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Ein Schnitt

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21.04.2014
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Ein Schnitt

I​

Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt.
Sie bemerkte die Blutlache vor sich. Die abgeschnittenen Zwiebelstückchen, deren Saft in Schlieren das Rot verwässerte.
»Um Gottes willen!«
Marah zuckte zusammen, erkannte, wie Sven auf sie zustürmte, und blinzelte die Tränen weg.
»Was ist passiert?«, fragte er. »Kevin! Hol mal das Desinfektionsmittel aus dem Bad. Mama hat sich geschnitten!«
»Ich weiß nicht«, sagte sie und ließ das Messer fallen.
Sven packte ihre Hand wie ein Schraubstock und inspizierte die Wunde. »Bring Kompressen mit«, rief er, »und Pflaster. Das braune, unten in der Schublade.« Er drückte leicht auf die Wundränder, und meinte, das müsste vielleicht genäht werden. Sven, der praktizierende Arzt, obwohl er bereits vor Jahren zur Forschung übergelaufen war.
»Nein, ach was.«
Kevin und sein Bruder rannten in die Küche. Er legte die Briefchen mit den Kompressen und das Desinfektionsfläschchen auf den Tisch.
Niklas umklammerte seinen Lieblingsaffen. »Mama ...« Er streckte ihr den Affen entgegen und schob die Unterlippe nach vorne.
»Alles gut«, sagte sie und zeigte ihm die blutverschmierte Hand. »Behalt ihn lieber, ich bin total versaut.«

Die Kinder machten sich bettfertig, Kevin motzte ausnahmsweise mal nicht, lieber verschlang er die neuen Mangas, die ihm sein Vater geschenkt hatte.
Das Handy gab einen Ton von sich und ein Punkt blinkte auf: Lust auf Kaffeetrinken?
Wie wärs mit ner Bar?, gab sie zur Antwort.
Marah lag auf dem Sofa und hörte ihren Mann im ersten Stock, wie er im Kinderzimmer aus 'der kleinen Hexe' vorlas. Für sie klang es so, als hielte er einen seiner Vorträge, doch Niklas kicherte. Sie mochte es, wenn er kicherte, und sie war froh darüber, dass Sven den Job übernahm.
Kerzenlicht ließ das Weinglas in ihrer Hand bernsteinfarben leuchten. Der verletzte Finger pulsierte und Menschen in Weiß kamen ihr in den Sinn. Sie musste an Niklas' Geburt denken, an all das Blut, die Aufregung, die Schwärze, und kurz nach dem Erwachen, ein Baby an ihrer Brust. Einfach so.
Wie wärs mit Freitag, im Charly, 20:00?
Marah lächelte und schickte den erhobenen Daumen zurück.

Gut gehalten, dachte Marah, als sie sich im Spiegel betrachtete und ihre Brüste zusammenpresste. Sie standen noch, trotz zweier Kinder – die Haut um Hüften und Po straff wie eh und je. Sie drehte sich von links nach rechts, strich dabei über ihren Körper, als cremte sie sich ein. Sven starrte auf den Kindle. Das Display spiegelte sich in den Brillengläsern. Dünn gewordene Haare fielen in seine Stirn.
»Morgen treffe ich mich mit Claudia, so gegen acht.« Marah huschte unter die Daunendecke, nur den Seidenschlüpfer am Leib.
»Denk dran, dass wir Samstag zu meinen Eltern fahren.«
»Ich hab’s nicht vergessen.«
»Ich mein ja nur.« Sven sah sie über die Brille hinweg an. »Wie geht’s ihr denn?«
»Ach, ganz gut, glaube ich.«
»Und deinem Finger?«
»Der pocht, keine große Sache.« Sie knipste die Nachttischlampe aus. Das Tablet tauchte den Raum in kaltes Licht. Marah drehte sich zur Seite, die Knie wie ein Embryo hochgezogen. Sie sollte mal wieder was tun, dachte sie. Fotografieren, vielleicht die Staffelei aufbauen, ein Keilrahmen musste noch im Keller stehen.
Sven schaltete das Gerät ab und schmiegte sich an ihren Rücken. Sie spürte die Wärme auf der Haut – tiefer drang sie nicht. Er streichelte ihre Schultern, dann presste er sein Becken an ihren Hintern. Sie verstand und zog den Schlüpfer aus.

Nachdem alle aus dem Haus waren, räumte sie den Frühstückstisch ab, holte die Zigarettenpackung aus dem Versteck im Vorratsschrank, trat auf die Terrasse und steckte sich eine an. Kraftlos bahnte sich Tageslicht einen Weg durch den Morgennebel. Der Teich glänzte lackschwarz an der Oberfläche, ringsum eine dünne Eisschicht wie eine silbrige Kruste. Eigenartig still war es. Marah zitterte vor Kälte, daran änderten auch der Strickpullover und die Glut der Zigarette nichts. Sie schnippte sie über die immergrüne Hecke und flüchtete zurück ins Warme.

***​

Claudia saß ganz hinten in der Bar, auf der mokkafarbenen Bank mit den hohen Lehnen, eine Karaffe Wein und ein halb gefülltes Glas standen auf dem Tisch. Am Tresen tummelten sich vor allem Männer, gut gekleidet – rahmengenähte Schuhe, das sah sie auf einen Blick. Claudia hob die Hand, ein nutzloser Wink, denn sie flanierte geradewegs auf sie zu.
»Hey.« Claudia schloss sie in die Arme. »Wie geht’s dir?« Ihre Wangen berührten sich. »Lass dich ansehen. Siehst gut aus!«
»Du auch«, erwiderte Marah. »Schöne Bluse.«
Claudia lächelte. »Ja, nicht? Mir gefällt sie.« Sie nahm wieder Platz und klopfte neben sich. »Setz dich zu mir, ja?«

Der Kellner servierte Piccolos. Ein Gruß von den Herren an der Bar, sagte er. Die zwei Herren erhoben die Gläser in ihre Richtung. Die Frauen lächelten, prosteten zurück, schüttelten jedoch den Kopf, als man ihnen mit Gesten zu verstehen gab, es sei noch Platz am Tresen.
»Obwohl, der mit dem Bart könnte mir schon gefallen. Der sieht so männlich aus, findest du nicht?«, sagte Claudia.
Marah bleckte die Zähne und gab einen Knurrlaut von sich. Sie lachten, die Männer trugen es wie Gentlemen.

***​

Die Migräne täuschte sie vor. Marah hatte einfach keine Lust auf Schwiegereltern, die Kinder aber schon, weshalb Sven mit ihnen hinfuhr.
Sie ging spazieren, den Schlossberg, Richtung St. Ottilien hoch. Der Blick von oben lohnte nicht, nur der Münsterturm durchstach den milchigen Schleier ringsum.
Als kein Mensch mehr ihren Weg kreuzte, atmete sie tief ein. Es roch nach nassem Laub, die kahlen Baumkronen versteckten sich im Nebel. Sie blieb stehen, hielt den Atem an, lauschte, vernahm aber nichts. Keinen Ruf der Vögel, kein Hundegebell, kein Knacken oder Rauschen. Es war ihr, als stünde sie in einer leeren Welt, und gehöre genau dorthin.

***

Marah setzte sich an die Bar und bestellte Cuba Libre, wie sie es früher gemacht hatte. Vor Sven, vor Kevin und Niklas. In Berlin war das, ein Ort, den sie mit Einsamkeit verband, obwohl sie nie alleine war, obwohl sie viele Männer umarmt hatte, obwohl sie von vielen Männern umarmt wurde. Eine wilde, exotische, schmerzvolle Zeit, in dieser lebendigen Stadt, die sie ein- und wieder ausgeatmet hatte.
»Sie sind heute ohne Begleitung hier?« Der So-männliche-Typ von gestern setzte sich zu ihr an den Tresen und strich sich über den Bart.
»Ja, ich bin ganz gerne mal alleine.«
»Verstehe«, sagte er und erhob sich mit einem Lächeln.
»Nein, nein, so war das nicht gemeint.« Marah zeigte mit offener Hand auf den Hocker neben sich. »Nehmen Sie ruhig Platz. Ach, und danke noch für den Sekt.«
»Keine Ursache.«
»Sie sind auch ohne Begleitung?«
»Ich habe gehofft, Sie hier zu treffen. Ich heiße Finn.« Er reichte ihr die Hand.
»Mich?« Sie lächelte. »Wenn Sie sich da nicht zu viel versprochen haben.« Sie nahm die Hand entgegen, der Griff war fest, die Haut trocken und warm.
»Freut mich ... ähm ...«
»Marah.«
»Marah«, sagte er, befreite seine krausen Haare, die er am Hinterkopf zusammengebunden hatte, schüttelte leicht den Kopf, strich sie wieder nach hinten und fixierte sie erneut mit dem Gummi.

Finn Krüger war Architekt und hier zu Besuch. Er lebte in Berlin, Marah musste lachen, als sie erfuhr, dass er nur drei Straßen entfernt von ihrer Wohnung in Charlottenburg gewohnt hatte.
Es gab einiges zu lachen, er war amüsant, er war charmant und er gefiel ihr ausgesprochen gut. Zwei Drinks später lud er sie mit auf sein Hotel ein, sie lehnte ab, er kramte eine Visitenkarte aus der Börse und streckte sie ihr – zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt – entgegen. »Ich fahre übernächste Woche zurück.«
»Und ich bin verheiratet«, sagte sie.
Seine Finger zeigten unverändert in ihre Richtung. Marah nahm die Karte an sich und steckte sie sich ungelesen in die Gesäßtasche ihrer Jeans. Er grinste und sie merkte, dass ihr Hitze ins Gesicht stieg.

***​

Sie bestand auf ein Kondom, hatte sie immer, früher schon. Seine Zunge nahm sie pur. In ihren Mund, in ihren Nabel und weiter unten. Als er über ihr lag, sie die Hände in seinen Hintern grub, als sie spürte, wie die Muskeln auf und ab hüpften, kitzelte sie sein Bart an der Nase und sie roch ihre Weiblichkeit an ihm. Das Geräusch, wie Haut auf Haut klatschte, ließ sie die Zähne blecken, die Nägel in den Mann hineinbohren. »Mach schon!«, zischte sie, Speichelfetzen verfingen sich in seinem Haar, er stöhnte, die Körper heiß und nass und schmierig. Sie keuchten beide, bis er sich mit einem Mal aufbäumte und zuckend das ganze Gewicht auf sie presste.
Er wollte von ihr runterrollen, doch Marah hielt ihn in Position, tastete nach dem Schwanz, der in ihr steckte, und dem Gummiring, der noch an Ort und Stelle saß, bevor sie sich von Neuem spannte, um sich selbst zu erlösen.

Marah spielte mit glänzendem Brusthaar, den Kopf auf seine Schulter gelegt und dachte an ihre Zeit in Berlin zurück, an die Leere, die sich einstellen würde. Sie könnte sich nicht mehr mit ihm treffen, meinte sie. Aber das war gelogen. Er sagte kein Wort.

***​

Marah hatte Kevin ins Gebet genommen, auf seinen Bruder aufzupassen – sie sei ja bald wieder zuhause.
Sie fummelte ein Alkoholtuch aus dem Spender und legte ihn ins Handschuhfach zurück, rieb sich das Gesicht, bis ihre Augen brannten, anschließend waren die Hände dran, die Arme, der Hals. Am Garagentor musste sie würgen und spuckte schaumig aus. Ihr Herz raste und sie spürte einen Luftzug, als sie die Haustür aufsperrte. Die Tür zum Wohnzimmer knallte zu. Sie zuckte zusammen, dachte an Sven, verwarf den Gedanken jedoch. Er hielt einen Vortrag in Frankfurt und käme nicht vor morgen Abend heim. Sie trat ins Wohnzimmer, rief laut nach Kevin, nach Niklas, und sah, dass die Terrassentür offenstand. Sie streckte den Kopf nach draußen, durchforstete mit Blicken die Dunkelheit und schloss dann die Schiebetür von innen. »Niklas! Kevin!«
Ein lang gezogenes »Ja-ha« aus dem Kinderzimmer im oberen Stockwerk. Marah stieg die Treppe hoch und öffnete Kevins Zimmer. Kevin saß natürlich vor der Konsole – damit hatte sie schon gerechnet. »Hallo«, sagte sie.
»Hi. Ich mach gleich aus, ja?«
»Wo ist Niklas?«
»Keine Ahnung, der wollte was aus der Küche holen.«
»Unten ist er nicht«, sagte sie und rief erneut nach ihrem Jüngsten.
Doch Niklas antwortete nicht.

***​

Es stimmte wohl, dass man nur hassen konnte, was man einmal lieb gewonnen hatte. Wie den Teich, an dem Marah oft gesessen hatte, wo sie im Sommer in eine magische kleine Welt abtauchte, wenn sie träumend die Wasserschneider beobachtete, die wundersam über die Oberfläche flitzten, den Molch, der im Wasser unter Steine huschte, die Seerosen, die flirrende Libellen lockten.
Wasserschneider sah man keine mehr, der Molch war verschwunden, die Rosen faulig. Nur noch Schwärze und Eis und der Lieblingsaffe, der vor sich hin starrte.

***​

Sven goss nach und lehnte sich im Sessel zurück. Er stöhnte, fuhr sich durchs Haar, das fettig vom Kopf abstand, als wollte es Distanz zu ihm aufbauen.
»Hältst du das für eine gute Idee?« Sie saß am Esstisch und überbrückte mit Blicken den Durchgang zum Wohnzimmer, wo Sven wie ein angeschlagener Boxer in der Ringecke kauerte. Sie zog mit den Zähnen ein weiteres Stückchen des runtergeknabberten Nagels ab und kaute darauf herum.
»Was meinst du?«, sagte er und trank.
»Dass du dich so volllaufen lässt.«
Das Glas in der Hand schwenkend, rappelte er sich auf, taumelte zum Tisch und setzte sich ihr gegenüber. »Ich brauch' das jetzt einfach.«
Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. »Ja«, sagte sie und griff nach seiner Hand, die er zurückzog.
»Wo warst du eigentlich?«
Marah starrte ihn an.
»Wo du warst«, sagte er und zuckte mit dem Kopf, dass ihm die Brille verrutschte.
Marah fuhr zusammen. »Du meinst, als ...?
»Wo! Herrgott! Wo?«
»Spazieren. Das hab' ...«
»Ich brauch jetzt ne Kippe«, sagte er und rieb sich das Gesicht. »Hast du welche?«
Sie zögerte. »Ja«, sagte sie und bemühte sich, auf die Beine zu kommen, doch diesmal fasste er nach ihrer Hand, packte diese, und hinderte Marah am Aufstehen.
»Du rauchst also wieder. Heimlich, ja?« Er rückte sich die Brille zurecht. Marah wollte sich befreien, er ließ jedoch nicht los, beugte sich über den Tisch und hauchte ihr sauren Atem entgegen. »Was verheimlichst du mir noch, M-a-r-a-h? Hm?«
Ihre Schläfen pochten, der Mund – wie trocken geföhnt. »Was soll das!« Sie versuchte vergebens, sich loszureißen. »Glaubst du, ich mache mir keine Vorwürfe? Glaubst du ...«
»Er hätte sterben können! Verstehst du das? Unser Kind ...«
»Ist er aber nicht, okay!«
Sven schnaubte. »Kevin sagt, du hast die Pumps getragen. Die hochhackigen Scheiß-Fick-mich-Schuhe! Damit warst du spazieren, ja! Meinst du, ich merk nicht, was mit dir los ist?«
»Du spinnst.«
»Wie du dich im Spiegel ansiehst. Wie du dich rausputzt.« Er schüttelte den Kopf, grinste schief. »Für Claudia?«
Mit aller Kraft zog sie den Arm zurück, er holte unerwartet mit der freien Hand aus, die Mimik zu einer Fratze entstellt.
»Papa!« Kevin stand unvermittelt auf der Treppe, sein Gesicht nass verschmiert.
Sven erschlaffte, als hätte man einen Stecker gezogen, Marah wollte aufspringen, zu Kevin hin, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Gelähmt und taubstumm geworden konnte sie nur zusehen, wie Sven den Job übernahm, wie er zu seinem Sohn hinlief – die Gute-Papa-Maske aufgesetzt – und Kevin ins Zimmer begleitete.
Die Mundwinkel nach unten verzerrt, bebte sie geräuschlos, heiße Perlen tropften ihr vom Kinn und benetzten den Küchentisch.
Sven las keine Gute-Nacht-Geschichte vor. Sie hörte nur undeutliche Gesprächsfetzen. Dann das Heulen Kevins. Es schnitt ihr durchs Fleisch bis hin zur Seele und zerfetzte alles, was ihm vor die Schneide kam.
Sie schloss die Augen – weg, nur weg, nichts mehr hören, nichts mehr sehen.

II​

Marah stromert ziellos über die grauen Gehwegplatten der Großstadt. Berlin hat sie ein weiteres Mal eingeatmet. Alte Freunde wurden neue Freunde. Sie hat sich zwischen den urbanen Bronchien eingekapselt wie eine Kaverne, unbemerkt vom Rest der Welt.
Marah denkt an die Verabredung mit Claudia heute Abend, sie denkt an dies und das, an Sven ... an die Kinder. Für sie fehlt ihr die Kraft.
Ihre Brauen ziehen sich zusammen und vertiefen die Furchen auf ihrer Stirn, als sie bemerkt, vor welchem Haus sie steht.
Die Namensschilder glänzen messingfarben. Sie fährt mit dem Finger darüber, betrachtet für einen Augenblick die beinah unsichtbare Narbe, zögert, und drückt doch energisch auf einen der Klingelknöpfe. Eine Gegensprechanlage gibt es nicht, der Summer ertönt, und Marah stemmt die schwere Holztür auf. Es riecht muffig im dunklen Hausflur, Fahrräder und Kinderwagen verstellten die Briefkästen zu ihrer Linken, die teils verbeult an der gefliesten Wand hängen, daneben der Lichtschalter. Eine einfache Lampe an der Stuckdecke flammt auf, erhellt den Raum nur spärlich. Marah hört, wie irgendwo eine Tür geöffnet wird, und steigt die Holztreppe hoch. Das Herz pocht ihr in den Schläfen, jede zweite, dritte Stufe protestiert mit einem knarrenden Geräusch. Als sie den vierten Stock erreicht, flitzen zwei Jungen im Kindergartenalter kreischend durch die offene Wohnungstür zurück ins Innere. Eine Frau mit roten Haaren und Sommersprossen taucht auf und ruft den Kindern etwas nach, das Marah nicht versteht.
»Ja?«
»Tag«, Marah schnauft, »ich ..., puh, ganz schön anstrengend«, sagt sie.
Die Frau steht nur da.
»Bin ich hier richtig? Bei ... ähm ... Krüger?«
»Ja.«
»Ich wollte zu Finn Krüger.«
»Mein Mann ist nicht da.«
»Ach so, hm ...«
»Um was geht’s denn?«
»Wegen ... äh ... Meine Firma ...«
Einer der Jungen brüllt, ein Knallen ist zu hören, dann ein Aufheulen.
»Herrgott noch mal!«, schreit die Frau über ihre Schulter hinweg. »Sie sollten ihn im Büro aufsuchen«, sagt sie, »Sie sehen ja ...«
»Mama«, klagt einer, kommt schniefend angefegt und klammert sich ans Bein seiner Mutter, einen Plüschbären in der Kinderhand, dessen glanzlose Augen Marah mustern.
»Ja, natürlich, verzeihen Sie bitte.«
»Schon gut«, sagt die Frau und schließt die Tür hinter sich.

Einen Fuß vor den anderen setzend, tastet Marah sich einen Weg nach draußen. Die Knopfaugen haben etwas gesehen, tief in ihr drin, etwas, das sie gut versteckt geglaubt hat.


***​

Die Einkaufstasche stellt sie auf den Tisch, den Weißwein in den Kühlschrank, um ihn Claudia später kalt servieren zu können. Marah tritt auf den kleinen Balkon und steckt sich eine an. Ihre Hand zittert, als sie die Zigarette zum Mund führt. Sie bläst den Rauch stoßweise aus und muss husten. Die Passanten unter ihr bemerken nichts davon. Halten den Blick stier geradeaus oder auf Handys gerichtet. Marah drückt die Kippe aus, geht ins Bad und lässt Wasser ein. Das Badeöl gesellt sich hinzu. Fett wie Rohöl plumpst es hinein, bevor es sich zu Mustern verästelt. Wie gebannt starrt sie auf die dunkelroten Schlieren, die wie feine Tentakel um sich greifen, bis sie der Wasserstrahl verwirbelt. Im Schlafzimmer nimmt sie die Bluse von der Stuhllehne neben ihrem Bett, riecht das Waschmittel daran und vergräbt das Gesicht in der kühlen Seide. Ihr Kinn beginnt zu zittern und unvermittelt brechen alle Dämme. Ohnmächtig kämpft sie dagegen an. Die feucht werdende Seide wird gläsern, Marah entlässt stummes Wehgeschrei hinein und kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Ihr Körper bebt, sie bekommt schwerlich Luft und taumelt rückwärts, bis ihr die Wand dahinter Rückhalt bietet. Sie gleitet an ihr hinunter, weiter das nasse Stück Stoff in Händen.

 

Hi hell,

ich bin mal so frei und sage dir nur was zum Anfang. Den Rest lese ich gleich noch, aber zum Kommentieren dieses recht langen Textes werde ich sicher erst mal nicht kommen. Lieber also nur kurz was zum Anfang, bevor ich gar nichts schreibe.

Dass sich Marah schneidet und es nicht merkt, scheint mir schon mal keine schlechte Idee zu sein. Ich habe gleich den Eindruck, dass da sich damit womöglich eine nicht ganz harmlose Sache andeuten könnte und will deshalb wissen, wie es sich weiterentwickelt. Die Umsetzung finde ich aber noch nicht ganz überzeugend. Vor allem die vielen Namen am Anfang erschweren mir den Durchblick. Kritisch finde ich dabei vor allem diese Stelle:

»Kevin! Hol mal das Desinfektionsmittel aus dem Bad. Mama hat sich geschnitten!«
Gerade erst Sven, jetzt kommt schon Kevin, das geht mir einen Schritt zu schnell. Ich möchte eigentlich erst mal wissen, wer Sven ist. Und dann führst du mich auf die falsche Fährte: "Mama", sagt der, deswegen halte ich ihn erst einmal für den Sohn.
Ach, und noch was:
ihre Gedanken zerstoben dabei wie ein Schwarm Makrelen, in dessen Flanken große Räuber schossen.
Warum ausgerechnet Makrelen, frage ich mich da. Vielleicht fällt das weniger auf, wenn du dann auch den Räuber beim Namen nennst?

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo hell.

Ein paar Gedanken zu deiner Geschichte:
Mir war relativ schnell klar, dass sie ihren Mann betrügen würde. Der war einfach zu blass. Ihr ganzes Alltagsleben zu blass. Ich vermute, da bist du dicht an der Wahrnehmung der Protagonistin, die vor irgendwas wegläuft, von dem sie selbst gar nicht so genau wissen will, was es ist. So eine Leere. So ein Grau.
Ich lese solche Geschichten gerne. Ich mag es auch, wenn ich von Anfang an ahne, dass das alles nicht gut ausgehen wird und das kein leeres Versprechen bleibt.

Der Einstieg gefällt mir gut, ich bin sofort verortet - Küche, Mutter, Vater, Kinder. Er präsent, auch für die Kinder und mit den Kindern, sie nicht, sie irgendwo verloren mit einer dicken Wand zwischen sich und den Jungs.
Den Vergleich mag ich nicht, aber ich mag generell keine Vergleiche, wenn sie nicht perfekt sitzen. Das fällt wohl unter "persönliche Präferenz". Das Bild mit den Gedanken, die zerstieben wie Fische, das ist eigentlich ganz hübsch. Aber den "Räuber" finde ich in deiner Szene nirgendwo wieder.

Deine Protagonistin ist mir insgesamt ziemlich unsympathisch. Mich stört das nicht grundsätzlich, aber ich dachte, ich erwähne es. Sie ist unzufrieden, dabei aber komplett passiv. Sieht an ihrem Mann das dünn gewordene Haar und schläft mit ihm, als hätte sie mit der Beziehung eigentlich gar nichts zu tun.

Es gibt ein paar Stellen, die mich stören.
Bei der Szene, als Marah auf der Terrasse eine Zigarette raucht, da erwarte ich viel Symbolik. Das Wort, das mir ins Auge sticht ist "kraftlos". Marah liest sich für mich nicht kraftlos.
Später, als sie sich mit Claudia trifft, schreibst du, dass sie die Aufmerksamkeit der Männer "genießt" und später, als Sven alleine mit den Kindern weggefahren ist, "genießt" sie die kalte Luft. Bei mir kommt nicht wirklich Genuss an. Genuss ist für mich allerdings auch ein starkes Wort. Gerade weil Marah mir fast überall so abgeschnitten vorkommt, so gleichgültig von ihrem Leben, anteilslos, müsste ich verstehen, warum sie eine Situation plötzlich ausdrücklich genießt. Baut sich das langsam auf? Oder fühlt sie sich schlagartig befreit? Das heißt: Doch, in der zweiten Situation, beim Spaziergang, nimmst du dir Zeit, das geht nicht völlig an mir vorbei.
Mir gefällt außerdem nicht, dass Claudia beim Anblick des Mannes "die Zähne bleckt' und Marah das später dann auch tut, als sie mit ihm im Bett ist. Du verwendest da zwei Mal genau die gleiche Umschreibung, und sie ist ungewöhnlich genug, dass sie mir ins Auge sticht. Du verwendest sie aber nicht für die gleiche Person, sondern für zwei verschiedene.
Und schließlich die offene Terrassentür, als sie nach hause kommt, nachdem sie für ihre Affäre die Kinder alleine gelassen hat. Ich musste sofort an "Nymphomaniac" denken. Hatte sofort das Bild von der offenen Balkontür im Kopf, die Stimmung, die Geschichte. Ich fand den Film so eindrücklich, dass er in dem Moment deine Geschichte komplett überschattet hat.
Die drei Punkte vor "Nuttenschuhe" finde ich auch überflüssig. Der ist doch in dem Moment nicht mehr taktvoll oder zurückhaltend, der Sven.

Was ich nicht verstehe: Wieso nennt Sven sie während des Streits "Sarah"? Ist das eine Anspielung darauf, dass sie ein Doppelleben führt? Aber sie hat sich Finn als "Marah" vorgestellt. Und die Erzählstimme spricht ebenfalls von "Marah". Hat sie einen an der Klatsche? Eine Identitätsstörung?

Am Ende, die letzten beiden Absätze, da schließt du den Kreis zum Anfang. Der Schnitt, offensichtlich, das Bild mit dem Fisch, aber auch die Stimmung. Ich erlebe Marahs Stimmung gleich. Vielleicht ist jetzt nur der Alltag weg, der sie vorher noch irgendwie zum Funktionieren gezwungen hat?
Ich mag die Idee, mag es, dass der Tod des Sohnes kein riesiges Drama auslöst, nicht Marahs Untergang einleitet, sondern dass genau das passiert, was auch vorher eigentlich schon deutlich im Raum stand. Doch, den Gedanken dahinter finde ich richtig gut.
Aber so richtig rund ist das Ganze noch nicht für mich. Irgendwas fehlt. Und ich kann den Finger nicht drauf legen. Ich habe deshalb auch keine rechte Ahnung, wo ich dir raten würde, zu überarbeiten und zu feilen, weil ich es eigentlich mag, dass die Geschichte dieses Gefühl in mir hinterlässt. Es trägt den Inhalt der Geschichte, die Stimmung, das Erleben deiner Protagonistin.
Vielleicht einfach noch mal viel streichen, die Sprache klarer machen, dafür sorgen, dass jedes Wort sitzt. Jede Szene darauf abklopfen, ob sie genau so da hin gehört.
Ich glaube, der Text könnte davon profitieren, auch wenn Marah selbst eher ziellos durch die Stadt treibt.


Das liest sich jetzt hoffentlich nicht rundum negativ. Mir gefällt wie gesagt die Idee und ich habe die Geschichte gerne gelesen. Ich glaube, wenn du da noch etwas Arbeit reinsteckst, dann kann die richtig gut werden.
Es gibt auch Stellen, die mir sehr gut gefallen.
»Behalt ihn lieber, ich bin total versaut.«
Die Szene, in der Sven Kevin anfangs ins Bett bringt, wie er ihm vorliest und was Marah darüber denkt.
Das nur angedeutete Geburtstrauma.
Die Sexszene.
Wie sie sich mit dem Alkoholtuch abreibt.
Das Streitgespräch zwischen den beiden, das so offenschtlich das Kind ausschließt, dass ich mir sofort vorstellen muss, wie Kevin das alles wohl erlebt, was in ihm vorgeht, wie er leidet - vermutlich wesentlich eindrücklicher, als man es mit Worten hätte beschreiben können. Das finde ich echt stark.
"Die Knopfaugen haben etwas gesehen, tief in ihr drin, etwas, dass sie gut versteckt geglaubt hat." Das auch.
Dass letztendlich weinend zusammenzubrechen es auch nicht besser macht, kein Stück.
Und die Beschreibung des Badeöls als "fett wie Rohöl".

Grüße
Gefrierpunkt

 

Hi erdbeerschorsch,


schön, dass du vorbeischaust.


Dass sich Marah schneidet und es nicht merkt, scheint mir schon mal keine schlechte Idee zu sein. Ich habe gleich den Eindruck, dass da sich damit womöglich eine nicht ganz harmlose Sache andeuten könnte und will deshalb wissen, wie es sich weiterentwickelt.
Das freut mich schon mal, dass der erste Satz bei dir funktioniert zu haben scheint.

Gerade erst Sven, jetzt kommt schon Kevin, das geht mir einen Schritt zu schnell. Ich möchte eigentlich erst mal wissen, wer Sven ist. Und dann führst du mich auf die falsche Fährte: "Mama", sagt der, deswegen halte ich ihn erst einmal für den Sohn.
Ja, es geht ein wenig hektisch zu, soll es auch, aber ich verstehe schon, dass die vielen Namen - und auch das "Mama" - Verwirrung stiften können. Ich schaue mir das auf jeden Fall noch mal an, muss aber erst mal darüber brüten.

... ihre Gedanken zerstoben dabei wie ein Schwarm Makrelen, in dessen Flanken große Räuber schossen.
Warum ausgerechnet Makrelen, frage ich mich da. Vielleicht fällt das weniger auf, wenn du dann auch den Räuber beim Namen nennst?
Ja, warum? Der Satz hat sich zig mal verändert (der bleibt vermutlich auch so, wie er jetzt dasteht, nicht). Mir waren zeitweise zu viele Sch-Laute drin, das ist wohl der Grund. Aber, na ja, über den Satz werde ich auch noch länger brüten, befürchte ich, bin da selbst noch ziemlich unschlüssig.


Vielen Dank schon mal bis dahin. Freut mich, dass du ein paar Gedanken zurückgelassen hast, obwohl du unter Zeitdruck gestanden hast. Ich weiß das echt zu schätzen!


Gruß


hell


Hey Gefrierpunkt,


Mir war relativ schnell klar, dass sie ihren Mann betrügen würde. Der war einfach zu blass. Ihr ganzes Alltagsleben zu blass. Ich vermute, da bist du dicht an der Wahrnehmung der Protagonistin, die vor irgendwas wegläuft, von dem sie selbst gar nicht so genau wissen will, was es ist. So eine Leere. So ein Grau.
Ich lese solche Geschichten gerne. Ich mag es auch, wenn ich von Anfang an ahne, dass das alles nicht gut ausgehen wird und das kein leeres Versprechen bleibt.
Also das fasse ich als Lob auf.

Der Einstieg gefällt mir gut, ich bin sofort verortet - Küche, Mutter, Vater, Kinder. Er präsent, auch für die Kinder und mit den Kindern, sie nicht, sie irgendwo verloren mit einer dicken Wand zwischen sich und den Jungs.
Prima, bei dir hat er funktioniert, erdbeerschorsch hat so seine Probleme damit - mal sehen, ob da noch was kommt.
Das mit dem Vergleich, ja, ich selbst bin auch noch nicht so glücklich mit diesem Satz, hab das oben schon geschrieben, ich werde den nochmals überdenken müssen.

Deine Protagonistin ist mir insgesamt ziemlich unsympathisch. Mich stört das nicht grundsätzlich, aber ich dachte, ich erwähne es. Sie ist unzufrieden, dabei aber komplett passiv. Sieht an ihrem Mann das dünn gewordene Haar und schläft mit ihm, als hätte sie mit der Beziehung eigentlich gar nichts zu tun.
Ja, ist gut, dass du das erwähnst, danke. Es klingt zwar immer blöd, wenn Autoren das schreiben, aber diese Passivität wollte ich schon so haben. Auch, dass sie unsympathisch wirkt, habe ich bewusst in Kauf genommen. Mir ist natürlich klar, dass das gewagt ist und nicht jedermanns Sache sein wird, aber gut. Das gilt übrigens für mehrere Elemente im Text - ich habe da ein wenig gezockt auch, und bin ehrlich gespannt, was man mir da noch so um die Ohren hauen wird :). Ist übrigens ein Text, den ich besonders schwer einschätzen kann - um so wichtiger ist das Feedback hier im Forum für mich.

Bei der Szene, als Marah auf der Terrasse eine Zigarette raucht, da erwarte ich viel Symbolik. Das Wort, das mir ins Auge sticht ist "kraftlos". Marah liest sich für mich nicht kraftlos.
Schade, Symbolik habe ich da schon verankern wollen. Das Kraftlose, hm, für mich passt das schon. Ich werde aber auch den Absatz überdenken, Gefrierpunkt, danke für den Hinweis.

Später, als sie sich mit Claudia trifft, schreibst du, dass sie die Aufmerksamkeit der Männer "genießt" und später, als Sven alleine mit den Kindern weggefahren ist, "genießt" sie die kalte Luft.
Ja, du hast recht. Der Text war ursprünglich deutlich länger - es gab Elemente, die das wohl besser unterfüttert hätten. Die sind aber nun mal raus, ebenso der Genuss jetzt.

Mir gefällt außerdem nicht, dass Claudia beim Anblick des Mannes "die Zähne bleckt' und Marah das später dann auch tut, als sie mit ihm im Bett ist.
Ein dummer Fehler von mir. Ich habe da unsauber überarbeitet; ist und war schon Marah, die das macht. Was die Wiederholung anbelangt, ja - blöd, dass immer zu schreiben -, aber ich denke auch darüber nach.

Und schließlich die offene Terrassentür, als sie nach hause kommt, nachdem sie für ihre Affäre die Kinder alleine gelassen hat. Ich musste sofort an "Nymphomaniac" denken.
Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich einige Filme von Lars von Trier gesehen habe, diesen noch nicht kenne, weshalb ich dir jetzt gar nicht weiter darauf antworten kann.

Die drei Punkte vor "Nuttenschuhe" finde ich auch überflüssig. Der ist doch in dem Moment nicht mehr taktvoll oder zurückhaltend, der Sven.
Stimmt, sind weg, danke.

Was ich nicht verstehe: Wieso nennt Sven sie während des Streits "Sarah"?
Weil der Autor wieder einen dummen Fehler gemacht hat :).

Am Ende, die letzten beiden Absätze, da schließt du den Kreis zum Anfang. Der Schnitt, offensichtlich, das Bild mit dem Fisch, aber auch die Stimmung. Ich erlebe Marahs Stimmung gleich. Vielleicht ist jetzt nur der Alltag weg, der sie vorher noch irgendwie zum Funktionieren gezwungen hat?Ich mag die Idee, mag es, dass der Tod des Sohnes kein riesiges Drama auslöst, nicht Marahs Untergang einleitet, sondern dass genau das passiert, was auch vorher eigentlich schon deutlich im Raum stand. Doch, den Gedanken dahinter finde ich richtig gut.
Gefällt mir, die Lesart :).

Ich habe deshalb auch keine rechte Ahnung, wo ich dir raten würde, zu überarbeiten und zu feilen, weil ich es eigentlich mag, dass die Geschichte dieses Gefühl in mir hinterlässt. Es trägt den Inhalt der Geschichte, die Stimmung, das Erleben deiner Protagonistin.
Ich glaube, ich war noch nie so unsicher, was einen eigenen Text angeht. Ich habe mir ein paar Vorgaben gesetzt, ein paar Aufgaben, die nicht so leicht für mich waren. Dir fehlt was, ja, hm ... wie gesagt, mich wird die Geschichte wohl noch länger beschäftigen.

Das liest sich jetzt hoffentlich nicht rundum negativ. Mir gefällt wie gesagt die Idee und ich habe die Geschichte gerne gelesen.
Nein, i wo!, liest es sich nicht.
Und deine Kritik begrüsse ich sehr! Das ist schon konstruktiv alles und hilft mir echt weiter.

Es gibt auch Stellen, die mir sehr gut gefallen.
Die pappe ich jetzt zwar nicht mehr hier an, aber gefreut habe ich mich trotzdem darüber. Und zwar sehr.


Gefrierpunkt, herzlichen Dank für deinen hilfreichen Komm, für deine Gedanken, deine Zeit und so.
Hat mich echt gefreut!


Gruß


hell

 

Hallo hell.


Also das fasse ich als Lob auf.
Es ist ein halbes. ;)
Es gefällt mir, dass die Geschichte hält, was sie verspricht, gleichzeitig reicht mir das aber auch oft nicht ganz. Mir fehlt da wie gesagt noch irgendwas, das sie besonders macht. (Nicht unbedingt inhaltlich.) Das raussticht. Das mir im Gedächtnis bleiben wird. Das ist natürlich schwierig, wenn du einen Text über einen Protagonisten schreibst, der an der Tristheit seines Lebens kaputtgeht, weil ich auch ein Fan davon bin, wenn in den Inhalt einer Geschichte auch darin wiederfinde, wie sie sich mir präsentiert.
Bin gespannt, wo sich der Text vielleicht noch hinentwickelt.

Das mit dem Vergleich, ja, ich selbst bin auch noch nicht so glücklich mit diesem Satz, hab das oben schon geschrieben, ich werde den nochmals überdenken müssen.
Ich habe bei dem Vergleich den Eindruck, dass du da den Zeh in eine poetischere Sprache tauchst. Ich weiß nicht, wie du sonst schreibst und ob das Absicht war.

Ja, ist gut, dass du das erwähnst, danke. Es klingt zwar immer blöd, wenn Autoren das schreiben, aber diese Passivität wollte ich schon so haben. Auch, dass sie unsympathisch wirkt, habe ich bewusst in Kauf genommen. Mir ist natürlich klar, dass das gewagt ist und nicht jedermanns Sache sein wird, aber gut.
Klingt für mich an dieser Stelle nicht blöd. Ich habe es nicht erwähnt, weil es mich stören würde - das tut es nämlich nicht - sondern damit du abgleichen kannst, ob du den von dir beabsichtigen Eindruck hervorrufst.

Das gilt übrigens für mehrere Elemente im Text - ich habe da ein wenig gezockt auch, und bin ehrlich gespannt, was man mir da noch so um die Ohren hauen wird . Ist übrigens ein Text, den ich besonders schwer einschätzen kann - um so wichtiger ist das Feedback hier im Forum für mich.
Krieg das jetzt nicht in den falschen Hals, aber gewagt finde ich als Leser bei dem Text spontan gar nichts. Vielleicht ist es das, was mir fehlt, irgendeine Kante - inhaltlich oder sprachlich?

Das Kraftlose, hm, für mich passt das schon. Ich werde aber auch den Absatz überdenken, Gefrierpunkt, danke für den Hinweis.
Das ist wahrscheinlich einfach so ein Punkt, wo zwei Individuen eine Stimmung nuanciert anders begreifen und dementsprechend anders benennen.

Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich einige Filme von Lars von Trier gesehen habe, diesen noch nicht kenne, weshalb ich dir jetzt gar nicht weiter darauf antworten kann.
Dann will ich dich nicht spoilern, und es ist letztendlich auch nicht ausschlaggebend, ob mich ein Element deines Textes an irgendwas erinnert hat, das ich anderswo schon mal gesehen habe. Sowas lässt sich nicht wirklich vermeiden.

Was ich nicht verstehe: Wieso nennt Sven sie während des Streits "Sarah"?
Weil der Autor wieder einen dummen Fehler gemacht hat .
Und ich war in einem früheren Leben vermutlich Verschwörungstheoretiker oder sowas.
Ich glaube, ich war noch nie so unsicher, was einen eigenen Text angeht. Ich habe mir ein paar Vorgaben gesetzt, ein paar Aufgaben, die nicht so leicht für mich waren.
Ich wäre neugierig darauf, zu erfahren, welche das sind. Genauso wie auf die Elemente, die du als gewagt empfindest.
Das ist keine Frage, mir ist klar, dass es kontraproduktiv für dich wäre, das weiteren Rückmeldungen vorwegzunehmen.


Grüße
Gefrierpunkt

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber hell,

Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt.

Weißt du, was ich gedacht habe, als ich diesen ersten Satz gelesen habe? Der Autor möchte mir vermitteln, dass seine Protagonistin völlig neben sich steht, nichts mehr spürt, nichts mehr empfindet, vermutlich also volltrunken oder völlig bekifft ist.

Das Messer knallte rhythmisch auf Holz

Ich kenne dieses rhythmische ‚Tack tack tack’, mit dem gute Köche etwas zerschneiden oder zerhacken. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man nach einem solch tiefen Schnitt (wie ich später erfahre) einfach so weiter macht.

Und später sind dann die Wahrnehmungen deiner Protagonistin ja auch wieder klarer:

Marah lag auf dem Sofa und hörte ihren Mann im ersten Stock, wie er im Kinderzimmer aus »Die kleine Hexe« vorlas. Für sie klang es immer so, als hielte er einen seiner Vorträge, doch Niklas kicherte. Sie mochte es, wenn er kicherte, und Sven war sie dankbar, dass er den Job übernahm.

obwohl sie gleichzeitig immer noch recht exzessiv weitertrinkt:

Kerzenlicht ließ das Weinglas in ihrer Hand bernsteinfarben leuchten, sie leerte es in einem Zug.

Also, ich kann dem Autor diesen Anfang nicht glauben: Eine Frau schneidet sich tief ins Fleisch ihres Fingers, durch den viele Nervenfasern laufen, sie spürt nichts, lässt das Messer weiterhin rhythmisch niedersausen, setzt sich danach aufs Sofa, nimmt die Stimmen des Mannes und des Kindes wahr, macht sich sogar ihre Gedanken darüber und registriert und beantwortet am Ende völlig klar eine SMS:

Wie wärs mit Freitag, im Charly, 20:00?
Marah lächelte und schickte den erhobenen Daumen zurück.

Später gehst du auf dieses hier angedeutete starke Alkoholproblem nicht mehr ein. Jetzt steht Marahs Unausgefülltsein im Mittelpunkt
Sie sollte mal wieder was tun, dachte sie. Mal fotografieren, oder die Staffelei aufbauen, ein Keilrahmen musste noch im Keller stehen.

Es ist der Ausgangspunkt für das Drama, das sich dann abspielt.

Am Ende wiederholt sich die Szene vom Anfang beinahe wörtlich. Und hier glaube ich sie dir. In dieser Situation halte ich es für durchaus möglich, dass sie nichts mehr spürt, als sie sich schneidet.

Zum Plot:
Ich finde, du hast einfach zu viel hineingepackt: Marahs Alkoholproblem am Anfang, ihr Unausgefülltsein, Marahs Suche nach Ablenkung, das Zusammensein mit Finn, das Verschwinden von Niklas, das Abdriften Svens, sein Alkoholproblem, die Auseinandersetzungen, der Besuch bei Finns Frau, die Erkenntnis, dass Finn verheiratet und Vater ist, der Freitod am Ende. Das ist viel, für mein Empfinden zu viel. Es ist wie eine Spirale oder ein Sog, in den Marah und ihr Mann geraten. Nur frage ich mich, ob du in die Mitte der Handlung das (nicht erklärte) Verschwinden von Niklas wirklich reinmontieren musst, damit die Tragik deiner Geschichte gelingt. Reicht nicht schon ihr Unausgefülltsein, um die Familie zu zerstören?
Mir gefallen Geschichten besser, in denen sich ein Sog aus einer Grundkonstellation ergibt. Hier wäre es für mich die Leere Marahs gewesen, die sie immer tiefer in Frustration versinken lässt, aus der sie rauszukommen versucht und die am Ende ihre ganze Familie mitreißt. Das lässt sich aber für mein Empfinden besser in einem Roman (z.B. Banks, ‚Der Schwimmer’ oder Flauberts ‚Madame Bovary) entwickeln, in dem sich eins aus dem anderen ergibt und zum Schluss schicksalhaft alle in den Abwärtssog geraten. Auf dem begrenzten Raum einer szenisch verfassten Kurzgeschichte ist mir das irgendwie zu viel und zu komprimiert.

Noch ein paar Anmerkungen:

Es gibt viele sprachlich und inhaltlich schöne Stellen in deinem Text, die mir sehr gut gefallen haben.
U.a. fand ich diese Stelle sehr schön:

Als kein Mensch mehr ihren Weg kreuzte, atmete sie tief ein. Es roch nach nassem Laub, die kahl gewordenen Baumkronen versteckten sich im Nebel. Sie blieb stehen, hielt den Atem an, lauschte, vernahm aber nichts. Kein Verlangen der Vögel, kein Hundegebell, kein Knacken oder Rauschen. Es war ihr, als stünde sie in einer leeren Welt, und gehöre genau dorthin.

Finn Krüger war Architekt und sei hier zu Besuch.
Die Andeutung der indirekten Rede ('sei') würde ich weglassen, zumal das hier einen Tempuswechsel bedeutet:
Finn Krüger war Architekt und zu Besuch.

Die Einkaufstasche stellt sie auf den Tisch, den Weiswein in den Kühlschrank

Lieber hell, du schreibst wirklich gut und ich habe einige Stellen sehr gerne gelesen, aber unterm Strich hat mich dein Familiendrama doch irgendwie erschlagen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Eine nahezu biblische Geschichte, in der Α und Ω, Anfang und Ende nahe beieinanderliegen, was (näherungsweise) eine Fuge ergibt,

hi hell!,

über einen doppelten Sündenfall, dessen moralische Selbsteinschätzung schon hier beginnt, wenn es heißt

»Alles gut«, sagte sie ... »Behalt ihn lieber, ich bin total versaut.«
und dessen Dramatik mit durch sparsam verwendete Ellipsen wie diese hier
Ihre Schläfen pochten, der Mund wie trocken geföhnt.
oder auch hier
Kevin stand unvermittelt auf der Treppe, sein Gesicht nass verschmiert.
gesteigert wird, obwohl ich hier nach dem "Mund" ein Komma empfehle oder - besser, wie ich finde, weil anregender - einen Gedankenstrich.

Womit wir schon bei den Trivialitäten sind, was nix an der Qualität der Geschichte ändern kann.

Manchmal holpert die Sprache (was an sich auch als Anpassung von Form und Inhalt dienen kann, wenn auch nicht gerade im Kinderzimmer, wenn es heißt

..., wie er im Kinderzimmer aus »Die kleine Hexe« vorlas.
Warum einen Titel buchstäblich aufführen, den wahrscheinlich jeder kennt oder sich zusammenreimen kann, selbst wenn er grammatisch entstellt daherkommt als "..., wie er ... aus 'der kleinen Hexe' vorlas"?

Dass ein Nichtraucher hier

Sie schnippte sie unaufgeraucht über die immergrüne Hecke ...
die Negation "un-schön" findet, hat schon was. Aber es muss ja auch nicht "glommen", "glimmte" tät es auch wie auch "glühen" ... und Kippe wird es eh sein, ob nun nur halb oder bis an den Filter ganz aufgeraucht

Es roch nach nassem Laub, die kahl gewordenen Baumkronen versteckten sich im Nebel.
Warum ein partizipiertes Produkt, wenn Baumkronen nicht erst Blätter verlieren, sondern schon alle verloren haben und schlicht und einfach "kahle Baumkronen" sind?
Ähnlich hier
In Berlin war das, ein Ort, den sie mit Einsamkeit verband, obwohl sie nie alleine gewesen war, obwohl ...
wenn sie schlicht "nie alleine war"?

Flüchtigkeit

Der So-männliche-Typ von gestern setz[t]e sich zu ihr ...

Warum hier die Mischung aus Indikativ und Konjunktiv?
Finn Krüger war Architekt und sei hier zu Besuch.
Ich denk mir, dass beides seinen Angaben entspringt (indirekte Rede) oder sie nimmt es für bare Münze und er ist zu Besuch ...

»Dass du dich so voll[l]aufen lässt.«
(Selbst mir geht da die eh inkonsequente Rechtschreibreform auf'n Sack, denn selbst unter Mathematikern krsiert das Gerücht, es gebe drei Sorten von Mathematikern, die einen können bis drei zählen, die andern eben nicht.)

Eher unfreiwilliger Dreher:

Sei spürte, wie ihr Tränen ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hi hell,

den Tag ‚Alltag‘ sehe ich als riesiges Understatement. Das ist doch Big Drama, was du da präsentierst. Darüber könnte man einen Vierhundertseitenroman schreiben. Ich geh erst mal durch den Text:

Kraftlos bahnte sich Tageslicht einen Weg durch den Morgennebel. Der Teich glänzte lackschwarz an der Oberfläche, ringsum eine dünne Eisschicht wie eine silbrige Kruste. Eigenartig still war es.

Gefällt mir sehr, dieses Bild.

Marah bleckte die Zähne und gab ein[en] Knurrlaut von sich.

Oaah, echt jetzt? Ich glaub, ich mag die Marah nicht so ... (Ich muss sie ja auch nicht mögen, schon klar.)

Kein Verlangen der Vögel

Was’n das?

Finn Krüger war Architekt und sei hier zu Besuch.

Einmal Indikativ und dann Konjunktiv?? Im nächsten Satz dann wieder Indikativ.
Du könntest das „sei“ ersatzlos streichen, denke ich.
Übrigens ein Architekt namens Finn mit Zopf ... hach, da triffst du bei mir schon den Nerv ...

Sie bestand auf ein Kondom

einem?

Doch Niklas antwortete nicht. Würde er niemals mehr.

Irgendwie ist mir der zweite Satz zu plump. Bumm.
So wie: Der Wecker klingelte nicht. Würde er niemals mehr. Weil er kaputt ist. Aber Herrgott. Dann kauf ich mir halt nen neuen Wecker. Für einen Sohn finde ich das ein bisschen zu abgebrüht vom Tonfall her. Na ja, vielleicht willst du Marah so charakterisieren, dann lass es so.

Nur noch Schwärze und Eis und der Lieblingsaffe, der geisterhaft ins Leere starrte.

Sehr schön, wie du das wieder aufgreifst.

»Ich weiß es nicht«, sagte sie und Griff nach seiner Hand, die er zurückzog.

griff, also klein

Kaverne

Bist du Mediziner?

den Weiswein in den Kühlschrank

Einmal Eszett bitte, also Weißwein

Marah plärrt stummes Wehgeschrei hinein

Das Plärren will mir nicht gefallen. Überhaupt der ganze Satz.

Katatonie

Ja, ich glaube, du bist Mediziner, lieber hell ...

dunkelroten Schlieren, die wie feine Tentakel um sich greifen, bis sie der Wasserstrahl verwirbelt

Noch so ein schönes Bild! Ich finde, du bist kreativ und hast unverbrauchte Formulierungen in deinem Text!

Ich hab nur Probleme mit diesem überladenen Plot. Fremdgehen alleine würde zum Beispiel reichen. Der Tod eines Kindes gibt auch schon ein dankbares Thema für eine Kurzgeschichte ab, wenn die mangelnde Aufsicht gar nicht so offensichtlich selbst verschuldet ist. Nach dem Motto: Mal eine Sekunde nicht hingesehen. Schuldgefühle ohne Ende, aber da könnte ich mit der Prota mitfühlen.

Die beiden Dinge Fremdgehen und Tod des Kindes miteinander zu verknüpfen ist heftig. Na gut, im Grunde könnte sie Finn dann dafür hassen, dass er das alles mitverursacht hat. Ist natürlich Schwachsinn, der kann nix für den Tod des Kindes. Aber das wäre ja eine kranke Logik, die denkbar wäre.

Dass Finn Krüger verheiratet ist, ist im Grunde schnurz. Das ist dann noch so ein Plotklecks oben draufgesetzt, der nix mehr bringt. Hätte sie was mit dem angefangen und wäre sie mit dem glücklich geworden - wohl kaum.

Jetzt fällt mir kein gescheiter Schlusssatz ein. Ich bin müde und muss ins Bett ... :shy:

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo hell
Deine Geschichte hat mich sehr gepackt und das liegt vor allem an der guten sprachlichen Gestaltung und dem zielsicheren Aufbau. Etwas spröde im Sound, passt das aber gut zur emotionalen Leere der Protagonistin.
Einzige Kritikpunkte wären, die bereits erwähnte Überfüllung mit dramatischen Effekten. Und vor allem der verschuldete Kindstod impliziertt hier auch noch eine moralische Wertung, die ich automatisch dem Autor zuordene. Das würde ich komplett rauslassen oder zumindest abmildern, so dass beinahe etwas schlimmes passiert wäre. Die Geschichte wäre auch ohne diesen Effekt gut genug, wenn nicht sogar besser.

Gruß, Kellerkind

 

Hallo hell,

puh, ich war nun etwas länger nicht hier und dann gleich sowas. Heftiger Tobak.
Aber zuerst einmal habe ich die Geschichte gern gelesen. Ich mag Texte, die mich über unsere Gesellschaft nachdenken lassen.
Wie verschiedene Personen ihren Platz darin finden - oder eben nicht finden...
Alltag ? Ja, auch irgendwie.

Der Anfang ist für mich sehr gelungen. Das rhytmisch knallende Messer gefällt mir und ich hatte auch überhaupt keine Probleme, die Personen zusammenzubekommen. Da ich selbst zwei Kinder habe und mein Mann mich ihnen gegenüber Mama nennt, war mir eigentlich sofort klar, wer Sven ist. Vor allem, da er sofort so aktiv die ganze Situation übernimmt.
Nur das Bild mit den Gedanken-Fischen hat mich massiv gestört.
Dabei muss ich zuviel interpretieren und das hemmt mich beim Lesen.

Für sie klang es immer so, als hielte er einen seiner Vorträge, doch Niklas kicherte. Sie mochte es, wenn er kicherte, und Sven war sie dankbar, dass er den Job übernahm. ....
Sie musste an Niklas' Geburt denken, an all das Blut, die Aufregung, die Schwärze, und kurz nach dem Erwachen, ein Baby an ihrer Brust. Einfach so.

Mein Gott, die hat aber wirklich eine ziemlich distanzierte Beziehung zum Rest der Familie. Eigentlich komisch irgendwie, dass Sven, der Arzt, da nichts unternimmt. Zum Beispiel könnte er in dieser kurzen Unterhaltung etwas mehr versuchen, an sie heranzukommen:
»Denk dran, dass wir Samstag zu meinen Eltern fahren.«
»Ich hab’s nicht vergessen.«
»Ich mein ja nur.« Sven sah sie über die Brille hinweg an. »Wie geht’s ihr denn?«
»Ach, ganz gut, glaube ich.«
»Und deinem Finger?«

Der folgende Abschnitt könnte meinetwegen übrigens weniger Kommata vertragen und das zweite Mal darf auch weg:
Sie sollte mal wieder was tun, dachte sie. Mal fotografieren, oder die Staffelei aufbauen, ein Keilrahmen musste noch im Keller stehen.
Vielleicht so: Sie sollte mal wieder etwas tun, dachte sie. Fotografieren oder die Staffelei aufbauen. Ein Keilrahmen müsste noch im Keller stehen.

Sie ging spazieren, den Schlossberg, Richtung St. Ottilien hoch.
Schön subtil. Also Freiburg, oder? Gefällt mir. Das zweite Komma kann glaube ich allerdings weg.

Kein Verlangen der Vögel
?????

Die Namensschilder glänzen messsingfarben.
Ein s weniger bei Messing ;)

Bin mir insgesamt nicht sicher, ob der ganze Abschnitt nicht weg könnte. Dieser Finn war ja wohl eher 'Mittel zum Zweck' - Marah blieb auch bei ihm distanziert. Es ist somit nicht wirklich wichtig, dass er seine Frau ebenfalls betrogen hat.
Obwohl, wenn ich jetzt so überlege, das macht es für unsere Gesellschaft so ganz nebenbei ja eigentlich noch krasser. :confused:
Bleibt also nur die Frage, wie stark Marah als Prota die Geschichte beherrschen soll. Für sie ist es nämlich eigentlich egal, was mit dem Typen ist.

Marah fühlt nichts, als sie sich schneidet.
Also ich verstehe das jetzt so, dass sie sich umbringt. Passt dann auch mit der Badewanne. Nur nicht damit, dass sie Essen für Claudia zubereitet.
Für den Selbstmord-Fall wäre der letzte Satz komisch, die Schwärze davor würde ja schon genügen.
Klar, der Kreis schließt sich dann auch mit den Fischen, das ist mir aber zu gewollt.

Hhmm, das war es mal von mir. Insgesamt eine tolle Geschichte. Wie bereits von anderen angemerkt etwas drastisch mit Fremdgehen und Kindstod zusammen, aber in der Übertriebenheit durchaus legitim.
Hebt sich dadurch natürlich deutlich von anderen Texten ab und spiegelt die Leere in der Gesellschaft gleich mehrfach.
Das könnte auch mehr als eine Kurzgeschichte sein...

Übrigens gefällt mit der Titel. Schön mehrdeutig, wenn man die Geschichte gelesen hat...

Danke für´s Einstellen.
Viele Grüße, C.

 

hi hell,

mir hat's gefallen, gern gelesen gestern morgen. paar Anmerkungen habe ich noch und schreibe die einfach mit. was barnhelm zur Komprimierung sagte ist mir zwischendurch auch als möglicher Punkt aufgeploppt, aber ich fand's dann doch gut und zulässig. ist wirklich viel, was hier geschieht, aber nicht zu viel. eins bedingt das andere, im echten Leben erfahren Menschen auch immer wieder dass alles auf einmal zu kommen scheint. und wenn die Scheißlawine erst mal den Berg runterrollt kann man manchmal kaum mehr was tun als zu reagieren.
am Ende hätte ich einen Ausblick ohne Selbstmord-Assoziation besser gefunden. du hast der Figur hier so eine private Hölle eingerichtet, dass das wahre Grauen ihr Weiterleben wäre. Titel könnte auch Einschnitt lauten...

Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt

soll sie gar nichts fühlen oder nur den Schmerz nicht? finde ich beides vorstellbar.

Das Messer knallte rhythmisch auf Holz und ihre Gedanken zerstoben dabei wie ein Schwarm Fische, in dessen Flanken große Räuber schossen.

über den Satz habe ich kurz nachgedacht. ich kenne das Geräusch auch und ich weiß, was du meinst, trotzdem mag ich die Formulierung nicht, ein Messer 'rhythmisch auf Holz knallen' zu lassen. das Bild danach aber gefällt sehr gut.

sah Sven verschwommen in die Küche rasen

er rast nicht verschwommen, sondern sie sieht ihn verschwommen. ist hier nicht ganz klar. 'rasen' passt für mich auch nicht zur zweibeinigen Fortbewegung. eigentlich nur für Autos, Züge etc...

Sie bemerkte erst jetzt die Blutlache vor sich

das 'erst jetzt' kann weg.

Behalt ihn lieber, ich bin total versaut

kann mir nicht vorstellen dass Mama so was sagt. freudscher Versprecher, freudsches Versprechen

süchtig verschlang er Abend für Abend die neuen Mangas, die ihm sein Vater geschenkt hatte

etwas weniger Fleisch auf den Knochen würde mir insgesamt hier gut gefallen. hier ist es das 'süchtig' das mir zu viel ist. es gibt Leude die "suchten" als Verb nutzen, gefällt mir nicht, aber wäre ne Variante. hier sagt der Satz im Kontext eigentlich schon aus was du mit 'süchtig' noch mal verstärken willst..

Sie musste an Niklas' Geburt denken, an all das Blut, die Aufregung, die Schwärze, und kurz nach dem Erwachen, ein Baby an ihrer Brust.

interessantes Phänomen, die Fremdheit der eigenen Brut. find ich gut en passant dargestellt oder angedeutet, ohne ein riesen Fass aufzumachen. so muss das

diese Nachricht ist auch schick in den Text montiert - auch deine Informationspolitik, dass der Leser erst mal nicht weiß mit wem sie sich verabredet. mich haste gekriegt, ich bin von nem Typen ausgegangen.

Sie tastete nach dem Lichtschalter und knipste aus

... knipste ihn aus.... oder so was.

ie spürte die Wärme auf der Haut – tiefer drang sie nich

eigentlich ne gute Gelegenheit, was zu zeigen oder ihre abgeteilte Innenwelt indirekt zu vermitteln.

Sie verstand und war gut zu ihm diese Nacht.

also für mich ein komischer Satz, ich versteh's gar nicht!

Als die Männer aus dem Haus ware

das Wort an der Stelle verwenden ist auch seltsam, ob jetzt kursiv oder normal. ich weiß dass Frauen das immer mal wieder so sagen und Söhne und Mann meinen, aber in dem Zusammenhang hier funktioniert das für mich nich

raftlos bahnte sich Tageslicht einen Weg durch den Morgennebel.

"bahnen" widerspricht bzw relativiert kraftlos für mich.

Der Teich glänzte lackschwarz an der Oberfläche, ringsum eine dünne Eisschicht wie eine silbrige Kruste. Eigenartig still war es. Marah zitterte vor Kälte, daran änderten auch der Strickpullover und die Glut der Zigarette nichts. Sie schnippte sie unaufgeraucht über die immergrüne Hecke und flüchtete zurück ins Warme

gefällt mir

arah bleckte die Zähne und gab ein Knurrlaut von sich

einen Knurrlaut

Die Migräne täuschte sie nur vo

wieso 'nur'?

Der Blick von oben gab kaum etwas prei

ein Blick kann nichts preisgeben, weil er nichts verhüllt.

s war ihr, als stünde sie in einer leeren Welt, und gehöre genau dorthin

mir ist letztens noch mal gesagt worden dass ich das so nicht mehr verwenden dürfen weil zu unspezifisch und mttlw fast ein Allgemeinplatz zu den menschlichen Innenwelten im Spätkapitalismus. ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

ie bestand auf ein Kondom, hatte sie immer, früher schon. Seine Zunge nahm sie pur.

gute Vatiation. Sexszenen sind Biester. wurden gerade die schlechtesten zehn Szenen des literarischen Jahres gewählt. faszinierend was Schreiber und Lektoren und alle anscheinend mal für vertretbar oder gut hielten.

Nur noch Schwärze und Eis und der Lieblingsaffe, der geisterhaft ins Leere starrt

Langsam ist's mir etwas viel Leere. sie fühlt sich leer, erinnert sich an Leere, wartet auf eine nächste Leere, die sie von früher kennt. fühlt sich das alles gleich an? wenn ein Wort so oft mit Bedeutung besetzt wird, kippt der Effekt irgendwann und verkehrt sich: hier ist der Begriff der Leere für mich mttlw arg überladen. schon etwas wichtig, so zentral wie du das gestellt hast. wahrscheinlich das größte Manko an dem Text

r stöhnte, fuhr sich durchs Haar, das fettig vom Kopf abstand, als wollte es Distanz zu ihm aufbauen

ha ha ha. sehr gut!

ährend ihr täglich heißes Wasser die Haut verbrühte, hatte er seit Tagen nicht geduscht.

wirkt wieder wie leicht daneben gegriffen. also hier das 'verbrühte'

Was soll ich sonst tun, hm?«

das ist aber eine doofe Antwortfrage :) gibt so viele gute Gründe zu trinken. etwas mehr Hinwendung könnte Sven schon vertragen, hier wird er so dargestellt wie ich mir vorstelle dass er beim Blick durch ihre Augen wirken könnte. der Erzähler könnte das Bild vllt noch ergänzen? ein, zwei Details dem Sven widmen, dass er auch mal was auf die Kette kriegt ohne unsympathisch zu wirken...

danach de Situation in der es um ihre Heimlichkeiten geht finde ich ganz gut geworden. für mich wäre das schwierig darzustellen gewesen. ich glaube hier ist das ganz gut und plausibel gelöst.

ie hörte nur undeutliche Gesprächsfetzen. Dann das Heulen Kevins. Es schnitt ihr durchs Fleisch bis hin zur Seele und zerfetzte alles, was ihm vor die Schneide kam.
Sie schloss die Augen – weg, nur weg, nichts mehr hören, nichts mehr sehe

ist so eine danach-ist-deswegen-Situation : durch die thematische Engführung wird nahe gelegt, dass sie durch ihr Verhalten für den Tod des Sohnes verantwortlich wäre. schwingt für mich hier massiv mit. finde ich als Thema interessant und hier inhaltlich gut umgesetzt und dargestellt...

denkt an Claudia – freut sich auf den gemeinsamen Abend mit ihr –, sie denkt an dies und das, an Sven, an ... Kevin

für jemanden die der Leere einen Altar weihen könnte und die gerade ein Kind verloren hat, ist alltägliche Vorfreude schon ein seltsames Gefühl

was hat sich in ihre Gene gestanzt, etwas wurde ausgeschnitten, ersetzt und für immer veränder

ersetzt durch was?

und klammert sich ans Bein seiner Mutter, einen Plüschbären in der Kinderhand, dessen glanzlose Augen Marah mustern

klingt als wären die Augen unabhängig vom Bärchen

ansonsten will ich noch sagen dass mir das Ende nicht gefällt. bzw ist es schade um die Geschichte! du hast hier diese Parallelität zwischen Anfang und Ende, das gleiche Motiv wie zu Beginn und die Schwarmmetapher noch mal sinnvoll verwendet - vom kunsthandwerklichen Standpunkt ist das sehr gut gemacht, aber als Leser kaufe ich das trotzdem nicht. mir hätte ein offenes Ende besser gefallen. keine Wiederholung des Motivs und keine Variation der Metapher - das nimmt alles Kraft weg. oder die anders in den Text montieren, nicht alles in den letzten Absatz knallen. und keinen Ausweg durch Selbstmord für die Figur anbieten. ja das fände ich besser. die letzten zwei Absätze könnte mE weg, habe ich beim groben Drüberkucken so gesehen.

Grüße,
Kubus

 

Hi Gefrierpunkt,


schön, dass du nochmals reinschaust.

Es gefällt mir, dass die Geschichte hält, was sie verspricht, gleichzeitig reicht mir das aber auch oft nicht ganz. Mir fehlt da wie gesagt noch irgendwas, das sie besonders macht. (Nicht unbedingt inhaltlich.) Das raussticht. Das mir im Gedächtnis bleiben wird.
Darüber denke ich noch weiter nach, ist aktuell so, dass ich kaum ergänzt habe, sondern den Rotstift wüten ließ. Der Schluss ist jetzt offener, bietet vielleicht mehr Raum, um gedanklich ein wenig länger am Text zu hängen. Mal sehen ...

Ich habe bei dem Vergleich den Eindruck, dass du da den Zeh in eine poetischere Sprache tauchst. Ich weiß nicht, wie du sonst schreibst und ob das Absicht war.
Klar, das war Absicht. Ich mag das auch, allerdings nur, wenn es sehr zurückhaltend gemacht wird.

Das gilt übrigens für mehrere Elemente im Text - ich habe da ein wenig gezockt auch, und bin ehrlich gespannt, was man mir da noch so um die Ohren hauen wird . Ist übrigens ein Text, den ich besonders schwer einschätzen kann - um so wichtiger ist das Feedback hier im Forum für mich.
Krieg das jetzt nicht in den falschen Hals, aber gewagt finde ich als Leser bei dem Text spontan gar nichts. Vielleicht ist es das, was mir fehlt, irgendeine Kante - inhaltlich oder sprachlich?
Wieso sollte ich das in den falschen Hals kriegen?
Wenn du die folgenden Komms liest, wirst du bemerken, dass eben Dinge angesprochen wurden, die ich (u. a.) eben als "gewagt" beim Schreiben empfunden habe. Fast habe ich damit gerechnet, allerdings - ich erwähnte es schon - fällt es mir diesmal besonders schwer, den Text einzuschätzen.

Ich glaube, ich war noch nie so unsicher, was einen eigenen Text angeht. Ich habe mir ein paar Vorgaben gesetzt, ein paar Aufgaben, die nicht so leicht für mich waren.
Ich wäre neugierig darauf, zu erfahren, welche das sind. Genauso wie auf die Elemente, die du als gewagt empfindest.
Das ist keine Frage, mir ist klar, dass es kontraproduktiv für dich wäre, das weiteren Rückmeldungen vorwegzunehmen.
Das kann ich verstehen :). Aber, stimmt schon, ich werde mich da eher bedeckt halten.


Vielen Dank für deinen erneuten Besuch, Gefrierpunkt!


hell


Hey barnhelm,


Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt.
Weißt du, was ich gedacht habe, als ich diesen ersten Satz gelesen habe? Der Autor möchte mir vermitteln, dass seine Protagonistin völlig neben sich steht, nichts mehr spürt, nichts mehr empfindet, vermutlich also volltrunken oder völlig bekifft ist.
Dass sie neben sich steht, diese Empfindungslosigkeit wollte ich schon andeuten, ja. Interessant finde ich, dass du daraus einen übermäßigen Drogenkonsum ableitest. Nein, natürlich, ich sehe schon, dass man das so rauslesen kann - du belegst diese Vermutung ja auch. Ist wohl mein Fehler, denn in diese Richtung wollte ich das gar nicht laufen lassen.

Kerzenlicht ließ das Weinglas in ihrer Hand bernsteinfarben leuchten, sie leerte es in einem Zug.
Also, ich kann dem Autor diesen Anfang nicht glauben: Eine Frau schneidet sich tief ins Fleisch ihres Fingers, durch den viele Nervenfasern laufen, sie spürt nichts ...
Okay, das muss ich so schlucken. Ich kenne das zwar, dass ich mich schon verletzt habe, ohne es bemerkt zu haben, aber ja, das mit dem genäht werden müssen und so ... Hm, ich denke darüber nach, lass das aber vorerst mal so. Letzteres ist schon mal draußen, vielleicht mildert das den Eindruck, sie sei Alkoholikerin.

Ich finde, du hast einfach zu viel hineingepackt: Marahs Alkoholproblem am Anfang, ihr Unausgefülltsein, Marahs Suche nach Ablenkung, das Zusammensein mit Finn, das Verschwinden von Niklas, das Abdriften Svens, sein Alkoholproblem, die Auseinandersetzungen, der Besuch bei Finns Frau, die Erkenntnis, dass Finn verheiratet und Vater ist, der Freitod am Ende. Das ist viel, für mein Empfinden zu viel. Es ist wie eine Spirale oder ein Sog, in den Marah und ihr Mann geraten. Nur frage ich mich, ob du in die Mitte der Handlung das (nicht erklärte) Verschwinden von Niklas wirklich reinmontieren musst, damit die Tragik deiner Geschichte gelingt. Reicht nicht schon ihr Unausgefülltsein, um die Familie zu zerstören?
Vielleicht zu viel, jedoch wollte ich weder Sven noch Marah als Alkoholiker darstellen. Andererseits erlaube ich mir jetzt einfach mal, Kubus zu zitieren: "was barnhelm zur Komprimierung sagte ist mir zwischendurch auch als möglicher Punkt aufgeploppt, aber ich fand's dann doch gut und zulässig. ist wirklich viel, was hier geschieht, aber nicht zu viel. eins bedingt das andere, im echten Leben erfahren Menschen auch immer wieder dass alles auf einmal zu kommen scheint. und wenn die Scheißlawine erst mal den Berg runterrollt kann man manchmal kaum mehr was tun als zu reagieren."
So in etwa sehe ich es auch, aber ich hab' jetzt etwas runtergefahren, vielleicht nimmt das ein wenig Ballast.

Finn Krüger war Architekt und sei hier zu Besuch.
Die Andeutung der indirekten Rede ('sei') würde ich weglassen, zumal das hier einen Tempuswechsel bedeutet:
Finn Krüger war Architekt und zu Besuch.
Stimmt, danke.

Die Einkaufstasche stellt sie auf den Tisch, den Weiswein in den Kühlschrank
Danke.

Es gibt viele sprachlich und inhaltlich schöne Stellen in deinem Text, die mir sehr gut gefallen haben.
Lieber @hell, du schreibst wirklich gut und ich habe einige Stellen sehr gerne gelesen ...
Das hat mich sehr gefreut.

... unterm Strich hat mich dein Familiendrama doch irgendwie erschlagen.
Okay, aber vielleicht liest es sich jetzt etwas leichter.


Liebe barnhelm, ganz herzlichen Dank für deine Auseinandersetzung mit meinem Text! Ich freue mich immer sehr, wenn du als Kommentatorin auftrittst - hilft ungemein weiter.


Gruß


hell


Hi Friedrichard,


Eine nahezu biblische Geschichte, in der Α und Ω, Anfang und Ende nahe beieinanderliegen, was (näherungsweise) eine Fuge ergibt,

hi hell!,

über einen doppelten Sündenfall, dessen moralische Selbsteinschätzung schon hier beginnt, wenn es heißt

»Alles gut«, sagte sie ... »Behalt ihn lieber, ich bin total versaut.«
Ha ha, ja, allerdings ist das Ω (vorerst) weg, somit auch der "Ringschluss".

... obwohl ich hier nach dem "Mund" ein Komma empfehle oder - besser, wie ich finde, weil anregender - einen Gedankenstrich.
In solchen Dingen vertraue ich dir blind.
Warum einen Titel buchstäblich aufführen, den wahrscheinlich jeder kennt oder sich zusammenreimen kann, selbst wenn er grammatisch entstellt daherkommt als "..., wie er ... aus 'der kleinen Hexe' vorlas"?
...
Warum ein partizipiertes Produkt, wenn Baumkronen nicht erst Blätter verlieren, sondern schon alle verloren haben und schlicht und einfach "kahle Baumkronen" sind?
...
... wenn sie schlicht "nie alleine war"?
...
Warum hier die Mischung aus Indikativ und Konjunktiv?
Ich denk mir, dass beides seinen Angaben entspringt (indirekte Rede) oder sie nimmt es für bare Münze und er ist zu Besuch ...
...
(Selbst mir geht da die eh inkonsequente Rechtschreibreform auf'n Sack, denn selbst unter Mathematikern krsiert das Gerücht, es gebe drei Sorten von Mathematikern, die einen können bis drei zählen, die andern eben nicht.)
...
Eher unfreiwilliger Dreher ...
Danke, Friedel, hab ich alles verbessert - nur beim Unaufgerauchten bleibe ich (noch) stoisch.

Gern gelesen vom

Friedel

... lese ich immer unheimlich gerne - da steckt eine Aussage dahinter, keine Floskel :).


Lieben Dank fürs Reinschauen, verbessern und alles andere.


Gruß


hell

 

Hallo hell,

mir hat das Ende vorher besser gefallen.
Für mich war nicht klar, dass sie stirbt, ich hatte die Szene so interpretiert, dass (wie in der ersten Szene auch) jemand reinkommt.
Und ich wusste nicht, was wäre denn jetzt schlimmer für Marah, zu sterben oder gerettet zu werden, weiterleben zu müssen? Das hat auf so eine endgültige Art deutlich gemacht, dass Marah gescheitert ist.
Das hatte echt was. Hat mir das Gefühl gegeben, dass das von Anfang an unvermeidlich war, dieses totale Zerbrechen, und dass es eben auch zum Teil unabhängig davon war, was in deiner Geschichte passiert ist. Wo ich mich frage: Wenn Marah jetzt ganz andere Entscheidungen getroffen hätte, wäre sie dann auch da geendet (oder irgendwie so ähnlich)? Und aus dem heraus, was dein Text mir über sie erzählt hat, musste ich sagen - ja.
Marah hatte sich schon längst verabschiedet. Wann genau? Keine Ahnung, das muss mir dein Text auch nicht erzählen, das wirkt auf mich viel stärker, wenn es jede verdammte Kleinigkeit hat sein können, die das ausgelöst hat oder einfach nur die Summe von tausend unauffälligen Kleinigkeiten.
Jetzt ist es die Geschichte einer Frau, die nicht dankbar genug für das ist, was sie hat, fremdgeht, und deswegen ihr Kind verliert. Mal überspitzt ausgedrückt. Will sagen: da ist jetzt (leider) ein moralischer Zeigefinger.

Grüße
Gefrierpunkt.

 

Hey Anne49,


Das ist doch Big Drama, was du da präsentierst. Darüber könnte man einen Vierhundertseitenroman schreiben. Ich geh erst mal durch den Text:
Ja, stimmt schon - aktuell durfte sich der Rotstift nochmals austoben, in der Hoffnung, die Geschichte mundgerechter zu bekommen.
Kein Verlangen der Vögel
Was’n das?
Bevor ich jetzt anfange, erklären zu wollen, was ich damit ... ähm ... Ach, egal - hab's eh umgeschrieben :).

Finn Krüger war Architekt und sei hier zu Besuch.
Einmal Indikativ und dann Konjunktiv?? Im nächsten Satz dann wieder Indikativ.
Du könntest das „sei“ ersatzlos streichen, denke ich.
Übrigens ein Architekt namens Finn mit Zopf ... hach, da triffst du bei mir schon den Nerv ...
Stimmt, danke.
Finn und Architekt und Zopf - :) - Ist doch 'ne hübsche Mischung, nicht?

Sie bestand auf ein Kondom
einem?
Echt jetzt?

Doch Niklas antwortete nicht. Würde er niemals mehr.
Irgendwie ist mir der zweite Satz zu plump. Bumm.
Stimmt, danke, passt ohnehin nicht mehr.


Auch die anderen kritischen Anmerkungen habe ich weitgehend umgesetzt. Merci!


dunkelroten Schlieren, die wie feine Tentakel um sich greifen, bis sie der Wasserstrahl verwirbelt
Noch so ein schönes Bild! Ich finde, du bist kreativ und hast unverbrauchte Formulierungen in deinem Text!
Das freut mich.

Ich hab nur Probleme mit diesem überladenen Plot. Fremdgehen alleine würde zum Beispiel reichen. Der Tod eines Kindes gibt auch schon ein dankbares Thema für eine Kurzgeschichte ab, wenn die mangelnde Aufsicht gar nicht so offensichtlich selbst verschuldet ist.
...
Die beiden Dinge Fremdgehen und Tod des Kindes miteinander zu verknüpfen ist heftig.
Ja, ist vielleicht zu viel, andererseits ... hm. Also, ich habe etwas abgemildert und einiges gestrichen - mal sehen, ob es so bleibt.

Hätte sie was mit dem angefangen und wäre sie mit dem glücklich geworden - wohl kaum.
Das mit Finns Frau und so überdenke ich noch mal. Mir ging es weniger darum, dass sie ernsthaftes Interesse an einer Beziehung haben könnte; mja, jetzt steht die Szene ohnehin etwas anders da. Wie gesagt, ich muss das alles erst mal sacken lassen jetzt.

Jetzt fällt mir kein gescheiter Schlusssatz ein. Ich bin müde und muss ins Bett ...
Na, wenn das keiner ist :). Ich hoffe, du hast gut geschlafen.


Anne, vielen lieben Dank für deine Zeit, deine Gedanken und die Textarbeit. Hast mir definitiv weitergeholfen!


Gruß


hell


Hey Kellerkind,


Deine Geschichte hat mich sehr gepackt und das liegt vor allem an der guten sprachlichen Gestaltung und dem zielsicheren Aufbau. Etwas spröde im Sound, passt das aber gut zur emotionalen Leere der Protagonistin.
Wie schön, hat mich sehr gefreut, das zu lesen!
Ich habe den Text nochmals überarbeitet - hoffentlich ändert das nichts an deiner Wertung.

Und vor allem der verschuldete Kindstod impliziertt hier auch noch eine moralische Wertung, die ich automatisch dem Autor zuordene.
Das verstehe ich, hab' ich auch befürchtet, ja. Interessant in dem Zusammenhang ist Gefrierpunkts Meinung dazu.

Das würde ich komplett rauslassen oder zumindest abmildern, so dass beinahe etwas schlimmes passiert wäre. Die Geschichte wäre auch ohne diesen Effekt gut genug, wenn nicht sogar besser.
Das mit dem Abmildern fand ich eine prima Idee - dieser Richtung bin ich gefolgt. Danke! Ob die Geschichte gewonnen hat? In meinen Augen schon, zumindest im Moment :). Ich denke auch, das wird so bleiben.


Kellerkind, hat mir geholfen, hat mich gefreut, dein Komm hat Wirkung erzielt. Herzlichen Dank dafür!


Gruß


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey C. aka pinkbaerbel,


Aber zuerst einmal habe ich die Geschichte gern gelesen. Ich mag Texte, die mich über unsere Gesellschaft nachdenken lassen.
Wie verschiedene Personen ihren Platz darin finden - oder eben nicht finden...
Das freut mich schon mal, auch, dass dich der Text zum Nachdenken gebracht hat, wenngleich ich hier jetzt keine Gesellschaftskritik oder so niederschreiben wollte.

Der Anfang ist für mich sehr gelungen. Das rhytmisch knallende Messer gefällt mir und ich hatte auch überhaupt keine Probleme, die Personen zusammenzubekommen. Da ich selbst zwei Kinder habe und mein Mann mich ihnen gegenüber Mama nennt, war mir eigentlich sofort klar, wer Sven ist. Vor allem, da er sofort so aktiv die ganze Situation übernimmt.
Nur das Bild mit den Gedanken-Fischen hat mich massiv gestört.
Ja, der Anfang. Und jetzt hab' ich auch noch das Messer gestrichen und die Fische drin gelassen :). Mal sehen, ob das bleibt ...
Dass du kein Problem mit den Figuren hast, beruhigt mich. "da Sven sofort so aktiv die ganze Situation übernimmt", bin ich auch davon ausgegangen, dass - aus der Szene heraus - schnell klar werden müsste, dass er kein Kind von Marah sein wird.

Mein Gott, die hat aber wirklich eine ziemlich distanzierte Beziehung zum Rest der Familie. Eigentlich komisch irgendwie, dass Sven, der Arzt, da nichts unternimmt. Zum Beispiel könnte er in dieser kurzen Unterhaltung etwas mehr versuchen, an sie heranzukommen:
Ha ha, Sven, der Arzt. Tja, sind eben doch nur Menschen :). Vielleicht will er auch gar nichts (mehr) versuchen.

Der folgende Abschnitt könnte meinetwegen übrigens weniger Kommata vertragen und das zweite Mal darf auch weg:
Sie sollte mal wieder was tun, dachte sie. Mal fotografieren, oder die Staffelei aufbauen, ein Keilrahmen musste noch im Keller stehen.
Hast recht, hab's geändert, danke.

Kein Verlangen der Vögel
Das Mätzchen ist Geschichte.

Bin mir insgesamt nicht sicher, ob der ganze Abschnitt nicht weg könnte. Dieser Finn war ja wohl eher 'Mittel zum Zweck' - Marah blieb auch bei ihm distanziert. Es ist somit nicht wirklich wichtig, dass er seine Frau ebenfalls betrogen hat.
Obwohl, wenn ich jetzt so überlege, das macht es für unsere Gesellschaft so ganz nebenbei ja eigentlich noch krasser.
Bleibt also nur die Frage, wie stark Marah als Prota die Geschichte beherrschen soll. Für sie ist es nämlich eigentlich egal, was mit dem Typen ist.
Ja, ich verstehe schon, was du meinst, die Szene ist für mich dennoch zu wichtig. Zwingt sie bsp. dazu, zu reflektieren, fungiert auch als Auslöser ...
Ob das die Gesellschaft krass erscheinen lässt? Also nicht für mich, aber wenn du das so rauslesen möchtest, soll es mir recht sein. Ich wollte nur abbilden, nicht werten - das überlasse ich gerne den Lesern :).

Insgesamt eine tolle Geschichte. Wie bereits von anderen angemerkt etwas drastisch mit Fremdgehen und Kindstod zusammen, aber in der Übertriebenheit durchaus legitim.
Vielen Dank, C. Ich halte die Kombination zwar für denkbar, nicht übertrieben, habe aber dennoch einiges verändert am Text. Vermutlich ist die Gattung nicht ideal - du schreibst ja selbst:
Das könnte auch mehr als eine Kurzgeschichte sein...
Und diese war auch mal deutlich umfangreicher :).

Übrigens gefällt mit der Titel. Schön mehrdeutig, wenn man die Geschichte gelesen hat...
Ja, ich mag das, schön, dass das bei dir funktioniert hat - ist in der aktuellen Version vielleicht nicht mehr ganz so ... ähm ... ersichtlich.


Herzlichen Dank, C., für deinen schönen und konstruktiven Kommentar.
Hab' mich sehr über deinen Besuch gefreut!


Gruß


hell


Hey Kubus,


toller Kommentar! Der hat einiges Verändert im Text.


... mir hat's gefallen, gern gelesen gestern morgen.
Das freut mich.

was barnhelm zur Komprimierung sagte ist mir zwischendurch auch als möglicher Punkt aufgeploppt, aber ich fand's dann doch gut und zulässig. ist wirklich viel, was hier geschieht, aber nicht zu viel. eins bedingt das andere, im echten Leben erfahren Menschen auch immer wieder dass alles auf einmal zu kommen scheint. und wenn die Scheißlawine erst mal den Berg runterrollt kann man manchmal kaum mehr was tun als zu reagieren.
Sehe ich auch so - dennoch habe ich etwas eingedampft; abgemildert.

am Ende hätte ich einen Ausblick ohne Selbstmord-Assoziation besser gefunden. du hast der Figur hier so eine private Hölle eingerichtet, dass das wahre Grauen ihr Weiterleben wäre.
Also, ich wollte das am Ende schon offen halten - klar, ich hab' den Selbstmord als Option, nein, als Absicht drin. Aber ich gebe dir recht, fühlt sich besser an, darauf zu verzichten. Mehr als das, wie von dir empfohlen, hab ich die letzten beiden Abschnitte dem Killer überlassen. Mal sehen, ob er noch was übrig lässt. Im Moment gefällt mir der Text jedenfalls besser. Wird wohl auch so bleiben. Danke, Kubus!

Titel könnte auch Einschnitt lauten...
Heißt er nicht so ;) ?

Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt
soll sie gar nichts fühlen oder nur den Schmerz nicht? finde ich beides vorstellbar.
Auch hier, ist beides möglich.

ich kenne das Geräusch auch und ich weiß, was du meinst, trotzdem mag ich die Formulierung nicht, ein Messer 'rhythmisch auf Holz knallen' zu lassen. das Bild danach aber gefällt sehr gut.
Der Einstieg fiel mir beim Schreiben schwer. Ich habe da oft dran rumschrauben müssen. Das Messer ist jetzt raus.

er rast nicht verschwommen, sondern sie sieht ihn verschwommen. ist hier nicht ganz klar. 'rasen' passt für mich auch nicht zur zweibeinigen Fortbewegung. eigentlich nur für Autos, Züge etc...
Stimmt, danke. "Rasen" würde ich jetzt nicht ganz so eng sehen - habe ich aber auch ersetzt.

Sie bemerkte erst jetzt die Blutlache vor sich
das 'erst jetzt' kann weg.
Stimmt.

Behalt ihn lieber, ich bin total versaut
kann mir nicht vorstellen dass Mama so was sagt. freudscher Versprecher, freudsches Versprechen
Doch, die Marah sagt das - ist auch kein Versprecher. Na ja, der Leser darf das natürlich anders einordnen, wenn er möchte.

süchtig verschlang er Abend für Abend die neuen Mangas, die ihm sein Vater geschenkt hatte
etwas weniger Fleisch auf den Knochen würde mir insgesamt hier gut gefallen. hier ist es das 'süchtig' das mir zu viel ist.
Auch hier folge ich dir.

Sie musste an Niklas' Geburt denken, an all das Blut, die Aufregung, die Schwärze, und kurz nach dem Erwachen, ein Baby an ihrer Brust.
interessantes Phänomen, die Fremdheit der eigenen Brut. find ich gut en passant dargestellt oder angedeutet, ohne ein riesen Fass aufzumachen. so muss das

diese Nachricht ist auch schick in den Text montiert - auch deine Informationspolitik, dass der Leser erst mal nicht weiß mit wem sie sich verabredet. mich haste gekriegt, ich bin von nem Typen ausgegangen.

Ich wollte das erst gar nicht hier reinkopieren - mich später einfach allgemein bei dir bedanken. Jetzt mach ich's doch. Mich freut das einfach zu sehr, dass du das so rausgelesen, so analysiert hast, Kubus.

ie spürte die Wärme auf der Haut – tiefer drang sie nich
eigentlich ne gute Gelegenheit, was zu zeigen oder ihre abgeteilte Innenwelt indirekt zu vermitteln.
Darüber denke ich noch nach.

Sie verstand und war gut zu ihm diese Nacht.
also für mich ein komischer Satz, ich versteh's gar nicht!
Ich denke, jetzt wird es verständlicher.

Als die Männer aus dem Haus ware
das Wort an der Stelle verwenden ist auch seltsam, ob jetzt kursiv oder normal.
Da bin ich selbst immer mal wieder hängengeblieben - weiß auch nicht, wieso mir das Kursive als Lösung ausgereicht hat. Hab' ich geändert.

s war ihr, als stünde sie in einer leeren Welt, und gehöre genau dorthin
mir ist letztens noch mal gesagt worden dass ich das so nicht mehr verwenden dürfen weil zu unspezifisch und mttlw fast ein Allgemeinplatz zu den menschlichen Innenwelten im Spätkapitalismus. ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
Interessant, bleibt aber noch. Wobei, sicherlich schrammt es zumindest daran, Allgemeinplatz zu sein, stimmt schon. Ich überdenke das noch mal.

Nur noch Schwärze und Eis und der Lieblingsaffe, der geisterhaft ins Leere starrt
Langsam ist's mir etwas viel Leere.
Stimmt. Hier hab ich sie gestrichen.

Was soll ich sonst tun, hm?«
das ist aber eine doofe Antwortfrage gibt so viele gute Gründe zu trinken.
Ich gebe dir wieder recht. Einen echten Grund will er zwar immer noch nicht anführen, aber ganz so blöd hört es sich für mich nicht mehr an.

du hast hier diese Parallelität zwischen Anfang und Ende, das gleiche Motiv wie zu Beginn und die Schwarmmetapher noch mal sinnvoll verwendet - vom kunsthandwerklichen Standpunkt ist das sehr gut gemacht, aber als Leser kaufe ich das trotzdem nicht. mir hätte ein offenes Ende besser gefallen. keine Wiederholung des Motivs und keine Variation der Metapher - das nimmt alles Kraft weg.
Ich habe es oben schon geschrieben, dein Komm hat einiges verändert im Text - ist mir gar nicht so schwer gefallen, obwohl ich ursprünglich bewusst Anfang und Ende verbinden wollte. Vermutlich war ich selbst nicht zufrieden mit dem Ergebnis.


Die meisten Vorschläge von dir habe ich dankend entgegengenommen.
Auch wenn ich jetzt nicht jedes Lob von dir einzeln hervorhebe, es hat mich alles erreicht und sehr gefreut.


Vielen Dank für deinen Besuch, deinen analytischen Blick, die Zeit und so.
Hast mir echt weitergeholfen, Kubus!


Gruß


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber hell

Ich finde das einen guten Text, den ich sehr gerne gelesen habe. Hat mich an die „Rote Wüste“ von Antonioni erinnert. Die Ratschläge von Kellerkind und anderen waren meines Erachtens Gold wert, jetzt empfinde ich den Text als sehr rund. Denn nachdem du das Grelle, den Tod des Kindes, aus dem Text entfernt, auch das Ende abgeschwächt hast, kann sich der Kern der Geschichte viel besser entfalten. Ich fand die Prota nicht unsympathisch, falls dich das interessiert, ich konnte sie gut verstehen, auch nachempfinden, was sie bewegt, oder eben nicht bewegt.
Ich habe ein paar Stellen mitgebracht. Da ist mehr Kritik als Lob drin, aber nur, weil ich Zeit sparen wollte und ich weiss, dass du das einordnen kannst. Da gab es viele Stellen, die mir gut gefallen haben, aber am besten vielleicht der gesamte Ton der Geschichte, irgendwie habe ich da eine recht intensive Ahnung von diesem Schleier bekommen, der über Marah liegt, und das hat auch mit dem Erzählton zu tun.


Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie ein Schwarm Fische, in dessen Flanken große Räuber schossen.
»Um Gottes willen!«

Ich finde die Idee sehr gut, mit diesem Schnitt zu beginnen, mit der Aussage, dass Marah nichts fühlt, das ist eine schöne thematische Einleitung. Mit dem zweiten Satz habe ich allerdings Schwierigkeiten und zwar aus mehreren Gründen. Und dies, obwohl, oder gerade weil ich das Bild, das du hier entfaltest, sehr mag. Und obwohl ich weiss, dass du zwischen dem ersten Satz und Svens Ausruf noch einen Satz brauchst, tempotechnisch.
Erstens fand ich die Makrelen besser als „Fische“. Vielleicht Makrelen und dafür konkrete Räuber, ich glaube, jemand hat das auch so vorgeschlagen. Fische lässt den Vergleich irgendwie lieblos erscheinen.
Zweitens finde ich es schwierig, gleich im zweiten Satz mit so einem Bild aufzuwarten, ich würde den Leser zunächst mal ins Geschehen einführen, im Text ankommen lassen.
Drittens und vor allem weiss ich nicht so recht, welche Funktion dieser Satz haben soll. Ich habe mich danach die ganze Zeit gefragt, was der Räuber war, also übertragen: Welches Ereignis einen Gedankensturm in Marah ausgelöst hat. Da wurde ich dann aber enttäuscht, ich habe gemerkt, es geht eigentlich in eine andere Richtung, um Leere und Entfremdung und nicht um verwirbelte Gedanken. Also, das Bild, so schön es ist, passt für mich nicht so recht zu Marahs Gemütszustand.

Marah zuckte zusammen, sah verschwommen Sven in die Küche eilen.

Verschwommen Sven gefällt mir nicht so recht, ich gerate beim Lesen ins Stocken. Sven verschwommen klänge besser, ist aber inhaltlich irreführend. Vielleicht: sah verschwommen, wie Sven in die Küche eilte?

Die abgeschnittenen Zwiebelstückchen, deren Saft in Schlieren das Rot verwässerte.

Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Das Blut tropft ja auf die Zwiebelstückchen. Dass die so viel Saft entwickelt haben, dass das Blut verwässert wird, von unten her gewissermassen, also solche Zwiebeln kenne ich nicht. Ich finde auch den Ausdruck „In Schlieren das Rot verwässern“ etwas arg zusammengepresst.

Kevin und sein kleiner Bruder stürmten in die Küche. Er legte die Briefchen mit den Kompressen und das Desinfektionsfläschchen auf den Tisch.
Niklas, der Jüngere, umklammerte seinen Lieblingsaffen. »Mama ...« Er streckte ihr den Affen entgegen und schob die Unterlippe nach vorne.

„Der Jüngere“ kannst du streichen, das ist bereits klar. Ich würde mir sogar überlegen, den Leser selbst erkennen zu lassen, wer von den beiden der Jüngere ist. Hast du ja eigentlich sogar schon. Der mit dem Plüschtier ist der Kleine.

. Für sie klang es immer so, als hielte er einen seiner Vorträge, doch Niklas kicherte.

Ich glaube, das „immer“ kann weg. Einerseits liest er ja nicht immer aus der kleinen Hexe vor. Andererseits denkt sich der Leser automatisch, dass Marah das Vorlesen immer so wahrnimmt.

Sie mochte es, wenn er kicherte, und sie war froh darüber, dass Sven den Job übernahm.

Ich weiss nicht. Das klärt natürlich die Ambivalenz, die du aufgebaut hast, löst aber auch die Spannung, die dadurch entstanden ist. Also, die Vorlesestimme negativ, das Kichern positiv, das sagt doch schon sehr viel aus, das entsteht eine Irritation beim Lesen und ich würde bei solchen Stellen austesten wollen, ob die Irritation nicht besser noch etwas erhalten bliebe.

Sie musste an Niklas' Geburt denken, an all das Blut, die Aufregung, die Schwärze, und kurz nach dem Erwachen, ein Baby an ihrer Brust. Einfach so.

Das finde ich ausserordentlich stark. Sehr knapp auf den Punkt gebracht. Oder eben – im Vergleich zu oben – nicht auf den Punkt gebracht, sondern den Leser in Schwingung versetzt.

Das Tablet tauchte den Raum in kaltes Licht.

Das schafft ein Kindle nicht.

Marah drehte sich zur Seite, die Knie wie ein Embryo hochgezogen.

Finde ich spannend. Das kenn ich gut. Du hast eine Geste, eine Bewegung oder Körperhaltung und du möchtest, dass das richtig interpretiert wird. Hier: Regression, Schutzbedürftigkeit etc. Daher schreibst du noch Embryo hin. Ich will das an dieser Stelle nicht kritisieren, hat mich nicht gestört. Wollte nur darauf aufmerksam machen. Wieder die alte Frage, wieviel man dem Leser zutrauen / zumuten möchte.

Kraftlos bahnte sich Tageslicht einen Weg durch den Morgennebel.

Finde ich einen sehr interessanten Satz. Zunächst wollte ich kritisieren, er sei etwas schwerfällig geraten, wegen diesem „einen Weg durch“. Aber das korrespondiert eigentlich sehr schön mit dem Inhalt und jetzt mag ich den Satz auf einmal.

Sie schnippte sie unaufgeraucht über die immergrüne Hecke und flüchtete zurück ins Warme.

Hässliches Wort, finde ich. Brauchst du es? Vielleicht ein Nebensatz?

Claudia saß ganz hinten in der Bar, auf der mokkafarbenen Bank mit den hohen Lehnen, eine Karaffe Wein und ein halb gefülltes Glas auf dem Tisch.

Da fehlt m.E. ein „standen“. Also, das ist nur so eine Gefühlssache. Wenn du schreibst: Claudia sass in der Bar, einen Schal um den Hals, hätte ich kein Problem, weil der Schal zu Claudia gehört. Hier aber rechne ich den Wein und das Glas irgendwie auch zu Claudia, weil das Verb fehlt.

Der So-männliche-Typ von gestern setzte sich zu ihr an den Tresen und strich sich über den schmucken Bart.

Ich mag das Wort nicht und wenn, dann würde ich es eher ironisch verwenden. Aber auch sonst: Du hast ja schon darauf verwiesen, dass sie den Bart schön findet und hier in diesem Satz greifst du das indirekt bereits auf (so männlich). Ich würde das glaub streichen wollen.

Seine Finger zeigten unbeeindruckt in ihre Richtung

Jawohl, Finger lassen sich nicht so schnell beeindrucken. :)

Marah hatte Kevin ins Gebet genommen, auf seinen Bruder aufzupassen – sie sei ja bald wieder zuhause.

Das hat mich verwirrt, denn ich dachte, die Kinder seien mit Sven bei den Schwiegereltern. Du hast ja zwar diese Sternchen zwischen dem Spaziergang und der Barszene, aber, na ja, ich sag’s einfach.

wenn sie träumend die Wasserschneider beobachtete, die wundersamerweise über die Oberfläche flitzten,

Ich fände „wundersam“ schöner und auch präziser. Es ist ja nicht wundersam, dass sie über das Wasser flitzen, sondern wie sie es tun.

»Er hätte draufgehen können!

Meines Erachtens eine unglückliche Wortwahl, wenn Sven über den eigenen Sohn spricht (auch wenn er gerade in Rage ist). „Er hätte sterben können!“

»Kevin sagt, du hast die Nuttenschuhe getragen. Die hochhackigen Scheiß-Fick-mich-Schuhe!

Das klingt so, als hätte Kevin diese Worte gewählt, was mir unplausibel erscheint. „Ziehst du heute die Nuttenschuhe an, Mama?“ :)

Sven erschlaffte, als hätte man einen Stecker gezogen,

Finde ich etwas abgenutzt, diesen Vergleich.

Sehr gern gelesen!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber hell, zufällig habe ich gerade Peeperkorns Komm angefangen zu lesen, eine Gelegenheit, mal ganz schnell was zu dem ersten Abschnitt loszuwerden.
Mir ging das ganz genauso mit dem Fischebild wie ihm, es war mir nur nicht wirklich klar, was mich die ganze Zeit gestört hat, bevor er es ausgeführt hat. Daher will ich jetzt genau passend mal einen kleinen Kreischer loslassen: Ich seh das auch so.

Du brauchst einerseits einen Satz, weil es platt klingt, wenn nach dem Schnitt und Marahs Nichtfühlen einerseits und Svens Ruf andererseits nichts steht.

Marah fühlte nichts, als sie sich schnitt. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie ein Schwarm Fische, in dessen Flanken große Räuber schossen.
»Um Gottes willen!«
Nur dein Zwischensatz bezieht sich irgendwie nicht präzise genug. Das Durcheinanderwirbeln (und die Fische - egal ob Makrelen oder sonstwas) steht im Gegensatz zum Nichtfühlen. Man versteht erst mal nicht, ob du die Diskrepanz meinst zwischen dem Nichtspüren des körperlichen Schmerzes und dem Entsetzen darüber, dass man nichts spürt. Oder ob du meinst, dass sie nichts fühlt, weil sie in Gedanken ganz woanders ist. Dann würde aber normalerweise der Inhalt des Gedankens folgen. Oder die Tatsache, dass die Gedanken ständig so wirbeln, ohne einem bestimmten Inhalt zu folgen. Das wird aber im weiteren Verlauf nicht aufgegriffen. Das heißt, das starke Bild verpufft dann. Später wird zwar klar, wenn sie wahrnimmt, wie das Blut auf das Holz ist und die Zwiebelstückchen im Rot rumschlieren (übrigens eine echt geile Stelle), dass sie (ganz allgemein gesprochen) gar nicht gemerkt hat, dass sie sich geschnitten hat, sondern abgelenkt war vom Wirbeln ihrer Gedanken. Da weiß man dann zwar Bescheid, aber irgendwie ist man irritiert. Vor allem, weil danach das Wirbeln nicht mehr wirklich auftaucht. Wenn sie immer wieder in einer Gedankenschleife wäre oder sich innerlich immer wieder ganz vieles abspielt, und sie äußerlich dabei überruhig wirkt, dann würde das Fischebild einen durchtragen, im Moment wirkt es isoliert.
(Ich krieg an dem Beispiel so ein kleines Gefühl für den Satz mit den Nächten aus der Eisberggeschichte, da hatten viele glaube ich ein ähnliches Problem wie ich jetzt gerade :D )
Das wollte ich nur mal loswerden.

Aber jetzt muss ich erst mal zurück zur Challenge, ein bisschen Land gewinnen beim Lesen und Kommentieren. Aber ich komme bestimmt wieder. Weil ich die Geschichte klasse finde. Wollte ich auch nur schon mal loswerden.

Bis dahin
und viele Grüße von Novak

 

Lieber hell,

deine Geschichte hat wirklich gewonnen. Nun lese ich sie als ein sich entwickelndes Ganzes und kann der von dir gezeichneten Linie ohne Probleme folgen.
Nur zum Schluss wird es mir dann leider zu stark, was die von dir verwendeten Vergleiche und Bilder angeht:
- Badeöl gesellt sich zum Wasser
- fett wie Rohöl plumpst es hinein
- bevor es sich zu Mustern verästelt
- dunkelrote Schlieren, die wie feine Tentakel um sich greifen
- bis der Wasserstrahl sie verwirbelt

Das ist mir ein bisschen too much. Für mein Gefühl erschlägt ein Bild das andere.

Vorschlag:
Marah drückt die Kippe aus, geht ins Bad und lässt Wasser ein. Das Badeöl plumpst fett wie Rohöl hinein, bevor es sich zu Mustern verästelt. Wie gebannt starrt Marah auf die dunkelroten Schlieren.

Das würde mir reichen als eindrucksvolles Bild. Es ist natürlich eine sehr subjektive Sache, wie stark diese (wichtige) Szene ausgestattet sein sollte.

Ansonsten ist das - wie schon gesagt - jetzt ein wirklich gelungener Text.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: Warum hast du deinen Text nicht als 'Gegenwind'-Geschichte eingestellt?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Peeperkorn,


bitte entschuldige die späte Rückantwort - du weißt sicher, wie es manchmal sein kann.


Ich finde das einen guten Text, den ich sehr gerne gelesen habe. Hat mich an die „Rote Wüste“ von Antonioni erinnert.
Wenn das mal kein Einsteiger ist! Hat mich schon mal sehr gefreut.

Die Ratschläge von @Kellerkind und anderen waren meines Erachtens Gold wert, jetzt empfinde ich den Text als sehr rund. Denn nachdem du das Grelle, den Tod des Kindes, aus dem Text entfernt, auch das Ende abgeschwächt hast, kann sich der Kern der Geschichte viel besser entfalten.
Ja, das sehe ich auch so. Das Forum hier ist Gold wert; die Menschen, die dahinter stehen, sind es.

Ich fand die Prota nicht unsympathisch, falls dich das interessiert, ich konnte sie gut verstehen, auch nachempfinden, was sie bewegt, oder eben nicht bewegt.
Klar, das interessiert mich sehr, danke fürs Feedback; freut mich, dass du sie nicht unsympathisch empfunden hast - so wollte ich sie auch nicht zeichnen. Dass sie unterschiedlich wahrgenommen wird, ist aber schon in Ordnung so, ich finde das sehr interessant auch.

Ich habe ein paar Stellen mitgebracht. Da ist mehr Kritik als Lob drin, aber nur, weil ich Zeit sparen wollte und ich weiss, dass du das einordnen kannst.
Aber klar, nur her damit! Das hilft mir ja weiter. Gerade bei diesem Text, der mir irgendwie recht schwer gefallen ist.

Da gab es viele Stellen, die mir gut gefallen haben, aber am besten vielleicht der gesamte Ton der Geschichte, irgendwie habe ich da eine recht intensive Ahnung von diesem Schleier bekommen, der über Marah liegt, und das hat auch mit dem Erzählton zu tun.
Das freut mich ganz besonders. Für mich ist der Ton in Geschichten meist entscheidend.

Ich finde die Idee sehr gut, mit diesem Schnitt zu beginnen, mit der Aussage, dass Marah nichts fühlt, das ist eine schöne thematische Einleitung. Mit dem zweiten Satz habe ich allerdings Schwierigkeiten und zwar aus mehreren Gründen. Und dies, obwohl, oder gerade weil ich das Bild, das du hier entfaltest, sehr mag. Und obwohl ich weiss, dass du zwischen dem ersten Satz und Svens Ausruf noch einen Satz brauchst, tempotechnisch.
Oh je, selten ist mir ein Anfang so schwer gefallen ... Der erste Satz stand schon sehr früh fest (zumindest in etwa), die darauf folgenden ... ach ... war ziemlich zermürbend, ich hab' da so lange dran rumgeschraubt und war nie wirklich zufrieden. Jetzt bin ich nochmals ran - mal sehen ...

Marah zuckte zusammen, sah verschwommen Sven in die Küche eilen.
Verschwommen Sven gefällt mir nicht so recht, ich gerate beim Lesen ins Stocken. Sven verschwommen klänge besser, ist aber inhaltlich irreführend. Vielleicht: sah verschwommen, wie Sven in die Küche eilte?
Danke.

Die abgeschnittenen Zwiebelstückchen, deren Saft in Schlieren das Rot verwässerte.
Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Das Blut tropft ja auf die Zwiebelstückchen. Dass die so viel Saft entwickelt haben, dass das Blut verwässert wird, von unten her gewissermassen, also solche Zwiebeln kenne ich nicht. Ich finde auch den Ausdruck „In Schlieren das Rot verwässern“ etwas arg zusammengepresst.
Weiß nicht, ob das vielleicht ein komisches Darling von mir ist - also ich verstehe, dass du nicht recht klar kommst, aber ich kann und will mich (noch :)) nicht davon trennen. Für mich passt das schon, auch wenn das en détail vielleicht nicht ganz sauber ist. Nehme ich (vorerst) in Kauf.

Kevin und sein kleiner Bruder stürmten in die Küche. Er legte die Briefchen mit den Kompressen und das Desinfektionsfläschchen auf den Tisch.
Niklas, der Jüngere, umklammerte seinen Lieblingsaffen. »Mama ...« Er streckte ihr den Affen entgegen und schob die Unterlippe nach vorne.
„Der Jüngere“ kannst du streichen, das ist bereits klar. Ich würde mir sogar überlegen, den Leser selbst erkennen zu lassen, wer von den beiden der Jüngere ist. Hast du ja eigentlich sogar schon. Der mit dem Plüschtier ist der Kleine.
Das sind so tolle Hinweise. Mit so was kann man mir echt 'ne Freude machen :). Kleinigkeiten eigentlich, die ich aber sehr wichtig finde. Bin ich sehr dankbar für - gerade solche Dinge entgehen mir in der Betriebsblindheit zuweilen. Das ist enorm hilfreich, bringt mich voran, lieben Dank!

Für sie klang es immer so, als hielte er einen seiner Vorträge, doch Niklas kicherte.
Ich glaube, das „immer“ kann weg.
"Immer" ist Geschichte.

Sie mochte es, wenn er kicherte, und sie war froh darüber, dass Sven den Job übernahm.
Ich weiss nicht. Das klärt natürlich die Ambivalenz, die du aufgebaut hast, löst aber auch die Spannung, die dadurch entstanden ist. Also, die Vorlesestimme negativ, das Kichern positiv, das sagt doch schon sehr viel aus, das entsteht eine Irritation beim Lesen und ich würde bei solchen Stellen austesten wollen, ob die Irritation nicht besser noch etwas erhalten bliebe.
Ja, vor allem die Ambivalenz war mir wichtig - vermutlich hast du recht. Darüber muss ich aber noch etwas nachdenken.

Das Tablet tauchte den Raum in kaltes Licht.
Das schafft ein Kindle nicht.
Ist halt ein Paperwhite, nein, diese Tablets heißen doch auch Kindle, nicht? Kindle Fire, meine ich. Die schaffen das :).

Marah drehte sich zur Seite, die Knie wie ein Embryo hochgezogen.
Finde ich spannend. Das kenn ich gut. Du hast eine Geste, eine Bewegung oder Körperhaltung und du möchtest, dass das richtig interpretiert wird. Hier: Regression, Schutzbedürftigkeit etc. Daher schreibst du noch Embryo hin. Ich will das an dieser Stelle nicht kritisieren, hat mich nicht gestört. Wollte nur darauf aufmerksam machen. Wieder die alte Frage, wieviel man dem Leser zutrauen / zumuten möchte.
Und diese Frage gut beantworten ist die Kunst. Ich lasse das hier erst mal. Aber genau das sind wichtige Fragen, die mich als Autor immer wieder herausfordern, ja. Ich finde das sehr spannend auch.

Sie schnippte sie unaufgeraucht über die immergrüne Hecke und flüchtete zurück ins Warme.
Hässliches Wort, finde ich. Brauchst du es?
Ja, nein, brauche ich nicht, also gut, weg damit - Friedel hat das schon gestört.

Claudia saß ganz hinten in der Bar, auf der mokkafarbenen Bank mit den hohen Lehnen, eine Karaffe Wein und ein halb gefülltes Glas auf dem Tisch.
Da fehlt m.E. ein „standen“. Also, das ist nur so eine Gefühlssache.
Und bei der folge ich dir einfach mal. Hast mir das mit dem Beispiel auch leicht gemacht.

Der So-männliche-Typ von gestern setzte sich zu ihr an den Tresen und strich sich über den schmucken Bart.
Ich mag das Wort nicht und wenn, dann würde ich es eher ironisch verwenden.
Okay, ganz ehrlich, ich wollte auch ein wenig Ironie mit rein bringen - schon wegen dem "So-männlichen-Typen". Sollte auch wieder die Ambivalenz in Marah andeuten. Ich hab's aber (vorerst) rausgeschmissen - ist vielleicht auch too much.

Seine Finger zeigten unbeeindruckt in ihre Richtung
Jawohl, Finger lassen sich nicht so schnell beeindrucken.
Ha ha. Danke.

Marah hatte Kevin ins Gebet genommen, auf seinen Bruder aufzupassen – sie sei ja bald wieder zuhause.
Das hat mich verwirrt, denn ich dachte, die Kinder seien mit Sven bei den Schwiegereltern. Du hast ja zwar diese Sternchen zwischen dem Spaziergang und der Barszene, aber, na ja, ich sag’s einfach.
Denke ich darüber nach - hat was mit Kürzungen im Text zu tun. Wäre natürlich blöd, wenn das jetzt raushaut.

wenn sie träumend die Wasserschneider beobachtete, die wundersamerweise über die Oberfläche flitzten,
Ich fände „wundersam“ schöner und auch präziser.
Hab' ich geändert, danke.

»Er hätte draufgehen können!
Meines Erachtens eine unglückliche Wortwahl, wenn Sven über den eigenen Sohn spricht (auch wenn er gerade in Rage ist). „Er hätte sterben können!“
Kauf ich.

»Kevin sagt, du hast die Nuttenschuhe getragen. Die hochhackigen Scheiß-Fick-mich-Schuhe!
Das klingt so, als hätte Kevin diese Worte gewählt, was mir unplausibel erscheint. „Ziehst du heute die Nuttenschuhe an, Mama?“
Deshalb hatte ich mal drei Pünktchen davor, um anzudeuten, Sven interpretiere die Worte Kevins, bis mir Kubus (zu recht) geraten hat, sie könnten weg. Jetzt habe ich das deutlicher gemacht.

Sven erschlaffte, als hätte man einen Stecker gezogen,
Finde ich etwas abgenutzt, diesen Vergleich.
Ja, stimmt schon. Fällt mir bestimmt noch ein besserer ein.


Peeperkorn, die lobenden Passagen kopiere ich jetzt nicht alle ins Antwortschreiben, ich habe sie aber nicht überlesen - im Gegenteil.
Auch:

Sehr gern gelesen!
Das nicht!


Vielen lieben Dank, hast mir wieder mal sehr geholfen, dir wieder viel Zeit für meinen Text genommen. Ich weiß das sehr zu schätzen!


Lieber Gruß retour


hell


Fortsetzung folgt ...


Oh weh, Gefrierpunkt, jetzt habe ich dich übersprungen. Entschuldige bitte.


mir hat das Ende vorher besser gefallen.
Für mich war nicht klar, dass sie stirbt, ich hatte die Szene so interpretiert, dass (wie in der ersten Szene auch) jemand reinkommt.
Und ich wusste nicht, was wäre denn jetzt schlimmer für Marah, zu sterben oder gerettet zu werden, weiterleben zu müssen? Das hat auf so eine endgültige Art deutlich gemacht, dass Marah gescheitert ist.
Ja, ich verstehe das - so war es auch intendiert, allerdings finde ich, durch die Abmilderung verliert der Text als Ganzes nicht - für mich hat er hinzugewonnen.
Sind halt so Entscheidungen, die man als Autor trifft/ treffen muss - ich denke, es bleibt nicht aus, dass das dann kontrovers quittiert wird.

Hat mir das Gefühl gegeben, dass das von Anfang an unvermeidlich war, dieses totale Zerbrechen, und dass es eben auch zum Teil unabhängig davon war, was in deiner Geschichte passiert ist.
Ich mag die Lesart.
Ich finde, man kann das auch in der aktuellen Version so sehen - da ändert sich nichts.

Jetzt ist es die Geschichte einer Frau, die nicht dankbar genug für das ist, was sie hat, fremdgeht, und deswegen ihr Kind verliert. Mal überspitzt ausgedrückt. Will sagen: da ist jetzt (leider) ein moralischer Zeigefinger.
Den moralischen Zeigefinger habe ich nie hochhalten wollen, den hätte man mir aber auch vorher schon unterstellen können, wenngleich ich dazu sagen muss, dass ich definitiv denke, dass der Leser dann etwas hineininterpretiert :).


Gefrierpunkt, schön, dass du nochmals reingeschaut hast. Hat mich sehr gefreut, vor allem, dass du dich so intensiv mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast!


Gruß


hell


Hey Bas,


Mann! Auch dich habe ich übersprungen - verzeih das bitte.


ich beobachte hier immer öfter das Phänomen, dass ich praktisch nichts zu einer Geschichte zu sagen habe, obwohl es so viel zu sagen gäbe. Auch hier wieder: Ich kann nur staunen.
Kannst dir denken, dass mir dein Komm den Tag versüßt hat, hm?!

Die Kinder machten sich bettfertig, Kevin motzte mal deswegen nicht, Abend für Abend verschlang er die neuen Mangas, die ihm sein Vater geschenkt hatte.
Kevin motzte mal deswegen nicht – hm. Klingt sehr unrund, find ich.
Finde ich auch, Bas, und es ärgert mich. Das sind so Dinge ... Ich werde auf Unsauberkeiten aufmerksam gemacht, ändere holterdipolter etwas im Text und verschlimmbessere das Ganze nur. Ich muss mal lernen, dass ich mir diesbezüglich mehr Zeit geben muss.

und Sven war sie dankbar, dass er den Job übernahm.
Das ist nicht falsch, aber irgendwie hat es mich irritiert … Das klingt wie ein falsches »Und Sven war ihr dankbar« (auch, wenn es das natürlich nicht aussagen soll). Ist das nachvollziebar?
Absolut, hab ich geändert, danke.

Er lebte in Berlin, Marah musste lachen, als sie erfuhr, dass sie nur drei Straßen entfernt von seiner Wohnung in Charlottenburg gewohnt hatte.
Fände den Satz irgendwie runder, wenn es »Marah musste lachen, als sie erfuhr, dass er nur drau Straßen entfertn von ihrer Wohnung in Charlottenburg ...« heißen würde.
So auch hier, danke.

Dein »Schnitt« ist quasi »Riskante Träume 2.0«, was den Klang angeht. Auch die Sehnsucht, das Fremdsein der Protagonisten in der eigenen Welt kommt mir sehr bekannt vor. Das scheint dir zu liegen, denn dein »Schnitt« ist kein billiger Abklatsch, sondern eine ebenso wunderbare Geschichte mit echten Menschen und einer ganz besonderen Atmosphäre, in der man einfach nur versinken möchte – auch, wenn sie einen manchmal erschüttert.
Das will ich jetzt einfach zitieren - freut mich ungemein, Bas!
Auch, dass dir die Bilder gefallen, das mit dem Hell-Sound :). Einfach schön!


Es war mir eine Freude.
Und mir erst!


Lieben Dank für den schmeichelhaften Kommentar, deine hilfreichen Anmerkungen ... Ach, für alles halt!


Sei herzlich von mir gegrüßt


hell

 

Hey Novak,


Daher will ich jetzt genau passend mal einen kleinen Kreischer loslassen: Ich seh das auch so.

Du brauchst einerseits einen Satz, weil es platt klingt, wenn nach dem Schnitt und Marahs Nichtfühlen einerseits und Svens Ruf andererseits nichts steht.

Ja, deine Ausführungen sind absolut nachvollziehbar für mich - ihr habt ja recht.
Ach, ich weiß auch nicht - ist komisch irgendwie, der Anfang fiel/ fällt mir echt schwer diesmal (also noch schwerer als sonst :)). Keine Ahnung. Ich habe das schon mal geschrieben, der erste Satz stand recht früh fest, bei dem (den) nächsten sah's schon anders aus. Ich war ja selbst nicht zufrieden, war (bin) nicht zu 100% sicher, nicht mal zu ... ähm ... 70%? Gut, dass ihr da die Finger in die Wunde gelegt habt.
Also nur zu, Dazwischenkreischen lässt mich aufschrecken und in die Pötte kommen :). Danke dafür!

(Ich krieg an dem Beispiel so ein kleines Gefühl für den Satz mit den Nächten aus der Eisberggeschichte, da hatten viele glaube ich ein ähnliches Problem wie ich jetzt gerade )
Ha ha, ja, der stand recht isoliert da, fand ich - glaube ich - auch, wenn ich mich recht entsinne.

Das wollte ich nur mal loswerden.
Gut so, danke Novak.

Aber ich komme bestimmt wieder. Weil ich die Geschichte klasse finde. Wollte ich auch nur schon mal loswerden.
Das würde mich freuen, echt, und so schön auch, dass du die Geschichte klasse findest :shy:.


Herzlichen Dank für den aufrüttelnden Zwischenruf, der mich sehr gefreut hat!


Lieber Gruß


hell


Liebe barnhelm,


... deine Geschichte hat wirklich gewonnen. Nun lese ich sie als ein sich entwickelndes Ganzes und kann der von dir gezeichneten Linie ohne Probleme folgen.
Ich sehe das auch so. Deine Einschätzung erleichtert, freut mich sehr.

Das ist mir ein bisschen too much. Für mein Gefühl erschlägt ein Bild das andere.
Das Bild gegen Ende - ja, ich verstehe schon. Mein Bauch sagt mir noch, das gehe so, weil das ... hm ... vielleicht weniger ein Bild, sondern eine Art (Film-)Sequenz ist, wie eine Animation im GIF-Format oder so. Also ein Bild, dass sich zwar verändert, jedoch innerhalb eines gleichbleibenden Rahmens. Ach, keine Ahnung, ob ich das richtig erkläre ... Aber ich überdenke das noch mal, da sollte ich vielleicht doch etwas zurückfahren. Mal sehen ...

Ansonsten ist das - wie schon gesagt - jetzt ein wirklich gelungener Text.
Wie schön, das freut mich.


Liebe barnhelm, toll, dass du nochmals reingeschaut hast, um mir ein kurzes Feedback nach der Überarbeitung zu hinterlassen. Das ist ungemein hilfreich. Herzlichen Dank!


Lieber Gruß


hell


PS: Den Text hatte ich schon grob vor der Challenge im Hinterkopf - ich wollte nicht, dass das Thema/ die Vorgabe Einfluss auf die Geschichte nimmt. Ich glaube, es wäre eine andere geworden.
Einen Challenge-Text habe ich noch in der Schmiede, nein, die ersten zwei Seiten erst ... Ich fürchte aber, das wird (aus Zeitgründen) nix mehr. Na ja ... mal sehen.

 

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