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Ella
Die Sonne scheint auf meine Haut. Ich sehe nichts, habe die Augen geschlossen, fühle nur, wie die heißen Strahlen meinen Körper berühren. Der Atem hat sich beruhigt. Mein Herzschlag verliert an Tempo.
»Scheiße«, denke ich und reibe mir den Arm. Das wird ein hässlicher, schwarz-violetter Flecken werden. In meinem Kopf beginnt wieder das Kino. Ella schreit, Ella rennt, Ella stürzt …
Die Vögel singen heute besonders schön. Dieses Zwitschern und Pfeifen. Sie können sich nicht auf eine Melodie einigen, aber trotzdem klingt es so harmonisch. Warum hat es bei uns nicht geklappt? Zusammen unterschiedlich ticken? Tränen schießen in meine Augen.
»Hej, Ella!« Es ist Chantal. Sie radelt vorbei. Ich hebe meine Hand. Sage nichts. Liege hier in der Sonne. Mache nichts. Denke nach. Mist, Ohrwurm.
»Ella, elle l’a«
Unser Lied. Henrich und ich haben uns auf einer Ü30 Party kennengelernt, obwohl wir beide erst fünfundzwanzig waren. Wir waren ziemlich besoffen, er und ich, haben laut gesungen.
»Ella, elle l’a!«
Als er mich fragte, wie ich heiße, sagte er: »Verscheißer mich nich’.«
Am Ende saßen wir zusammen am Pool und haben eine Tüte gebaut. Wunderbarer süßer Duft. Unser erstes Mal.
Es wird auf einmal kühl. Ich öffne meine Augen. Eine fette Wolke hat sich vor die Sonne geschoben. Sie ist schwarz-violett. So wie mein Arm, meine Beine, mein Bauch …
Schorschi wollte mir damals seine alte Gurke erst gar nicht geben.
»Ey, Ella«, sagte er zu mir, »du willst doch nicht zu diesem Bruda zieh’n?«
Doch ich wollte. Ich wollte raus aus diesem Kaff. Ich wollte in die Stadt. Ich wollte zu ihm. Ich wollte feiern, tanzen, kiffen ...
Ich stand vor Henrichs Tür, während meine Habseligkeiten in Schorschis Auto am Straßenrand warteten. Verdammt war ich aufgeregt, als Henrich erschien. Unsere erste gemeinsame Wohnung.
»Ella, elle l’a!«
Seine Stimme war etwas zwischen Sing-Sang und Zigarettenkippe.
Es wird kalt. Die dicke, eklige Wolke hat die Sonne vertrieben. Ich spüre die ersten Tropfen auf meiner Haut. Sie sind feucht, nass, rauben mir die Illusion des Sommers.
»Dreckige Nutte«, schallt es in meinen Ohren nach. Ich sehe ihn vor mir. Er hat wieder getrunken. Wahrscheinlich wieder frisch gefeuert. Und gekifft hat er auch.
»Du kriegst ja keinen mehr hoch!« War das wirklich meine Stimme?
Bäng!
Ich lag am Boden. Ging in Deckung! Spürte seine Tritte. Irgendwie konnte ich entkommen. Ich hörte ihn brüllen:
»Ella, Ella!«
Oh, Mann, jetzt fängt es echt an zu pissen. Ich richte mich auf.
»Ella.«
Es ist Henrichs Stimme.
»Ich habe Scheiße gebaut. Kommst du heim?«
Ich sehe ihn an. Er ist nass wie ich.
Ich nicke: »Kein Ding. Ich komme heim.«
In meinem Kopf geht der Ohrwurm weiter:
»Ella, elle l’a …«