Eine Liebesnacht
Una Noche de Amor (eine Liebesnacht) …
… ich lief ihm hinterher, wie ich es schon so oft getan hatte. Mein Köper funktionierte noch, doch mein Geist war taub. Die Dose Bier aus der Tankstelle, konsumiert während der Fahrt im Taxi, ein kleines Weizenbier zu stattlichen 5,5 € aus der Minibar in der noblen Suite im 28. Stock, der durchschnittliche Weißwein des Italieners und das schale Bier aus der TableDance Bar hatten ihre erwünschte Wirkung getan. Nicht im gleichen Maßen wie die Flasche Absolut Vodka aus dem Club. Eine stattliche Menge an Eiswürfeln und Lemon erleichterten die Aufnahme dieses Betäubungsmittels mit unangenehmem Nachgeschmack. Es war weder Geschmack noch Akt des Trinkens. Nur die Wirkung zählt.
Ich folgte ihm durch eine rote schäbige Tür. Einen schmutzigen Gang entlang, die Treppe hoch. Vorbei an zwei kleinen Männern die spanisch miteinander sprachen. Ich hörte die Worte im Unterbewusstsein, aber sie ergaben für mich keinen Sinn. Am Ende des Ganges zwei offene Türen, zwei Zimmer, zwei Mädchen. Rechts bewegt sich eine dunkle Person in Raum. Die im linken Zimmer ist weiß.
Er spricht mir ihr während ich noch versuche die Situation zu erfassen. „Für 25 € kannst Du sie haben“. Ich schaue in das Zimmer, nehme sie erst jetzt richtig wahr. Schwarze Haare, schwarzer Slip und Büstenhalter, weiße Haut. „Was machst Du so lange?“ frage ich um Zeit zu gewinnen. „Ich warte auf Dich, auf jetzt“. „Er ist immer so schüchtern“ sagt er zu ihr. „Schüchtern?“. Sie hat den Geruch des Geldes aufgenommen und kommt auf mich zu. Ich glaube sie nimmt meinen Arm, er schiebt ein bisschen von hinten, die Tür geht hinter mir zu.
Ich bin im Zimmer und sehe mich um, Details verschwimmen. Ein kleiner Fernseher läuft im Hintergrund, vielleicht türkische Folklore. Ein Schrank, ein kleiner Tisch im Hintergrund. Kitsch, Stoff, Plüsch. Auf dem Bett steht eine kleine Tasche mit Arbeitsutensilien, Kondome, Gleitcreme.
Sie weist mich auf die Notwendigkeit der Vorauskasse hin. In meinem Geldbeutel finde ich zwei Scheine, einen Zehner und einen neuen Fünfziger. Diesen reiche ich ihr während sie zum Schrank gerichtet mir den Rücken zudreht. Ich Gesicht beschreibt einen Anflug von Emotion: „eine halbe Stunde? Wir lassen uns Zeit“. „Ja“ sagte ich, im Unklaren über den Inhalt des Vertrags den wir gerade geschlossen hatten. Sie löst den BH, zieht den Slip aus und setzt sich auf das Bett.
Ich bin unsicher über das was von mir erwartet wird, auch wenn daran kein Zweifel besteht.
Ich lege meinen Mantel über den Hocker an der Seite des Bettes. Sie sitzt nackt und züchtig auf dem Bett. Beobachtet mich mit verhaltener Langeweile während ich ihren Blick meide. Das Hemd aufzuknöpfend frage ich unschuldig „wie heißt Du?“. Sie sagte es mir. Ich wiederhole ihren Namen laut und vergesse ihn augenblicklich. Er beginnt mit „M“. „Und Du?“. Ich sage es ihr. Sie wiederholt meinen Namen nicht.
„Woher kommst Du?“ frage ich in der Manier leichter Abendkommunikation langsam mit der Entkleidung fortfahrend. „Tschechien“, antwortet sie kurz. „Und Du?“. Ich nenne den Namen einer nahen mittelgroßen Stadt. Ihre Reaktion könnte Überraschung enthalten. Ich wage nicht nachzufragen. Wahrscheinlich hat M. noch nie davon gehört.
Schuhe, Hose, Unterhemd und Uhr wandern auf den Hocker. Es bleibt mir nicht mehr viel auszuziehen. Ich setze mich auf das Bett. Langsam ziehe ich meine Short runter und streife sie ab. Ich schäme mich, spiele aber meine Rolle weiter. Habe nicht ich eine Dienstleistung bestellt und bereits bezahlt?
Mein leicht erregter Penis ist ihr Schlüsselreiz. Sie dirigiert mich in die Mitte des Bettes. Neben mich setzt sie sich nieder, auf die Fersen die Beine fest zusammen, ihre langen Haare fallen über ihre Brüste und verdecken sie leicht. Ein Hauch von Unschuld. Sie schnappt ihn sich mit der Rechten, die Linke fingert ein Kondom aus der Materialtasche. Mit den Zähnen fixiert öffnet sie es mit der linken Hand, die Rechte weiter fest am Hauptdarsteller dieses Dramas. „Große Schwanz eh?“ äußert sie mit laszivem Unterton. Dies alles geschieht in einem Moment, mit geübter Hand ist er eingetütet, arbeitsbereit. Sie fischt ein großes Papiertuch aus dem Nicht und entfernt die Gleitfaktoren. Sie beugt sich nieder und beginnt mit mechanisierter oraler Stimulation während sie weiterhin monoton meine vermeintlichen Vorzüge preist. „So große Schwanz!“. Wenn sie es nur häufig genug wiederholt würde es sich schon in meinem Unterbewusstsein festsetzen und ein warmes Zufriedenheitsgefühl verbreiten.
Ich ignoriere ihre Worte und kämpfe mit meiner Unsicherheit. Was darf ich tun? Wofür habe ich bezahlt? Kann ich sie berühren? Ihr Haar! Ich berühre es leicht und spielerisch. Es ist fest, hart. Das dunkle Schwarz will nicht zu einer Tschechin passen. Nicht in meiner Phantasie. „Ist die Farbe echt?“, frage ich ohne Rücksicht auf die sensiblen Empfindungen einer Frau. Sie verneint es scheinbar unberührt. Ich bewege meine Hand über ihren rechten Oberschenkel, verharre, berühre ihre Haut leicht, ganz leicht mit Zeige- und Mittelfinger. Meine Fingerspitzen streifen über ihre Haut, nur wenige Zentimeter an Bewegung. Meine Empfindungen in diesem Moment sind mitreißend; Überraschung, Erstaunen, eine Form der Freude? Ihre Haut ist weich und doch fest zugleich. So straff und sanft. Meine Handfläche erkundete ihre Schenkel mit sinkender Zurückhaltung. Das Gefühlte passte nicht in die Situation, nicht in mein Verständnis. Frauen sind weich, nicht fest. Zumindest nicht beides zusammen. Meine Hand wanderte mit wachsender exploratorischer Begeisterung über ihre Schenkel, den Ansatz ihrer Hüfte, ihren rechter Busen.
Abrupt wechselt sie die Stellung, kniet sich an das Kopfende. Die Beine wiederum eng zusammen, gestützt auf beide Arme die Hüfte nur leicht gehoben. Sie greift nach hinten und führt mich heran. Ich beginne langsam, eine halbe Stunde, ich berühre leicht Stellen ihres Körpers mit Fingerspitzen und Handrücken. Ihre Hüfte, so weich, die Haut ihrer Schenkel, so fest. Die Berührung mit ihren Unterschenkeln bietet den leichten Widerstand einer nicht ganz frischen Rasur. Ich fahre mit zwei Fingerspitzen über die grünen Zeichen die ihren Steiß fast über die gesamte Breite ihres Rückens zeichnen. „Was heißt das?“, erfrage ich die Bedeutung der grünen Symbole. „Familie“, antwortet sie kurz. Ich bin kein bisschen überrascht.
Ich bewege mich weiter verhalten hinter ihr. Mit einer Hand folge ich ihrer Wirbelsäule, umfasst ihren Halsansatz, tastet entdeckend nach ihrer rechten Brust. Ich bin Rechtshänder. Meine Blicke schweifen. An der Wand des Bettes sind kleine Spiegelkacheln in Abständen angebracht. Ich erblicke mich selbst in Momentum wie ich mich mit einer Unbekannten paare. Die weitgehende Blindheit der Kacheln, die Wirkung der alkoholischen Kalkgetränke, aber vor allem meine leichte Kurzsichtigkeit legen einen dankbaren Schleier der Unklarheit über das Bild.
Vom Gang kommt weiterhin gedämpft laute Musik. Stimmen und suggerierte Bewegung durch verhaltene Schläge der Tür im Rahmen. Die Tür in meinem Rücken irritiert mich. Ist sie verschlossen? Ich sehe in Gedanken Männer auf dem Gang vorbeistreifen, nur zwei Meter, auf der Suche. Nachdem was ich hier fand?
Sie verliert die Lust an meiner fehlenden Zielstrebigkeit, entwindet sich mir, dreht sich um und legt sich unter mich. Ich bemerke ihren leichten Bauchansatz der nicht recht zu ihren übrigen Proportionen passen will. „Ist sie schwanger?“ versuchen meine trägen Gedanken zu formen, aber sie verlieren sich bevor sie eine konkrete Form annehmen. Die Tür tritt zurück in den Nebel des Unterbewusstseins. Ich erhasche einen kurzen Blick auf ihre rasierte Scham. Sie bringt mich wieder dort hin, wo sie mich haben will. Dezente Bewegung. Ich beuge mich vor und betrachte ihre Brust. Auf der Helle ihrer schönen Haut hebt sich die dunkelbraune Brustwarze ab. Sie ist mittelgroß und aufgerichtet. Das Zimmer ist angenehm warm. Ihren Busen umfasst erkenne ich in ihren Hof drei schwarze Haare. Ich spüre das Verlangen ihn zu küssen, ihre Brustwarze mit meiner Zunge zu skizzieren.
„Kann ich Dich da küssen?“, höre ich mich fragen. Sie verneint es entschieden. „Ich bin so, Du weißt?“ Sie gibt einen kurzen Auszug ihres schauspielerischen Könnens, schüttelt sich, deutet ein Lachen an. „Kitzlig“ errate ich was sie mir sagen will, leicht beschämt von der Zurückweisung, von meinem Grenzübertritt.
Das passive Element ist meines. Sie bestimmt Takt und Aktion. Ihre Geduld reicht nicht für 30 Minuten. Sie begibt sich abrupt zurück in Stellung Nummer eins, neben mir hockend, die Beine geschlossen, das schwarze Haare ihre weißen Brüste leicht verdeckend, Begehren steigernd. Ich drehe mich ebenfalls um. Sie umfasst mit einer Hand meine Penis und beginnt mit entschlossenen Bewegungen. Ich betrachte abwesend ihren weichen Bauchansatz. Sie preist erneut meine Männlichkeit. „Ihr habt doch alle Psychologie studiert“, sage ich laut zu mir selbst. „Was?“. Zurück zu ihren Beinen, ihrer Haut. „Trainierst Du viel?“. Sie reagiert mit Unverständnis. Ich wähle andere Formulierungen. Sie versteht es nicht. Eine Kommunikation über den Akt hinaus ist nicht möglich.
Sie masturbiert mich mit wilder Entschlossenheit. Ich spüre ein Drängen in meiner Körpermitte. Es wird Zeit. Ich erhebe mich, weise ihr die Position zu. Sie fügt sich wortlos, kniet vor mir nieder, die Hüfte leicht gehoben, Beine fest zusammen. Ich trete an sie heran, offeriere meinen Penis den sie erfasst und in die Wärme führt. Ich bewege mich mit gesteigerter Intensität, konzentriere mich auf die Gefühle die mir meine Bewegung bereiten. Ich stütze mich auch ihr straffes Hinterteil, meine Hand auf „Familie“. Mit der Anderen fahre ich entlang ihrer Wirbelsäule, über ihre Schulter, unter das harte Haar. Ich umfasse leicht ihren Halsansatz, erhöhe meinen Druck, vermittle einen Anflug von Dominanz. Mit meinem harten Griff an ihrem zarten Hals baue ich eine Verbindung auf. Ihr schwarzes Haar kontrastiert mit ihrer hellen Nackenpartie und verdeckt ihr Gesicht. Sie sieht sich nicht um und fällt dennoch zunehmend in Gleichklang mit meinen schneller werdenden Bewegungen. Um die Empfindungen meiner harten Männlichkeit verblasst jede Wahrnehmung. Ich habe leidenschaftlichen Sex mit einem Mädchen aus meiner Phantasie. Alles Gefühl steigert sich zu einem kurzen Moment des über die Klippe Schreitens. Ich schreite hinaus und falle in eine warme Leere die nach einem Moment einer enormen Erleichterung weicht. Sie spürt meinen Orgasmus sofort und verlangsamt ihre Bewegung passend zu meiner. Sie lässt mich kommen und stößt mich nicht zurück. Ich genieße das kurze Glück und ziehe mich langsam und widerwillig zurück. Ich schließe die Augen und versuche einen Moment den Augenblick zu bewahren. Aber unsere Verbindung wurde unterbrochen. Ich bin wieder im Zimmer, auf dem Bett, neben mir eine Tasche mit Arbeitsmaterial.
M. steht am Waschbecken und reinigt sich. Erschöpft und etwas benommen von der wieder gewonnen traurigen Realität sitze ich auf der Bettkante, ein schlaffes Kondom zwischen meinen Beinen. Der Moment danach. Ich habe ihn immer gehasst. Sie scheint mich beobachtet zu haben und fragt mit leichter Empörung in ihrer Stimme was los sei. „Nichts, es ist gut“, sage ich mit einem spontan erzwungenen Lächeln und gebe ihr zum Nachdruck ein völlig deplaziertes „Daumen-Hoch-Zeichen“.
Meine Antwort scheint ihr zu genügen, sie legt ihre Arbeitskleidung an, während ich mich wasche. Ich bin noch nicht mal angezogen, da sind alle Spuren beseitigt, ihr Körper gesäubert und die Ware wieder dürftig verpackt. Ich gehe ungern zur Tür, „also mach’s gut“ rufe ich ihr zu und bekämpfe erfolgreich das Verlangen ihr einen Kuss auf jede Wange zu drücken.
An der Tür drehe ich mich nochmals zu ihr um. Sie hat mir bereits den Rücken zugewendet und starrt abwesend mit der Fernbedienung in der Hand auf den kleinen Fernseher aus dem jetzt wieder laute fremde Folklore den Raum ausfüllt.