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Eine Zelle ist wie eine Wabe, nur eben nicht aus Wachs

Monster-WG
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10.09.2014
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Eine Zelle ist wie eine Wabe, nur eben nicht aus Wachs

Es rann und sickerte, Samseh lief aus. Tränen, Rotz und Spucke, Blut und Urin. Jemand stieß die Tür auf und eiskaltes Wasser knallte auf seinen gequälten Körper. Wie eine Ladung Steine empfand er diesen brutalen Guss auf seine Wunden. Er zuckte zusammen und sein Herz blieb stehen.
Sie setzten ein Kabel unter Strom – da begann es wieder zu schlagen, leider. Unvorstellbar schön, wenn alles vorbei wäre, doch es ging weiter.
In der Nacht gelang es ihm, sich hochzuquälen, um auf der Pritsche weniger hart zu liegen. Die Schmerzen ließen keinen Schlaf zu, er schwebte zwischen Ohnmacht und Koma.
In seiner Taubheit konnte er nicht denken, aber der Wahnsinn der letzten Stunden führte ihm noch mal Bilder vor, wie er den Fraß in die Visage des Wärters schleuderte, ihn entwaffnete, um sich den Weg nach draußen freizuschießen. Wie sie zurückschossen und ihn niederknüppelten. Auch ihr Geschrei hallte nach, ganz klar, wie auch die penetrante Sirene – selbst das Knirschen seiner eingeschlagenen Zähne vermeinte er noch einmal zu hören.
Ein großer Schmerz durchfuhr ihn, als ob sie nochmals nach ihm traten. Dann zog sich der Schmerz zurück, das Labor seines Körpers produzierte Balsam und Opium und er wusste nichts mehr.

Auch wenn es das Eisengitter nicht gäbe, könnte sich kein Mensch, und sei er noch so schlank, durch dieses Loch in der Wand zwängen, außerdem befand es sich unmittelbar unter der Decke. Doch Tageslicht ließ es hindurch. Er musste verrückt geworden sein, ein Vierteljahr vor der Entlassung so durchzudrehen, aber dieses Dreckschwein, den sie Martillo nannten, hatte ihn so weit gebracht. Der hatte ihn schon lange auf dem Kieker. War so eine erbärmliche Sau und sah mit Wärteruniform und Zottelbart aus wie Iwan der Schreckliche.
Der schob Samseh einen Matsch aus verdorbenem Fisch und grauen Kartoffeln durch die Klappe, dazu sagte er gönnerhaft:
„Riecht bisschen streng, aber wer Hunger hat, kriegt das schon runter." Oft fügte er noch einen Popel aus seinem Habichtszinken bei und machte Samseh Mut: „Ist total lecker.“ Passend dazu grunzte er wie ein Schwein.
Auch die pampige Suppe versalzte Martillo ihm oft, oder garnierte sie mit Schweröl: „Das ist gut gegen ’s Einrosten. Stirbste nicht von, zumindest nicht gleich.“ Und jede seiner Schweinereien untermalte er mit einem fiesen Gekicher, das an Niedertracht nicht zu überbieten war.

Samseh musste auf den Hofgang verzichten, wie hätte er gehen sollen? Ins Hospital gehörte er, doch dafür hatte er keine Beziehungen.
Er musste liegen bleiben, die Schmerzen waren unerträglich. Irgendwann kam sein Tyrann und streichelte ihn mit dem Knüppel: „Na, keinen Bock auf Sonnenschein, Arschloch?“
„Nein. Schlag mich ruhig tot. Gib mir den Rest.“ Er spuckte grün, gelb und rot, rang nach Luft: „Aber eine Kugel wär’ mir lieber.“ Das klang ziemlich undeutlich wegen der ausgeschlagenen Zähne, er sprach abgehackt und sehr leise – aber sein Peiniger verstand.
Dessen perfide Lache wurde noch unerträglicher: „He he – das könnt’ dir so passen. Aber nein, bleib nur noch ein bisschen bei mir, sonst wird mir’s zu langweilig.“
Einen Stern hat er auf jeder Schulter, und er wäre beinahe erstickt an seinem widerlichen Gelächter.

Samseh schaute in das Stückchen Himmel, nicht größer als ein Schuhkarton. Belanglose Wolken, zwei oder drei weiße Streifen wie mit dem Lineal gezogen; uninteressant, in welche Richtung jetzt, gestern, morgen. Er war noch nie geflogen, doch in Gedanken schon tausendmal. Raus – diesen ganzen Wahnsinn verlassen, egal wohin. Überall würde es besser sein als in dieser Gruft für Lebende.
Wie kommen alte Männer dazu, über ihn zu richten? Die schon lange vergessen haben, wie sehr es in einem jungen Mann rumoren kann, wenn ihm die Liebste fehlt, wenn es Sommer ist, wenn der Alkohol zu Kopfe steigt. Und wenn die Hose eng wird, er an nichts anderes mehr denken kann. Der nicht aus seiner Haut kann, den offenherzigen Mädchen nur zuschauen darf, wie sie wippen und kokettieren, um ihre Reize zu zeigen.
Ja, sie hatten viel getrunken und balinesische Zigaretten geraucht. Besonders Faela hatte ihn verrückt gemacht. Rotbraunes Haar wie Kastanien, grünlich schillernde Augen und ein sehr freizügiges Kleid machten sie noch begehrenswerter, als wenn sie nackt gewesen wäre. Wieso hätte er sich keine Hoffnung machen sollen, als sie ihn bei der Damenwahl aufforderte? Und wieso haute sie dann mit Carlos ab, statt mit ihm? Ja, er war blau, trotzdem hatte er das Recht auf eine Erklärung. Aber dieser blöde Kerl stellte sich breitbeinig hin, klemmte die Daumen hinter den Gürtel und sagte, dass er sich verpissen solle.
Das konnte nicht gut gehen.
Sie hatten ihn eingebuchtet – die Alten, die Vergesslichen in den Roben. Dreieinhalb Jahre für einen verunglückten Sommerabend!
So traf er auf die Perversen in Uniform, die sich für diesen gottverdammten Job beworben hatten. Sie trugen Krawatte und zeigten gutes Benehmen, weil sie der Gerechtigkeit Geltung verschaffen wollten, und um dem Staat zu dienen – bis man sie von der Kette ließ.
Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ... die haben alle eine ‚ordentliche Anstellung’, und ihm, dem eigentlich Harmlosen, klauen sie Jahre seines Lebens.

Samseh schloss die Augen, der Himmel tat das auch. Grelles Neonlicht flammte auf, ein mörderisches Licht. Pflanzen gehen darin zugrunde; Menschen nicht - die leiden.

Er hatte wahnsinnigen Durst, heiße Sanddünen ließen seinen Gaumen verdorren. Er brauchte eine Ewigkeit, das Waschbecken zu erreichen; das Wasser brannte höllisch auf seinen aufgeplatzten Lippen.
Bald kam Martillo mit einer Spachtel zurück. Er stellte sich vor die gekalkte Wand und zeigte auf die endlosen Strichreihen, immer vier hoch und einer quer.
„Ich will deine Buchführung mal auf den neuesten Stand bringen, Arschloch“, sagte der. „Dein verwöhnter Gaumen dürfte dich gut und gerne zwei Jährchen kosten.“
Wie ein eiserner Radiergummi tilgte die Spachtel sinnlos verbrachte Tage und Nächte, Reihe um Reihe.
Mehr als drei Jahre kratzte er in fünf Minuten ab; Staub stand in der Luft.
Samseh sah ungläubig zu, was mit seinem Leben geschah. Martillo löschte aus, was war, und bestimmte, was wird. Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde. Mit weit geöffneten Augen betrachtete Samseh dieses wirbelnde Szenario, einen Teil seines unruhigen Lebens, verstand gleichzeitig alles und nichts.
Würde er mit der Hand wedeln, bildeten die Stäubchen vielleicht Strudel und Spiralen, schwirrten ins Verderben oder ins Glück. Und bliese er hinein, dann entstünde ein Strom, dem alle blind folgen würden. Oh, er würde die Richtung bestimmen, sie würden ihm gehorchen. Er wäre ein großer und mächtiger Samseh.
Grotesk unterbrach ein Klatschen seine tiefsinnigen Gedanken, es schien, dass sich Martillo selbst zu seinem grandiosen Werk Beifall spendete – doch der patschte nur den Kalk von den Händen.

 

Hola Isegrims,

erst mal besten Dank, dass Du Dich meines Textes angenommen hast – und natürlich auch für die lobenden Worte. Aber es gibt auch ein ‚andrerseits’:

... kommt mir der Text unausgereift vor, als fehle etwas, ich kann er gar nicht genau benennen.
Ich glaube zu wissen, was Du meinst; und ich denke, Du liegst mit Deinem Empfinden genau richtig. Diese Geschichte entsprang nicht einer festen Idee, sondern war am Anfang mehr eine Schreibübung, von wegen ‚harter Text – könnte ich das?’ Dann hat sich das verselbständigt und, ohne dass ich es wollte, kam eine Prise Persönliches hinein.
Jetzt, im Nachhinein, vermute ich, dass ich diesen trüben Gedanken aus längst zurückliegender Zeit doch – und sei es halb unbewusst – aufarbeiten wollte. Zumindest schließe ich das nicht aus, nach der Regel: ‚Mein Kopf will dies, mein Bauch aber das.’
Und mit dieser Wahrnehmung hast Du mich beeindruckt:
Als wolle der Plot ein Gefühl produzieren und vermag es nicht, ist zu wirr und müsste ausgereifter sein.
Donnerwetter, Isegrims! Das ist ja fast Spökenkiekerei.

Vielleicht arbeitest du ja dran und erzählst die Vorgeschichte, den verhängnisvollen Abend, der dein en Protagonisten ins Gefängnis gebracht hat
Ja, der Gedanke liegt nahe. Aber dann müsste ich die Geschichte noch einmal neu schreiben, denn bei Einschüben oder anderen Veränderungen spürt der Leser die Schweißnähte. Auch sehe ich, wie rasend schnell unsere Geschichten im Müllschlucker verschwinden – da steht die Frage in der Luft: ‚Lohnt das?’
... und zeigst uns den Mann, der gegen seine Leidenschaft und Sinnlichkeit nicht ankommt, ...
Ähäm, mit Verlaub – dieser Mann war ich. Ganz so übel hatten sie mich nicht zugerichtet, aber ein richtiges Hotel war’s eben auch nicht. Es gab Schmackes reichlich, und immerhin brauchte ich fast zwei Wochen, um herauszufinden, wer zu welchem Preis den richtigen Schlüssel zur Freiheit hatte. Der Prota hatte zu dieser Zeit nur Knete, Ficken und Saufen im Kopf – und dafür war Südamerika eine erstklassige Rennstrecke, nur glaube ich nicht, dass es die Leser interessieren könnte. Angefangen zu denken habe ich erst viel später.
Mir war beim Schreiben, als ob ich einen schnellen Blick in ein uraltes Fotoalbum werfe und mich wundere, wie es plötzlich hoops macht. Aber unterm Strich habe ich genau die Kommentare bekommen, die – wie auch Deiner – den Nagel auf den Kopf trafen und mir klarmachten, dass nur Emotionen nicht genug sind, eine Geschichte zu schreiben.
Je nun, es ist passiert und ich danke Dir nochmals für Deinen äußerst feinsinnigen Kommentar.
Ich wünsche Dir Berge von Spekulatius und Badewannen voller Glühwein!
José

p. s.:

Man schlug ihm ins Gesicht – da begann es wieder zu schlagen, leider.
bisschen viel schlagen
Bedankt für den Tipp; ich hab’s geändert.
– sie kannten die empfindlichen Stellen.
das ist banal
Stimmt; existiert nicht mehr.

 
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Hallo josefelipe

Tja, ich muss zugeben, dass diese Geschichte nicht zu meinen besten gehört.

Dem muss ich mich anschliessen. Einerseits, was den Plot betrifft. Du erzählst nicht wirklich eine Geschichte, vielmehr beschreibst du eine Situation, blendest kurz zurück, wie der Prot dahingekommen ist (ich sehe da auch keinen organischen Zusammenhang, es hätte eine x-beliebige Straftat sein können, oder?) und zeigst dann, dass sich diese Situation für den Prot so bald nicht ändern wird. Das war mir etwas zu wenig.

Ich gebe allerdings zu, dass dieser Plot ausreichend wäre, wenn mich der Rest hundertprozentig überzeugt hätte, wenn da eine echte Wucht im Text, in der Beschreibung dieser beschissenen Situation liegen würde. Dann hätte ich mir über den Plot wohl gar nicht so Gedanken gemacht.
Natürlich, du hast starke Szenen drin, da blitzt schon auf, was du kannst. Aber mir scheint, du wolltest hier zu viel, hast deiner Sprache nicht vertraut, sondern gibst vor, wie die Situation zu verstehen ist, behauptest, statt zu zeigen:

Zu Samsehs Lage: "Wahnsinn der letzten Stunden, gequält, brutal, unvorstellbar, penetrant, unerträglich, höllisch, wahnsinnig, grotesk." Einige davon mehrfach.

Zum Wärter: "Peiniger, Dreckschwein, fieses Gekicher, perfide Lache, widerliches Gelächter."

Zur Frau: "freizügiges Kleid, begehrenswert(er)."

Der Schluss ist erstklassig, da hast du eine eigene Sprache, aber vorher wirkt das für mich abgedroschen in der Begrifflichkeit, zu sehr darauf abzielend, dass solche Wörter wie "brutal" und "höllisch" ihre Wirkung tun.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hej josefelipe.

also ich hab mich unterhalten gefühlt. :)
Ich schätze deine Erfahrung, schnell und spannend über Situationen zu schreiben, Atmosphäre zu schaffen, mich dranbleiben zu lassen.
Der Name deines Protagonisten hat mich aber abgelenkt. Immer wieder habe ich überlegt (auch gegugelt) und konnte und konnte ihn nicht verorten. Das macht aber nichts, so konnte ich mir weiterhin vorstellen, was ich wollte.
So habe ich es aufgegeben und habe den armen Kerl in seinem inneren und äußeren Gefängnis beobachtet. Gelitten hab ich nicht mit ihm, hat er doch eine Maßregelung durchaus verdient, wenn doch nicht solche Strafe und Willkürlichkeiten von Menschen, die ihre Macht ausnutzen schon gleich gar nicht. :(

Und am Ende empfand ich die Geschichte so dicht, dass ich überrascht war, wie kurz sie doch eigentlich war.

Ach, den Bezug zum Bienenvolk oder Ähnlichem wegen der Wabe, hab ich nicht erkannt. :shy:

Freundlicher Gruß und in der Hoffnung auf folgende liebevollere und kulinarische Köstlichkeiten deinerseits, Kanji

 
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Hola Peeperkorn,

besten Dank für Deinen Post! Der fungiert auch als Augenöffner. Aber der Reihe nach:

... blendest kurz zurück, wie der Prot dahingekommen ist (ich sehe da auch keinen organischen Zusammenhang, es hätte eine x-beliebige Straftat sein können, oder?)
Ei, das seh ich ein bisschen anders. Hätte er ’ne Tankstelle überfallen, dann könnte man ihm eiskalt kalkulierte Planung und Ausführung vorhalten, mein Prot aber wurde erregt durch Sommerhitze, Alkohol und ein Dekolleté, das tief blicken ließ, auch durch die gefühlte Bevorzugung bei der Damenwahl; war aber kontrolliert – bis zu dem Zeitpunkt, als ihn Carlos beleidigte (Verpiss Dich!). Da verdichtete sich der Frust, nicht bei Faela landen zu können, zu Gewalt.
Okay, wir wissen nicht, wie arg er den Typ vermöbelt hat, aber dreieinhalb Jahre sind schon reichlich bemessen.

Und jetzt zum Augenöffnen:

... gibst vor, wie die Situation zu verstehen ist, behauptest, statt zu zeigen:
Zu Samsehs Lage: "Wahnsinn der letzten Stunden, gequält, brutal, unvorstellbar, penetrant, unerträglich, höllisch, wahnsinnig, grotesk." Einige davon mehrfach.
Zum Wärter: "Peiniger, Dreckschwein, fieses Gekicher, perfide Lache, widerliches Gelächter."
Razzong! Da trifft mich die ‚Show, don’t tell’-Keule hart am Hinterkopf. Aua.
Strafe muss sein, Recht hast Du.
... aber vorher wirkt das für mich abgedroschen in der Begrifflichkeit, zu sehr darauf abzielend, dass solche Wörter wie "brutal" und "höllisch" ihre Wirkung tun.
Ja – einen Bericht würde man wohl so schreiben. Aber ich will auf jeden Fall zurück zur Kurzgeschichte! Werd’s noch mal probieren.

Peeperkorn, bedankt und viel Vorfreude auf`s große Fest!
José

 

Hola Kanji,

besten Dank für Deinen Kommentar! Freut mich immer, von Dir zu hören bzw. zu lesen.

Der Name deines Protagonisten hat mich aber abgelenkt. Immer wieder habe ich überlegt (auch gegugelt) und konnte und konnte ihn nicht verorten.
Mit dem Namen wollte ich die Verortung beinahe unmöglich machen, denn es gibt wohl mehr Länder mit beklagenswerten Zuständen in ihren Gefängnissen als solche mit korrekt geführten JVAs.
(Einzig und allein jobär hat den Namen dechiffriert:

Samseh - dem Herrn der Gleichheit, wie man den Namen erklären könnte - und die Realität dieses Ideals erlebt er ja nun hautnah.
Hier hätte der Smiley mit den langen Zähnen gepasst.)

Gelitten hab ich nicht mit ihm, hat er doch eine Maßregelung durchaus verdient, ...
Warum sollte der Leser mitleiden? Der Autor tut’s doch auch nicht. Ich war erstaunt, dass Kommentatoren den Text beanstandeten, weil sie keine Nähe zum Prot aufbauen und nicht mitfühlen konnten. Dem Samseh muss man schon eine Kopfnuss verpassen, aber eben nicht so, wie das Martillo macht.

Und am Ende empfand ich die Geschichte so dicht, dass ich überrascht war, wie kurz sie doch eigentlich war.
Ach ja, nach der Brutalität bestand Bedarf nach einem milden Ausklang.

Ach, den Bezug zum Bienenvolk oder Ähnlichem wegen der Wabe, hab ich nicht erkannt.
Ertappt! Der Titel fiel mir spontan ein, und dann hab ich ihn so gelassen, weil ich keinen besseren fand.

Kanji, danke und viel Trubel in der Vorweihnachtszeit!
José

 

Kanji josefelipe

Bezug zum Bienenvolk oder Ähnlichem wegen der Wabe

Nein, nein, lieber josefelipe, da hat sich vielleicht dein Unterbewusstsein zu Wort gemeldet. Die Bienenlarven werden in Waben als Eier abgelegt und dann nach dem Schlüpfen gefüttert, damit sie Teil des Volkes werden. Dann aber wird die Wabe verschlossen. Die Larven sollen sich verpuppen und verwandeln. Auch der Prot soll zu einem vollwertigen Glied des Staates - wo auch immer der liegt, das ist Bienen recht unwichtig - erzogen werden. Vielleicht sind die Methoden für uns fragwürdig, aber sie sind in langen Zeiten herangewachsen und nach Meinung der Täter geeignet, Abweichler auf das rechte Maß zu stutzen bzw. wenn das nicht geht, sie auszuscheiden aus dem Bienenvolk. So hat mir dieser Titel suggeriert: Hier soll ein unfertiges fertig gemacht werden und das Doppelsinnige dieser Aussage schwingt im Hintergrund mit.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hola jobär,

ich danke Dir für den aufklärenden Post. Du hast den Durch- und Überblick!

So hat mir dieser Titel suggeriert:
Hier soll ein unfertiges fertig gemacht werden und das Doppelsinnige dieser Aussage schwingt im Hintergrund mit.
Da fasst Du einen tollen Gedanken!
Fast beschämt muss ich zugeben, dass mir diese Idee nicht gekommen ist, wiewohl ich wünschte, dass es so wäre. Dann hätten wir einen der geistreichsten Titel aller Zeiten.
Leider kommt es
Hier soll ein unfertiges fertig gemacht werden ...
bei mir so herüber, dass Samseh im negativen Sinn fertig gemacht wird.
Darauf kann ich mir – im Gegensatz zu Dir – nicht allzu viel einbilden.

Lieber jobär, danke für die Lektion und eine schöne Adventszeit!

José

 

Hallo josefelipe,

Was für eine harte Geschichte! Ich habe sie jetzt das zweite Mal gelesen, ich denke, du hast noch Veränderungen vorgenommen, und ich finde sie jetzt noch beklemmender, als beim ersten Lesen.
Irgendwie habe ich mich in dieser Zelle als Beobachter empfunden, unfähig einzugreifen. Dein Prota bleibt der kranken Willkür seines Peinigers ausgeliefert. Ich fühl mich schlecht dabei.
Ich bleibe verstört zurück.
Ich gehe davon aus, dass das deine Absicht war. Gelungen!

Grüße
Lind

PS: Ich muss immer wieder an deine Geschichte "La Fenouillade - Land der Steine und des wilden Fenchels" denken, die so voller Poesie war. Melancholisch aber dabei immer wunderschön.
Und nun hier etwas komplett anderes. Brutal, hart, so "körperlich" (weiß jetzt nicht, wie ich es anders ausdrücken könnte).
Du kannst halt alles schreiben!

 

Hey josefelipe,

irgendwie hatte ich mich ja auf deinen Text gefreut (ich freue mich auf viele Texte hier in der Challenge), aber als ich auf meinem Sofa so anfing zu lesen - nee, bitte, mach das nicht mit mir! Aber Du hast es getan und ich weiß nicht, wie ich das finde. Das ist so gar nicht meins. Und deshalb fiel es mir auch echt schwer, mich auf deinen Text einzulassen, ich wollte das dann schnell hinter mich bringen. Immer wenn irgendwo gequält wird (egal ob Mensch oder Tier), bin ich fertig mit dem Buch oder Film/Video. Ich bin ein Warmduscher, wärmer gehts kaum.

Es rann und sickerte, Samseh lief aus. Tränen, Rotz und Spucke, Blut und Urin.

Aber das ist schon ziemlich cool geschrieben.

Samseh schaute in das Stückchen Himmel, nicht größer als ein Schuhkarton.

Schönes Bild.

Samseh schloss die Augen, der Himmel tat das auch. Grelles Neonlicht flammte auf, ein mörderisches Licht. Pflanzen gehen darin zugrunde; Menschen nicht - die leiden.

Mochte ich auch.

Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde.

Und das!

Ansonsten habe ich die letzten Kommentare bisschen quer gelesen und möchte mich Maria und Peeperkorn anschließen. Stilistisch sauber geschrieben, eine häßliche Welt erschaffen - aber dann?
Allerdings gibt es viele Leute die sich gern ein bisschen fürchten und gruseln und ich denke, viele von denen würden die Geschichte sehr mögen. Wir sind hier halt schon auch ein sehr spezielles Lesevölkchen. 95% (sag ich jetzt mal so) der Leute suchen Unterhaltung, wir hier immer noch was dazu. Und ich gehöre eh nicht in die Zielgruppe :D.

In eine Horrorantho würdest Du mit diesem Text ganz sicher einziehen können, auch in andere Anthos zum Thema, da bin ich mir ziemlich sicher.

Beste Grüße und Danke (und schäm Dich mich so arg zu überraschen ;) )

Fliege

 

Hola Lind,

da freue ich mich, von Dir zu hören (zu lesen)! Aber was habe ich angerichtet?

Ich fühl mich schlecht dabei.
Ich bleibe verstört zurück.
Ich Unglückseliger! Das war bestimmt nicht meine Absicht. Oh – falsch, natürlich hast Du recht:
Ich gehe davon aus, dass das deine Absicht war.
Aber selbstverständlich war das meine Absicht!
Deshalb kann ich auch Dein Lob einstreichen:
Gelungen!
Danke schön.

PS: Ich muss immer wieder an deine Geschichte "La Fenouillade - Land der Steine und des wilden Fenchels" denken, die so voller Poesie war. Melancholisch aber dabei immer wunderschön.
Und nun hier etwas komplett anderes. Brutal, hart, so "körperlich"
Ja, Schongang is nich. Fliege hat mir deshalb auch schon den Marsch geblasen.
Eigentlich war es nur eine Übung: ‚Könnte ich das?’, denn Brutalität gehe ich immer aus dem Wege. Aber ehe ich mich versah, war ich bei den Strichen an der Wand und damit beim TdM.
Jedenfalls freut es mich, dass Du mit dem Text zurechtgekommen bist. Und ganz am Rande: Die nächste KG wird märchenhaft-zart, schließlich naht Weihnachten;).

Lind, alles Gute und eine schöne Vorweihnachtszeit!
José

 

Hola Fliege,

sag mal, wäre Biene nicht zutreffender bei Deinem Fleiß? Du wirbelst mit einem Elan durch die Gegend, dass man sich respektvoll in Sicherheit bringen muss. Selbst für meinen Brutalo-Text hast Du Dir einen Komm abgerungen. Aber selbst dran schuld!
Wer hat denn das Thema vorgegeben? Na?
Du siehst – ich konnte gar nicht anders. Aber ernsthaft – es geht mir wie Dir:

Und ich gehöre eh nicht in die Zielgruppe.
War nur mal eine Probe, habe diese unwirtlichen Gefilde schon wieder verlassen (und werde sie auch so bald nicht mehr betreten. Nicht zuletzt, weil ich es wie Du handhabe:
Immer wenn irgendwo gequält wird (egal ob Mensch oder Tier), bin ich fertig mit dem Buch oder Film/Video.
Außerdem ist die Realität selbst der schlimmsten Fantasie meilenweit voraus. Brrrh. Das brauchen wir nicht. Und von diesem Ausrutscher abgesehen, schreibe ich jetzt in dieser gefühlsbetonten Zeit an einem ganz sanften Text – wenn’s nicht gar ein Märchen wird (aber ein Flop ist ja bei allen tags möglich:D).

Liebe Fliege, ich danke Dir für Deine Meinung, und obwohl das nicht ganz logisch klingt, teile ich Deinen Standpunkt.

Zitat Fliege:
(und schäm Dich mich so arg zu überraschen )
Heute morgen fragte mein Nachbar, ob ich auf der Sonnenbank war. „Nein“, sagte ich, „das ist Schamesröte.“ Das hat er nicht begriffen, und ich musste nachschieben: „Na ja, wegen Fliege und meinem Text ... und so.“ Hat er trotzdem nicht verstanden. Ich verstehe ja auch nicht, wieso ich das geschrieben habe.

Liebe Fliege, ich wünsche Dir eine schöne Weihnachtszeit!
José

 

Lieber josefelipe,
ich zäume das Pferd jetzt mal von hinten auf - geschichtenmäßig - und versuche wenigstens noch einigen Autoren für Ihre Hilfe oder ihren Besuch bei meiner Geschichte ein feedback als Dankeschön zu schreiben.

Du willst sowieso nichts mehr verbessern an der Geschichte oder an ihr arbeiten, sagst du, ich kann das auch verstehen. Irgendwann ist mal gut und wenn man eine Geschichte nicht so richtig mehr an sich ranlassen will, dann solls so sein. Wenn ich auch das harte Urteil, das du selbst deinem Text gegenüber hast, gar nicht so teilen kann.

Was allerdings stimmt, du baust hier aus meiner Sicht die falschen Geschichtenelemente zusammen, präsentierst das Ergebnis seines Wunsches und Zieles nach Freiheit, gleich von vornherein als gescheitert. Kann man so machen, doch dann wäre es spannend gewesen, zu sehen, wie er an sich selbst und dem Widerling von Martillo scheitert, wie er versucht, gegen Martillo oder seinen Wunsch, dem eines in die Fresse zu klopfen, anarbeitet. Das alles wird aufgelöst in einen einzigen Punkt, eine Station der Erzählung, in der aber alles schon gelaufen ist.
Aber ich verstehe nicht, was daran so sehr ein Beinbruch sein soll? Das ist nichts. Gar nichts. Passiert den besten Leuten - und ist auch gut so, dass es passiert. Du bist viel zu streng mit dir selbst und auch manchmal mit anderen. 2 oder 3 Jahre bei den WKlern zu sein, heißt doch nicht, dass man dann keine Fehler mehr machen würde. Das ist doch ganz fürchterlicher Unsinn und hält einen nur vom Schreiben ab. Und schon gar kein Grund ist das, sich selbst zu geißeln, von wegen keine gute Geschichte und sonstwas
Das hier ist nämlich einzig und allein ein Baufehler. Und ich weiß noch nicht mal, ob das alle Leute so sehen, vielleicht sieht das nur eine Minderheit?
Und was auf der anderen Seite bleibt ist ein Blick in diese Wabe, die uns einen widerspenstigen jungen Mann zeigt, jähzornig, aufbrausend und nicht immer morlaisch so ganz einwandfrei, aber oft sind das die interessantesten Figuren. Und das alles in einer beeindruckenden Sprache.

Schon mal allein der Anfang: Es rann und sickerte, Samseh lief aus. Gar nicht wunderbar, aber wunderbar fies.

Dann zog sich der Schmerz zurück, das Labor seines Körpers produzierte Balsam und Opium und er wusste nichts mehr.
Perspektivfehler. So denkt keiner von sich selbst, wenn er ohnmächtig wird.

War so eine erbärmliche Sau und sah mit Wärteruniform und Zottelbart aus wie Iwan der Schreckliche.
Gibts keinen furchterregenden Zottelbärtigen im südamerikanischen Raum? Aus "Iwan der Schreckliche" spricht amS. weniger Samseh als der gebildete jose. :D

Samseh schaute in das Stückchen Himmel, nicht größer als ein Schuhkarton. Belanglose Wolken, zwei oder drei weiße Streifen wie mit dem Lineal gezogen; uninteressant, in welche Richtung jetzt, gestern, morgen.
Auch toll.


Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar
Auch da hab ich mehr das Gefühl von Autor als von Samseh. Nicht dass ein Samseh nicht auf eine solche Aufzählung kommen könnte, aber ich sehe ihn eben nicht als deutschen Gefangenen, sondern als Südamerikaner. Welche üblen Charaktere würde ein Südamerikaner aufzählen? Die Aufzählung selbst finde ich nämlich toll. Und mich stört auch nicht die gewählte Sprache, ich kann mir das Gewählte bei Samseh schon vorstellen. Auch das Fluchen. Er ist eben ein widersprüchlicher Mensch.

Er hatte wahnsinnigen Durst, heiße Sanddünen ließen seinen Gaumen verdorren.
Nein, bitte nicht. Das Bild find ich nicht gut.

Wie ein eiserner Radiergummi tilgte die Spachtel sinnlos verbrachte Tage und Nächte, Reihe um Reihe.
Mehr als drei Jahre kratzte er in fünf Minuten ab; Staub stand in der Luft.
Samseh sah ungläubig zu, was mit seinem Leben geschah. Martillo löschte aus, was war, und bestimmte, was wird. Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde. Mit weit geöffneten Augen betrachtete Samseh dieses wirbelnde Szenario, einen Teil seines unruhigen Lebens, verstand gleichzeitig alles und nichts.
Würde er mit der Hand wedeln, bildeten die Stäubchen vielleicht Strudel und Spiralen, schwirrten ins Verderben oder ins Glück. Und bliese er hinein, dann entstünde ein Strom, dem alle blind folgen würden. Oh, er würde die Richtung bestimmen, sie würden ihm gehorchen. Er wäre ein großer und mächtiger Samseh.
Das ist geil. Diese Szene, wie seine Freiheit, seine Hoffnung von der Wand gekratzt wird, das ist ein sehr sehr eindrückliches, nachhaltiges Bild. Und noch was: Gerade dein Spiel mit Samsehs Fantasie als Übermächtigem finde ich im Kontrast dazu sehr stark.


Einen Einwand beim Titel habe ich: Der ist toll, absolut toll sogar, aber warum nicht einfach nur: Eine Zelle ist wie eine Wabe?Ich war auch sofort auf jobärs Deutung gekommen. Da wird jemandem systematisch der Wille gebrochen, er wird funktional gemacht, reduziert, bis er keinen eigenen, aufständischen Willen mehr zeigt, sondern nur noch ein Rädchen ist.
Aber dass die Zelle nicht aus Wachs ist, weiß man ja auch so, also nur so. Eine Zelle ist wie eine Wabe.
Und davon scheint mir die Geschichte auch zu handeln, deine Intention gewesen zu sein, dieses Brechen des Willens zu zeigen, auch wenn du dann die Bausteine ein wenig verschoben hast.

Also josefelipe, ich finde das so verkehrt nicht, unterhalten kann dein Text nicht, dazu ist er viel zu hart, aber ich entdecke in ihm eine ganze Menge, was ich mitnehmen möchte: die Sprache, das Thema, der Blick in diese Zelle, die Eindrücklichkeit, mit der du schreibst. Und nicht zuletzt die Intention, einen Menschen in seinem Aufbäumen zu zeigen.

Hab schöne Festtage, ich frag lieber nicht, was du alles essen wirst, das macht mich nur neidisch. Aber ich ess auch was Gutes. Hmmm.
Mach es gut, bis dann
Novak

 

Hola Novak,

zu meiner etwas eigenartigen KG ausgerechnet von Dir einen Komm zu kriegen, war außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Aber wenn als Dankeschön gedacht für meinen Winzkommentar zu Deiner großartigen Geschichte (die für mich ganz klar die beste all Deiner KGs ist), dann passt es schon. Vielen Dank!
Ich habe gerade den Komm von rieger an Dich gelesen, und da hab ich mich bisschen schlecht gefühlt, denn genau das hätte ich auch sagen wollen. Rieger hat's auf den Punkt gebracht.

Du willst sowieso nichts mehr verbessern an der Geschichte oder an ihr arbeiten, sagst du, ich kann das auch verstehen. Irgendwann ist mal gut und wenn man eine Geschichte nicht so richtig mehr an sich ranlassen will, dann solls so sein.
Danke, dass Du das akzeptierst – zumal Du ganz anders ausgerichtet bist. Ich staune immer, wie viel Energie Du ins Nachbessern steckst. Vielleicht bin ich da zu sehr ‚Hans Guck-in-die Luft’, aber ich bilde mir ein, erhaltene Lektionen ernst zu nehmen und zu speichern. Nur denke ich, dass ich einer verunglückten Geschichte traurig hinterherwinken sollte, aber nicht mit vielen Verrenkungen versuchen, sie noch zu retten.
Du bist viel zu streng mit dir selbst und auch manchmal mit anderen.
Streng mit sich selbst zu sein, hieße diszipliniert zu sein – und davon bin ich das genaue Gegenteil. Schlimm. Aber ‚anderen gegenüber’?
Liebe Novak, als eine Schelte von Dir erreicht mich das. Es ist gut möglich, dass ich mich anders sehe als Du mich siehst. Eigentlich will ich nie grob werden – und ich hätte auch gar nicht das Recht dazu. Am liebsten sind mir KGs, die zu loben sind. So bin ich auch in meinem privaten Umfeld ausgerichtet. Geschichten, die mir nicht gefallen, kommentiere ich sowieso nicht.

Allerdings überkommt es mich, wenn offensichtlich schnell heruntergeschriebene Texte eingestellt werden.
Ja, dann lass ich mich schon verleiten, meinen Leseeindruck wiederzugeben. Wenn ‚Nettitesse’ verbindlich ist, dann sollte das auch ‚Respekt vor dem Leser’ sein. Und wenn einer seine Sachen reinknallt, ohne den Text vorher zu bearbeiten, dann sollte man ihm schon sagen, dass es so nicht gedacht war.

... von wegen keine gute Geschichte und sonstwas
Das hier ist nämlich einzig und allein ein Baufehler. Und ich weiß noch nicht mal, ob das alle Leute so sehen, vielleicht sieht das nur eine Minderheit?
Einige kamen mit dem Text zurecht; die meisten leider nicht so richtig. Ich kann’s verstehen. Macht keinen Sinn, den Text durch den Kernspintomographen zu schieben – ich hab den Kritikern aus eigener Überzeugung recht geben müssen und wieder was gelernt.

Und was auf der anderen Seite bleibt ist ein Blick in diese Wabe, die uns einen widerspenstigen jungen Mann zeigt, jähzornig, aufbrausend und nicht immer morlaisch so ganz einwandfrei, aber oft sind das die interessantesten Figuren.
Ja. Die Ist-Aufnahme. Sommerfest, Mädchen. Begehren, das durch Alkohol verstärkt wird. Nebenbuhler. Eins in die Fresse, Knast. Es geschieht ihm was; er hatte sich den Abend anders vorgestellt.

Und das alles in einer beeindruckenden Sprache.
Grande Dame des Forums – wenn Du das sagst, dann fühle ich mich geadelt.


Dann zog sich der Schmerz zurück, das Labor seines Körpers produzierte Balsam und Opium und er wusste nichts mehr.
Perspektivfehler. So denkt keiner von sich selbst, wenn er ohnmächtig wird.
Ei, ich dachte, das sei auktorial.

War so eine erbärmliche Sau und sah mit Wärteruniform und Zottelbart aus wie Iwan der Schreckliche.
Gibts keinen furchterregenden Zottelbärtigen im südamerikanischen Raum? Aus "Iwan der Schreckliche" spricht amS. weniger Samseh als der gebildete jose.
Der Zottelbärtigen gibt es viele, bis zum großen Fidel. Aber der ist ja jetzt bei den Engeln.

Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar
Auch da hab ich mehr das Gefühl von Autor als von Samseh.
Stimmt. Ich hatte tatsächlich auktoriale Erzählweise im Sinn. Am liebsten würde ich in jedem meiner Texte gewisse Schweinereien anprangern, doch werde ich’s wohl nicht schaffen, die Welt besser zu machen.

Hab schöne Festtage, ich frag lieber nicht, was du alles essen wirst, das macht mich nur neidisch.
Vielen Dank, auch Dir wünsche ich eine gute Zeit. Und zum Neidischsein gibt es keinen Grund – wir Hochbetagten müssen das Feiertagsmenü mit unserem Hausarzt absprechen:D.
Aber ich ess auch was Gutes. Hmmm.
Na, das will ich doch hoffen! Dieses ‚Hmmm’ klingt auf gar keinen Fall nach veganer Ernährung;).

Liebes Novak, lass es zu Sylvester richtig krachen! Alles Gute & Gesundheit!!

José

 

Hallo josefelipe,


ich bin immer wieder ganz aus dem Häuschen, auf welch hohem Niveau dieser Wettbewerb läuft.
Dazu gehört auch eindeutig deine Geschichte.

Ein Thema, das mir zwar genauso wenig liegt, wie dasjenige von Chutney, aber dir gelingt ein derartig dichter, bedrückender, fast erdrückender Stimmungsaufbau, dem konnte ich mich nicht entziehen.

Diese Widerwärtigkeiten, die dein Protagonist erleiden muss, stehen da irgendwie nackt und damit so brutal und unter die Haut gehend. Einfach gelungen!

Du beschreibst das alles so lebendig, dass man das Gefühl hat, mittendrin in dieser Zelle zu sein.
Der Text lässt einen nicht so leicht los.
Was ich bewundere ist, dass ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, dass du übertreibst, zu dramatisch wirst, zu sehr überziehst und dass, obwohl es wohl kaum an Brutalität zu überbieten ist, was deinem Protagonisten da widerfährt.

Ich kann nicht sagen, dass ich deine Geschichte gern gelesen habe, gerne lese ich Geschichten, die mir ein Schmunzeln abringen, das in einem Lachen endet, aber du hast ungemein packend geschildert und mich mit reinziehen können. Sehr gut gemacht!


Natürlich habe ich auch was zu meckern. :D

Ich würde nicht weglassen, dass Samseh einen Ausbruchversuch unternommen hat, weshalb er ja jetzt so brutal zugerichtet worden ist, aber ich würde weglassen, was die Ursache für seine Inhaftierung war.

Das würde ich offenlassen. Aus deiner Autorenperspektive ist er ja das Opfer. Er beschreibt seine Tat, die ihn in den Knast gebracht hat, aber als völlig Uneinsichtiger, der nur wegen einer Lappalie verurteilt wurde.
Das bringt mich ein bisschen auf die Palme, weil es natürlich nicht in Ordnung ist, denjenigen anzugreifen, der sich genau die Frau geschnappt hat, die man eigentlich auch gerne näher kennengelernt hätte. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass es nicht zu einem Mord oder dergleichen kam, denn das Strafmaß deutet auf eine Körperverletzung hin. Aber Straftat bleibt Straftat und dafür gibt es nun mal in fast allen Ländern der Welt die Gefängnisstrafe. Das ist nicht ungerecht. Ungerecht ist das, was Martillo (übrigens gut gewählt, weil es an Marter erinnert) mit ihm macht.

Oder, wenn du unbedingt eine Tat als Ursache schildern möchtest, wähle etwas, was in den Augen des Lesers und auch juristisch betrachtet keine Straftat ist.

Wie immer auch hier einige Bemerkungen zum Titel und zum Challenge:

Ich finde, der Titel ist zu lang. Wenn ich so einen überlangen Titel vorfinde, fängt meine Spekulationssucht an, sich Gedanken über den Autor zu machen. Und wie es nun mal mit den Spekulationen so ist, denke ich dann in deinem Fall völlig verkehrt, dass ein langatmiger Titel auch eine langatmige, also langweilige Geschichte nach sich ziehen wird. Wenn also der Titel bei mir etwas bewirken soll, dann müsste er wesentlich knackiger sein. Und ich finde, er bezieht sich nur in einem schwierig zu übertragenen Sinne auf den Text. Wie wäre es mit "Fünf Minuten zu Staub"?

Das Challengethema ist durchaus erfüllt, wenn auch ich bis zum Ende der Geschichte darauf warten musste. Aber keine Frage, erfüllt ist es.


Lieben Gruß

lakita

 

Hola Lakita,

Dein wohlwollender Kommentar ist wie ein kleines Weihnachtspräsent für mich. Vielen Dank!

Mit diesem Text hab ich’s nicht ganz einfach. Die einen sagen so, die anderen so:shy:. Ich gebe denen Recht, die meckern – und ich widerspreche denen nicht, die loben.

Ich kann nicht sagen, dass ich deine Geschichte gern gelesen habe, ...
Das kann ich nicht erwarten, und auch wenn das albern klingt: Härte ist eigentlich nicht mein Spezialgebiet (aber natürlich habe ICH das geschrieben), ich wollte jedenfalls mal testen, wie ein solcher Text rüberkommt.
Ein Thema, das mir zwar genauso wenig liegt, wie dasjenige von Chutney, ...
Ja, das finde ich schon ziemlich merkwürdig, denn eigentlich wollte ich Chutney einen netten Komm schicken, habe aber das Lesen beizeiten abgebrochen, weil es mir so ging wie Dir bei meiner KG. Ziemlich grazy.
Warum ich den Text so eingefärbt habe, erklären all meine Antworten auf die Kommentare vorher. Aber so wichtig ist das nicht. Außerdem war das ein einmaliger Besuch in der Brutalo-Szene und ich verspreche: Es gibt keine Fortsetzung.

Was ich bewundere ist, dass ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, dass du übertreibst, zu dramatisch wirst, zu sehr überziehst und dass, obwohl es wohl kaum an Brutalität zu überbieten ist, was deinem Protagonisten da widerfährt.
Eine alte Freundin sagte unlängst: ‚Nichts Menschliches ist mir fremd.’
Ein großer Spruch, doch wenn ich’s recht bedenke, nur das Resümee
eines langen Lebens. Da braucht es keine Geschmacksverstärker.

Natürlich habe ich auch was zu meckern:D.
So, jetzt geht’s los!
... ich würde weglassen, was die Ursache für seine Inhaftierung war.
Das würde ich offenlassen.
Eigentlich kein Problem, andrerseits – warum sollte ich es dem Leser vorenthalten?
Vielleicht wüsste er es gern.

Er beschreibt seine Tat, die ihn in den Knast gebracht hat, aber als völlig Uneinsichtiger, der nur wegen einer Lappalie verurteilt wurde.
Kann ich ihm nicht verdenken. In dem Alter einsichtig zu sein, hätte ich damals auch nicht geschafft. Es gibt nun mal die Buben mit dem prallen Hosenlatz und die frühreifen Mädchen.

Oder, wenn du unbedingt eine Tat als Ursache schildern möchtest, wähle etwas, was in den Augen des Lesers und auch juristisch betrachtet keine Straftat ist.
Sei mir nicht bös, aber das verstehe ich überhaupt nicht. Ohne Straftat wird er doch nicht eingebuchtet, oder? Und bevor Martillo (span. = Hammer) sein Mütchen an ihm kühlt, muss Samseh ja erst mal in den Knast hinein.

Wenn also der Titel bei mir etwas bewirken soll, dann müsste er wesentlich knackiger sein.
Ich hab an „Zeitstaub“ gedacht. Die anderen achtundvierzig in Frage kommenden;) Titel hab ich verworfen. Und Deine Idee "Fünf Minuten zu Staub" leider auch. Ich hoffe, Du siehst mir das nach.

Lakita, nochmals bedankt und ein prächtiges Feuerwerk zu Sylvester!

José

 

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