Als Rocco zu ihr kam und etwas sagte, sagte sie auch etwas. Als er sie küsste, ließ sie sich küssen, und als er an ihrer Hose zupfte, zog sie sich aus und dachte an den Teppich und an das Blumenfeld. Und ein bisschen an Marek. Das Lächeln war anstrengend.

In der Universität schauten ihre Freundinnen auf die Schminke und darunter, auf das geschrumpfte Lächeln. Ellis stopfte sich Kopfhörer in die Ohren und während der Vorlesungen sagte sie – wenn sich Jasmin oder Tina zu ihr beugten – sie wolle sich konzentrieren. Sie tuschelten hinter Ellis‘ Rücken. Das war okay. Wäre Ellis das Lächeln leichter gefallen, hätte ihre Mutter vermutlich nicht andauernd nachgefragt und sie hätte es niemandem erzählt. Als Ellis‘ Vater davon erfahren hatte, wollte er Rocco umbringen, riss dann aber die Modellflugzeuge von der Decke des Arbeitszimmers, zerstörte einige davon und weinte ununterbrochen. Vor der Arbeit klatschte er sich Wasser ins Gesicht und hielt die Luft an. Kam er nach Hause, atmete er aus. Ellis wollte nicht, dass ihre Eltern mit Rocco darüber sprachen und als Rocco ihren Vater fragte, warum er in letzter Zeit so betrübt sei, schlug er ihm ins hübsche Gesicht und hörte erst auf, als ihn seine Frau zurückzerrte. Ellis war daneben gestanden und hatte nichts unternommen. Das Blut musste sich Rocco selbst abwaschen und auf seine Empörung hin sagte sie bloß: „Das war nur folgerichtig.“

STREICH MOBILE lag zwei Straßen vom Campus entfernt. Nach der Universität erkundigte sich Ellis dort nach einem jungen Mann mit schwarzen Locken und grünen Augen.
„So genau schau‘ ich mir meine Leute nicht an, Kleines“, sagte ein dicker Mann in Nadelstreifenanzug, der sich seinen Namen, Fritz Streich, mit einem Schildchen auf die Brust geklemmt hatte. „Heißt du zufällig Ellis?“, fragte er dann.
„Ja.“
„Marek hat den ganzen Morgen von einer Ellis gesprochen. Er hat schwarze Haare. Ob seine Augen grün oder blau sind – weiß der Teufel.“
Ellis hinterließ ihre Nummer und sagte: „Es ist anders, als sie denken.“
Sie verabschiedete sich und stiefelte davon. An der Straßenbahnhaltestelle musste sie an das denken, was Marek über den Winter gesagt hatte. Ein Großteil vom Schnee war geschmolzen. Sie kniete sich auf den Asphalt, knetete den Matsch und baute einen schwarzen Schneemann, den sie auf die Bank im Glashäuschen setzte. Für den Mund nahm sie ein Stückchen einer durchweichten Tagesfahrkarte. Nase hatte der Schneemann keine. Ihre Kleidung roch nach Werkstatt und Autos, und das mochte sie.

Ellis‘ Eltern schauten zu Boden, wenn sie ihr zufällig im Flur begegneten oder wenn sich Ellis an den Tisch setzte und wenig aß. Während sie auf die Suppe im Löffel pustete, fragte ihre Mutter ständig, ob alles in Ordnung sei. Ihr Vater beteuerte, wie sehr man sie doch verstehe. Ellis schlug mit der flachen Hand in die Schüssel. Die Suppe spritzte durch das Zimmer, auf das Familienfoto an der Wand, auf ihre Eltern und auf sie selbst. Einige Tropfen blieben am Schirmleuchter hängen und seilten sich nacheinander auf den Tisch herab. „Könnt ihr mich bitte nicht behandeln wie eine Todkranke.“ Ellis wischte sich die Suppenreste aus dem Gesicht und leckte ihre Finger ab. Dann sagte sie ihren Eltern, wie sie sich das alles vorstellte, und sie waren erleichtert. Es gab keine Anleitung für diese Sache. Ihr Vater kümmerte sich von nun an um den Papierkram, stritt mit Versicherungen, wenn sie eine Therapieoption ablehnten, und verdoppelte die Summe, die er Ellis zu Monatsbeginn überwies. Ihre Mutter setzte sich intensiv mit der Erkrankung auseinander, konsultierte Ärzte, besorgte Medikamente aus der Apotheke und ordnete sie mit einer kurzen Anwendungsnotiz in den Spiegelschrank. Eine einzige Frage stellten sie ihr jedoch: „Warum sagst du nichts zu Rocco?“

hey schneetriebtäterin, sitz heut um drei im Bätt falls du mir nachstellen willst

Fünf Tage waren vergangen, seitdem sie in der Werkstatt gewesen war und sie hatte gedacht, der dicke Anzugmann hätte den Zettel mit der Nummer verlegt oder Marek hätte kein Interesse an ihr. Ihr Vater war mit dem Firmenwagen auf einer Konferenz in der Schweiz, ihre Mutter war mit Oma zum Friseur gefahren und Ellis hatte bis um halb drei Seminar. Das Bätt war mit Straßenbahn ungünstig zu erreichen. Dreimal hätte sie umsteigen müssen, die letzten achthundert Meter laufen und bestenfalls hätte sie es bis halb vier geschafft. Sie rief Rocco an. Er fuhr.

Marek grüßte zum BMW, aus dem Ellis stieg, und als sie sich zu ihm setzte und Marek wissen wollte, wer der Typ mit dem BMW sei, sagte sie: „Das ist mein Bruder.“
Rocco winkte und brauste davon.
„Ihr seht euch nicht ähnlich“, meinte Marek.
„Wir sind uns nicht ähnlich“, sagte Ellis.
Sie war etwas dünner geworden, aber bei weitem nicht dürr. Ihre Brüste spannten den weinroten Wollpulli. Sie bestellten Pizza und Marek aß die Ananasstückchen, die Ellis aus ihrer Pizza pflückte. Unter seinen Fingernägeln waren schwarze Halbmonde. Sie fand schade, dass er nicht nach Werkstatt, sondern einem billigen Herrenduft roch. Ihre Augen sahen in der Beleuchtung aus wie zwei tanzende Schneeflocken, und selbst wenn Marek sie stundenlang angestarrt hätte, hätte er niemals die Viren entdeckt, die zwischen ihr Erbgut kritzelten, sondern immer nur die junge Frau gesehen, die er liebend gern geküsst hätte, und die sich liebend gern von ihm hätte küssen lassen.

Er sagte, sehe er eine Frau, sei die Haarfarbe das erste, was ihm auffalle. Jede Blondine, die ihm in den letzten Tagen begegnet sei, sei Ellis gewesen. Die Mutter mit den beiden quengelnden Kindern, die in die Werkstatt kam und den Kleinen erklärte, was Auswuchten war. Die Eisverkäuferin, die den Winter über in einem Blumenladen arbeitete, Marek aber nicht erkannte, obwohl er im Sommer fast jeden Tag Eis bei ihr gekauft hatte. Irgendwelche Mädchen mit Schultaschen, die viel jünger waren als Ellis und ihm auf dem Rad entgegen kamen. Überall sei Ellis. Sogar wenn er die Augen schließe, in die Sonne schaue und das rosafarbene Blut in seinen Lidern sehe. Er fand das übertrieben. „Eigentlich hast du hellbraunes Haar“, sagte er. „Nur wenn das Licht in einem bestimmten Winkel fällt, wenn du den Kopf nach unten neigst, als würdest du etwas suchen, was dir gerade aus der Hand geglitten ist, und wenn das Licht über dir schwebt, ungefähr so.“ Mit dem Finger zeichnete er einen unsichtbaren Heiligenschein über seinen Kopf. „Nur dann bist du ein bisschen blond.“

„Warum hast du mir geschrieben?“, fragte Ellis.
„Damit ich mir dein Gesicht einprägen kann und dich nicht ständig mit allen Frauen auf der Straße verwechsel“, sagte Marek. Er nahm einen Schluck Bier, stieß auf und pustete die Luft leise zur Seite.
„Und warum hast du mir deine Nummer dagelassen?“, fragte er.
„Das weiß ich noch nicht.“

Die Hintergrundmusik gefiel Ellis. Gern hätte sie gewusst, von wem das war, damit sie es Zuhause hören konnte, klar und laut und ohne Gesprächsfetzen dazwischen. Vielleicht kannte Marek die Band. Sie fragte ihn nicht. Sie dachte darüber nach, dass man nicht bei der Sache war, wenn man auf die Musik achtete.

„Hast du von dem Jungen gehört, der es liebte, in dem Pool zu schwimmen, in dem seine Eltern ertrunken sind?“
Ellis schüttelte den Kopf.
„Ich finde das komisch“, sagte Marek. „Das ist, als würde man mit dem Mörder seiner Eltern ins Kino gehen und aus dem gleichen Strohhalm Cola trinken.“
„Ich finde das nicht komisch“, sagte Ellis. „Das Schwimmen im Pool und der Tod seiner Eltern haben nichts miteinander zu tun.“
„Studierst du Psychologie oder so?“
„Ja.“
„Echt?“ Marek lachte. „Dann muss ich total aufpassen, was ich sage, weil du sonst alles über meine Kindheit weißt und wie ich ticke.“
„Quatsch“, sagte Ellis. „Ich bin erst im zweiten Semester.“
„Ich passe trotzdem auf.“

Sie sprachen über das Leben, warum es manchmal glücklich machte und warum es manchmal beschissen war oder einfach da. Dabei tauschten sie nichts Persönliches aus. Sie bedienten sich an den Schicksalen anderer, und am Ende wussten sie nicht viel mehr voneinander, als an jenem Tag, an dem die Straßenbahn zu spät kam. Nachdem Marek Ellis‘ Essen und Ellis Mareks Essen bezahlt hatte, flüsterte er ihr zu, sie solle den Kellner ablenken; wozu, sagte er nicht, oder zu leise. Sie ging zum Kellner und fragte, ob er AIDS-Kranke anders behandeln würde. Der Kellner, der einem ehemaligen Lehrer von Ellis ähnelte, war völlig überfordert mit der Frage und sagte, dass er natürlich jeden gleich behandle, also, er sei sich nicht sicher, aber er denke schon, zum Glück sieht man das ja nicht, meinte er zuletzt. Als Ellis das Restaurant verließ, war Marek verschwunden.

Es tut mir leid aber ich musst weg, zeig dir nächstes mal warum. war schön lg

Sie ging durch die Nacht und betrachtete die Sterne. In der Stadt waren sie nicht so hell, aber sie waren da und das war schön.

Nachdem sie ihre Tabletten eingenommen hatte, schlüpfte sie zu Rocco unter die Bettdecke und weckte ihn. Er wollte etwas über das Referat wissen. Ellis erzählte ihm etwas. Danach saugte sie an seinem Schwanz. Sie hatte oft überlegt, was Rocco an ihr mochte. Rocco sagte Ich liebe dich wie andere Gesundheit! , wenn jemand geniest hatte, nur dass es kein Niesen war, sondern ein Moment, wenn sie nah aneinander lagen, sich nicht zu berühren und nichts anderes zu sagen wussten, meistens aber kurz bevor er sich verabschiedete und ging. Sie fühlte sich vollkommen austauschbar, aber am Ende schloss man vermutlich jenes Spielzeug in sein Herz, mit dem man ständig spielte, obwohl es Millionen andere davon gab.

Am Morgen frühstückte Rocco nicht bei Ellis. Ihre Mutter hatte ihm keinen Teller und keine Tasse hingestellt. Er schaute Ellis‘ Mutter an. Sie steckte in denselben knallbunten Kleidern, verwendete den gleichen erdbeerfarbenen Lippenstift, trug jene Stoffohrringe, die sie vor zwei Jahren von Ellis zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, aber sie war eine andere Frau. Nicht die Mutter seiner Freundin, die ihn mochte und ihm bei jeder Gelegenheit ein Küsschen auf die Wange drückte, sondern eine Frau, die nicht wollte, dass er da war. Rocco sagte zu Ellis, dass er morgen noch einmal kommen werde, aber wenn ihr Vater aus der Schweiz zurückkehre, werde er sie nicht mehr besuchen. Er zeigte auf eine kleine Narbe auf seiner Stirn. Und als sie dort im Türrahmen standen, nah aneinander und sich nicht zu berühren oder etwas anderes zu sagen wussten, und weil es ein Abschied war, flüsterte ihr Rocco ein Ich liebe dich ins Haar. Ihre Mutter sollte es nicht hören. Ellis nickte, winkte Rocco hinterher und wartete, bis das Geräusch des BMWs in der Ferne verklungen war.

Sie schrieb Rocco, dass ihr Vater früher nach Hause gekommen sei, und schickte Marek ihre Adresse. Er hatte ein dickes Buch dabei, das er auf Ellis‘ Bett legte.
„Du rauchst?“, fragte er.
Ellis schüttelte den Kopf. Er schaute auf den Aschenbecher, dann zu Ellis. „Ab und zu“, sagte sie leise. „Was hast du da?“
„Deswegen musste ich früher weg“, sagte er. „Ich habe es geklaut.“
„Ich kenne niemanden, der Bücher klaut.“
„Man kann die nicht kaufen“, sagte Marek.
Ellis schaute misstrauisch, setzte sich aufs Bett und blätterte durch die Seiten. Es war ein Gästebuch.
„Jetzt kennst du jemanden, der Bücher klaut“, sagte Marek.
„Wieso machst du das?“
Marek fuhr sich durchs Haar.
„Meine Eltern betreiben eine Gaststätte und ich hab als Kind immer in dem Gästebuch gelesen. Viele unterschiedliche Menschen haben an einem Buch geschrieben. Sie erzählen freilich keine Geschichte, aber man kann doch Gefühle lesen darin. Die meisten schreiben bloß, was sie gegessen haben und wie es ihnen geschmeckt hat oder wie scheußlich es war, aber allein das ist schön zu lesen.“
„Und warum liest du das Gästebuch nicht einfach, wenn du im Restaurant bist?“
„Manchmal muss man Blumen ausreißen, um sich daran zu erfreuen“, sagte Marek und Ellis konnte nicht glauben, dass seine Hände Motoren zerlegten und wieder zusammenschraubten, Zündkerzen wechselten, Radachsen einstellten und Räder wuchteten.
„Warum arbeitest du eigentlich in dieser Werkstatt?“
„Wieso fragst du?“, fragte Marek.
„Nur so.“
Ellis‘ Mutter klopfte und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei. Marek rutschte ein Stückchen weg von Ellis. Sie sprang auf, öffnete die Tür, nahm ihrer Mutter den Blaubeerkuchen und den Kakao ab und schickte sie fort. Die Gabeln legte sie beiseite. Dann fütterte sie Marek.
„Ob lecker von lecken stammt?“, fragte sie.
Marek kaute seinen Bissen zu Ende.

Sie dachte darüber nach, es ihm zu sagen, oder einfach mit ihm zu schlafen, ihn anzustecken, ihn auf ihre Seite zu holen, aber dann nahm sie ihn in den Arm oder ließ sich von ihm in den Arm nehmen und küsste ihn vorsichtig, ohne Zunge, nicht einmal mit der Innenseite ihrer Lippen.

Nachdem sie wollte, dass er geht, und er ging, sagte er nichts Liebes, sondern nur, dass er ihr das Buch schenke. Ellis öffnete das Fenster und schaute Marek hinterher. Hinten am Kopf hatte er eine kahle Stelle, die sie noch nicht bemerkt hatte. Sie setzte sich zurück ins Bett. Das Fenster ließ sie offen. Zwar mochte sie Mareks Geruch, aber er gehörte nicht in ihr Zimmer. Sie schlug das Gästebuch auf. Nach einer kurzen Suche hatte sie die Stelle gefunden.

Wir teilen uns Strohhalm, Löffel und Serviette, aber eure Pizza, die teilen wir uns nicht.
E. & R.

Ellis rief Rocco an und presste das Ohr gegen seine krächzende Stimme.
„Ich denke ständig darüber nach, aber ich kapier nicht, warum mich dein Vater geschlagen hat. Mein Gesicht tut immer noch weh. Musste sogar meinen Chef anlügen. Er hat mich gefragt, ob ich einen Fight Club gegründet habe oder so.“
„Ich weiß nicht, was los war mit ihm. Papa hat im Moment viel Stress in der Arbeit. Der will auch nix sagen dazu.“
„Heute ist mir auch noch der BMW verreckt. War den ganzen Tag in dieser blöden Werkstatt.“
„Welche Werkstatt?“
„Ich weiß nicht, wie die heißt. In der Nähe von der Uni. Warte, ich schau auf die Rechnung. Irgendetwas mit Maler oder Pinsel. Ah, Streich. Genau. Haben mir das komplette Auto zerlegt.“

Dass Rocco von Marek oder Marek von Rocco nicht irgendwann, sondern sehr bald erfahren würde, war Ellis klar. Trotzdem tat sie so, als wären sich die beiden längst begegnet. Als wäre nichts komisch daran.

Marek hatte sich nicht mehr gemeldet bei ihr. Ihre SMS blieben unbeantwortet. Sie wollte den Geschmack seines Mundes in ihrem haben, aber wenn sie an den Kuss dachte, schmeckte sie nichts. Sich an etwas zu erinnern, was nie geschehen war, unterschied sich kaum von der Vorstellung an eine Zukunft, die nie eintreffen würde. Aber weil es nicht dasselbe war, suchte sie im Adressbuch, das jahrelang ungelesen in einer Schublade der Ankleide gelegen hatte, nach einem Marek und weil sie seinen Nachnamen nicht kannte, suchte sie lange. Sie fand fünf Mareks. Alle wohnten in ihrer Stadt, aber nur einer wohnte in der Nähe jener Stelle, an der sie sich nach dem Schneespiel getrennt hatten. Ellis ging in die Theo-Liebknecht-Straße. Hausnummer 47. Aus keinem der Fenster drang Licht. Sie klingelte, aber niemand öffnete. Sie setzte sich auf die Treppe und schaute zu, wie der Schnee in ihre Spuren fiel; sie verschwinden ließ.

Sie wartete und fror und stellte sich vor, dass der Schnee auch sie verschwinden lassen könnte, und sie fragte sich, ob sie sich das wünschen sollte. Rocco war ein fantastischer Liebhaber. Er sagte Ich liebe dich. Er sagte es beiläufig und auf eine eigenartige Weise, aber entscheidend war doch, dass er tat, was er sagte. Ihr Vater hatte kein Recht, ihn zu schlagen, und ihre Mutter hatte kein Recht, ihm keinen Teller und keine Tasse hinzustellen. Ellis hätte sich nicht von ihm ficken lassen dürfen, nachdem sie von ihrer Krankheit erfahren hatte. Sie hätte ihm von Svens Geburtstagsparty erzählen müssen. Als sie betrunken war, Rocco ihr das Glas nicht aus der Hand reißen konnte, weil er nicht da war, sondern für die Prüfung am nächsten Tag lernte. Und wie zwei Fremde sie mit Schokoladenkuchen beworfen, an ihr geleckt, sie ausgezogen, mit ihr geschlafen und sich geküsst hatten dabei. Es hatte sich angefühlt wie ein Traum, den man einmal zu Ende träumen sollte. Sie dachte darüber nach, dass sie Marek mochte. Ihn vielleicht liebte. Und dass die Welt nicht gebrochen war, sondern einen Sprung hatte und sie sich in diesem Sprung befand.

Sie starrte in die Dunkelheit. Sterne waren nicht zu sehen, aber Ellis wusste, dass sie da waren. Irgendwann – sie hatte nicht auf die Uhrzeit geachtet - glitt ein Schatten aus dem Schwarz und es war Marek. Gerne wäre sie aufgesprungen, zu ihm gerannt und mit ihrer Zunge in seinen Mund gefallen, aber sie stand auf und blieb stehen. Ihr Haar war grau.


Ständig muss ich an dich denken. Und an das Gesicht, das du mir hingehalten hast und ich bloß küssen konnte, wie ein Stückchen Wand. Ein Stückchen Wand, an das ich meine Lippen und Ohren presse; aber nur lauschen kann, was sich dahinter verbirgt. Ich glaube, ich weiß jetzt, was das sein könnte und mir bleibt nichts anderes übrig als meine Lippen und Ohren von dem Stückchen Wand zu nehmen. Leb wohl, Ellis!

Es klang, als würde er einen Brief vorlesen, aber er hatte keinen in der Hand. Hatte er überhaupt etwas gesagt? In der Dunkelheit konnte Ellis nicht erkennen, ob er seine Lippen bewegt hatte. Er ging an ihr vorbei, öffnete die Tür und verschwand im Haus. Einen Moment lang hatte sich ihre rechte Schulter warm angefühlt.

kannst du mich abholen?

Rocco hätte Ellis beinah umgefahren, weil sie auf der Straße stand, zwischen zwei weißen Streifen. Er bremste, stieß die Tür auf und wollte aussteigen, wurde aber vom Gurt zurückgerissen. Er schnallte sich ab und lief zu Ellis, packte sie mit beiden Händen an den Armen und erschrak, weil sie ausgekühlt war, eisig, fast tot vor Kälte. Rocco trug Ellis zum Auto, öffnete die Beifahrertür und setzte sie auf den Sitz. Im Wetterbericht für nächste Woche kündigte ein Sprecher Sonnenschein an. Rocco stellte das Radio aus. Er brachte Ellis nach Hause, klingelte. Niemand öffnete. Er klingelte wieder. Wieder öffnete niemand. Er klingelte noch einmal. Das Licht im Treppenhaus ging an. Dann öffnete Ellis‘ Vater die Tür. Er trug einen Bademantel und blinzelte, als würde ihn etwas blenden. „Du?“, brüllte er. Als er seine Tochter in Roccos Armen sah, verstummte er. Er nahm Ellis und schickte Rocco fort. Rocco wollte nicht fort. Ellis‘ Vater schlug die Tür zu. Rocco klingelte. Niemand öffnete. Das Licht im Treppenhaus erlosch.

Ellis‘ Vater badete seine Tochter in heißem Wasser. Er hatte sie nicht nackt gesehen, seitdem sie Brüste hatte, und weil ihn der Anblick erregte, flüchtete er aus dem Zimmer und bat seine Frau, sich um Ellis zu kümmern.

Am nächsten Morgen schauten ihre Eltern wieder auf den Boden, als sie den Stuhl, den sie ihr hervorgeschoben hatten, zurückschob und noch eine Tasse und noch einen Teller auf den Tisch stellte und dabei Rocco anrief. Seine Augen, sein Mund und seine Hände sahen aus, als wollte er etwas damit machen, als wollte er ihnen etwas antun, aber er setzte sich zu Ellis‘ Vater und zu Ellis‘ Mutter und zu Ellis an den Frühstückstisch und frühstückte still.

Danach gingen die beiden auf Ellis‘ Zimmer, wo sie sich aufs Bett setzten. Auf dem Nachtkästchen lag das aufgeschlagene Gästebuch von Marek. Rocco steckte sich eine Zigarette an und betrachtete den Eintrag. Er hatte ein blaues Hemd an und eine Baumwollhose, seine Haare hingen nachlässig gekämmt im Gesicht. Heute sah er nicht edel aus. Sie pflückte die Zigarette aus seinem Mund, zerquetschte sie auf dem Gästebuch und verrieb sie in seiner Schrift. In solch einem Moment hätte er Ich liebe dich gesagt, aber er sagte: „Ich kann nicht mehr.“ Sie küsste ihn nicht. Sie begann, ihn auszuziehen, und weil er sich sträubte, zerriss sie sein Hemd und fetzte die Knöpfe an seiner Hose auf. Ihr Top rollte sie nach oben, so dass er ihre Brüste sehen und anfassen konnte. Er spürte ihre warme, weiche Haut und bekam eine Erektion. „Ich will nicht. Wir müssen aufhören damit. Das alles muss enden. Jetzt.“ Den Slip schob sie zur Seite und setzte sich auf ihn. Rocco verstummte. Was hat mich unter dieses Mädchen gelegt, duftend wie ein Blumenteppich, hin und her bewegt? Sie schloss die Augen. Rufend zugleich und bange, dass einer den Ruf vernehme. Sie hatte den Duft von frisch geschnittenem Gras in der Nase und von Motoröl, vor allem von Motoröl. Sie dachte an Marek und dass er an sie dachte, obwohl er nicht an sie denken wollte.
Und zu einem Untergange in einem anderen bestimmt.
Es tat weh. Ellis stellte sich vor, dass ihr Bett fliegen konnte. Jeder wollte fliegen können, vielleicht war sie die einzige, die fliegen können wollte, aber sie fragte sich, was sie tun würde, wenn sie fliegen könnte, und wahrscheinlich würde sie am Anfang das Gefühl genießen, aber schon sehr bald würde sie einfach in der Luft hängen und nichts tun. Trotzdem wünschte sie sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher.

 
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Anmerkung: Das verwendete Gedicht ist eine bearbeitete Version von Die Liebende aus Der neuen Gedichte anderer Teil von Rainer Maria Rilke.

 
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Hallo Markus, kein Wunder, dass bisher keiner geantwortet hat. Erst dachte ich ja, ich bin mit ein paar wenigen anderen in diesem Forum zu einer mittlerweile seltenen und fast ausgestorbenen Spezies mutiert: Kommentator. Aber vielleicht liegt es in diesem Fall auch an deiner Geschichte. Das ist ja ein sehr ambitioniertes Werk.

Ich lass dir mal meinen allerallerersten Eindruck da.
Was ich großartig fand, das ist, wie die beiden Personen sich wandeln. Also aus Rocco, dem absout unsympathischen BMW-Arsch ein trauriger, zerbrochener Mann wird und wie aus Ellis, diesem zarten, bemitleideswerten Elfchen, so kam sie mir halt zu Anfang vor, fast übertrieben bemitleidenswert, eine äußerst vielschichtige, bis zur Bösartigkeit hin schillernde Figur. Was muss dieses Mädchen gelitten haben unter der Beziehung zu Rocco war mein erster Gedanke am Schluss, dass sie sich so gemein an ihm rächt. Denn nichts anderes ist es ja, wenn sie ihm kein Wort erzählt von ihrem Onenightdingens und von der Diagnose. Das machst du schon sehr fies, mir ist fast das Brötchen vom Teller geschruppt, als ich las, dass sie dem Rocco fremd gegangen ist. Jeder hat gedacht, Rocco ist der Arsch. Da hast du ja schön mit den Erwartungen deiner Leser gespielt und sie hinters Licht geführt. Naja, du hast die Erwartungen ja auch erst aufgebaut. :)
Aber ich weiß ja nochnicht mal, ob das deine Intention war.

Ich finde es einerseits großartig, deine Erzählung, die sich erst im Nahhinein und in der Folge des Lesens in seiner Wahrheit entpuppt, und gleichzeitig habe ich noch das Gefühl des Unfertigen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich deine Intention, also dass die Charaktere nur auf den ersten Blick scheinen, was sie sind, und dass die zerbrechliche Elfe Ellis wirklich zum Untergang wird wie in dem Rilkegedicht, ob ich das überhaupt richtig erfasst habe. Ist sie eine dieser Frauen, die Männer wie Roccos oder Mareks in den Untergang zieht, weil sie fliegen will und von sich selbst weiß, dass sie mit dieser Fähigkeit gar nichts Schönes, Lebendiges erreichen wird?

Warum unfertig?
Irritiert haben mich die häufigen Perspektivwechsel, tw. mitten in einem Absatz. Ich versteh schon, warum du das machst, ich persönlich bin da wohl zu konservativ, ich mag es einfach nicht. Könnte dir auch nicht raten, ob da was nicht genau genug gemacht ist oder so. Ich könnte es ja noch nicht mal halbwegs so schreiben wie du, krieg ich gar nicht hin. Da muss also definitiv jemadn anderes was dazu sagen.
Trotzdem finde ich aber auch, dass noch was anderes fehlt. Über die Perspektivwechesl hinaus. Im Moment hat mir alles noch ein bisschen zu sehr den Geruch der Künstlichkeit. Dass die Personen extra so übertreiben aufgebaut werden, damit der Clou mit dem onenightstand klappt. Der Rocce muss so klischeemäßig gezeichnet werden, ihre Beziehung, also die zwischen Ellis und Rocco usw.
Man stellt sich da Fragen, zum Beispiel, wie das passiert ist, dass sie die Bez. zu ihm so scheiße sieht. Ist es rein die Diagnose, die sie so verändert? Oder war da noch was zwischen ihnen? Schon die ganze Zeit? Was sie ausgerechnet zu diesem Verschweigen getrieben hat? Ich weiß einfach noch nicht, wie du als Autor das meinst. Ich könnte mich genauso fragen, warum sie ihn denn nicht schon vorher verlassen hat, wenn sie mit dem Rocco so unzufreiden ist. Und warum taucht dakeine Fürsorglichkeit auf, kein Schuldbewusstsein, das wären doch die beiden ersten Dinge, die ich mir in einer solchen Situation vorstellen kann. Du zeichnest sie als irgendwie arrogant, als verwöhnte Prinzessin, die in der Begegnung mit Marek aber auch über diese Arroganz ins Zweifeln gerät, liegt es also an ihrem Charakter? Oder ist es ihr Weg, sich so mit der Todesbedrohung auseinanderzusetzen? Oder wolltest du so eine vernichtende Frauengestalt, die alles um sich ehr zerstört? Mir geht das in zu viele verschiedene Richtungen.
Und die Person des Marek, wie ist der da einzuordnen? Also ich finde das toll, wie du den beschreibst. Ich mochte den sehr. Aber seine Rolle bleibt mir noch zu unklar. Soll er eine Art Katalysator sein? Oder Material ihrer Wandlung?

Also vielleicht liegt es am ersten Lesen, dass ich dich so mit Frage zwiebele.
Mir ist das alles einfach noch zu assoziativ. Die Charaktere haben keine Folgerichtigkeit aus sich heraus. Also Rocco und Ellis nicht, noch nicht.

Das klingt jetzt furchtbar negativ. ich weiß, vielleicht fällt es mir ja auch wie Schuppen und so, wenn ich es noch mal lese, werde ich auch mit Sicherheit tun, aber bei mir ist es meistens so, dass der erste Eindruck unheimlich viel aussagt darüber, wie eine Geschichte für mich "ankommt". Es ist sehr selten, wenn es dann nach dem zweiten Lesen mal ganz anders ausgeht.

Was ich ausgezeichnet finde, das ist die Idee. Das meine ich auch mit ambitioniert, ich finde es eine sehr kompliziert zu schreibende Idee, und dann auch noch kombiniert mit dem Rilkegedicht.
Also ich bin jetzt auch sehr gespannt darauf, was andere schreiben werden, ob ich mit meinem Eindruck so ganz außerhalb liege, das wäre bei deinen Geschichten ja nicht das erste Mal, so sehr ich deine Sprache liebe, so sehr gibt es auch Unterschiede zwischen uns. zum Beispiel diese Perspektivgeschichten, die du ja z.B. liebst.
Ja, sprachlich wie immer total gut, da sind superschöne Ideen und winzige Charakterbilder drin, die sind einfach super. Die möchte man dir am liebste wegstehelen, so schön sind die. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, schreibe ich vielleicht noch ein paar Stellen raus. Hier mal stellvertretend so zwei oder drei.

Die Straßenbahn fuhr vorbei und die beiden saßen lachend im Schnee.
„Tolle Idee, …“ „Marek“, ergänzte Marek.
„Es tut mir leid, …“ „Ellis“, ergänzte Ellis.

oder die hier:
„Und warum liest du das Gästebuch nicht einfach, wenn du im Restaurant bist?“
„Manchmal muss man Blumen ausreißen, um sich daran zu erfreuen“, sagte Marek und Ellis konnte nicht glauben, dass seine Hände Motoren zerlegten und wieder zusammenschraubten, Zündkerzen wechselten, Radachsen einstellten und Räder wuchteten.

Oder das Ende dann, das finde ich total irre, wie die den Rocco dann doch noch zum Sex "überredet". Und sich dann das Fliegen wünscht, obwohl sie weiß, dass sie damit nichts anfanegn kann. Ich glaube nach wie vor, dass das Ende am ehesten deine Intention trifft.

Für mich ist es einfach so, da fehlt noch was in der Stringenz der Charaktere. Und eine Aufgabe, um die ich dich nicht beneide, ich finde es total schwer, an was du dich da rangewagt hast.
Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Markus,

dass ihr Bett fliegen konnte. Der Teppich mit den Blumen war ein Blumenfeld gewesen.
Nachts beschien die Nachttischlampe die Stoffblüten. Wände, Poster, Mädchenspielsachen und Poesiealben verschwanden in der Dunkelheit.

Wenn der Teppich ein imaginäres Blumenfeld ist, warum redest du von "Stoffblüten" im nächsten Satz? Stellt sie sich Stoffblüten vor? Wären Rosen oder so nicht cooler?
Und wenn die Nachttischlampe leuchtet, warum verschwindet dann gleich im nächsten Satz alles in der Dunkelheit? Ist das so super logisch? Bin ich jetzt kleinlich oder kann man das auch komisch finden?


„Beschissener Tag heute.“ Damit meinte er nicht, dass er schlecht gelaunt war. Seine Eltern hatten sich vor zehn Monaten getrennt, nicht mit Händeschütteln und falschen Wünschen, sondern Fingernägeln und zerbrochenen Schnapsflaschen. Letzten Sonntag saß er bei einem Handballspiel die gesamte Zeit über auf der Bank und gestern Nacht hatte er so üble Bauchschmerzen, dass er nicht daran gedacht hatte, an jenem Tag in die Werkstatt zu fahren, um nach der Arbeit mit einem Mädchen an einer verschneiten Haltestelle auf die Straßenbahn zu warten. Die verspätete Straßenbahn war das einzig Beschissene an diesem Tag, aber manchmal tat es gut, die ganze Scheiße aus dem Leben auf einen Tag zu schieben.

Finde ich komisch den Absatz. Beschissener Tag heute. Damit meine ich aber nicht, dass ich schlecht drauf bin, nein, nein, zwar haben sich vor kurzem meine Eltern getrennt, und am Wochenende saß ich auf der Bank und gestern hatte ich üble Bauchschmerzen und jetzt kommt die Bahn zu spät, aber das ist ja das einzig Schlechte an diesem Tag, drum schiebe ich alles Schlechte meines Lebens auf diesen Tag, weil das ja so gut tut. Sprich: ich bin eigentlich gut drauf.
Okay ...

Sie stapften durch den Schnee und obwohl Ellis‘ Schritte viel kleiner waren als seine, war sie schneller

Lol .. das habe ich irgendwie im Kopf. So voll die Kampfneurotikerin.


„Ich mag deine Jacke“, sagte sie.
Marek schaute sie an.
„Machst du dich über mich lustig?“

Diese überneurotischen knappen unsicheren angestrengten Dialoge … wo dann plötzlich einer völlig unerwartet etwas Gewagtes tut oder "zieh dich aus" sagt oder "fick mich", so total aus heiterem Himmel - die sind doch auch bei Kew ein bisschen so.
ich frage mich gerade inwieweit das einfach die Realität ist, gerade wenn man jung ist, im Grunde hat einfach keiner einen Plan und jeder ist total unsicher … drum trinken dann alle so viel Alkohol.

sie mochte wie er sich anzog; nicht, was er anhatte, sondern wie er es trug. Sogar in Boxershorts und T-Shirt sah er edel aus.

Das sind so Gedanken ... :) Ich kann mir das immer so schlecht vorstellen. Dass "Rocco" in Boxershorts und T-Shirt" edel" aussieht .. Rocco ist halt ein Pornostarname.

Das machte er nur mit Dichtern, die die gleichen Initialen hatten, wie er, und weil Rocco Rocco Matthias Ruf hieß, bearbeitete er oft Gedichten von Rainer Maria Rilke.

Rocco Matthias Ruf sammelt Gedichten von Rainer Maria Rilke, weil er die gleichen Initialen hat ... :)

Also ich weiß nicht so recht, welche Haltung ich dem Text gegenüber einnehmen müsste. Es fällt mir bisschen schwer, mich drauf einlassen, ich bin nicht der optimale Leser für. Es sind ausgefallene Ideen drin, die gut sind, mir ist halt manchmal ein bisschen zu kitschig ist, glaube ich. So der Gesamtton. Dieser melancholischer Weltscherz auch, der drin steckt. Ich spür das halt nicht im Moment. Ich finde eher den Namen Rocco Mathias Ruf lustig. Kann es sein, dass du die ganze Zeit Spieltrieb liest oder so?
Es ist glaub auch schwierig mit diesem allwissenden Erzähler, den du hier hast. So dieses Märchenartige, autoritäre von oben. Schwierig. Bisschen melancholisch und subtil und kitschig und schmerzhaft und tiefsinnig. Sehr schwierig im Grunde, was du hier abziehen willst. Vor allem mit dieser Distanz. Du erzählst ja nicht direkt aus der Sicht einer Figur in der dritten Person, sprachlich ist immer der Erzähler dazwischengeschlatet und man spürt diese Distanz, es werden auch viele Dialoge indirekt nacherzählt, dann Empfindungen eingestreut - sehr schwierig.
Du machst auch so Sachen, um den Erzähler immer wieder zu betonen. Man muss auch nicht jedes Mal: Ellis dachte darüber nach, wie ... schreiben,

Sie dachte darüber nach, dass Rocco ein wunderbarer Liebhaber war, auch wenn man die Hand aus dem Blickfeld nahm.

Du könntest auch, wenn du ihre Perspektive einnimmst, schreiben: Rocco war ein wunderbarer Liebhaber, auch wenn man die Hand aus der Blickfeld nahm.

An anderer Stelle machst du das auch ... aber ja. Das ist auch nicht so schlimm, aber in der Summe ist da viel Distanz.


erkannte Ellis, dass die Welt nicht gebrochen war, sondern nur einen Sprung hatte, und sie sich in diesem Sprung befand.

find ich gut

„Warum hast du mir geschrieben?“, fragte Ellis.
„Du hast mir deine Nummer dagelassen“, sagte Marek.
„Du hättest auch nicht schreiben können.“
„Ja, das hätte ich tun können. Wollte ich aber nicht.“

Das sind so die anstrengenden Dialoge, die ich meine. Irgendwie ist jeder eine Zicke.


Dreimal hätte sie umsteigen müssen, die letzten achthundert Meter laufen und im besten Falle hätte sie es bis halb vier geschafft. Sie rief Rocco an. Er fuhr.

Jetzt bin ich verwirrt. Rocco weiß nicht, dass er sie mit HIV angesteckt hat? Weiß er, dass er HIV hat? Sie ruft tatsächlich Rocco an, wenn sie sich mit Marek treffen will, damit er sie fährt?
Müsste es nicht so ein Gespräch mit Rocco und ihr mal darüber geben?

„Hast du von dem Jungen gehört, der das Wasser und das Schwimmen liebte, obwohl seine Eltern ertrunken sind?“
Ellis schüttelte den Kopf.
„Ich finde das komisch“, sagte Marek. „Das ist, als würde man mit dem Mörder seiner Eltern ins Kino gehen und aus dem gleichen Strohhalm Cola trinken.“
„Ich finde das gar nicht komisch“, sagte Ellis. „Der Junge hat seine Eltern geliebt und im Wasser kann er bei ihnen sein. Vielleicht hat er anfangs versucht, das Wasser anzuzünden, aber jetzt mag er es.“
„Studierst du Psychologie oder so?“
„Ja.“
„Echt?“ Marek lachte. „Dann muss ich total aufpassen, was ich sage, weil du sonst alles über meine Kindheit weißt und wie ich ticke.“
„Quatsch“, sagte Ellis. „Ich bin erst im zweiten Semester.“
„Ich passe trotzdem auf.“

Eine Psychologiestudentin!!! Im zweiten Semester! Das erklärt jetzt einiges.
Ich finde das übrigens auch nicht komisch, dass man trotzdem schwimmen mag, obwohl die ELtern ertrunken sind. Schwimmen ist eine ziemlich normale Sache. Wie Autofahren oder so. Das ist ja keine Familie von Fallschirmspringern. Dann könnte man es komisch finden.
Es ist eine Geschichte, in der nur sehr selten eine Figur das denkt oder sagt, was ich sagen würde. Aber das mit dem HIV finde ich jetzt gut, macht es etwas spannender.

„Du rauchst?“, fragte er.
Ellis schüttelte den Kopf. Er schaute auf den Aschenbecher, dann zu Ellis. „Ab und zu“, sagte sie leise. „Was hast du da?“
„Deswegen musste ich früher weg“, sagte er. „Ich habe es geklaut.“
„Du hast ein Buch geklaut?“, fragte Ellis.
„Ja.“
„Ich kenne niemanden, der Bücher klaut.“
„Man kann die nicht kaufen“, sagte Marek.

Das sind diese Dialoge wieder …

Guck dir mal den Dialog hier an: http://de.wikipedia.org/wiki/Alogie


Ich finde, du versuchst hier schon ziemlich ausgefallene Sachen, was schon gut ist. Es sind auch harte Themen, an die du dich rantraust. Es ist ein ausgefallener Glass-Text, der schon auch aneckt auf seine Art. Irgendwie ist Sex wieder der böse und die Tussis werden ausgenutzt … okay. Ich weiß nicht genau, was du mit dem Text sagen willst, ich werde diesmal nicht anfangen wild drüber zu spekulieren ;), sondern ich denke mir einfach, dass ich für die Gefühlsebene, die du hier anstrebst, nicht der Empfänglichste bin, es schwingt viel an mir vorbei. Zum Beispiel der letzte Absatz. Ich hab nicht besonders Lust in des Mädchens jugendlichen Weltschmerz zu baden und der Text bringt mich auch nicht wirklich dazu. Es sind auch keine Figuren, mit denen ich viel anfangen kann. Sprachlich sind immer wieder gute Ideen drin. Ich bin gespannt, was die anderen dazu sagen.

MfG,

JuJu

 

Hallo,
ich finde das Thema echt deftig und wirklich gut. HIV, dieses Stigmata und das Leben damit, das ist echt hart und drückt richtig aufs Gemüt. Ich setze mich eigentlich nicht besonders gerne damit auseinander, habe sogar Dallas Buyers Club nicht sehen wollen, weil ich das so anstrengend finde. Ja. Auch wenn das Thema im Moment wirklich nicht besonders groß ist in Deutschland und die Ansteckungsgefahr (für Heteros jedenfalls) doch extrem gering ist, finde ich alleine die Vorstellung, dass es trotzdem jedem passieren kann in bestimmten Situationen doch ziemlich beunruhigend und hemmend. Ich habe da auch in der Vergangenheit viel darüber nachgedacht, wie das denn so wäre sich mit dieser Krankheit anzustecken, ja, wäre echt scheiße, denke ich. Na ja, ich bin da auf jeden Fall ziemlich sensibel für und deine Geschichte hat mich voll abgeholt.
Aber abgesehen von dem allgemeinen Eindruck, den das Thema auf mich einfach nun mal hat, hatte ich mit dem Text doch einige Schwierigkeiten. In vielen Punkte muss ich JuJu zustimmen, das ist stellenweise einfach so angestrengt, die Dialoge sind so künstlich, das Verhalten finde ich auch häufig unnatürlich. Aber der Reihe nach.
Nach dem Lesen des ersten Absatzes bin ich gestern ausgestiegen.

Als Mädchen hatte sich Ellis immer vorgestellt, dass ihr Bett fliegen konnte. Der Teppich mit den Blumen war ein Blumenfeld gewesen. Nachts beschien die Nachttischlampe die Stoffblüten. Wände, Poster, Mädchenspielsachen und Poesiealben verschwanden in der Dunkelheit. Sie hatte sich das so sehr vorgestellt, dass ihr schwindelig wurde davon und sie niesen musste. Irgendwann hatte Rocco eine Zigarette fallen gelassen und weil der Teppich ohnehin zu kindlich für ihr Alter war, hatten sie ihn weggeschmissen. Dann war das Bett nur noch ein Bett, auf dem sich Ellis von Rocco ficken ließ.
Keine Ahnung, vllt geht es nur mir so, aber ich mag dieses Effekthascherische gar nicht. Hier, fliegendes Bett, Stoffblüten, Mädchenspielsachen, Poesiealben, alles so niedlich und verletzlich und dann kommt dieser ganz harte Bruch und sie wird von Rocco, dem Pornohengst (die Assoziation hat man nun mal sofort) durchgefickt. Ich weiß nicht, ich finde das manipulativ.
Bei dem nächsten Absatz ging es mir genau so wie JuJu, da dachte ich mir he? Das soll jetzt alles nicht beschissen sein? Na ja.
Ich fand das auch mit Rilke und der Übereinstimmung mit den Initialen von Rocco nicht so geil. Mir kam das so bemüht vor. Auch will mir nicht in den Kopf gehen, dass ein Typ wie Rocco auf so einen Empfindlichkeitspoeten wie Rilke steht. Passt für mich nicht. Zum einen finde ich Rocco etwas blass gezeichnet, so ein richtig gutes Bild entsteht bei mir nicht, aber so im Wesentlichen kommt er mir doch eher etwas stumpf vor. So ein BMW-Typ eben, dem das auch nichts ausmacht, seine Freundin zu einem anderen zu fahren, der "ich liebe dich" so sagt, als würde er niesen, der sie eben einfach nur durchfickt und hier das
Für Rocco war Ellis nicht viel mehr als ein Spielzeug. Wie einen Dummy karrte er sie mit seinem BMW durch die Stadt, pflanzte sie am See als Schmuckstück neben sich und ließ sie nach dem Sex wie eine aufblasbare Puppe im Bett liegen.
Er schreibt für sie Gedichte von Rilke um? Na ja.
Dann diese Szene
Ellis konnte nicht glauben, dass seine Hände Motoren zerlegten und wieder zusammenschraubten, Zündkerzen wechselten, Radachsen einstellten und Räder wuchteten.
„Warum arbeitest du eigentlich in dieser Werkstatt?“
„Wie meinst du das?“, fragte Marek.
„Du bist doch nicht dumm oder so“, sagte Ellis.
„Nur weil man in einer Werkstatt arbeitet, heißt das nicht, dass man dumm ist. Das zu denken, ist dumm“, sagte Marek, ziemlich laut. Rocco war nie laut geworden, höchstens, wenn sich Ellis föhnte oder ihre Mutter staubsaugte, er aber trotzdem etwas sagen wollte; er war auch nie zornig gewesen, es gab keinen Grund, und selbst, wenn es einen Grund gab, blieb er beherrscht und hob seine Stimme nicht. Marek war rot im Gesicht und hätte gerne geschrien, aber Ellis Mutter hatte an der Zimmertür geklopft und sich erkundigt, ob alles in Ordnung sei. Ellis schickte ihre Mutter fort und Marek sagte: „Ich arbeite bei meinem Onkel, um Kohle fürs Studium zusammenzukriegen.“
Komm schon, brauchst du hier wirklich so eine klischeehafte Auseinandersetzung. Handwerker sind doch gar nicht dumm Debatte. Aber dann ja doch, weil er ist ja nur Handwerker, um studieren zu können. Also das überzeugt mich nicht.
Dann hier:
Ihre Freundinnen hakten nicht nach. Denen war ein Lächeln nicht so wichtig, wenn Schminke und Parfum stimmten.
Das machst du dir doch viel zu einfach. Solche Freundinnen willst du Ellis verpassen. Dabei hatte ich den Eindruck, sie wäre ein krass empfindsames Mädchen.
Das ist auch komisch
Ellis wollte nicht, dass ihre Eltern mit Rocco darüber sprachen und als Rocco ihren Vater fragte, warum er in letzter Zeit so betrübt sei, schlug er ihm ins hübsche Gesicht und hörte erst auf, als ihn seine Frau zurückzerrte. Ellis war daneben gestanden und hatte nichts unternommen. Das Blut musste sich Rocco selbst abwaschen und auf seine Empörung hin sagte sie bloß: „Das war nur folgerichtig.“
Danach will er nicht wissen, was los ist? Und kommt so mir nichts, dir nichts wieder? Also an dem Rocco-Charakter musst du noch arbeiten, finde ich.
Na ja, sind noch so ein paar Sachen, die für mich nicht passen wollten.
Ich finde, Ellis ist eigentlich ziemlich gut gezeichnet, ihr Drama hast du erfasst, auch die ganze Ambivalenz dieser Figur, das ist gut, das hat mich gepackt. Das hat Novak schon ganz richtig gesagt. Auch das mit den Eltern und ihrem Umgang mit der Situation, das funktioniert, sie taten mir wirklich leid.
Es liest sich auch ganz schön, also stilistisch will ich gar nicht meckern.
Ich finde wirklich, das ist ein sehr starkes Thema und die Geschichte verdient meiner Meinung nach noch etwas Arbeit.
Grüße,
randundband

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Markus,

ich les ja immer gerne, was Du schreibst. Wahrscheinlich würde ich auch von Dir verfasste Beschwerdebriefe an die Stadtwerke noch gerne lesen. Wahrscheinlich wären die auch poetisch. Und auch diesen Text habe ich wieder gern gelesen und im Detail auch viel Schönes gefunden. Insgesamt ging es mir aber ähnlich wie Novak. Das Thema find ich sehr anspruchsvoll und Du findest dazu auf jeden Fall Deinen eigenen Dreh, aber insgesamt warn mir da noch zu viele Lücken in der Figurenzeichnung, zu viel Verwirrung.

Ich schreib mal mit, während ich nochmal durch den Text streife:

Als Mädchen hatte sich Ellis immer vorgestellt, dass ihr Bett fliegen konnte.
Konjunktiv fänd ich schicker als dass-Satz. Und nur Mädchen reicht mir nicht, weil Ellis immer noch eher Mädchen als Frau ist. Ich würd "Kind" oder "kleines Mädchen" schreiben.
Kontrast vom Kinderbett zum Ficken kommt aber gut.

Letzten Sonntag hatte er bei einem Handballspiel die gesamte Zeit über auf der Bank gesessen und gestern Nacht [hatte er - entbehrlich] so üble Bauchschmerzen gehabt, dass er nicht daran gedacht hatte, an jenem Tag in die Werkstatt zu fahren, um nach der Arbeit mit einem Mädchen an einer verschneiten Haltestelle auf die Straßenbahn zu warten.
Das muss alles in PQP, so hässlich das auch ist. Wenn man längere Rückblenden hat, kann man da ja schummeln, aber so ein Zeitkuddelmuddel innerhalb eines Satzes ist schwierig. Ein "hatte" kann man aber rauskürzen.

Sie mochte keine Arbeiter und als sie sich bei diesem Gedanken ertappte, schämte sie sich dafür.
Da deutest Du ja einen Konflikt an. Und Marek erscheint ja auch so als Gegenpol zum geleckten Rocco. Aber später dröselt sich das wieder so auf, weil Marek nur arbeitet, um für's Studium zu sparen und so veträumte Bücherklauhobbys hat und Rocco auch nicht so richtig als bürgerlich-intellektueller Gegenpol zum Arbeiterjungen taugt. Also ich find das ja grundsätzlich gut, solche Schubladen mal gegen ihre Etiketten zu bestücken, aber irgendwie schien mir das hier ein bisschen wirr und ziellos. Vom Konzept her gut, aber man könnte es nochmal feintunen. Ist schon schwierig, so mit Klischees zu arbeiten, denn auch so durchkreuzte Klischees sind ja mittlerweile schon wieder Klischees. Wahrscheinlich wär's da im Zweifel einfacher, schlicht von Individuen zu erzählen und ihnen nicht direkt Etiketten auf die Stirn zu klatschen oder sie in so polaren Figurenkonstellationen zu positionieren, selbst wenn sie diese Zuordnungen dann wieder unterwandern dürfen.

„Eigentlich schade“, sagte Marek. „Damals hat man sich gefreut, wenn es geschneit hat, hat Schneemänner gebaut oder eine Schneeballschlacht gemacht. Heute findet man es ätzend, weil man den Schnee in der Einfahrt räumen muss oder die Reifen am Auto wechseln. Der Matsch hängt an den Füßen.“
Den Gedanken finde ich gut. Das unpersönliche und ständig wiederholte "man" darin aber nicht so schick.

Sie stapften durch den Schnee und obwohl Ellis‘ Schritte viel kleiner waren als seine, war sie schneller. Sie ging mit ihm, aber irgendwie wäre sie ihm auch gerne davon gelaufen.
So Charakterisierungen über das Gehen find ich immer super. Gehen ist so individuell und sagt echt viel über Menschen aus. Wo hab ich denn hier letztens noch so einen schönen Geh-Vergleich gelesen?

„Tolle Idee, …“ „Marek“, ergänzte Marek.
„Es tut mir leid, …“ „Ellis“, ergänzte Ellis.
Das macht mich ganz wirr. Also die Umbrüche und Ergänzungen. Also ich schnall nicht, wer hier was sagt. Zuerst dachte ich nämlich, der eine sagt was zum anderen und dieser andere ergänzt dann seinen eigenen Namen. Die Pünktchen stehen da, wo der Angesprochene seinen eigenen Namen einsetzen soll. So:
"Und sie sind ...", begann Schmitt.
"Herr Schneider", ergänzte Herr Schneider.
Aber nach dem System müsste das so aussehen:
„Tolle Idee, …“ begann Ellis.
„Marek“, ergänzte Marek.
„Es tut mir leid, …“, begann Marek.
„Ellis“, ergänzte Ellis.
Aber das ist ja Quatsch, denn das mit dem Schneeball war ja Ellis' Idee und dementsprechen müsste auch sie sich entschuldigen.

Sie hustete nicht, ihr tat nichts weh und das Gesicht im Spiegelschrank schien gesund, wenn sie im Bad war und heimlich ihre Medikamente schluckte.
Bad kann weg. wohin soll man sich einen Spiegelschrank sonst hängen? (Spiegelschränke sollten eh verboten werden)

Als sie damals Roccos beschnittenen Schwanz gesehen hatte und ihn nicht schön fand
:hmm: Na ja, die kennt sich offenbar nicht richtig aus.

Das machte er nur mit Dichtern, die die gleichen Initialen hatten, wie er, und weil Rocco Rocco Matthias Ruf hieß, bearbeitete er oft Gedichten von Rainer Maria Rilke.
:lol: Gibt es da noch mehr Dichter für ihn, von denen er abschreiben kann? Kein Komma vor "wie"

Wie er aus NATURE vorlas, mochte sie total.
Eh, Herr Glass, das ist aber kein Wort für Sie.

Er hatte eine normale, beinahe langweilige Stimme, wenn er mit ihr oder jemand anderem sprach, aber wenn er vorlas, hatte er die Erzählstimme einer Fernsehdokumentation.
Das ist jetzt auch keine Beschreibung, die mich vom Hocker reißt. Übereinstimmung von Inhalt und Form gewissermaßen.

Und obwohl das alles nach einem wunderbaren Liebhaber klang, war es nur das, was man von ihm sah, wenn man sich die Hände vors Gesicht hielt und ihn durch die schmalen Schlitze zwischen den Fingern betrachtete. Für Rocco war Ellis nicht viel mehr als ein Spielzeug. Wie einen Dummy karrte er sie mit seinem BMW durch die Stadt, pflanzte sie am See als Schmuckstück neben sich und ließ sie nach dem Sex wie eine aufblasbare Puppe im Bett liegen. Eine Puppe, die wie dreiunddreißig Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert war.
Also hier hatte ich ein Problem, weil ich diese Beschreibung niemandem mehr sicher zuordnen konnte. Wir waren ja bei Ellis Wahrnehmung von Rocco. Ist das, was von Roccos Verhältnis zu Ellis gesagt wird nun tatsächlich Roccos Perspektive, oder ist das, wie Ellis sich Roccos Wahrnehmung vorstellt? Oder ist das vom Erzähler verbürgte Wahrheit? Denn diese Behauptung, dass er sich nicht wirklich um sie schert, wird ja später durch sein Verhalten, oder das was er sagt, gar nicht begründet. Im Gegenteil scheint er am Ende ja ganz besorgt und arg gequält, das wär er nicht um einer Aufblaspuppe Willen. Und die Perspektive verschiebt sich ja eh, weil man merkt, dass nicht Ellis das arme Unschuldslamm ist. Insofern stelle ich dann auch infrage, wie sie Rocco wahrnimmt. Nur weil sie meint, dass seine Liebesworte nichts heißen, muss das ja nicht so sein. Vielleicht hat sie echt nur ne narzisstische Störung und nimmt alles völlig verzogen wahr. Dass sie ihn der Ansteckungsgefahr aussetzt scheint ja fast wie ne Strafe für seine Lieblosigkeit ihr gegenüber zu sein. Da ich seine Lieblosigkeit aber nur durch sie gefiltert mitkriege und niemals im Text gezeigt bekomme, wird ihre Motivation ja nochmal mehr in Frage gestellt als sie ohnehin schon fragwürdig ist. Vielleicht muss sie ihn auch schlecht machen, weil sie sich selbst so mies und schuldig fühlt und das jetzt auf ihn projiziert. Aber vielleicht ist das auch tatsächlich ein Perspektivwechsel zu Roccos Wahrnemung ...
Du siehst, ich hab mich voll verhäddert. Und so nett ich den Effekt auch finde, dass sich die Wahrnehmung des Lesers von Ellis im Verlauf des Textes dreht, glaube ich, dass Du dem Text damit ziemlich viel aufbürdest. Es wäre ja schon Aufgabe genug, die Psychologie eines HIV-infizierten Mädchens geradeaus darzustellen, die ihren eigenen Freund bewusst gefährdet. Wenn man dazu noch ein bisschen Verstecken und Perspektivkästchenhüpfen spielt, wird es echt kompliziert. Und in der Summe kommt bei mir was ähnliches raus wie bei Novak: Ich puzzel mir einen zusammen und kann mir die Figuren trotzdem nicht so recht erklären. Von Rocco bekomme ich so ein paar Brocken: Er ist ein gefühlloser Arsch, oder auch nicht; er ist der intellektuelle Gegenentwurf zu Marek, sagt aber nie was besonders Kluges, sondern zitiert nur Rilke und NATURE; er lässt sich aus seinen Augen grundlos vom Vater auf die Schnauze hauen, ohne das hartnäckiger zu hinterfragen; er fährt seine Freundin zu einem Date mit nem anderen (ach ne, irgendwo steht so ein unscheinbares "Referat").
Immer krähe ich nach Komplexität in der Figurenzeichen, aber das hier überfordert mich irgendwie.

Ellis schlug mit der flachen Hand in die Schüssel. Die Suppe spritzte durch das Zimmer, auf das Familienfoto an der Wand, auf ihre Eltern und auf sie selbst. Einige Tropfen blieben am Schirmleuchter hängen und seilten sich nacheinander auf den Tisch zurück. „Ich will nicht, dass ihr so seid, wie ihr seid. Ich will, dass ihr so seid, wie ihr wart.“ Ellis leckte sich die Suppenreste vom Gesicht und schaute ihre Eltern an, die nicht erschrocken waren, sondern froh und erleichtert, dass Ellis ihnen etwas gesagt hatte.
Das fand ich gut. Überhaupt die Darstellung, wie die Familie nach der Diagnose miteinander umgeht fand ich sehr gelungen.

hey schneetriebtäterin, sitz heut um drei im Bätt fals du mir nachstellen willst. lg
Hier dachte ich erst, Du übertreibst es mit dem ungebildeten Marek. Es schreibt doch niemand "Bätt" statt "Bett". Was ist das aber auch für ein seltsamer Name für ne Kneipe?

Ihre Augen sahen in der Beleuchtung aus, wie zwei tanzende Schneeflocken
Ich glaub ich pinn das hier nochmal irgendwo gut sichtbar an: Vor vergleichendem "wie" kein Komma.

und selbst wenn Marek sie stundenlang angestarrt hätte, hätte er niemals die Viren in ihrem Körper entdeckt, die zwischen ihr Erbgut kritzelten, sondern immer nur die junge Frau gesehen, die er liebend gern geküsst hätte, und die sich liebend gern von ihm hätte küssen lassen.
Das ist entbehrlich

Die Mutter mit den beiden quengelnden Kindern, die in die Werkstatt kam und den Kleinen erklärte, was Wuchten ist.
Was ist das denn?

Er fand das übertrieben.
:) Süß!

occo sagte Ich liebe dich, wie andere Gesundheit!,
s.o.

Sie war vollkommen austauschbar für ihn, aber am Ende schließt man jenes Spielzeug in sein Herz, mit dem man ständig spielt, obwohl es Millionen andere davon gibt.
Das ist wieder ne Stelle, wo ich nicht weiß, ob das stimmt, oder Ellis' Wahnvorstellung entspringt.

Er hatte ein dickes Buch dabei, was er auf Ellis Bett legte.
das

„Manchmal muss man Blumen ausreißen, um sich daran zu erfreuen“, sagte Marek und Ellis konnte nicht glauben, dass seine Hände Motoren zerlegten und wieder zusammenschraubten, Zündkerzen wechselten, Radachsen einstellten und Räder wuchteten.
Der philosophierende Automechaniker. Irgendwie traurig, dass er nicht weiter philosophierender Automechaniker bleiben darf, sondern zum verkappten Studenten wird.

„Heißt du auch STEICH?“, fragte Ellis.
Streich

Als Marek acht Tage danach in der Arbeit unter einem Auto lag, musste er an jenes Gesicht denken, was sie ihm hingehalten hatte und er bloß küssen konnte, wie ein Stückchen Wand. Ein Stückchen Wand, an das er seine Lippen und Ohren presste; er aber nur lauschen konnte, was sich dahinter verbarg.
voll gut!

Sie dachte darüber nach, dass Rocco ein wunderbarer Liebhaber war, auch wenn man die Hand aus dem Blickfeld nahm.
Eben! Der arme verunglimpfte Rocco.

Ellis‘ Vater badete seine Tochter in heißem Wasser. Er hatte sie nicht nackt gesehen, seitdem sie Brüste hatte, und weil ihn der Anblick erregte, flüchtete er aus dem Zimmer und bat seine Frau, sich um Ellis zu kümmern.
Also hömma! Sowas kannst Du doch nicht in so nem Nebensatz einfach raushauen und dann wieder fallenlassen. Das wird zu wild alles. Auch perspektivmäßig.

Also: Ich hatte es auch schwer, so richtig an die Figuren ranzukommen. Am Ende des zweiten Lesedurchgangs hab ich mich jetzt für eine Interpretation entschieden derzufolge alles, was da Herzloses über Rocco behauptet wird, der durch den Diagnoseschock verzerrten Wahrnehmung Elllis`zuzuordnen ist. Und ich habe mich jetzt auch entschieden, diese Enthüllung über die wahren Hintergründe, also das Versteckspiel im größten Teil der Geschichte gut zu finden, weil Ellis die Wahrheit bestimmt auch meist verdrängt und lieber Rocco doof findet. Das ist wie gesagt eine ziemlich ambitionierte und psychologisch komplexe Geschichte, da braucht es nicht auch noch so ein Perspektivkuddelmuddel. Personaler Erzähler mit Ellis im Fokus wär mein Vorschlag.

lg,
fiz

 

Hi,

ohne meine Vorredner hätte ich
a) nie mitgekriegt, dass der Text von dir ist
b) dementsprechend nie gelesen, weil ich den Titel furchtbar finde.

Mann, für deine Namensgebung diesmal in die Ecke und rot werden. Fräulein LSD, ich war mir so sicher, das ist die tausendundeinste Drogengeschichte, die ich nicht lesen muss, dass ich die Geschichte fast nicht gelesen hätte. :)
Und "Rocco", der BMW-Proll. Brrr. Ich kannte sogar mal einen Rocco, Ganzkörpertattoo, so breit wie hoch dank Muskulatur und ging mir insgesamt bis gerade mal zum Schlüsselbein - ja, ein großer Stecher vor dem Herrn (der mangelnde Größe durch Automarke kompensiert), genau in die Schublade hat dein Rocco so perfekt gepasst, dass ich dem die Figurenkehrtwende im letzten Absatz überhaupt nicht abgenommen habe.
Das haut für mich nicht hin. Ich schlage teilweise in dieselbe Bresche wie die Vorposter. Rocco ist ungünstig gezeichnet. Der ist 90% des Textes nicht so angelegt, dass ich dem abnehmen kann, er wäre womöglich das unschuldige Opfer und der Text hat mit meinen Lesererwartungen gespielt (so soll ich das Ende der Geschichte doch lesen, oder?).
Miss LSD nehm ich ihren Rollenwechsel schon eher ab. Woran das liegt? Nicht sicher. Vielleicht stimmt mit deiner Figurenzeichnung was nicht. Vielleicht waren die Assoziationen zu Rocco einfach zu stark, vielleicht nimmt man Figuren ein Abgleiten von Gut nach Böse generell leichter ab als den Aufstieg vom Saulus zum Paulus - Fakt ist jedenfalls, Rocco war zu fest einsortiert, als dass ich ihn in eine andere Schublade hätte stecken mögen. Bei Ellis ging es besser. Nicht mühelos, aber besser.
Mir hat das Gefühl gefehlt, dass der Text sich die ganze Zeit seiner Pointe bewusst war und darauf hingearbeitet hat. Ich hätte mir am Ende doch vor die Stirn schlagen müssen und denken "klar, SO war das in Wirklichkeit". Aber bis ich das Ende nicht gelesen hatte, hatte ich gar nicht den Eindruck, dass die Figuren dieses Potential haben. Verstehst du, was ich meine?

Wie er aus NATURE vorlas, mochte sie total. Er hatte eine normale, beinahe langweilige Stimme, wenn er mit ihr oder jemand anderem sprach, aber wenn er vorlas, hatte er die Erzählstimme einer Fernsehdokumentation. Und obwohl das alles nach einem wunderbaren Liebhaber klang, war es nur das, was man von ihm sah, wenn man sich die Hände vors Gesicht hielt und ihn durch die schmalen Schlitze zwischen den Fingern betrachtete. Für Rocco war Ellis nicht viel mehr als ein Spielzeug. Wie einen Dummy karrte er sie mit seinem BMW durch die Stadt, pflanzte sie am See als Schmuckstück neben sich und ließ sie nach dem Sex wie eine aufblasbare Puppe im Bett liegen.
Ich bin auch kein Fan deiner Perspektivwechselei. Da hab ich bei vielen Textstellen Einordnungsprobleme (fiz hatte das ähnlich gesagt): Wann lese ich eine Selbsteinschätzung von Rocco, wann eine Fremdeinschätzung von Ellis, wann lese ich einen neutralen, allwissenden Erzähler, der mir die "objektive Wahrheit" über die Figuren mitteilt? Um die Figuren richtig einschätzen zu können, möchte ich das wissen. Der Text erlaubt mir das aber nicht, dadurch wird die Figurenzeichnung schwammig. Es ist doch was völlig anderes für die Figuren, ob Rocco seiner Meinung nach Ellis als Spielzeug hält, ob Ellis sich für Roccos Spielzeug hält, ob mir ein Allwissender verrät, dass Ellis Roccos Spielzeug ist. Aber wenn aus dem Text nicht hervorgeht, was jetzt zutrifft, dann ist das völlig beliebig und der Text macht eigentlich gar keine Aussage zu den Figuren ...

Wohl im Geschmacksbereich anzuordnen:
Mich hat gestört, dass Marek nur in der Werkstatt arbeitet, um studieren zu können. Das kam mir in Zusammenhang mit Ellis Elitedenken (sie mag keine Arbeiter und schämt sich dafür und "du bist doch klug, warum arbeitest du in einer Werkstatt") so vor, als will der Text Marek dadurch aufwerten, dass Marek ein zukünftiger Student ist. Dadurch gibt der Text Ellis verquerer Denkweise nämlich Recht. Marek ist zu clever für einen Handwerker, soso. Er identifiziert sich zwar mit den "Arbeitern", aber für ihn ist es natürlich auch nur ein Sprungbrett an die Uni. Liest sich wie: Marek ist tatsächlich zu clever für einen Handwerker. Nee, also auch wenn der Text da vorgibt, Ellis' Weltbild anzugreifen, im Grunde genommen bestätigt er es.

Das Positive: Sobald HIV auf den Tisch kam, fand ich den Text irre spannend. Das Verhältnis zu den Eltern post-Diagnose fand ich spannend. Alle Beschreibungen, die sich um HIV selbst drehen, fand ich originell und gut. Liebling: "hätte er niemals die Viren in ihrem Körper entdeckt, die zwischen ihr Erbgut kritzelten"
Auch deine Idee um die Pointe des Textes find ich super. Nur bin ich nicht der Meinung, dass der Text der Pointe vernünftig zuarbeitet, du greifst da zu "unfairen Mitteln". Die Ideen hinter dem Text sind alle echt stark, davor Hochachtung. Bei der Umsetzung gibt's Luft nach oben.

 

Der Meta-Gag in dem Namen hat ja auch keinen Bezug zum Inhalt. Warum heißt das Mädsche so? Ich würd das ändern. Dringend. Hören Sie, Herr Glass? :D

 

Wollt schon sagen: Kann ja nicht sein, dass das jetzt DER Schlüssel zum Text sein soll. Vielleicht hat er das ja gar nicht gemeint, vielleicht sagt diese Lesart gar nichts über Herrn MG, sondern nur was über Frau MG.

 
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„Ich komme mit dem psychologischen Chaos, das ich in der Geschichte angerichtet habe, nicht klar.“ Das habe ich einem Freund geschrieben, und nachdem ich die Geschichte dann ausgedruckt hatte, wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Um ein Haar hätte ich sie nicht eingestellt, weil es ja ein langer Text ist und ich eure Meinung nicht leichtfertig einholen will. Aber welche Geschichte soll ich einstellen, wenn nicht die, bei der ich Hilfe brauche? Ihr habt mir schon sehr wertvolle Vorschläge und Einschätzungen geliefert, dafür bin ich euch sehr dankbar! Ich merke, wie ich mich nicht unbedingt im Schreiben selbst, sondern im Überarbeiten entwickle. Ich kann inzwischen Kritik und Vorschläge viel fruchtbarer umsetzen und mag meine Geschichten danach eigentlich immer mehr. Danke, dass ihr mir dabei eine so große Hilfe seid!

Ich muss die Kritiken freilich sacken lassen und möchte dann gleich mit der Überarbeitung beginnen. Allein, dass Marek arbeitet, um dann zu studieren, dass ich ihn nicht Arbeiter sein lasse, dass ich das mache, das ärgert mich gerade richtig! Trotzdem möchte ich euren Zeilen gleich begegnen:


Liebe Novak,

hinter das Licht führen, wollte ich den Leser nicht unbedingt, aber diesen Wandel wollte ich drin haben, dass manchmal die Perspektive die gesamte Situation ändert. Vielleicht ist das hinter dem Licht, aber ich denke, ich muss das noch geschickter verweben, vielleicht leise ankündigen. Was ich sehr hilfreich fand, ist, dass du deine Wahrnehmung in ein paar Worten zusammengefasst hast: „großartig“ kommt vor, das sind die Ideen und die Mechanismen, mit denen ich meine Geschichte aufgebaut habe, „ambitioniert“, damit meinst du das Chaos, und „unfertig“, glücklicherweise erklärst du mir auch das.

Ich finde es einerseits großartig, deine Erzählung, die sich erst im Nahhinein und in der Folge des Lesens in seiner Wahrheit entpuppt, und gleichzeitig habe ich noch das Gefühl des Unfertigen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich deine Intention, also dass die Charaktere nur auf den ersten Blick scheinen, was sie sind, und dass die zerbrechliche Elfe Ellis wirklich zum Untergang wird wie in dem Rilkegedicht, ob ich das überhaupt richtig erfasst habe. Ist sie eine dieser Frauen, die Männer wie Roccos oder Mareks in den Untergang zieht, weil sie fliegen will und von sich selbst weiß, dass sie mit dieser Fähigkeit gar nichts Schönes, Lebendiges erreichen wird?
Ich finde, dass hast du fast poetisch ausgedrückt – und treffend. Ich würde sagen: Ja. Aber du hast ja selbst bemerkt, dass bei den Charakteren einiges noch (!) nicht stimmt.


Irritiert haben mich die häufigen Perspektivwechsel, tw. mitten in einem Absatz. Ich versteh schon, warum du das machst, ich persönlich bin da wohl zu konservativ, ich mag es einfach nicht. Könnte dir auch nicht raten, ob da was nicht genau genug gemacht ist oder so. Ich könnte es ja noch nicht mal halbwegs so schreiben wie du, krieg ich gar nicht hin. Da muss also definitiv jemand anderes was dazu sagen.
Nein, auch da stimme ich dir zu, ich muss das rausnehmen. Jetzt haben ja andere was dazu gesagt. Ich will die Täuschung und Enttäuschung beibehalten, aber zugleich klar machen, dass sich der Erzähler nur um Ellis kümmert. Das tut er jetzt nicht. Er ist auktorial, schaut aber hauptsächlich auf Ellis, es ist ein unentschlossener Erzähler.

Trotzdem finde ich aber auch, dass noch was anderes fehlt. Über die Perspektivwechesl hinaus. Im Moment hat mir alles noch ein bisschen zu sehr den Geruch der Künstlichkeit. Dass die Personen extra so übertreiben aufgebaut werden, damit der Clou mit dem onenightstand klappt. Der Rocce muss so klischeemäßig gezeichnet werden, ihre Beziehung, also die zwischen Ellis und Rocco usw.
Man stellt sich da Fragen, zum Beispiel, wie das passiert ist, dass sie die Bez. zu ihm so scheiße sieht. Ist es rein die Diagnose, die sie so verändert? Oder war da noch was zwischen ihnen? Schon die ganze Zeit? Was sie ausgerechnet zu diesem Verschweigen getrieben hat? Ich weiß einfach noch nicht, wie du als Autor das meinst. Ich könnte mich genauso fragen, warum sie ihn denn nicht schon vorher verlassen hat, wenn sie mit dem Rocco so unzufreiden ist. Und warum taucht dakeine Fürsorglichkeit auf, kein Schuldbewusstsein, das wären doch die beiden ersten Dinge, die ich mir in einer solchen Situation vorstellen kann. Du zeichnest sie als irgendwie arrogant, als verwöhnte Prinzessin, die in der Begegnung mit Marek aber auch über diese Arroganz ins Zweifeln gerät, liegt es also an ihrem Charakter? Oder ist es ihr Weg, sich so mit der Todesbedrohung auseinanderzusetzen? Oder wolltest du so eine vernichtende Frauengestalt, die alles um sich ehr zerstört? Mir geht das in zu viele verschiedene Richtungen.
Und die Person des Marek, wie ist der da einzuordnen? Also ich finde das toll, wie du den beschreibst. Ich mochte den sehr. Aber seine Rolle bleibt mir noch zu unklar. Soll er eine Art Katalysator sein? Oder Material ihrer Wandlung?
Da sagst du ganz viele ganz wichtige Dinge. Ich weiß nicht, ob du erwartest, dass ich dir alle Fragen beantworte. Ich kann das schon machen, aber ich finde gut, dass du sie mir gestellt hast und ich will versuchen, sie durch die Geschichte zu beantworten. Ich finde, wenn ich da jedes einzelnes Fragezeichen abklappere, kann ich da echt viel reparieren im Text. Danke fürs Fragen!

Die Charaktere haben keine Folgerichtigkeit aus sich heraus. Also Rocco und Ellis nicht, noch nicht.
Ich finde bei Rocco schon, also es wird durch die Perspektiven verwischt. Er ist ja ein toller und lieber Liebhaber, aber sie sieht ihn so nicht. Er ist eigentlich ein armer Kerl. Und Ellis … Hm, das ist jetzt schwierig, weil Ellis handelt ja immer gleich, man erfährt am Ende nur, aus welchem Trieb heraus, aus welcher Situation.

Das klingt jetzt furchtbar negativ. ich weiß, vielleicht fällt es mir ja auch wie Schuppen und so, wenn ich es noch mal lese, werde ich auch mit Sicherheit tun, aber bei mir ist es meistens so, dass der erste Eindruck unheimlich viel aussagt darüber, wie eine Geschichte für mich "ankommt". Es ist sehr selten, wenn es dann nach dem zweiten Lesen mal ganz anders ausgeht.
Warte noch ein bisschen, dann kann es vielleicht beim zweiten Lesen passieren. Ich werde die Geschichte auf jeden Fall überarbeiten und alle – wirklich ausnahmslos – alle Aspekte, die du ansprichst, einarbeiten.

zum Beispiel diese Perspektivgeschichten, die du ja z.B. liebst.
Das ist so gar nicht richtig. Als Autor sehe ich ja alles und dann möchte ich auch in alle Charaktere reinschauen und ich bin noch nicht stark genug, das nicht zu tun oder nicht hinzuschreiben.

Ja, sprachlich wie immer total gut, da sind superschöne Ideen und winzige Charakterbilder drin, die sind einfach super. Die möchte man dir am liebste wegstehelen, so schön sind die.
Ah, das tut gut, du weißt ja, wie sehr ich auf so ein Lob abfahre. Aber das nützt halt nichts. Ab einem bestimmten Punkt kann die Sprache nicht über Unzulänglichkeiten im Text hinwegtäuschen. Aber das wird schon noch. Hoffe ich.

Oder das Ende dann, das finde ich total irre, wie die den Rocco dann doch noch zum Sex "überredet". Und sich dann das Fliegen wünscht, obwohl sie weiß, dass sie damit nichts anfanegn kann.
Freut und beruhigt mich. Ich bin ja ein Fan von tragischen Enden. Hier – muss ich zugeben – habe ich mich von jimmy inspirieren lassen, diese Trostlosigkeit und dieses Aussichtsloses.

Für mich ist es einfach so, da fehlt noch was in der Stringenz der Charaktere.
Jap …

Also, ich danke dir für deine wirklich anregenden und schwierigen Fragen, die werden mir viel Kopfzerbrechen bereiten, aber ich denke, das schadet dem Text nicht – im Gegenteil.

Dankeschön, liebe Novak!

Beste Grüße
markus.

Ich schreibe jetzt nur kurz, weil ich jedem ausführlich antworten will, um der Qualität eurer Kritiken gerecht zu werden.

JuJu, dein Kommentar ist hart, aber das ist okay, vielleicht bringt mir dein Kommentar auch mehr, wenn ich meine Abwehrhaltung ein bisschen abgelegt habe, man versucht seinen Text zu verteidigen, aber das nützt nichts. Du hättest den Kommentar bestimmt nicht so geschrieben, wenn du noch nie einen Text von mir gelesen hättest. Ich kann verstehen, dass dich manche Aspekte langsam einfach aufregen, manche Dinge entstehen aber nicht, weil ich das so beabsichtige, sondern weil ich einfach noch nicht in der Lage dazu bin. Nicht von der Technik, sondern von der Realness der Gedanken. Aber wenn du dich zurücklehnst und die Augen ein bisschen zudrückst, dürftest du schon eine Entwicklung erkennen. Du sagst ja auch Gutes und was angestrengte Dialoge angeht und Künstlichkeit, daran muss ich noch arbeiten. Tatsächlich lese ich ständig Juli Zeh, also nicht andauernd, aber immer wieder, seit Jahren, vielleicht ist das auch das, was ich mag, und du nicht, das wäre schade. Hier fasst du eine Schwierigkeit des Textes zusammen: „Bisschen melancholisch und subtil und kitschig und schmerzhaft und tiefsinnig.“ Also, du sagst viel kluge Dinge in deinem Kommentar, bist ehrlich und ohne Zensur, und das finde ich gut, ich muss noch drüber nachdenken, was ich mitnehme, ist jedenfalls folgendes: mal einen Tick realistischer und klarer. Dieses indirekte Erzählen werde ich auch ändern. Ich schreib dir noch! (EDIT: Ich hab noch ein bisschen durch deine Geschichten gelesen und deine Dialoge sind halt wie aus der Sprechblase der Realität gepflückt, manchmal sind das richtig banale Dinge, die man aber einfach so sagt und das ist gut, weil es realistisch ist, ich finde das aber oftmals langweilig, ich mag die Kunstsprache irgendwie, ich werde mir deinen "Der Medizinstudent" noch einmal genauer anschauen, vielleicht verstehe ich dann auch noch mehr, was du meinst, wenn du "angestrengt" sagst. Verrückterweise habe ich ja die lockere Sprache bei deiner 100%igen oder so gelobt, weil sie so natürlich klingt. Wenn man Kunstsprache verwendet, ist es manchmal leichter, besonders zu klingen, aber ein kluger Mensch hat einmal gesagt: Die Kunst ist es, mit einfachen Worten große Dinge zu sagen. Und nicht mit großen Worten einfache Dinge. Du merkst, das beschäftigt mich wirklich!)

randundband, du stimmst JuJu in vielen Punkten zu, Künstlichkeit und Angestrengtheit stört dich an meiner Geschichte. Sehr wichtig waren für mich die Stellen, die du mir gezeigt hast, die flache Auseinandersetzung mit „Handwerker und klug“ oder die Freundinnen, die in einem Nebensatz erwähnt wurden. Und dass Rocco zu viel mit den Achseln zuckt. Das sind sehr wichtige Punkte, danke dir dafür! Schön auch, dass dir die Thematik zugesagt hat und du dich selbst damit auseinandergesetzt hast. Ich schreibe dir später noch mehr dazu. Also zu allem.

Liebe fiz, dein Kommentar fängt wie Honig an und zeigt mir dann, warum mein Text nicht so süß oder bitter schmeckt, wie er soll. Dich verwirren auch die Perspektiven, und ich werde das auf jeden Fall ändern, ob es ein personaler Erzähler wird, weiß ich noch nicht, das wird schwierig, weil dann sehr viele Stellen, die mir wichtig sind und an denen ich hart gearbeitet habe, wegfallen. Ich musste oft schmunzeln, weil du mich schon so gut kennst und genau weißt, wann ich mir untreu werde. Das mit dem erregten Vater in der Badeszene als Highlight, aber ich hab da einfach noch nicht die Disziplin, das zu streichen. Dann Danke fürs Rauspicken der kleinen Fehlerchen, vor allem das KOMMA ZU VIEL und streich zu groß, das ändere ich natürlich alles. Ansonsten greifst du viel auf, was Novak gesagt hat, was auch die anderen Kommentatoren schon gestört hat, machst es mir aber noch einmal deutlicher und greifbarer das Problem, aber beim Lesen deines Kommentars hatte ich auch ab und zu eine Zwiebel im Kopf, nein, das sagt man nicht so, aber es ist ja wirklich kompliziert, so wie ich es haben will. Mein Lieblingssatz aus deinem Kommentar: „ Das ist wie gesagt eine ziemlich ambitionierte und psychologisch komplexe Geschichte, da braucht es nicht auch noch so ein Perspektivkuddelmuddel.“ Auch dir schreibe ich noch.

Und zuletzt, liebe Möchtegern, sorry wegen dem Titel, ich sage einfach nichts dazu, auch wenn fiz und Novak das vermutlich auch brennend interessieren würde. In die Ecke stelle ich mich, ob ich rot werde, weiß ich noch nicht. Und warum hättest du nie gewusst, dass die Story von mir ist? Echt krass, dass ihr mir alle so gutes Feedback liefert. Dass ihr euch in bestimmten Punkten überschneidet, ist kein schlechtes Zeichen, finde ich, das gibt mir eine eindeutige Richtung: klare Perspektive, Personen zu Ende zeichnen, nicht einfach drauflos malen, und was ich schon gesagt habe: Marek muss weiter am Auto rumschrauben, nicht als Mittel, sondern als Zweck, er ist ein intelligenter Arbeiter! Argh, da stimme ich dir absolut zu! Ansonsten hab ich mich sehr über das Positive gefreut, ein bisschen braucht man das. Du hörst auch noch von mir!


Novak, JuJu, randundband, feirefiz und Möchtegern, ich danke euch fürs Lesen und Gedankenmachen und für die tollen Vorschläge und Anregungen, jeder einzelne Kommentar war sehr ausführlich und wird mich gut beschäftigen. Hab mir eine lange Liste gemacht, was ich alles ändern will. Ich weiß nicht, wie lange man warten muss, bis man so ein Blick auf die eigene Geschichte entwickelt, dass man so urteilen kann, wie andere. Ich habe den jetzt eine Woche liegen gelassen, aber dann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Vielleicht warte ich nächstes Mal noch ein bisschen länger, dann passieren mir so offensichtliche Verschwurbelheiten nicht.

Vielen Dank!

Beste Grüße
markus.

 
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sorry wegen dem Titel, ich sage einfach nichts dazu, auch wenn fiz und Novak das vermutlich auch brennend interessieren würde
Pfah. Es stellt sich noch raus, dass du den Namen von irgendwoher wegplagiatisiert hast ohne dir der Meta-Drogen-Anspielung bewusst zu sein, einfach, weil du den Klang schön fandest. Und jetzt traust du dich nicht, das zuzugeben! Feigling!

Die Alternative, dass bei dem Namen keiner außer mir an LSD denkt und ich einfach zu viel an LSD denke - die Alternative find ich jetzt nicht so gut.

Und warum hättest du nie gewusst, dass die Story von mir ist?
Wie gesagt, ich vermutete eine effekthascherische 0815-Drogenstory. Nichts, was du mMn schreiben würdest.* Erst, als ich Novaks Komm angelesen hab und sie anfing "hallo Markus", da war mein Interesse geweckt.**

*Komischer Debüt-Text, dachte ich.
** Beim Überfliegen hab ichnoch gesehen "ambitioniert" und so, da war dann klar, ich les jetzt die Geschichte und guck erst hinterher in den Komms weiter.

 
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Dass ich bei Titeln auch immer so daneben greife. "Tage des abnehmenden Glücks" war für Quinn eine WeightWatchers-Kampagne, und jetzt starte ich ein AIDS- und Drogenprogramm mit einem Namen.

Ich hab's: ELLIS IM SPRUNG

Mag das jemand ändern?
JuJu, fiz, Novak, oder ein anderer Moderator meines Vertrauens?

Edit: Danke!

 

Sehr gut, dass du dass mit dem akademischen Autoschrauber rausgenommen hast. Ganz ohne "Ausrede" (der Onkel) gehts zwar scheinbar immer noch nicht, aber ist ok :) Das zweite, was mich einmal rausgerissen hat, ist der gute Rocco. Ein Kerl wie der fährt doch seine Schnalle nicht so ohne weiteres zu einem anderen?

Ansonsten: Starke Geschichte. Vielleicht sogar mit der Vorsilbe sau- davor. Eine der wenigen längeren, die ich ohne viel Herumgeeiere einfach so in einem Rutsch gelesen habe.
Im Gegensatz zu feierfiz hat mich auch der sich erregende Vater bzw die fehlende Weiterverfolgung im Text nicht gestört. Wennn das eine rein körperliche Reaktion war, ist es zwar trotzdem "falsch", muss aber keinen großen blutschschandigen Hintergrund haben. Einfach ein kleiner böser Einschub am Rande, finde ich voll okay.
Beste Grüße, Irony

 
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Hallo Irony,

ich habe schon einige Kleinigkeiten geändert, weil mich die Tragweite erschüttert hat. Man kann mit einem Satz einen ganzen Charakter zerstören. Und das habe ich mit Marek gemacht. Das musste ich gleich ändern, endgültig ist die Onkelsache noch nicht, aber den Onkel brauchte ich für das "Heißt du auch Streich?", als Übergang zur Umarmung und das hätte ich auch streichen müssen, und deswegen habe ich das auf später verschoben.

Ein Kerl wie der fährt doch seine Schnalle nicht so ohne weiteres zu einem anderen?
Ja, über den Rocco wurde schon einiges spekuliert, aber er ist kein Arschloch, sondern tatsächlich ein sanfter Liebhaber, der Ellis vollkommen ergeben ist. Seine Charakterisierung erfolgt durch die schiefe Betrachtung durch Ellis, die sie am Ende ja revidiert, obwohl sie sie beibehält irgendwie. Ich habe da ein sehr komplexes Perspektivkuddelmuddel (wie fiz es beschreibt) veranstaltet und weiß noch nicht so recht, wie ich das so ordnen kann, dass es klar wird, ohne dass die Erzählung diese Wirkung verliert, die ja durchaus beabsichtigt war.

Ansonsten: Starke Geschichte. Vielleicht sogar mit der Vorsilbe sau- davor. Eine der wenigen längeren, die ich ohne viel Herumgeeiere einfach so in einem Rutsch gelesen habe.
Das freut mich sehr. Mir fällt es auch manchmal schwer, hier einen längeren Text zu lesen, und wenn ich es dann doch tue und wenn ich es auch noch mag, ist das auf jeden Fall ein gutes Zeichen. Danke für dein Lob!

Im Gegensatz zu feierfiz hat mich auch der sich erregende Vater bzw die fehlende Weiterverfolgung im Text nicht gestört. Wennn das eine rein körperliche Reaktion war, ist es zwar trotzdem "falsch", muss aber keinen großen blutschschandigen Hintergrund haben. Einfach ein kleiner böser Einschub am Rande, finde ich voll okay.
Ich mag das ja auch, diesen Einschub, deswegen ist er ja drin; ich kann fiz schon verstehen, das ist ein großes Thema, das in einem Nebensatz erwähnt wird, aber gut, dass ich noch eine andere Sicht bekomme. Ich sehe das nämlich wie du. Es war vorher nie ein Thema, aber ich wollte eben noch eine Facette reinbringen und mein Gedanke war. Vielleicht wäre er nicht erregt gewesen, wenn es seine Tochter gewesen wäre. Aber in jenem Augenblick, war sie eine andere, also, sie hat sich ja sehr komisch verhalten, sie tickt ja komisch und verhält sich nicht so wie sonst. Das war mein Gedanke, den ich da beim Schreiben hatte. Aber ich denke auch, dass er nicht stört, und wenn eine Mutter ihren Kindern erklärt, was Wuchten ist, oder der Vater einen Ständer bei seiner Tochter kriegt, sind das vielleicht komische Dinge, aber die mag ich einfach. Schön, dass du das auch so siehst!

Hab mich über deinen Kommentar gefreut! Wir sind uns ja noch nicht begegnet, glaube ich.

Beste Grüße
markus.

 
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Gern geschehen :) Versuche in letzter Zeit, wieder ein bisschen aktiver zu sein, weil die Seite hier schon einzigartig ist.

Ja, über den Rocco wurde schon einiges spekuliert, aber er ist kein Arschloch, sondern tatsächlich ein sanfter Liebhaber, der Ellis vollkommen ergeben ist.
Arschloch bin ich glaub ich meistens auch nicht, trotzdem käme ich mir in der Situation in Roccos Socken schon sehr komisch vor. Aber ja, zu was einem die Frauen manchmal bringen... ;) Und vielleicht hat sie die Referats-Sache ja wirklich so glaubwürdig rübergebracht.

cu, Peter

P.S. Wuchten! Natürlich! Ein Wort dass ich schon hundertmal gehört und zehnmal benutzt habe, und trotzdem bin ich bei deinem Text drüber gestolpert. Obwohl es dauernd um Autos geht. Verrückte Sache.

 

Hallo markus

Romantik im Frühling, diesem Vorzeichen, unter dem Du die neue Geschichte zeitlich einbrachtest, klang mir ansprechend. Auf meinen Streifzügen durchs Forum fiel mir dann noch kurz ein „Klappentext“ von Dir auf, in dem Du zitiertest, mit dem psychologischen Chaos in der Geschichte nicht klar zukommen.
Ich habe keinen der Kommentare oder Deine Antworten dazu gelesen, auch zu Vorstehendem, das mir beinah suggestiv wie Werbung aufflackerte, nichts weiter gelesen. Aber meine Neugierde war geweckt. Da Du bereits etliche Kommentare erhalten hast, wie ich dem Zähler ersehe, werde ich mich nur auf mein subjektives Empfinden beim Lesen konzentrieren und dies möglichst kurz erläutern.

Meine frühlingshafte Einstimmung, mit der ich zu lesen begann, zerfledderte sich im ersten Absatz. Krasser hätte man einen solchen Entwicklungssprung kaum darstellen können. Zweifellos eine starke Eröffnung, aber hemmungslos vereinfacht. Das psychologische Chaos scheint sich zu bewahrheiten.

Was mich als Leser verblüfft, trotz mancher nicht ästhetisch aufscheinenden Reflektionen gelingt es Dir, die Handlung durch und durch romantisierend einzubetten. Die Tragik ihrer Situation, die Reaktion ihres Vaters, ihre innere Zerbrechlichkeit, in mir manchmal verknappt wirkenden Sätzen einzufangen.

„Ich werde nicht mit ihm schlafen. Richten Sie ihm das bitte aus.“

Diese Worte, einem Fremden gegenüber, nehme ich Ellis nicht ab. Spätestens ab den siebziger Jahren hatte es sich zwar etabliert, unumwunden und provokativ über Intimes öffentlich zu sprechen. In der Alltagssprache hat sich dies vorab mit Schlagworten auch eingebürgert. Doch diese direkte Aussage ohne jedes kaschieren, will mir nicht zu ihrer Person passen, der erfahrenen Sozialisation, welche ich ihr intuitiv unterstelle.

Rilkes Gedicht erfüllt sich prophetisch in Deiner Geschichte. Es bleibt wohl meiner subjektiven Assoziation vorbehalten, dass ich in der Beziehung von Ellis zu Rocco im Nachhinein ein imaginäres Spiegelbild zu erkennen vermeine. Psychologisch ein Hauch jenes erotischen Ausgeliefertseins, das zwischen Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke während dreizehn Jahren bestand.
Rilke wie auch Rocco waren dabei die Schwächlichen, Salomé sowie Ellis oblag teilweise verkappt die Dominanz.

Ich finde es literarisch sehr gut umgesetzt, ein wirklich gekonntes Stück!

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

ich weiß nicht, ob ich es schön finden soll, dass du gleich im ersten Absatz das psychologische Chaos entdeckt bzw. erkannt hast, schließlich ist es auch vorhanden, aber im ersten Absatz? Dort geht es viel mehr um eine Entwicklung, die du als "hemmungslos vereinfacht" benennst. Im Grunde ist es eine Miniaturausgabe des gesamten Textes, nicht vereinfacht, weil es ja genau das ist, erst Blumen, dann Zigaretten und Taschentücher.

Der Antworten-Zähler lügt hier ein bisschen, weil in kurzen Posts über den Titel gesprochen wird, der zum Glück der Vergangenheit angehört.

Was mich als Leser verblüfft, trotz mancher nicht ästhetisch aufscheinenden Reflektionen gelingt es Dir, die Handlung durch und durch romantisierend einzubetten. Die Tragik ihrer Situation, die Reaktion ihres Vaters, ihre innere Zerbrechlichkeit, in mir manchmal verknappt wirkenden Sätzen einzufangen.
Das hast du schön gesagt. In diesem kurzen Absatz sind viele Beobachtungen und Schlussfolgerungen enthalten. Der Begriff "nicht ästhetisch aufscheinende Reflektionen" meint die Betrachtung der schrecklichen Situation und die Einbettung ins Romantische fasse ich als Lob auf, obwohl ich die "verknappt wirkenden Sätze" nicht richtig einordnen kann. Sind es nicht viel mehr verknappte Dinge, die ich in beiläufigen Sätzen einstreue? Das habe ich zumindest versucht.

Diese Worte, einem Fremden gegenüber, nehme ich Ellis nicht ab. Spätestens ab den siebziger Jahren hatte es sich zwar etabliert, unumwunden und provokativ über Intimes öffentlich zu sprechen. In der Alltagssprache hat sich dies vorab mit Schlagworten auch eingebürgert. Doch diese direkte Aussage ohne jedes kaschieren, will mir nicht zu ihrer Person passen, der erfahrenen Sozialisation, welche ich ihr intuitiv unterstelle.
Da wären wir wieder beim leidigen Thema der Künstlichkeit. Ich meine: Klar ist das nicht normal, wie Ellis in dieser Situation handelt. Das setzt tief im Literaturverständnis an, schätze ich. Du hast nur diese eine Sache erwähnt, und vielleicht stimmst du mir zu, dass nicht jedes Handeln und Denken einer literarischen Figur nachvollziehbar sein muss in einem herkömmlichen Sinne. Also, wenn du sagst, das nehme ich Ellis nicht ab, weil Sozialisation und so, dann entgegne ich: ihr Handeln ist zwielichtig und ihr Denken trügerisch, sie ist nicht ganz sie selbst, sie ist eben in diesem Sprung, und sie sagt das dem Kfz-Mechaniker einfach so und sie fragt auch den Kellner, der vielleicht nur eine studentische Hilfskraft ist (da muss ich vermutlich noch die Beschreibung ändern), ob er AIDS-Kranke anders behandeln würde. Ich meine, das macht man ja auch nicht ohne Weiteres. Ihre Hemmschwelle ist überhaupt niedrig wegen der Diagnose. Wenn du aber sagst, dass passt nicht in die Logik dieser Figur, weil sie so prüde ist und so zurückhaltend an anderer Stelle, dann muss ich noch einmal genauer hinschauen und vielleicht etwas abändern.

Ich wusste von Rilkes Neigung zu Lou Andreas-Salomé, mit den psychologischen Aspekten dieser Beziehung, vor allem der Freud'sche Beimischung, habe ich mich - ehrlich gesagt - nicht auseinander gesetzt. Aber fein, wenn das passt!

Ich finde es literarisch sehr gut umgesetzt, ein wirklich gekonntes Stück!
Vielen Dank für dieses Lob!

Dein Kommentar hat mich gefreut! Danke dir für deine Zeit und Mühe und deinen Eindruck!

Beste Grüße
markus.

 

Hallo markus

Derzeit stehe ich etwas unter Zeitdruck, da ich mich auf ein Interview vorbereiten muss, um das ein Journalist mich kurzfristig für morgen gebeten hat. Aber ich will Dir ein paar präzisierende Worte zu meinem gestrigen Kommentar nicht länger vorbehalten.

Wie ich erwähnte, liess ich mich beim Lesen vorwiegend durch die Gefühlswahrnehmungen leiten. Literaturtheoretische Überlegungen, soweit sie mir bekannt sind, zog ich nicht heran. Dadurch ging ich nackt und unbefangen als Leser, doch vorbelastet mit der mir eigenen Subjektivität und dem Wissen um manche Prozesse, an den Stoff heran. Darum oblag meiner Perspektive ein entwicklungspsychologischer Charakter, der aufmerkte. ;)

ich weiß nicht, ob ich es schön finden soll, dass du gleich im ersten Absatz das psychologische Chaos entdeckt bzw. erkannt hast, schließlich ist es auch vorhanden, aber im ersten Absatz? […] Im Grunde ist es eine Miniaturausgabe des gesamten Textes, nicht vereinfacht, weil es ja genau das ist, erst Blumen, dann Zigaretten und Taschentücher.

Deine Interpretation des ersten Absatzes gefällt mir. Ich habe, ehrlich gesagt, die einführenden Zeilen nicht mit dem gesamten Text abgewogen, sondern beim Lesen spontan mitgeschrieben. In den ersten fünfundzwanzig Jahren vollzieht sich der radikalste und intensivste Entwicklungsprozess eines Lebens. Diese Fülle an Wahrnehmungen und sich regulierender Einstellungen prägen wesentlich spätere Verhaltensweisen mit. Darüber hinwegzusehen, wäre verfehlt. Doch Du setztest damit eine andere Prämisse, indem Du nur die beiden Pole der Gefühlswelt von Ellis aufscheinen liessest. Eine interessante Überlegung, der ich als konzentrierter Ausdruck für ihren Lebensabschnitt in dieser Geschichte folgen kann.

[…] obwohl ich die "verknappt wirkenden Sätze" nicht richtig einordnen kann. Sind es nicht viel mehr verknappte Dinge, die ich in beiläufigen Sätzen einstreue? Das habe ich zumindest versucht.

Die verknappten Dinge in beiläufig eingestreuten Sätzen sind da und geben literarisch eine persönliche und intensive Note, die es zu lesen spannend macht. Zugleich meinte ich aber auch Sätze wahrzunehmen, die mich zögern und im Aufbau überlegen liessen. Ich werde nochmals durch den Text streifen, um zu sehen, ob mir da etwas beispielgebend auffällt. – Ah, da ist einer, den ich so deutete.

Ellis schaute ihn an, ertappt und ängstlich und ein bisschen sauer, aber auch verstanden.

Es ist nichts Unrichtiges daran, dennoch die Endung, hebt sich für mein Empfinden ab. Diese Kehrtwendung ihrer Gefühle, wie beiläufig nachgereicht. Anderswo schien mir ein Satz in seiner Ausformulierung noch konzentrierter, doch finde ich ihn derzeit nicht mehr.

Da wären wir wieder beim leidigen Thema der Künstlichkeit. […] Du hast nur diese eine Sache erwähnt, und vielleicht stimmst du mir zu, dass nicht jedes Handeln und Denken einer literarischen Figur nachvollziehbar sein muss in einem herkömmlichen Sinne.

Da stimme ich Dir vollumfänglich zu. Als Leser schaffe ich mir jedoch ein Bild, das sich aus den Bruchstücken die mir über die Figur bekannt wurden, verdichtet. Die Verhaltensweise von Ellis auf die Diagnose hin ist mir glaubwürdig, wenn auch tragisch, ebenso wenn sie deshalb aggressiven Momenten unterliegt. Ihr Umgang mit Marek erlaubt jedoch Rückschlüsse, aus denen ich ableite, dass sie einem Fremden gegenüber die Nachricht an ihn sprachlich verdeckter übermitteln würde. Gewissheit gibt es für mich als Leser natürlich nicht, es ist mehr das Gefühl, das eben geweckt wurde. Es gab kein Hinweis sie als Prüde einzuschätzen, doch vom Umgangssprachlichen her eher dezent, was Ausbrüche wie gegenüber dem Kellner dennoch als real erscheinen liess. Zu diesem Zeitpunkt ging ich auch von der falschen Annahme aus, dass Rocco sie infiziert hatte. Sehr genial im Text ist, dass man als Leser erst spät die Wahrheit erfährt. Der Unmut Rocco gegenüber hat man da als Leser bereits aufgebaut.

Meines Dafürhaltens musst Du nichts ändern. Ich stelle die Intention eines gewieften Autors höher, als kleine abweichende Nuancen, welche dessen Geschichte mir als Leser subjektiv erzeugen. Es ist mir von Deinen Geschichten auch die stärkste, welche ich in Erinnerung habe.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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