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Ein letztes Stück, dann gehe ich schlafen.
Das Feuer flackert schwach, die letzte Flamme kämpft nur noch mühselig ums Überleben. Vom Bett aus kann ich es genau sehen und will ihm eine letzte Chance geben. Ich lege die Entfernung von nur zwei Metern zurück, greife in die Holzkiste, die neben dem Ofen steht und nehme noch ein Stück daraus. Ein letztes Stück, dann gehe ich schlafen.
Der letzte heiße Lufthauch schlägt mir entgegen als ich die Ofentür öffne. Vorsichtig platziere ich den Holzscheit auf der Glut, verschließe den Ofen wieder und lege mich zurück in mein Bett. Das Feuer holt tief Luft, es beginnt druckvoll zu rauschen und ich mache es mir bequem.
Das Metall des Ofens knackt und ich fühle die Wohligkeit, die mich durchdringt. Die Flamme gewinnt an Kraft, baut sich auf, umschließt das Stück Holz, das ihr das Leben zurück gegeben hat. Es ist eine Liebeserklärung, die sich da hinter dem Ofenfenster preisgibt. Das Stück Holz beginnt zu glühen und die Flamme wächst.
Mein Blick löst sich vom Ofen und wandert im Raum umher. Um mich herum ist es still bis auf das Knacken des Ofens und das leise Surren der Nachttischlampe, die neben mir steht. Ich will schon so lange eine neue Glühlampe dafür kaufen.
Meine Augen bleiben am Bücherregal haften. Es steht etwa einen Meter neben dem Ofen und ich habe mich schon lange nicht mehr darin umgeschaut. Viele noch ungelesene Werke befinden sich darin, viele Gedanken, denen ich bislang keine Zeit gewidmet, keine Beachtung geschenkt habe. Ich habe beinahe ein schlechtes Gewissen wegen der Menschen, die die Bücher, die hier in meinem Regal noch völlig unberührt ihr Dasein fristen, im Saft ihrer eigenen Zerrissenheit geschrieben haben. Ich schelte mich respektlos dafür, dass ich sie noch nicht gelesen habe.
Ich beruhige mein Gewissen mit dem Gedanken, dass ich gleich morgen eines zu lesen beginnen werde und scrolle meine Augen wieder einen Meter nach links Richtung Ofen.
Die Flamme hat ihre Leidenschaft gegen eine sanfte Umarmung eingetauscht. Das Stück Holz glüht nicht mehr so pulsierend. Es hat sich der Umarmung der Flamme hingegeben und gleichsam ihrem Schicksal.
Mein Blick wandert ein paar Meter nach links zum Küchentisch, den ich vom Bett aus sehen kann. Darauf stehen noch zwei Gläser. Er war heute Abend bei mir. Ich hatte mich gefreut ihn zu sehen, wir tranken Wein und lachten ein wenig aber eher verhalten als ausgelassen, und dann sagte er mir, dass es das letzte Mal war, dass wir gemeinsam gegessen, Wein getrunken und gelacht haben werden.
Ich richte meine Augen wieder auf den Ofen. Die Flamme kämpft nur noch mühselig ums Überleben. Aber ich will ihr eine letzte Chance geben. Ich lege die Entfernung von nur zwei Metern zurück, greife in die Holzkiste, die neben dem Ofen steht und nehme noch ein Stück daraus. Ein letzte Stück, dann gehe ich schlafen.