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Eine Zelle ist wie eine Wabe, nur eben nicht aus Wachs

Monster-WG
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10.09.2014
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Eine Zelle ist wie eine Wabe, nur eben nicht aus Wachs

Es rann und sickerte, Samseh lief aus. Tränen, Rotz und Spucke, Blut und Urin. Jemand stieß die Tür auf und eiskaltes Wasser knallte auf seinen gequälten Körper. Wie eine Ladung Steine empfand er diesen brutalen Guss auf seine Wunden. Er zuckte zusammen und sein Herz blieb stehen.
Sie setzten ein Kabel unter Strom – da begann es wieder zu schlagen, leider. Unvorstellbar schön, wenn alles vorbei wäre, doch es ging weiter.
In der Nacht gelang es ihm, sich hochzuquälen, um auf der Pritsche weniger hart zu liegen. Die Schmerzen ließen keinen Schlaf zu, er schwebte zwischen Ohnmacht und Koma.
In seiner Taubheit konnte er nicht denken, aber der Wahnsinn der letzten Stunden führte ihm noch mal Bilder vor, wie er den Fraß in die Visage des Wärters schleuderte, ihn entwaffnete, um sich den Weg nach draußen freizuschießen. Wie sie zurückschossen und ihn niederknüppelten. Auch ihr Geschrei hallte nach, ganz klar, wie auch die penetrante Sirene – selbst das Knirschen seiner eingeschlagenen Zähne vermeinte er noch einmal zu hören.
Ein großer Schmerz durchfuhr ihn, als ob sie nochmals nach ihm traten. Dann zog sich der Schmerz zurück, das Labor seines Körpers produzierte Balsam und Opium und er wusste nichts mehr.

Auch wenn es das Eisengitter nicht gäbe, könnte sich kein Mensch, und sei er noch so schlank, durch dieses Loch in der Wand zwängen, außerdem befand es sich unmittelbar unter der Decke. Doch Tageslicht ließ es hindurch. Er musste verrückt geworden sein, ein Vierteljahr vor der Entlassung so durchzudrehen, aber dieses Dreckschwein, den sie Martillo nannten, hatte ihn so weit gebracht. Der hatte ihn schon lange auf dem Kieker. War so eine erbärmliche Sau und sah mit Wärteruniform und Zottelbart aus wie Iwan der Schreckliche.
Der schob Samseh einen Matsch aus verdorbenem Fisch und grauen Kartoffeln durch die Klappe, dazu sagte er gönnerhaft:
„Riecht bisschen streng, aber wer Hunger hat, kriegt das schon runter." Oft fügte er noch einen Popel aus seinem Habichtszinken bei und machte Samseh Mut: „Ist total lecker.“ Passend dazu grunzte er wie ein Schwein.
Auch die pampige Suppe versalzte Martillo ihm oft, oder garnierte sie mit Schweröl: „Das ist gut gegen ’s Einrosten. Stirbste nicht von, zumindest nicht gleich.“ Und jede seiner Schweinereien untermalte er mit einem fiesen Gekicher, das an Niedertracht nicht zu überbieten war.

Samseh musste auf den Hofgang verzichten, wie hätte er gehen sollen? Ins Hospital gehörte er, doch dafür hatte er keine Beziehungen.
Er musste liegen bleiben, die Schmerzen waren unerträglich. Irgendwann kam sein Tyrann und streichelte ihn mit dem Knüppel: „Na, keinen Bock auf Sonnenschein, Arschloch?“
„Nein. Schlag mich ruhig tot. Gib mir den Rest.“ Er spuckte grün, gelb und rot, rang nach Luft: „Aber eine Kugel wär’ mir lieber.“ Das klang ziemlich undeutlich wegen der ausgeschlagenen Zähne, er sprach abgehackt und sehr leise – aber sein Peiniger verstand.
Dessen perfide Lache wurde noch unerträglicher: „He he – das könnt’ dir so passen. Aber nein, bleib nur noch ein bisschen bei mir, sonst wird mir’s zu langweilig.“
Einen Stern hat er auf jeder Schulter, und er wäre beinahe erstickt an seinem widerlichen Gelächter.

Samseh schaute in das Stückchen Himmel, nicht größer als ein Schuhkarton. Belanglose Wolken, zwei oder drei weiße Streifen wie mit dem Lineal gezogen; uninteressant, in welche Richtung jetzt, gestern, morgen. Er war noch nie geflogen, doch in Gedanken schon tausendmal. Raus – diesen ganzen Wahnsinn verlassen, egal wohin. Überall würde es besser sein als in dieser Gruft für Lebende.
Wie kommen alte Männer dazu, über ihn zu richten? Die schon lange vergessen haben, wie sehr es in einem jungen Mann rumoren kann, wenn ihm die Liebste fehlt, wenn es Sommer ist, wenn der Alkohol zu Kopfe steigt. Und wenn die Hose eng wird, er an nichts anderes mehr denken kann. Der nicht aus seiner Haut kann, den offenherzigen Mädchen nur zuschauen darf, wie sie wippen und kokettieren, um ihre Reize zu zeigen.
Ja, sie hatten viel getrunken und balinesische Zigaretten geraucht. Besonders Faela hatte ihn verrückt gemacht. Rotbraunes Haar wie Kastanien, grünlich schillernde Augen und ein sehr freizügiges Kleid machten sie noch begehrenswerter, als wenn sie nackt gewesen wäre. Wieso hätte er sich keine Hoffnung machen sollen, als sie ihn bei der Damenwahl aufforderte? Und wieso haute sie dann mit Carlos ab, statt mit ihm? Ja, er war blau, trotzdem hatte er das Recht auf eine Erklärung. Aber dieser blöde Kerl stellte sich breitbeinig hin, klemmte die Daumen hinter den Gürtel und sagte, dass er sich verpissen solle.
Das konnte nicht gut gehen.
Sie hatten ihn eingebuchtet – die Alten, die Vergesslichen in den Roben. Dreieinhalb Jahre für einen verunglückten Sommerabend!
So traf er auf die Perversen in Uniform, die sich für diesen gottverdammten Job beworben hatten. Sie trugen Krawatte und zeigten gutes Benehmen, weil sie der Gerechtigkeit Geltung verschaffen wollten, und um dem Staat zu dienen – bis man sie von der Kette ließ.
Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ... die haben alle eine ‚ordentliche Anstellung’, und ihm, dem eigentlich Harmlosen, klauen sie Jahre seines Lebens.

Samseh schloss die Augen, der Himmel tat das auch. Grelles Neonlicht flammte auf, ein mörderisches Licht. Pflanzen gehen darin zugrunde; Menschen nicht - die leiden.

Er hatte wahnsinnigen Durst, heiße Sanddünen ließen seinen Gaumen verdorren. Er brauchte eine Ewigkeit, das Waschbecken zu erreichen; das Wasser brannte höllisch auf seinen aufgeplatzten Lippen.
Bald kam Martillo mit einer Spachtel zurück. Er stellte sich vor die gekalkte Wand und zeigte auf die endlosen Strichreihen, immer vier hoch und einer quer.
„Ich will deine Buchführung mal auf den neuesten Stand bringen, Arschloch“, sagte der. „Dein verwöhnter Gaumen dürfte dich gut und gerne zwei Jährchen kosten.“
Wie ein eiserner Radiergummi tilgte die Spachtel sinnlos verbrachte Tage und Nächte, Reihe um Reihe.
Mehr als drei Jahre kratzte er in fünf Minuten ab; Staub stand in der Luft.
Samseh sah ungläubig zu, was mit seinem Leben geschah. Martillo löschte aus, was war, und bestimmte, was wird. Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde. Mit weit geöffneten Augen betrachtete Samseh dieses wirbelnde Szenario, einen Teil seines unruhigen Lebens, verstand gleichzeitig alles und nichts.
Würde er mit der Hand wedeln, bildeten die Stäubchen vielleicht Strudel und Spiralen, schwirrten ins Verderben oder ins Glück. Und bliese er hinein, dann entstünde ein Strom, dem alle blind folgen würden. Oh, er würde die Richtung bestimmen, sie würden ihm gehorchen. Er wäre ein großer und mächtiger Samseh.
Grotesk unterbrach ein Klatschen seine tiefsinnigen Gedanken, es schien, dass sich Martillo selbst zu seinem grandiosen Werk Beifall spendete – doch der patschte nur den Kalk von den Händen.

 

Hola josefelipe,

vielleicht ein kleines Fehlerchen:

Bald kam Martillo mit einem Spachtel zurück

Eine sehr bedrückende realistische Geschichte. Du gibst da einige Informationen über das Leben in einer traditionellen muslimischen Gesellschaft. Und was geschieht weiter? Driftet Samseh ab in den sich abzeichnenden Wahnsinn? Möglicherweise ja der einzige Weg, fortzufliegen.

Nur eins bereitet mir ein leichtes Unbehagen: Du schreibst über eine Welt, die nicht unsere ist und die die meisten Menschen in unserem westlich geprägten Land nicht kennen (wollen). Warum? Über diese Frage denke ich intensiver nach als über das Weiter"leben" von Samseh - dem Herrn der Gleichheit, wie man den Namen erklären könnte - und die Realität dieses Ideals erlebt er ja nun hautnah.

Ich weiß noch nicht, ob mir die Geschichte gefällt, aber es ist eine flüssig und eindringlich geschriebene Geschichte.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo @josefelipe,

Dir folge ich ja überall hin. Diesmal jedoch nicht pfeifend und von einem Bein auf das andere hüpfend, sondern widerwillig - doch Du wirst wissen, was zumutbar ist.
Nun also geht’s in die Hölle.

Und ewig lockt das Weib, könnte man es nennen. Doch Dein Titel ist poetischer und verdeckt nur fürs Erste den Inhalt. Du kommst gleich zur Sache, lässt teilhaben an den Grausamkeiten zu denen Menschen fähig sind. Ich fragte mich, in welcher Zeit, in welchem Land deine Geschichte spielt, doch

Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ...

von sehr weit her kannst du sie nicht geholt haben.

Du hast sehr bildhaft geschrieben, mehr als mir diesmal lieb war. Ich bleibe betroffen zurück und etwas desillusioniert. Was sind das für Haftbedingungen, was sind das für Menschen?

Schreiben kannst Du ja, da wiederhole ich mich gerne und Fehler sind mir keine aufgefallen.

Tut mir Leid, José, mehr kann ich dazu nicht sagen, das muss erst einmal verarbeitet werden.


Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hola Jobär,

Dein Kommentar hat mich sehr gefreut und ich gehe gerne die verschiedenen Punkte durch:

... vielleicht ein kleines Fehlerchen:
Bald kam Martillo mit einem Spachtel zurück
Ich habe schon beides gehört, dann nochmals Herrn Duden gefragt, und der sagt der oder die Spachtel – beides okay.
Eine sehr bedrückende realistische Geschichte. Du gibst da einige Informationen über das Leben in einer traditionellen muslimischen Gesellschaft.
Ich bin erstaunt, dass dieser Eindruck entsteht. Eher hatte ich im Sinn, dass ein Moslem in einem anderen Kulturkreis Probleme hat. Aber auch das sollte nicht der Kern meiner Geschichte sein – vielmehr die Nöte eines jungen Mannes, dessen unkontrollierbarer Körper non-stop Sperma produziert, und es ist diesem Körper schiet-egol, wie der Eigentümer damit fertig wird.

Und was geschieht weiter? Driftet Samseh ab in den sich abzeichnenden Wahnsinn? Möglicherweise ja der einzige Weg, fortzufliegen.
Jau! – diese Schlussfolgerung finde ich wirklich gut, und ich hatte tatsächlich so etwas im Sinn.
Nicht direkt wahnsinnig werden, aber in einer Zwischenwelt parken, in der ein Stäubchen den Wert einer Stunde hat, die aber für die Zukunft Optionen offen lässt.

Nur eins bereitet mir ein leichtes Unbehagen: Du schreibst über eine Welt, die nicht unsere ist und die die meisten Menschen in unserem westlich geprägten Land nicht kennen (wollen).
Diese Welt ist eigentlich überall, mit wenigen Ausnahmen (zu denen glücklicherweise wir gehören). Und Dein in Klammern gesetztes ‚wollen’ trifft den Nagel auf den Daumennagel – tut tatsächlich weh.

Warum? Über diese Frage denke ich intensiver nach als über das Weiter"leben" von Samseh - dem Herrn der Gleichheit, wie man den Namen erklären könnte - und die Realität dieses Ideals erlebt er ja nun hautnah.
Oft lese ich, dass eine gelungene KG den Leser nachdenklich stimmen sollte – Du bist mein erster Kommentator, und schon hat’s geklappt! Na bitte – wer sagt’s denn?

Ich weiß noch nicht, ob mir die Geschichte gefällt, aber es ist eine flüssig und eindringlich geschriebene Geschichte.

Das, mein lieber Herr Jobär, ist doch fabelhaft! Gerade las ich, dass offshore es sich sehr verbitten würde, wenn jemand eine seiner Geschichten als ‚nett’ bezeichnet – und auch ich entferne mich zunehmend von der Position, gefällig zu schreiben.
‚Flüssig und eindringlich’ zu schreiben scheint mir wertvoller zu sein.

Danke nochmals und alles Gute!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola josefelipe,
fast bin ich neidisch, denn diese Geschichte hätte ich gerne selber geschrieben und so etwas denke ich bei den wenigsten Geschichten. Also großes Kompliment! Am besten gefallen mir der Anfang und der Schluss. Der absolute Tiefpunkt, wenn eine so gelungene Kurzgeschichte überhaupt einen solchen haben kann, ist an der Stelle "ein sehr freizügiges Kleid machte(n) sie noch begehrenswerter" erreicht, das passt mMn einfach nicht. Ich denke da gleich an die Freizügigkeitsbescheinigung, die in Deutschland für Bürger aus anderen EU-Staaten ausgestellt wurde. Dann wird es aber schnell wieder besser, so dass insgesamt fast so etwas wie eine Katharsis stattfindet beim Lesen. Für mich ist dein Text eine Tragödie in nuce und so etwas muss einem erst einmal einfallen! Obwohl, die Welt da draußen liefert genügend Beispiele.
Alles erdenklich Gute,
Bjoern

 

Normalerweise soll man ja eine Geschichte etwas sacken lassen nach dem lesen, bevor man sie kommentiert. In diesem Fall mache ich es bewusst mal nicht, weil ich total von der Stimmung gefangen bin. Ein wirklich starker Text, der mich inhaltlich, ganz besonders aber sprachlich total gefangengenommen hat.
Der Schlußsatz ist ein Hammer.
Tut mir leid, mehr gibt es erstmal nicht, außer ein total ehrlich gemeintes Chapeau! :thumbsup:

LG svg

 

Hola José,


ich bin mir nicht sicher, was du mir erzählen möchtest.
Was ist der Kern: Kulturclash? Verrohung? Folter? Ungerechtigkeit? Willkür? Rassismus?

Ich versuche das mal aufzudröseln:

Da ist dein ("schwach" gewordener, oder nicht sehr gläubige) Muslim in einem anderen Kulturkreis (Mittel-/Südamerika), der sich durch die Reize einer Frau und im alkoholisierten Zustand strafbar gemacht hat, indem er Leib (und Leben) eines Nebenbuhlers verletzt.
Nach Verurteilung erfährt der Prot. den Horror von Gefangenschaft, den Horror einer Justizvollzugsanstalt (eines Landes?), die (das) sadistisch-rassistischen Folterknechten freie Bahn lässt.
Er setzt sich zur Wehr, will fliehen und erntet dafür nur die Verlängerung seines Leids.

Ich dachte zuerst speziell an Guantanamo, kam später allgemein auf Süd-/Mittelamerika (Kolumbien, Brasilien).

Die Querverweise auf "die ganze Welt" mit ihren Päderasten, den Lehrern, Schulleitern, Trainern und Eitlen im Talar haben mich weiter verwirrt.

Ich weiß nicht, ich ahne, dass du sehr viel mehr ansprechen wolltest, als die Geschichte eines Mannes, der Folter im Knast erlebt, bekomme das aber nicht ganz zusammen.

Eindringlich lässt du mich erahnen, was es bedeutet, in so einem Land (Gefängnis), Gefangener zu sein. Das ist dir sehr gut gelungen.
Natürlich ist das keine neue Erkenntnis, dafür ist die Welt leider voller menschenverachtender Orte, über die man auch viel gelesen, gesehen und gehört hat. Trotzdem finde ich gut, immer wieder darauf hingewiesen zu werden.
Ich glaube, mir hätte das als Aussage auch gereicht.
Dem Thema Kulturclash, "verschlossene" vs. "offene" Gesellschaft, wirst du mit deiner Geschichte nicht gerecht, finde ich. Dazu schneidest du das Thema nur an, wobei es aber einer tieferen Auseinandersetzung bedurfte.

... die Perversen in Uniform, die sich für diesen gottverdammten Job beworben hatten. Sie trugen Krawatte und zeigten gutes Benehmen, weil sie der Gerechtigkeit Geltung verschaffen wollten, und um dem Staat zu dienen ...
... die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ... die haben alle eine ‚ordentliche Anstellung’, und ihm, dem eigentlich Harmlosen, klauen sie Jahre seines Lebens.
Du schneidest so viel an. Das verpufft leider zu Allgemeinplätzen für mich. Für jeden angesprochenen Punkt, müsste eine eigene Geschichte stehen.
Und das mit dem 'Harmlosen' scheint mir vage, ich erfahre zu wenig darüber, was dein Prot. letztendlich verbrochen hat. Es bleibt ja verwerflich, einem Menschen aufs Maul zu hauen, auch wenn es Pädosexuelle in Internaten gibt, oder?

Sprachlich ist das gewohnt gut, was du ablieferst, klar.
Ein paar Kleinigkeiten sind mir trotzdem aufgefallen:

Jemand stieß die Tür auf und eiskaltes Wasser knallte auf seinen gequälten Körper. Wie eine Ladung Steine empfand er diesen brutalen Guss auf seine Wunden. Er zuckte zusammen und sein Herz blieb stehen.
...
Seine Schmerzen ließen keinen Schlaf zu, er fiel in einen narkoseartigen Zustand zwischen Ohnmacht und Koma.
...
In seiner Taubheit konnte er nicht denken ...
Exemplarisch: Ich finde den Text insgesamt sehr possessivpronomenlastig. Kannst du ja mal überdenken.

... er fiel in einen narkoseartigen Zustand zwischen Ohnmacht und Koma.
Narkose, Ohnmacht und Koma drücken eigentlich dasselbe aus. Würde ich was von streichen.

In seiner Taubheit konnte er nicht denken, aber der Wahnsinn der letzten Stunden gaukelte ihm noch mal Bilder vor, wie er den Fraß in die Visage des Wärters schleuderte ...
Dafür hat er doch zwei weitere Jahre bekommen, oder hab' ich das missverstanden? Das Vorgaukeln scheint mir da nicht recht zu passen.

„Yeah, Mister – das könnt’ dir so passen.
Wieso denn: Yeah, Mister?

Belanglose Wolken, zwei oder drei weiße Streifen wie mit dem Lineal gezogen, uninteressant, in welche Richtung jetzt, gestern, morgen.
Den Satz finde ich nicht sehr gelungen. Es böte sich auch ein Semikolon an.

Sparleuchten flammten auf, ein mörderisches Licht. Pflanzen gehen in diesem Non-Licht zugrunde; Menschen nicht, sie leiden.
Non-Licht gefällt mir nicht.
Vielleicht: Selbst Pflanzen gehen darin zugrunde.

Wie ein eiserner Radiergummi tilgte die Spachtel sinnlos verbrachte Tage und Nächte, Reihe um Reihe.
Mehr als drei Jahre kratzte er in fünf Minuten ab; Staub stand in der Luft.
Wie hart. Sehr grausam die Szene. Gefällt mir :).

... was wird. Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde. Mit weit geöffneten Augen betrachtete Samseh dieses wirbelnde Szenario, einen Teil seines unruhigen Lebens, verstand gleichzeitig alles und nichts.
Würde er mit der Hand wedeln, bildeten die Stäubchen vielleicht Strudel und Spiralen, schwirrten ins Verderben oder ins Glück.
Tolle Idee mit den Stäubchen - nur gefällt mir Stäubchen nicht. Ich gebe zu, ich hab' sogar den Duden danach befragt, ob es das Wort überhaupt gibt. Er gibt dir recht. Dennoch würde mir Staubkörnchen besser gefallen; später würde ich sie durch Körnchen ersetzen.

Er wäre ein großer und mächtiger Samseh. Ein groteskes Klatschen unterbrach seine tiefsinnigen Gedanken, es schien, dass sich Martillo selbst zu seinem grandiosen Werk Beifall spendete, doch der patschte nur den Kalk von den Händen.
Gefällt mir wirklich gut; sehr gut geschriebenes Ende.


Ich habe das gerne gelesen (wenn man das in Anbetracht der Grausamkeiten so sagen kann), José. Allerdings würde ich die Allgemeinplätze überdenken und das Religiöse eventuell streichen; oder eben vertiefen.
Ich glaube, darauf hinzuweisen, dass ein Fehler mancherorts dazu führen kann, unmittelbar in die Hölle zu kommen, hätte mir ausgereicht. Die darin enthaltene Kritik kann nicht oft genug anklingen, finde ich - gerade, weil es eine Minderheit betrifft (Strafgefangene), die allzu oft vergessen wird. Ein Staat oder System sollte mMn Vorbild sein im Umgang mit straffällig gewordenen Menschen (was wir erleben müssen ist oft eben nur ein Spiegelbild von Gewalt). Das soll aber natürlich nicht heißen, dass gerechte Strafe auch vollzogen werden muss; aber zwingend unter Berücksichtigung der Menschenwürde.

So viel mal von mir.


Vielen Dank fürs Hochladen und den Denkanstoß!


hell

 

Lieber josefelipe,

keine Angst, José, nett find ich deine Geschichte wirklich nicht, eher schockierend. Und du wandelst auf neuen Pfaden. Nicht ganz, denn dein Können, starke Bilder zu kreieren, hast du natürlich nicht aufgegeben.

Allerdings habe ich auch das Problem wie hell, den Fokus der Geschichte zu orten. Du bietest halt einiges an.
Da sind Gefängnisse, in denen grausame Menschen jede Menschlichkeit vermissen lassen. In diesem Ausmaß kann ich mir Gefängnisse in Rechtsstaaten nicht vorstellen. Ich tippe daher eher auf Lateinamerika oder auch Südostasien. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, dass mit den Grausamkeiten irgendeine Art von Geständnis (wie durch Folter) erzwungen werden soll.

Da ist ein junger testosterongesteuerter Mann, dem zwei elementare Bedürfnisse verweigert werden. Sex und Freiheit. Einer, der sehr schnell explodiert, wenn er sich irgendwie beleidigt oder gekränkt fühlt, und der dann auch nicht zimperlich ist. Dies hat ihm ja das Gefängnis eingebrockt.

Ja, ich glaube, dieses Portrait ist dir wichtig. Dein Prot hat wohl auch das Talent, andere zu provozieren, sei es durch Bildung, sei es durch Geschmack.

Ich versuche, diese meine Ansicht durch zwei Textstellen zu belegen:

Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ...

Da muss dein Prot aber recht regelmäßig Nachrichten lesen oder schauen:D

Auch die pampige Suppe versalzte Martillo ihm oft, oder garnierte sie mit Schmieröl ...

Besonders irritiert hat mich der Grund, warum Samseh (ist der wirklich ein Moslem? Alkohol ist ihm ja nicht fremd) so zusammengeschlagen wurde. Hat er sich wirklich die Waffe des Wächters geschnappt und sich den Weg nach draußen freischießen wollen? Vielleicht ein Fiebertraum, und sein desolater Zustand rührt woanders her.

Also ich behaupte mal, die stärkste Triebkraft für Samseh ist die rasende Sehnsucht nach Freiheit. Da hätte er es in keinem Gefängnis der Welt ausgehalten.

Eigentlich wollte ich noch etwas Profundes über Machismo von mir geben. Ich glaube aber nicht, dass dir das gefallen würde.

starke Geschichte, hat so gar nix von Familienidylle.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Tintenfass,

ich weiß gar nicht, ob ich das verantworten kann:

Dir folge ich ja überall hin.
Ist das nicht ein bisschen leichtsinnig? Und wenn ich das nun ausnutzen würde?
Aber nein, ich gehöre zu den Guten:D.

Diesmal jedoch ... ... widerwillig - doch Du wirst wissen, was zumutbar ist.
Da bin ich mir nicht sicher. War das schon zu viel starker Tobak?
Andrerseits: Ich habe schon öfter von ähnlichen Zuständen gehört und gelesen, und in Paraguay selbst eingesessen – Gott sei Dank nicht sehr lange. Doch das reichte völlig.

Und ewig lockt das Weib, könnte man es nennen.
Ja, schließlich stimmt es. Wir Kerle und die Weiber sind so gestrickt, dass es immer wieder funktioniert. Dennoch meine ich, dass der Mann dem größeren Druck ausgesetzt ist.
Wenn dann noch Sommerhitze und Alkohol hinzukommen, wird’s oft eng.

Du kommst gleich zur Sache, lässt teilhaben an den Grausamkeiten zu denen Menschen fähig sind.
Viele Umwege mache ich nicht, das stimmt. Doch ist es nur eine Geschichte, die von der Situation eines Mannes im besten Alter erzählt, dessen Samenpegel die rote Markierung erreicht, dem die dargebotenen weiblichen Reize fast die Hemmschwelle vernebeln, der aber gleichzeitig enthemmende Getränke und Joints zu sich nimmt. Und der Gockel in ihm bestellt schon die nächste Runde, weil er so toll ist. Zu guter Letzt wird er noch provoziert und kann auch hier beweisen, wie er zuschlagen kann (Steht so oder so ähnlich in jedem Polizeibericht).
Fallstricke des Teufels halt.

Ich fragte mich, in welcher Zeit, in welchem Land deine Geschichte spielt, ...
Der Spitzname des Peinigers ist spanisch – könnte irgendwo in Lateinamerika spielen. Katholisch müsste es sein, wo etwas vom Schwein zum Alltag gehört. Und die Zeit?
In solchen Ländern kein Thema, so lange die Kirche mit den Mächtigen war und ist – und eben nicht mit dem Volk, das die ganze Pracht bezahlt.
Entschuldigung, das ist mein Lieblings-Feindbild.
doch
Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ...

von sehr weit her kannst du sie nicht geholt haben.

Nee, bestimmt nicht. Ich lebe zwar in der Puszta, doch bin ich verkabelt und verdrahtet;).
Du hast sehr bildhaft geschrieben, mehr als mir diesmal lieb war.
Tut mir leid; ist auch selten, dass ich in diese Richtung schwenke. Doch manchmal überkommt mich der Heilige Zorn.
Trotzdem wollte ich den Leser nicht strapazieren, es hatte auch damit zu tun, dass ich mal einen solchen Brutalo-Text ausprobieren wollte (wie auch den stillen vom Maskenball).
Die Möglichkeit des Variierens gefällt mir. Und ein bisschen Angst hab ich wohl auch, dass ich zu oft mit Frauen und Fressereien in Verbindung gebracht werde:). Obwohl ...:D ...

Tintenfass ist eine moderne Frau mit Bildung und Takt – das glaube ich aus Deinen Kommentaren herauslesen zu können. Und in der Tat freue ich mich, dass Du Dich öfter meiner Texte annimmst. Nur verstehe ich diese Zeile nicht:

Ich bleibe betroffen zurück und etwas desillusioniert.
Du wirst höchstwahrscheinlich die Nachrichten und was sonst noch alles zur Kenntnis nehmen und hast von solchen Zuständen nicht zum ersten Mal gehört.
Ich kann mir beinahe nicht vorstellen, dass Du tatsächlich ‚betroffen’ und gar ‚desillusioniert’ bist. Ist das nur so eine Redensart wie „Die Geschichte lässt mich ratlos zurück“? Wie oft ich das schon gehört, bzw. gelesen habe! Das begann mit `Fishing for Compliments`. Dann machte ‚Gleichsam’ die Runde. Zur Zeit ist gerade die Gänsehaut in aller Munde (also nicht die von der Martinsgans, sonder die der Betroffenheit). Haha.
Liebe Tintenfisch, nimm’s mir nicht übel, ich bin ein altes Lästermaul (aber lieb).
Ich verstehe auch das Folgende nicht:
Was sind das für Haftbedingungen, was sind das für Menschen?
Ich bitte Dich! In weiten Teilen der Welt läuft es so. Das ist dort so alltäglich, dass es mit einem Schulterzucken quittiert wird.

Schreiben kannst Du ja, da wiederhole ich mich gerne und Fehler sind mir keine aufgefallen.
Aahh – was für eine Wohltat! Danke sehr.

Tut mir Leid, José, mehr kann ich dazu nicht sagen, das muss erst einmal verarbeitet werden
Da muss wirklich etwas verarbeitet werden? Es war doch nichts Neues, gar Schockierendes dabei, oder? Solche Szenerien sind doch seit Jahrzehnten allseits bekannt. Aber vielleicht bin ich der grobe Klotz und mir gebricht’s an Zartgefühl? Ist leider bisschen spät für eine Charakter-Renovierung:D.


Liebe Tintenfass, vielen Dank für Deinen Post und alles Gute! Die nächste Geschichte wird zahmer. Versprochen.
José

 

Hola Bjoern Klaras,

ich danke Dir für Deinen Kommentar, besonders natürlich fürs Kompliment.

Schade, dass Dir das freizügige Kleid sauer aufgestoßen ist, ich wäre im Leben nicht auf die Verbindung zur Freizügigkeitsbescheinigung gekommen (dachte, dass Ungarisch die Sprache der langen Wörter ist).

Dann wird es aber schnell wieder besser, ...
Hui, das hätte ins Augen gehen können!

Für mich ist dein Text eine Tragödie in nuce ...
Das ist der Vorteil der Kurzgeschichte. Ursprünglich war der Text viel länger, und durch das Kürzen kam ich langsam auf den Geschmack eines dichten Textes.

... so etwas muss einem erst einmal einfallen! Obwohl, die Welt da draußen liefert genügend Beispiele.
Du sagst es! Ich kann sie manchmal gar nicht glauben – all die schizo Neuigkeiten, die täglich ins Wohnzimmer flattern. Man wundert sich, dass der Laden noch nicht in die Luft geflogen ist. Es ist aber nicht zu übersehen, dass intensiv daran gearbeitet wird.
Aber vielleicht haben wir Glück und es bleibt wenigstens bis Weihnachten friedlich.

Viele gute Wünsche!
José

 

Hallo josefelipe!

Den Macho-Jungmann, für den freizügig gekleidete Frauen Sexualobjekte sind, so dass er übergriffig wurde (werden wollte), machst du zum bemitleidenswerten Opfer, ja fast zum Märtyrer. Diese Täter-Opfer-Umkehrung, die zu victim blaming wird, gefällt mir nicht. Ältere von uns kennen es noch aus der Zeit vor 68: Das Mädchen war aufreizend gekleidet, so dass der Angeklagte gar nicht anders konnte... So verteidigten sich damals gerne Vergewaltiger vor Gericht. 68er und Frauenbewegung haben dem ein Ende bereitet. Aber nicht in deiner Geschichte. Welch Rückfall!

Aber vielleicht hat dein Edler Wilder ja auch gar nicht das Mädchen angegriffen, sondern nur ihren Freund Carlos? Geschenkt! Der Angriff auf den männlichen Beschützer ist der erste Akt eines (vielleicht verhinderten) sexuellen Übergriffs.

Vielleicht bin ich auch deshalb so ungehalten, weil ich die Silvester-Übergriffe in meiner Heimatstadt Köln noch nicht vergessen habe - solches prägt halt auch die Rezeption durch Leser. Und schlimm finde ich auch, wie dein Held sich verteidigt:

Wie kommen alte Männer dazu, über ihn zu richten? Die schon lange vergessen haben, wie sehr es in einem jungen Mann rumoren kann, wenn ihm die Liebste fehlt, wenn es Sommer ist, wenn der Alkohol zu Kopfe steigt. Und wenn die Hose eng wird, er an nichts anderes mehr denken kann. Der nicht aus seiner Haut kann, den offenherzigen Mädchen nur zuschauen darf, wie sie wippen und kokettieren, um ihre Reize zu zeigen.
...
Sie hatten ihn eingebuchtet – die Alten, die Vergesslichen in den Roben.

Die alten weißen Männer (zu denen ich inzwischen auch gehöre) können sich ja gar nicht in solch einen virilen Winnetou hineinversetzen, weil ihre Manneskraft erloschen ist. Deshalb können wohl nur junge männliche Richter seine Sicht verstehen: Das Mädchen war so aufreizend gekleidet!

Und dann das:

Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ... die haben alle eine ‚ordentliche Anstellung’, und ihm, dem eigentlich Harmlosen, klauen sie Jahre seines Lebens.

Die Männer "im Talar", also die Richter, die den "Harmlosen" verknackt haben, werden in einem Atemzug mit Pädokriminellen in Schulen, Internaten und Kirche genannt - welch eine Pauschalisierung! Dein Vorurteil gegen alte weiße Männer - vielleicht fließt es aus dem Selbsthass des westlichen Menschen.

 

Hola josefelipe,

Es rann und sickerte, Samseh lief aus.
Das ist wohl einer der ekligsten Sätze, die ich je direkt am Anfang einer Geschichte gelesen habe. Aber macht nichts, ich pack das schon, ich kriege das hin. Der erste Absatz trifft ordentlich dahin, wo es weh tut. Aber es gibt Schlimmeres. Wenn ich daran denke, was die Amerikaner in Guantanamo mit ihren Gefangenen anstellen oder was die Deutschen damals in ihren Gefangenenlagern so alles ausprobiert haben – leider ist der Mensch zu den abartigsten Grausamkeiten fähig, schätze ich.

Ich muss sagen, das geht unter die Haut. Aber bei mir persönlich nur durch deine Sprache. Samseh geht mir nicht nah. Das, was ihm passiert, ja. Aber nicht er selbst. Irgendwie mag ich ihn nicht. Sollte ich ihn mögen, weil ihm weh getan wird? Keine Ahnung, ich mag ihn jedenfalls nicht.

Was mich aber wirklich umgehauen hat, ist dieser Absatz hier:

Samseh sah ungläubig zu, was mit seinem Leben geschah. Martillo löschte aus, was war und bestimmte, was wird. Im unwirklichen Licht schwirrten die Stäubchen umeinander wie Mückenschwärme, jedes verkörperte eine Stunde. Mit weit geöffneten Augen betrachtete Samseh dieses wirbelnde Szenario, einen Teil seines unruhigen Lebens, verstand gleichzeitig alles und nichts.
Würde er mit der Hand wedeln, bildeten die Stäubchen vielleicht Strudel und Spiralen, schwirrten ins Verderben oder ins Glück. Und bliese er hinein, dann entstünde ein Strom, dem alle blind folgen würden. Oh, er würde die Richtung bestimmen, sie würden ihm gehorchen. Er wäre ein großer und mächtiger Samseh.
Ein groteskes Klatschen unterbrach seine tiefsinnigen Gedanken, es schien, dass sich Martillo selbst zu seinem grandiosen Werk Beifall spendete, doch der patschte nur den Kalk von den Händen.

Das fand ich richtig richtig gut. Fast schon poetisch.

Muchos saludos, amigo.
RinaWu

 

Hallo @josefelipe,

nun, ich dachte, Deine Geschichte spielt in Südamerika bis ich zu der Stelle kam …

Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ...

… und die Schlagzeilen der heimischen Presse vor Augen hatte. Ich bin jetzt davon ausgegangen, der Knast sei in Deutschland und ein widerwärtiger Beamter (den man Martillo nennt, wäre auch hier denkbar, finde ich) lebt seine Wut gegen Fremde aus. Daher meine Frage: "Was sind das für Haftbedingungen, was sind das für Menschen?"

Ja ich lese, höre und sehe Nachrichten, habe von Zuständen, wie Du sie beschreibst mitbekommen und ich weiß auch, dass es bei uns Übergriffe auf Häftlinge gibt und nicht immer menschenwürdig gehandelt wird. Aber von solchen Bedingungen, wie das winzige Fenster, Hospital nur bei Beziehungen, unangebrachte Gewalt, habe ich noch nichts gehört und ich glaubte dann, mir Illusionen darüber gemacht zu haben, dass es hier anders sei. Daher "betroffen und desillusioniert." Nein, keine Redensart, José, ein ehrliches Empfinden war das. Inzwischen habe ich meinen Irrtum bemerkt. Danke, für die Aufklärung.

Es war doch nichts Neues, gar Schockierendes dabei, oder? Solche Szenerien sind doch seit Jahrzehnten allseits bekannt.

Allein die ersten beiden Absätze fand ich sehr schockierend und auch das, was Samseh im Verlauf erzählt. Es spricht doch für Deine Erzählkunst, wenn der Text Gefühle in mir weckt. Möglich, dass Du nicht schockieren wolltest, aber jeder gruselt sich halt anders.

Ich finde es gut, dass Du den Grund der Verurteilung im Dunkeln gelassen hast. So kann sich der Leser seine eigenen Gedanken dazu machen, inwieweit Samseh sich schuldig gemacht hat. Gab es ein unerlaubtes Begrapsche? Oder nur die Prügelei zwischen zwei Kerlen deren "Samenpegel die rote Markierung erreichte"? MMn Letzteres.

Der Schlusssatz hat mir sehr gut gefallen. Ich seh den Mistkerl vor mir und hätte ich einen Martillo, glaub mir, ich würde ihn in seine Visage dreschen.

Alles Gute und

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hola svg,

hier kommt meine Antwort – ich musste erst einmal den Rausch abklingen lassen, den Deine lobenden Worte bei mir auslösten. Aber jetzt habe ich mich wieder gefangen. Immerhin, einen Chapeau gibt’s nicht alle Tage. Vielen Dank auch!
Für mich war es eine neue Erfahrung, weil ich eigentlich allen Texten, die mit Gewalt zu tun haben, aus dem Weg gehe, aber diesmal hat’s mich gejuckt.
Hauptsache, wir kommen voran mit der Schreiberei – Dein Fee war ja auch nicht von schlechten Eltern!

Beste Grüße!
José

 

Hallo josefelipe,

nun möchte ich doch einen kleinen Kommentar zu den ersten Sätzen Deiner Geschichte schreiben, die, wie der Rest, eindrucksvoll sind, über die ich aber doch gestolpert bin:

Es rann und sickerte, Samseh lief aus. Tränen, Rotz und Spucke, Blut und Urin. Jemand stieß die Tür auf und eiskaltes Wasser knallte auf seinen gequälten Körper. Wie eine Ladung Steine empfand er diesen brutalen Guss auf seine Wunden.

Der erste Satz löst bei mir eine gewisse "Bildverwirrung" aus, die, glaube ich, folgenden Grund hat.

Das Wort "sickern" heißt für mich, dass eine Flüssigkeit in einen Stoffeindringt (z. B. Wasser sickert in den Boden, Blut in das Pflaster, etc.).

Zusammen mit dem Wort "rinnen" habe ich also das Bild von Flüssigkeiten vor Augen, die irgendwo hinlaufen und z. B. in den Boden sickern.

Dann kommt der "Kameraschwenk" auf "Sameh lief aus". Hier springt die Kamera aus meiner Sicht plötzlich auf Sameh. Dann kommt die Aufzählung verschiedener Flüssigkeit, was dann aber nicht mehr ganz zu dem Bild passt, das in dem ersten Satz entstanden ist. Wohin sickern denn die ganzen Körperflüssigkeiten? Der Boden kann eigentlich fast nicht mehr gemeint sein. Der Bruch wird (vielleicht) besser, wenn man den Satzteil "Samseh lief aus", nach der Aufzählung der Körperflüssigkeiten setzt.

Der nächste Stolperer ist bei "eiskaltes Wasser knallte auf seinen ... Körper". "Auf" ist eine Ortsangabe, die nach meinem Sprachgefühl den Dativ nach sich zieht und bei mir ein komisches Bild hervorruft. Das Wasser knallt auf seinem Körper? Daher fände ich "gegen" anstelle von "auf" passender, was auch gleichzeitig die Brutalität steigert.

Jetzt kommt "wie eine Ladung Steine". Dieses Bild ist bei mir mit einem schweren Gewicht verknüpft. Das passt aber nicht zu dem Wasser, das gegen den Körper knallt, denn es ist der Impuls des Wassers, der den Schmerz hervorruft und nicht das Gewicht das Wassers. Ein passenderes Bild könnte vielleicht der Vergleich mit einer Steinigung sein, z. B.:

Wie eine Steinigung empfand er diesen brutalen Guss auf seine Wunden.

Wobei ich es rumdrehen würde:

Den brutalen Guss empfand er wie eine Steinigung seiner Wunden.

Aber das ist alles natürlich Geschmackssache.

Ich wollte nur verdeutlichen, warum ich gleich in den ersten Sätzen hängenblieb.

Lieber Gruß

Geschichtenwerker

 

Hola José!

Eine beeindruckende Geschichte ist dir da gelungen - die Knastbeschreibungen erinnern mich an das Buch "Bravo Two Zero" von dem britischen Elitesoldaten Andy McNabb, der während des Golfkriegs in irakischer Gefangenschaft war. Kein Zuckerschlecken.
Allerdings hatte ich die Aussage mit dem "Gaumen" nicht verstanden, die Samseh nochmals drei Jahre Haftverlängerung eingebracht hatte. Hat er Martillo gebissen oder was?
Ansonsten aber eine sehr bedrückende, realistische Geschichte - egal, ob sie in Mittel- oder Südamerika, Afrika oder Asien spielt.

Grüße vom EISENMANN

 

Hola hell,

zuerst meinen Dank für Deinen großartigen und aufwendigen Kommentar!
Ich will möglichst alle Punkte beantworten.

... ich bin mir nicht sicher, was du mir erzählen möchtest.
Was ist der Kern: Kulturclash? Verrohung? Folter? Ungerechtigkeit? Willkür? Rassismus?
Also – Kulturclash schließe ich aus, aber die anderen Fünf sind für meine Begriffe ein Paket – untereinander austauschbar wie Pest, Cholera, Syphilis, Lepra und Kannibalismus.

Nach Verurteilung erfährt der Prot. den Horror von Gefangenschaft, den Horror einer Justizvollzugsanstalt (eines Landes?), die (das) sadistisch-rassistischen Folterknechten freie Bahn lässt.
Ich dachte zuerst speziell an Guantanamo, kam später allgemein auf Süd-/Mittelamerika (Kolumbien, Brasilien).
Hier wollte ich mich nicht festlegen, denn wenn ich Land A sage, fragt der Kommentator, ob ich Land B, C und D vergessen hätte und wie ich so etwas übersehen könnte und ob mir das überhaupt nicht wichtig sei.

Die Querverweise auf "die ganze Welt" mit ihren Päderasten, den Lehrern, Schulleitern, Trainern und Eitlen im Talar haben mich weiter verwirrt.
Da geht es mir so wie mit dem Alphabet der Länder. Natürlich hast du recht – ich bin nicht präzise genug. Nur hatte ich zwei Möglichkeiten (aus meiner Sicht): Entweder ein Schicksal unter die Lupe nehmen, oder mehr eine allgemeine Betrachtung der Zustände auf „der ganzen Welt“; das bisschen zivilisiertes Europa jetzt mal ausgeklammert.
Aber nein! Was sage ich denn? Die Justiz lässt sich hier wenig zuschulden kommen, okay. Aber die anderen krummen Hunde sind auch bei uns anzutreffen.
Was tatsächlich für die „ganze Welt“ zutrifft, ist das Problem aller Männer im zeugungsfähigen Alter, die keinen Sexpartner haben. Ich hatte auch Zeiten, da habe ich mehr mit der unteren Körperhälfte ‚gedacht’ als mit der oberen – und ich bin deswegen auch in Situationen geschlittert, die mir unter anderen Umständen erspart geblieben wären.
Nein, ich bin niemanden an die Gurgel gegangen, doch finde ich, dass dieser Druck oder Drang des Mannes nie ein nüchtern diskutiertes Thema war und ist.
Dass aus solchem Fehlverhalten Folgen erwachsen können, die das halbe Leben ruinieren, gehört leider dazu.
Und deshalb hast Du völlig recht, wenn Du sagst:

Ich weiß nicht, ich ahne, dass du sehr viel mehr ansprechen wolltest, als die Geschichte eines Mannes, der Folter im Knast erlebt, ...

Dem Thema Kulturclash, "verschlossene" vs. "offene" Gesellschaft, wirst du mit deiner Geschichte nicht gerecht, finde ich.
Stimmt. Aber ich hatte dieses Thema auch nicht im Visier.
Dazu schneidest du das Thema nur an, wobei es aber einer tieferen Auseinandersetzung bedurfte.
Ah, jetzt macht mich Dein Einwand doch nachdenklich!
Ich glaube, ich hab die Lösung: Samseh ist kein Moslem, das Schweinefett ist kein Problem mehr. Ich werde das voraussichtlich ändern, muss die Sache nur nochmals von allen Seiten betrachten.

Du schneidest so viel an. Das verpufft leider zu Allgemeinplätzen für mich. Für jeden angesprochenen Punkt, müsste eine eigene Geschichte stehen.
Ja, das ist wahr. Jetzt, mit zurückgefahrenen Emotionen, sehe ich das auch so.

Und das mit dem 'Harmlosen' scheint mir vage, ich erfahre zu wenig darüber, was dein Prot. letztendlich verbrochen hat.
„Das konnte nicht gut gehen“ hab ich geschrieben und dachte, es reicht, irgendeine Form von Gewalt anzudeuten. Bei dreieinhalb Jahren hat der Widersacher sicherlich seinen Kopf behalten.

Es bleibt ja verwerflich, einem Menschen aufs Maul zu hauen, auch wenn es Pädosexuelle in Internaten gibt, oder?
Das ist absolut verwerflich! Ist nur schade, wenn ein junger Mann Jahre seines Lebens verliert, weil er in einem unbeherrschten Moment Scheiße gebaut hat, ein Kinderschänder aber im Internat manchmal Jahrzehnte lang wüten kann und erst nach seinem Tod kommt alles heraus.
Aber nur Narren träumen von einer gerechten Welt.

Exemplarisch: Ich finde den Text insgesamt sehr possessivpronomenlastig. Kannst du ja mal überdenken.
Jetzt, nachdem Du alles fett markiert hast, sehe ich es auch. Zumindest hier konnte ich’s verbessern:
(Seine) Die Schmerzen ließen keinen Schlaf zu, er fiel in einen narkoseartigen Zustand zwischen Ohnmacht und Koma.
Narkose, Ohnmacht und Koma drücken eigentlich dasselbe aus. Würde ich was von streichen.
Einverstanden, es heißt jetzt:
... er schwebte zwischen Ohnmacht und Koma.
Das ist wesentlich besser. Danke, hell!

In seiner Taubheit konnte er nicht denken, aber der Wahnsinn der letzten Stunden gaukelte ihm noch mal Bilder vor, wie er den Fraß in die Visage des Wärters schleuderte ...
Dafür hat er doch zwei weitere Jahre bekommen, oder hab' ich das missverstanden? Das Vorgaukeln scheint mir da nicht recht zu passen.
Musst Du ständig recht haben? Aber es ist so. Ich hab’s mit ‚führte’ verbessert.

Wieso denn: Yeah, Mister?
Weil ich in solchen Ländern immerzu den Fernseher laufen sehe mit anspruchsvollsten amerikanischen Produktionen:D. Martillo schaut sie sich gerne an.
Quatsch, ich hab’s geändert. Thank you, Sir.

Belanglose Wolken, zwei oder drei weiße Streifen wie mit dem Lineal gezogen, uninteressant, in welche Richtung jetzt, gestern, morgen.
Den Satz finde ich nicht sehr gelungen. Es böte sich auch ein Semikolon an.
Danke, ich hab’s aufgegriffen. Fühle mich manchmal so uralt mit meinen Semikolons, doch wenn eines eine gute Figur machen würde, dann sehe ich’s nicht.

Sparleuchten flammten auf, ein mörderisches Licht. Pflanzen gehen in diesem Non-Licht zugrunde; Menschen nicht, sie leiden.
Non-Licht gefällt mir nicht.
Vielleicht: Selbst Pflanzen gehen darin zugrunde.
Lieber hell – durch Deinen Nick bist Du ausgewiesener Spezialist für Beleuchtungsfragen, deshalb auch hier: danke danke danke! Ich weiß gar nicht, ob ich so einen guten Kommentator verdient habe:).
Aber ganz im Ernst: Mit dem Non-Licht hatte ich auch ein Problem. Jetzt passt es.

Tolle Idee mit den Stäubchen - nur gefällt mir Stäubchen nicht. Ich gebe zu, ich hab' sogar den Duden danach befragt, ob es das Wort überhaupt gibt. Er gibt dir recht. Dennoch würde mir Staubkörnchen besser gefallen; später würde ich sie durch Körnchen ersetzen.
Hier, mein lieber Herr hell, beißt Du bei mir auf Granit. Nein und abermals nein!
Ich war auch schon bei den (Staub)-körnchen, doch Körnchen als Verkleinerung von Körnern kann ich mir nicht schwebend vorstellen. Ein Körnchen hat Substanz, ich will aber Staub wie Mehl.
Allerdings würde ich die Allgemeinplätze überdenken und das Religiöse eventuell streichen; ...
Ich werde wohl den Moslem entfernen, dann bliebe nur der Vorwurf, dass immer schon unvorstellbar viele schlimme Fälle im Hoheitsbereich der Kirche stattfanden und meist nicht geahndet wurden – und das will ich stehen lassen.

... oder eben vertiefen.
Ach nein, lieber nicht. Das ist nicht meine Aufgabe, außerdem werde ich schnell unsachlich.

Vielen Dank fürs Hochladen und den Denkanstoß!
Kam der Denkanstoß nicht eher von Dir?
Deshalb: Lieber hell (ein heller Kopf paktiert doch nicht mit der Hölle?), vielen Dank für die aufgewendete Zeit und Sorgfalt beim Beackern meines Textes!
Ich muss zugeben, dass ich die Geschichte weniger nach einem feststehenden Plan, als vielmehr aus Sehnsucht nach einer besseren Welt geschrieben habe.
Und dann raunt es um mich herum: Was für ein Einfaltspinsel, was für ein Fantast!

Schöne Grüße!
José

 

Hola wieselmaus,

razz-fazz hast Du den Kern der Geschichte freigelegt:

Da ist ein junger testosterongesteuerter Mann, dem zwei elementare Bedürfnisse verweigert werden. Sex und Freiheit. Einer, der sehr schnell explodiert, wenn er sich irgendwie beleidigt oder gekränkt fühlt, und der dann auch nicht zimperlich ist. Dies hat ihm ja das Gefängnis eingebrockt.
Ja, so ist es. Deshalb folgerichtig:
Ja, ich glaube, dieses Portrait ist dir wichtig.

Allerdings kann ich hier nicht folgen:
Dein Prot hat wohl auch das Talent, andere zu provozieren, sei es durch Bildung, sei es durch Geschmack.
Von dessen Bildung hab ich überhaupt keine Vorstellung. Ist das nur eine Vermutung von Dir? Auch mit seinem Geschmack bin ich nicht vertraut. Dass er die Wassergrütze mit Schweineschmalz als Beleidigung empfand, kann ich allerdings verstehen.

Besonders irritiert hat mich der Grund, warum Samseh (ist der wirklich ein Moslem? Alkohol ist ihm ja nicht fremd) ...
Ich glaube, den Moslem werde ich rausnehmen; es lenkt zu sehr ab von der Steigerung eines Sommernachts-Vorfalls zu einem halbverpfuschten Leben, denn nach einigen Jahren Drangsalierung wird das weitere Leben nicht sehr amüsant verlaufen.

Hat er sich wirklich die Waffe des Wächters geschnappt und sich den Weg nach draußen freischießen wollen?
Ich stellte mir eine Affekt-Handlung vor: In dem Moment, in dem Samseh dem Wärter diesen Fraß ins Gesicht kippt, wird im klar, dass er eine Riesendummheit gemacht hat und lässt es darauf ankommen.

Jedenfalls kann ich nicht erkennen, dass mit den Grausamkeiten irgendeine Art von Geständnis (wie durch Folter) erzwungen werden soll.
Nein, wie auch? Er weiß ja nichts von Wichtigkeit – und was er getan hat, hat auch nichts Geheimnisvolles.


Ist die ganze Welt verrückt geworden? Alle haben freie Fahrt, die Päderasten in den Sakristeien, die Sadisten in den Internaten, die Verklemmten in den Schulen, die Wahnsinnigen im Traineranzug, die Eitlen im Talar ...

Da muss dein Prot aber recht regelmäßig Nachrichten lesen oder schauen
Ach, so sehr würde mich das nicht wundern, denn für eine eventuelle Blödheit gibt es keine Anhaltspunkte (Auch wenn seine Tat blöd war, ist doch die Ursache Emotion und Unbeherrschtheit (einmal die Faust für Carlos, und einmal der Fraß für Martillo).

Na, immerhin:

starke Geschichte, hat so gar nix von Familienidylle.
Gell?

Und das finde ich unfair:

Eigentlich wollte ich noch etwas Profundes über Machismo von mir geben. Ich glaube aber nicht, dass dir das gefallen würde.
Du weckst meine Neugier – und dann behältst Du’s für Dich. Könntest Du das bitte noch nachliefern? Denn das muss ich unbedingt wissen – auch wenn es mir nicht gefällt.

Wieselmaus, hab Dank für Deinen Kommentar. Es stimmt, die Geschichte könnte runder sein, zu meiner Entschuldigung habe ich leider nichts vorzubringen. Aber gelernt habe ich einiges.

Alle guten Wünsche – und in vier Wochen ist Heiligabend!
José

 

Hola gerthans,

ich danke Dir für Deinen Kommentar.

Allerdings wurde ich schon anfangs stutzig:

Den Macho-Jungmann, für den freizügig gekleidete Frauen Sexualobjekte sind, so dass er übergriffig wurde (werden wollte), machst du zum bemitleidenswerten Opfer, ja fast zum Märtyrer.
Und das wusste ich auch noch nicht:
Das Mädchen war aufreizend gekleidet, so dass der Angeklagte gar nicht anders konnte... So verteidigten sich damals gerne Vergewaltiger vor Gericht. 68er und Frauenbewegung haben dem ein Ende bereitet.
Ein Ende bereitet ... einfach so. Das ist wirklich sehr schön. Ich frage mich, wie die das wohl geschafft haben.
Allerdings weiß ich nicht, wo in meiner KG ein Vergewaltiger vorkommt.
Der existiert nur in Deiner Fantasie:
... so dass er übergriffig wurde (werden wollte), ...
Wie bitte? Jetzt muss ich doch Deinen Komm noch einmal lesen!

Oha, da kommt’s aber dicke: Zum Macho-Jungmann kommen noch:

dein Edler Wilder
68er und Frauenbewegung
der virile Winnetou
Vorurteil gegen alte weiße Männer
Selbsthass des westlichen Menschen

Ich habe den Eindruck, dass Du meine Geschichte nur mit einem Auge gelesen hast. Jedenfalls habe ich keine Lust, auf diese Polemik einzugehen. Außerdem hat Dein Komm wenig bis gar nichts mit meinem Text zu tun.

Vielleicht bin ich auch deshalb so ungehalten, weil ich die Silvester-Übergriffe in meiner Heimatstadt Köln noch nicht vergessen habe ...
Glaube mir, Du bist bei mir an der falschen Adresse – und wenn Du Probleme mit der Rezeption hast:
... solches prägt halt auch die Rezeption durch Leser.
dann ist das eher Dein als mein Problem.

 

Lieber josefelipe,

du hast zwei Fragen an mich. Ich beginne mal mit "Bildung und Geschmack".

Selbstverständlich habe ich keine Zweifel an der Intelligenz deines armen leidenden Prots. Nur, er sitzt in einem miesen Gefängnis und kann Zeitung lesen, Nachrichten hören o.Ä.? Es ist hier eine Frage der Logik, die mich zweifeln lässt. Mir kommt es eher so vor, als ob der Autor aus dem Off eine Zusammenfassung aller Übelstände formuliert. Oder handelt es sich gar umden geläuterten Prot, der anscheinend mit dem Leben davon gekommen ist? Sollte - Himmel! - Prot und Autor gar dieselbe Person sein? Nein, das weise ich weit von mir, niemals! Und also nehme ich das mit dem Geschmack zurück, obwohl ... Ich könnte mir schon vorstellen, dass er jedesmal eine provozierende Bemerkung gemacht hat, wenn ihm der Fraß serviert wurde.

Soweit, so gut.

Für die zweite offene Frage, den "Machismo", stelle ich dir mal zwei Schlagzeiten aus der heutigen Badischen Zeitung vor:

Frauenprotest in Lateinamerika

Im Südwesten gibt es zu wenig Frauenhäuser

Ich fürchte, auch bei deinem Prot sind Machobilder im Hinterkopf. Kampf um die weibliche Beute, den Harem, die Verfügung darüber. Als Beleg nehme ich seine Entschuldigungs- und Ablenkungsstrategie:

kann nix dafür, weil hormongesteuert

andere sind noch viel schlimmer.

So lässt du ihn handeln und denken. Von Einsicht keine Spur. Es ist auch gut, wenn du ihn als Moslem herausnimmst. Wie käme der denn dazu, die Missstände in Europa anzuprangern? Für mich auch hier eine Frage der Logik.

Du wolltest es wissen.

Nichtsdestoweniger schätze ich deine Fähigkeit, auch Unaussprechliches ästhetisch zu artikulieren. Und bitte, bitte, schreib zwischendurch wieder liebenswerte Geschichten, wie sie zwischen Männern und Frauen passieren.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

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