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Ein Kindlein unterm Weihnachtsbaum

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25.11.2007
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Ein Kindlein unterm Weihnachtsbaum

Da war sie fort. Die Frau mit dem Pferdegebiß hatte sich für das kleine Mädchen mit der lustigen Schleife im Haar entschieden, das ich so gerne mitgenommen hätte.
Die Auswahl war nun nicht mehr sehr groß. Da war der Junge mit den roten Haaren. Er hatte niedliche Sommersprossen und lustige Ohren, aber seine Nase tropfte. Das war eklig.
Dann waren da noch das Kind mit dem verunstalteten Gesicht, ich wußte nicht, ob Junge oder Mädchen – und der dünne Bimbo-Bub.
"Aus Afrika?", wollte ich wissen.
Der Wärter schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich kaum. Wir haben ihn an der Autobahnraststätte gefunden. Wahrscheinlich ein US-Army Kind."
"Army, heh?"
"Kein Problem, mein Herr. Er hat bereits Erfahrung und ist nicht schwer zu führen. Letztes Jahr war man sehr zufrieden mit ihm."
"Nun, die Auswahl ist ja nicht mehr groß." Es war bereits vierzehn Uhr. "Die Schnäppchen sind wohl schon alle weg."
Der Wärter verzog die Augenbrauen. "Ach, sagen Sie soetwas nicht. Negerbuben sind recht beliebt. Stellen Sie sich doch mal vor: Der Kleine unter Ihrem Tannenbaum. Das hat doch etwas ungeheuer Soziales."
Ich willigte ein.

"Sehen Sie, wenn Sie ein bißchen an der Leine rucken, dann folgt er Ihnen ganz von selbst." Der Bub trottete hinter dem Wärter her. "Hier nehmen Sie." Er gab mir die Leine.
Ich ging ein paar Schritte zu meinem Auto hin. Der Junge folgte mir wie von alleine.
"Sehr gut machen Sie das."
"Und wenn er plötzlich stehen bleibt?"
"Mein Gott, der Bub wiegt doch nichts. Den können Sie überall hin mitschleifen."

Ich öffnete die Autotüre und schob den Jungen auf den mit Zeitungen ausgelegten Sitz. Er leistete überhaupt nicht viel Widerstand und setzte sich in Fahrtrichtung. Eigentlich hätte ich ihm auch den Gurt anlegen müssen, aber ich war froh, daß soweit schon alles so gut gegangen war und wollte es nicht beim erstenmal nicht übertreiben.
Ich fuhr los.
Die Fahrt verlief recht unproblematisch. Er blieb ruhig sitzen und faßte nichts an. Ich hatte nicht den Eindruck, daß er die Zeitungen beschmutzte. Auch sein Körpergeruch war erträglich. Ich konnte mir zunehmend vorstellen, daß der Junge gebadet und mit Drogen ruhiggestellt worden sein konnte. Der Service war zufriedenstellend.
Als der Junge aussteigen sollte, wurde er ein bißchen bockig. Als ich an der Leine zog, drehte er den Kopf zur Seite und blieb sitzen. Schnell ruckte ich an der Leine und beförderte den Jungen aus dem Wagen. Als kleine erzieherische Maßregel zog ich das Halsband etwas enger an. Der Junge schnappte ein bißchen nach Luft, folgte mir dann aber bereitwillig in die Wohnung.
Gerne hätte ich den Buben einfach im Wohnzimmer abgestellt, um den Tannenbaum aus dem Schuppen zu holen, aber dann hätte ich damit rechnen müssen, ihn niemals wieder zu sehen und die ganze Mühe, die ich mir mit ihm gemacht hatte, wäre umsonst gewesen.
Als ich die Leine an der Heizung anbinden wollte, begann der Junge zu zappeln. Ein paar gedrückte Laute kamen aus seiner eng geschnürten Kehle. Das war verständlich. Der Kleine war noch etwas ängstlich und all die vielen fremden Dinge in meiner Wohnung mußten ihn doch arg nervös gemacht haben. Ich hatte so etwas schon befürchtet und ein großes Glas voll Baldrian vorbereitet. Das Schlucken fiel ihm etwas schwer.

"Nun schau mal, was ich hier habe", sagte ich, als ich den Tannenbaum ins Wohnzimmer schleppte. "Ooooh! Ein Tannenbaum!"
Der Junge saß an die Heizung gelehnt und blickte mit verdrehten Augen zur Decke.
"Na guck doch mal, wie schön der ist!"
Der Junge reagierte nicht. Mit einem Paar strahlender Kinderaugen hatte ich in diesem Moment schon gerechnet. Ich begann zu verstehen, daß sich die Augen von schwarzen Kindern nicht besonders zum Strahlen eigneten.
"Na dann wollen wir mal anfangen, den Baum zu schmücken." Der Bengel starrte weiter apathisch zur Decke. Sein Gesicht hatte eine dunkelgrüne Farbe angenommen. Ich ließ mich nicht provozieren und öffnete die Schachtel mit den Weihnachtskugeln. "Ooooh, wie schön die funkeln."
Das Lametta hatte einen lila Farbton. Das verlieh dem Baum etwas geradezu spirituelles und bildete einen lustigen Kontrast zu den blauen Elektrokerzen.
"So, jetzt schau aber mal her." Ich schaltete die Kerzen ein. "Das ist doch mal ein Anblick. Na was sagst du?"
Als ich zur Heizung blickte, stellte ich fest, daß der Junge inzwischen mit dem Rücken auf dem Fußboden lag. Anstelle mir zu antworten, gab er ein heiseres Röcheln von sich. Meine Geduld war aufs Äußerste strapaziert. Ich löste die Leine von der Heizung, packte ihn und setzte ihn unter den Tannenbaum. Mehr konnte ich nicht mehr tun. Er kippte zur Seite und legte sich aufs Ohr.

Ich hatte aufgehört, mich zu ärgern. Mit einem Gläschen Wein und einem Teller voller Weihnachtsgebäck machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich. Ein wenig Licht im Dunkel des Lebens dieses Buben hätte es werden sollen, aber mir wurde immer bewußter, daß das schwachsinnige Kind sein Schicksal nicht anders verdient hatte. Wäre es mein Sohn gewesen, ich hätte ihn ebenfalls an der Autobahnraststätte abgesetzt.
Ich legte eine Cassette mit Weihnachtsmusik in den Rekorder und schenkte mir ein weiteres Glas ein. Ich ging nicht mehr davon aus, daß der Junge dazu zu bewegen gewesen wäre, selbst ein Liedchen anzustimmen. "Was habt ihr überhaupt für Weihnachtslieder in Afrika?" Es war mir längst egal.

Es war dem Wein zu verdanken, daß trotzdem ein wenig sentimentale Weihnachtsstimmung aufkommen konnte. Als mir das süße Weihnachtsgebäck überdrüssig geworden war, nahm ich den Teller und legte ihn vor den Jungen unter den Tannenbaum. Es war ein so armselig dünnes Bimbo-Kind. Sollte auch er sich einmal richtig sattessen.
Er aß nicht. Schüchtern blieb er unter dem Tannenbaum liegen.
Da wurde es mir warm ums Herz. Ich brach einen Keks in kleine Teile, tunkte ihn in den Wein und fütterte den armen Wurm. Er konnte sein Glück kaum fassen, nagte und saugte ein bißchen an dem Gebäck und schob es mit der Zunge wieder aus dem Mund, so daß es langsam an seinem Kinn hinunterschleimte und dann zu Boden fiel. Das konnte meine Weihnachtsstimmung nicht mehr trüben. Mir wurde klar, was die selbstlose Liebe eines Erwachsenen für ein Kind bedeuten konnte. Wäre er kein schwarzes Kind gewesen, ich hätte ihn drücken können.

"Und, hat Ihnen der Junge Freude bereitet?"
"Das kann man wohl sagen. So ein Bimbo-Kind unter dem Tannenbaum macht wirklich sehr viel Weihnachtsstimmung."
"Na, sehen Sie", der Wärter lächelte. "Was habe ich Ihnen gesagt."
"Ich glaube, man muß es einfach selbst erlebt haben, was Kinder einem für eine Freude bereiten können."
"Mit Sicherheit, so wird es sein."
Voller Vorfreude dachte ich bereits an das nächste Jahr. "Kann ich ihn für das kommende Weihnachtsfest schon einmal reservieren lassen?"
Der Wärter blickte ein wenig verstohlen zur Seite. "Ich fürchte, das wird kaum möglich sein." Er faltete seine Hände. "Aber mit Sicherheit läßt sich ein anderes Negerkind für Sie finden."
"Wissen Sie, ich habe ihn aber schon so richtig ins Herz geschlossen.", entgegnete ich.
"Sie werden den Unterschied kaum merken. Bei den Negern ist ein Kind wie das andere."
Ich rieb mir die Hände. "Nun gut", sagte ich. "Abgemacht!"

 

Das hat für mich nichts mit Satire zu tun.
Das ist einfach mit das Geschmackloseste, was ich je gelesen habe und im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen.

Wow :thumbsup:

Jedenfalls danke, dass Du Dir Zeit genommen hast, Dich mit dem Text zu befassen. Ich weiß das zu schätzen.

 

Hallo findur,

mal alle offensichtlichen Geschmacklosigkeiten beiseite -
es ist mir voellig schleierhaft, was hier satirisch auf den Arm genommen werden soll.
Weihnachten?
Adoptionen aus Afrika?
Sklavenhalter?


Da kommt ausser Schock irgendwie nichts rueber.

sammamish

 

Hi findur,
Nur ein kurzes Statement von mir:
Mit zunehmender Länge Deiner Geschichte konnte ich es immer weniger glauben, was Du da beschreibst. Nicht nur, weil ich für Kinder in Afrika sozial engagiert bin und mir das Thema daher persönlich nahe geht, bin ich ziemlich abgetörnt von Deiner KG. Man kann sich über viele Dinge satirisch äußern, bestimmt, aber das finde ich menschenverachtend und gar nicht lustig.

Giraffe.

 
Zuletzt bearbeitet:

es ist mir voellig schleierhaft, was hier satirisch auf den Arm genommen werden soll.

Ich mag es normalerweise nicht sehr, eigene Geschichten zu erklären, denn das nimmt ihnen die Würze. Auch meine ich, dass gerade diese Geschichte aufmerksam gelesen selbsterklärend sein dürfte. Hier dennoch ein paar Worte mehr über den satirischen Hintergrund, den ich bei diesem Text sehe:

Ich beschreibe eine recht armselige erwachsene Person gemäßigten Bildungsstandes mit gut bürgerlich etablierten leicht rassistischen Tendenzen, die sich zur Unterhaltung für das Weihnachtsfest bei einer Agentur ein Kind mietet. Unter fadenscheinigen Fragmenten von sozial motivierten Begründungen dient die Dienstleistung offenbar nur den Bedürfnissen des Erwachsenen, während das Kind in jeder Hinsicht in eine Objektrolle gedrängt wird. Dementsprechend unsensibel stehen im Verlauf der Geschichte auch nur die Bedürfnisse der erwachsenen Person im Vordergrund, das Kind selbst wird als Subjekt völlig verneint. Dies gipfelt darin, dass es der erwachsenen Person am Ende nicht einmal bewusst wird, dass das Kind stirbt.

Die Satire liegt in der völlig überzogen dargestellten Objektrolle, die Kinder vielerorts in unserer Gesellschaft einnehmen. Wir haben Kinder als Statussymbole, als Wohnungsinventar und Kinder sind der Besitz der Erwachsenen. Dies ist zum Beispiel im Kinder- und Jugendhilferecht zu erkennen, in dem das Recht der Eltern auf Erziehung der Kinder beschrieben wird, nicht aber das Recht des Kindes auf die Erziehung der Eltern. Es geht in der Geschichte um vermeintlich soziale Aktivitäten von Erwachsenen, die sich oft nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientieren, sondern vielmehr dazu geeignet sind, das eigene Gewissen zu beruhigen oder den gesellschaftlichen Status aufzupolieren. Und natürlich geht es auch um das weihnachtliche Bild einer heilen Welt, das auch dann subjektiv zu bestehen bleiben hat, wenn das Szenario bei nüchterner Betrachtung genau das Gegenteil darstellt.

Und nicht zuletzt hat es mir selbst unheimlichen Spaß gemacht diese drastische Geschichte zu schreiben.

Ich denke, dass man in einer Satire durchaus über Personen berichten darf, die sich menschenverachtend verhalten und man sollte dies ruhig auch auf die Spitze treiben. Dass innerhalb sehr kurzer Zeit einige tendenziell empörte Antworten geschrieben worden sind (manche Geschichten bleiben hier über Tage hinweg unbeantwortet) zeigt mir, dass mir diese Provokation gut gelungen ist.

Ich verschärfe diese Provokation noch dadurch, dass ich den Negativ-Held der Geschichte mit dem Erzähler gleich setze. Wird die Geschichte falsch verstanden, setze ich mich damit der Gefahr aus, als Autor mit dieser Person identifiziert zu werden. Auf der anderen Seite verleiht es solchen Geschichten eine besondere Würze, wenn sie von der unsympatischen Person selbst erzählt werden.

Nicht nur, weil ich für Kinder in Afrika sozial engagiert bin und mir das Thema daher persönlich nahe geht, bin ich ziemlich abgetörnt von Deiner KG.

Es kommt in der ganzen Geschichte kein einziges Kind aus Afrika vor.

 

Hallo findur!

Da ist meiner Meinung nach zuviel vermischt, als daß Deine Intention aufgehen könnte.
Es kommt zwar rüber, daß diese Person das Kind nur zur eigenen Befriedigung haben will, aber ich hätte das anhand Deiner Satire nie auf den allgemeinen Umgang mit Kindern gemünzt gesehen. Das klappt nicht, wenn Du solche Aussagen hineinpackst:

Wir haben ihn an der Autobahnraststätte gefunden. Wahrscheinlich ein US-Army Kind."
Dazu wird das Kind gegen Geld gemietet, was eher an Menschenhandel denken läßt.

Warum zeigst Du nicht einfach eine Familienweihnachtsfeier, die Du entsprechend überzeichnest? Ich stell mir zum Beispiel einen Vater vor, der brüllt: "Jetzt lach endlich, damit ich mein Foto machen kann!" Natürlich käme das gut aus der Sicht des Vaters oder der Mutter, weil Du dann die ich-bezogenen Gedanken schön einbringen kannst.
Gegen die Perspektive spricht gar nichts, aber gegen das kunterbunte Vermischen von Themen, die nichts miteinander zu tun haben. Bei einer guten Satire muß jedes Wort überlegt sein, sonst gibst Du dem Leser ein unlösbares Rätsel auf, wie Deine Geschichte im Moment eines ist. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Guten Tag, findur,

das ist unkorrekt, eklig, ausgesprochen böse, klug und saukomisch geschrieben und hat mir tausendmal besser gefallen als die Bankenkrisengeschichte. Die Stimmung ist ein bißchen wie Weihnachten mit dem kleinen Arschloch von Walter Moers.
Mißzuverstehen oder gar unverständlich fand ich nichts, aber auch rein garnichts. Wie auch, wenn es einem so zentnerdick in die Schnauze gehauen wird?
Meine Lieblingsstelle:

"Was habt ihr überhaupt für Weihnachtslieder in Afrika?" Es war mir längst egal.
Ganz, ganz arg.
Wenn das nicht Satire ist, dann weiß ich auch nicht. Besser noch: Es ist Satire, die man dem Fernsehpublikum nicht zumuten würde.
Aber weißt Du was? Wenn es nicht als Satire durchgeht, laß es doch nach Weihnachten verschieben.

Du hast hier finsteren Humor gezeigt, der Dir sicher noch kreuzweise um die Ohren gehauen wird, meine Solidarität und Anerkennung.
Gute Menschen lachen allerdings nicht über sowas; au contraire, im Handumdrehn hat man zehn -ismen am Hals, über die weiterhin zu lachen schon weniger einfach ist. Man will es sich ja nicht ganz verscheißen mit der Welt, das wäre ja, und noch dazu kurz vor Weihnachten ...!

In diesem Sinne eine gesegnete Adventszeit, Gott mit uns allen und freundliche Grüße,

Makita.

 

HI findur,

ich machs ganz kurz.
Deine Satire ist so böse und sau gut, dass mir nichts anderes übrig bleibt als zu sagen: Chapeau! Mehr davon!

Auf Rechtschreibung und Zeichensetzung hab ich überhaupt nicht geachtet, weil ich sofort in der Geschichte drin.

Super Satire!

lg neukerchemer

 

Tach Chef,

exzellente Satire, schöne, sehr stimmige Erzählstimme, die den Wahnsinn und die offenkundige - also dem Leser offenkundige - Bösartigkeit und Menschenverachtung, die in seinen Worten liegt durch süßliche Weihnachtssäuselei und eine stimmig angepasste Weihnachtsromantik darbietet.
Du brichst dabei manches Tabu und erregst die Gemüter, und ich bin der festen Überzeugung, daß Satire wenn sie gut ist, das soll und muss. Insofern ist Dir eine gute, wirklich böse Satire gelungen, die ich sprachlich vorzüglich finde, in den Bildern schmerzhaft und grausam deutlich, sie sitzt, wirkt und ist im besten Sinne fies. Oder halt Satire.

Man kann bei solchen Geschichten auf den Erzähler schiessen wollen, doch damit trifft man nur den Finger, der sich in die Wunde legt, die Wunde an sich bleibt offen und ist vorher da gewesen und wird auch nachher da sein.

Und gänzlich ohne Französisch und ohne Zitate der - vielen - mir ausgezeichnet gefallenden Stellen : well done

Trotzdem Textkram :

Er leistete überhaupt nicht viel Widerstand
finde ich stilistisch ungeschickt, weil Du dadurch dem "überhaupt" eine andere Bedeutung einräumst, als wenn Du schreiben würdest "leistet überhaupt keinen" oder "leistete nicht viel"
"Nun schau mal, was ich hier habe.", sagte ich,
keinen Punkt in der WR
Der Bengel starrte weiter aphatisch zur Decke.
apathisch
Ich legte eine Cassette mit Weihnachtsmusik in den Recorder
Kassette


Ganz mein Gusto, wirklich gelungen !

Coböse Seltsem

 

Da hast du uns wahrhaft etwas schwer Verdauliches auf den Gabentisch gelegt!

Das Böseste und Härteste an Satire, das ich je gelesen habe!

Der Text ist so Denk-und Gefühlsgrenzen überschreitend, dass ich lange mit mir gerungen habe, ob man DAS veröffentlichen darf.

Aber Satire bricht Tabus, auch die des guten Geschmacks.

Der krasse Gegensatz von menschenverachtender Handlung und rechtfertigender Interpretation des Geschehens durch den Protagonisten ist sprachlich nervtreffend dargestellt.


Gruß
Kathso

 

Der notwendige Zuspruch für Satire ist moralische Entrüstung. Insofern hast du diese Hürde mit deiner KG problemlos genommen. Ich finde, Satire darf das und noch viel mehr.

Rick

 

Nur eine wirklich gute Satire kann mir so ein fieses Grinsen ins Gesicht zaubern!
Tolle Geschichte! Evtl. sollte man diese Kategorie noch in
"VORSICHT! Satire" umbenennen. Einige schienen verwirrt, dass
ein Text böse sein darf....

Grüße
Mr.Pepino

 
Zuletzt bearbeitet:

Einige schienen verwirrt, dass
ein Text böse sein darf....
Was mich betrifft, ist es nicht das Böse, was mich stört, sondern die Undeutlichkeit, was genau satiriert wird.

Aber jetzt, wo der Autor seine Geschichte schon erklärt hat, wird ja sowieso keiner mehr zugeben, daß er nicht erkannt hat, worum es eigentlich gehen sollte, wie das bei den ersten - "verwirrten" - Antworten der Fall war. Ob das dann eine Hilfe für findur ist?

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo findur,

die Satire kommt bei den meisten, die sich hier zu Wort melden, gut an.
Bei mir weniger. Ich denke, dass hängt damit zusammen, dass ich selber Kinder habe und mit dem Thema farbige Kinderadoption mehrfach schon im Freundeskreis nahe am Thema dran war - also eine rein private Sache.

Als ich gestern morgen diesen Text gelesen habe, kam mir fast der Tee wieder hoch, weil mir das so nahe ging. Vielleicht ist das auch ein Kompliment für dich als Autor, wenn der Leser so ein großes Problem damit bekommt?

Ich denke, man hätte das Thema etwas subtiler angehen können, DAS wäre die Kunst des Schreibens für mich gewesen - das Kind muss ja nicht unter dem Weihnachtsbaum fast verrecken.

Wäre man so mit einem Hund umgegangen, hätten sich sicher auch ein paar Tierschützer gemeldet. Laut Statistik spenden mehr Deutsche für hilfsbedüftige Tiere als für den Kinderschutzbund - vielleicht wäre der Aufschrei hier noch größer gewesen?

Seis wie es will - an deiner Geschichte läßt sich wieder einmal gut ablesen, wie verschieden die Geschmäcker sind - ohne das zu werten. Mir war es einfach zuviel des Horrors, um noch an dem Text als solchen arbeiten zu wollen.

Viele Grüße
bernadette

 

Es geht in der Geschichte um vermeintlich soziale Aktivitäten von Erwachsenen, die sich oft nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientieren, sondern vielmehr dazu geeignet sind, das eigene Gewissen zu beruhigen oder den gesellschaftlichen Status aufzupolieren.
Hallo findur,

eigentlich ist es genau das, was ich in deiner Geschichte vermisst habe. Mein erster Gedanke beim ersten Lesen galt einer 50-jährigen Sängerin und der umstrittenen Adoption. Ich fand also durchaus ohne deine Erklärung gesellschaftliche Bezüge und störe mich nicht an der Bösartigkeit. Nur agieren mir deine beiden Figuren (der Verleiher und der Mieter des Kindes) zu offen. Sucht sich nicht gerade Eigennutz immer einen altruistischen Mantel des Erbarmens? Ich glaube, deine Satire könnte noch härter sein, wenn durch das soziale Selbstverständnis des Erzählers dessen Foltergelüste und dessen Befriedigung daran immer wieder durchbrechen würde. Würde er es also nicht aus Sorge um seine Wohnung oder darum, es könnte abhauen, an die Heizung ketten, sondern "aus Sorge um das Kind".

Soweit von mir
sim

 

Hallo Existence,

Aber so oder so geht's beim Leser schließlich nur um den politisch inkorrekten Umgang mit dem Thema "Schwarze".

Nein. Mich hat die Art und Weise geschockt, wie ein Mensch mit einem Kind umgeht - egal ob farbig oder Müllers Kevin von nebenan.

 

Hallo findur,
meine anfängliche moralische Entrüstung nach dem Lesen deiner Geschichte packte ich erst mal weg und holte mir einen Kaffee, dann las ich sie ein zweites Mal und verkniff mir schweren Herzens die Kommentare, deren Anzahl schon eine kontroverse Diskussion erahnen lässt. Meine unbeeinflusste Meinung: Satire hat so viele Möglichkeiten, doch ich finde, du hast einfach zu wenige genutzt. Die erste Hälfte ist eine fiese Beschreibung eines fiesen Vorganges. Hier spekulierst du für meinen Geschmack zu sehr auf moralische Entrüstung. Ist auch okay, doch mir ist es zu lang und zu einseitig platt. Es könnte anders sein, doch da fehlt mir der Gegenpol. Wo ist der Kontrast? Satire lebt von der überspitzten Zeichnung der Widersprüche zwischen Wertvorstellungen, Moralitäten und dem Alltag. Bei deinem Text finde ich das erst ab dem Satz: "Da wurde mir warm ums Herz". Da fand ich es plötzlich spannend, freute mich allerdings auch über die 'Erlösung', da erst jetzt eine Einordnung des Textes für mich möglich war. Natürlich bleibt Raum für viele Interpretationen, das ist bei einem solchen Text schon vorgegeben, mir bleibt zum Schluß jedenfalls keine moralische Entrüstung, sondern eher das Bedauern wegen der verschenkten Chance durch die zu lange Polemik.
LG,
Jutta

 

Ersteinmal danke für die vielen Antworten. Dass die Geschichte kontrovers diskutiert wird ist viel interessanter, als wären nur ein paar wenige „ganz nett“ Kommentare gekommen. Als der Thread vorübergehend gesperrt wurde, fürchtete ich schon, dies würde uns verloren gehen.

Hallo findur!
Das klappt nicht, wenn Du solche Aussagen hineinpackst:

Sicherlich zielt nicht jeder Satz auf den von mir beschriebenen satiritschen Hintergrund. Wäre das so, würde überhaupt keine Geschichte mehr erzählt werden. Ich hatte mich auch sicherlich nicht mit einer solchen satirischen Stichwortsammlung auf das Schreiben der Geschichte vorbereitet. Die Geschichte habe ich vor ungefähr 10 Jahren geschrieben (was man auch an der alten Rechtschreibung erkennen kann) und ich hatte in meinem gestrigen Posting die Geschichte wiederum als Leser neu interpretiert und beschrieben, worin ich hier die Satire sehe. Ich war damals recht engagiert im Thema der Kinderrechte und könnte mir gut vorstellen, dass die angesprochenen satirischen Hintergründe beim Schreiben bewusst oder unbewusst eine Rolle gespielt haben könnten.

Auch nehme ich es mit der Schublade der „Satire“ nicht so genau. Unabhängig davon was man in einer Satire schreiben darf und was man vermeiden sollte steht bei mir im Vordergrund, die Geschichte zu erzählen, die ich gerade in meinem Kopf mit mir trage. Und wenn sie dann den Kriterien einer Satire nahekommt, umso besser.

Warum zeigst Du nicht einfach eine Familienweihnachtsfeier, die Du entsprechend überzeichnest?

Weil das eine andere Geschichte wäre. Vielleicht schreibt auch diese Geschichte irgendwann einmal jemand. Aber wenn ich meine Geschichte nicht so geschrieben hätte, wie ich das getan habe, hätte es vermutlich niemand jemals getan. Und das fände ich schade.

Es ist Satire, die man dem Fernsehpublikum nicht zumuten würde.

Vermutlich ließe sich das auch nur schwerlich umsetzen. Denn die Geschichte lebt davon, dass der Erzähler mit seinen Worten eine Handlung beschreibt, der Leser aber eine andere Situation wahrnimmt. Wie sollte das mit Bildern erzählt werden?

Aber weißt Du was? Wenn es nicht als Satire durchgeht, laß es doch nach Weihnachten verschieben.

So mutig bin ich auch wieder nicht.

Trotzdem Textkram :

Ich werde die angesprochenen Passagen im Anschluss an diese Antwort ausbügeln.

Er leistete überhaupt nicht viel Widerstand

Die Zeile werde ich in der Geschichte lassen. Dadurch, dass der Hauptcharakter der Geschichte der Erzähler ist, steckt hier meiner Meinung nach viel interessante Widersprüchlichkeit drin.

Der notwendige Zuspruch für Satire ist moralische Entrüstung. Insofern hast du diese Hürde mit deiner KG problemlos genommen. Ich finde, Satire darf das und noch viel mehr.

Noch mehr? Ich möchte bei kg.de noch eine Weile Mitglied bleiben dürfen.

Ich glaube, deine Satire könnte noch härter sein, wenn durch das soziale Selbstverständnis des Erzählers dessen Foltergelüste und dessen Befriedigung daran immer wieder durchbrechen würde.

Ich glaube, genau das Gegenteil ist bei dieser Person der Fall. Sie hält sich bestimmt für einen sehr kinderlieben Menschen und würde empört den Kopf schütteln, wenn im Fernsehen über das Foltern von Kindern berichtet wird.

Wo ist der Kontrast?

Ich denke, der satirische Kontrast und auch der Humor aus der Geschichte ergibt sich nicht daraus, dass ein Kind gequält wird (es wäre nicht lustig, dies als Selbstzweck zu beschreiben) sondern in der Art und Weise, wie die agierende Hauptperson über die Geschehnisse berichtet, die auch zum Zeitpunkt des Erzählens offenbar noch nicht verstanden hat, was da passiert ist, während der Leser die tatsächlichen Geschehnisse vor Augen hat, die teilweise gar nicht beschrieben werden.

 

Hallo findur,

Ich glaube, genau das Gegenteil ist bei dieser Person der Fall. Sie hält sich bestimmt für einen sehr kinderlieben Menschen und würde empört den Kopf schütteln, wenn im Fernsehen über das Foltern von Kindern berichtet wird
Du hast mich missverstanden, denn genau diesen von dir genannten Aspekt vermisse ich. Genau dieses Selbstverständnis wird nicht deutlich. Dazu foltert er das Kind zu bewusst.
Die Schnäppchen sind wohl schon alle weg.
Schnell ruckte ich an der Leine und beförderte den Jungen aus dem Wagen. Als kleine erzieherische Maßregel zog ich das Halsband etwas enger an. Der Junge schnappte ein bißchen nach Luft, folgte mir dann aber bereitwillig in die Wohnung
Ich hatte so etwas schon befürchtet und ein großes Glas voll Baldrian vorbereitet. Das Schlucken fiel ihm etwas schwer.
Nur eine Stelle weist ganz zart auf das Selbstverständnis hin:
Ein wenig Licht im Dunkel des Lebens dieses Buben hätte es werden sollen, aber mir wurde immer bewußter, daß das schwachsinnige Kind sein Schicksal nicht anders verdient hatte. Wäre es mein Sohn gewesen, ich hätte ihn ebenfalls an der Autobahnraststätte abgesetzt.
Aber selbst da schwenkt er gleich wieder viel zu bewusst in die Antihaltung.

Aber bevor es bei der Kritik untergeht, besser noch mal: Ich mochte die Geschichte.

Lieben Gruß
sim

 

Du hast mich missverstanden, denn genau diesen von dir genannten Aspekt vermisse ich. Genau dieses Selbstverständnis wird nicht deutlich. Dazu foltert er das Kind zu bewusst.

Ich finde in der Geschichte eine Menge mehr Zeilen, die diese Widersprüchlichkeit zwischen dem Handeln und der Nacherzählung widerspiegeln, zum Beispiel:

"Ach, sagen Sie soetwas nicht. Negerbuben sind recht beliebt. Stellen Sie sich doch mal vor: Der Kleine unter Ihrem Tannenbaum. Das hat doch etwas ungeheuer Soziales."

Als kleine erzieherische Maßregel zog ich das Halsband etwas enger an.

Ich ließ mich nicht provozieren und öffnete die Schachtel mit den Weihnachtskugeln. "Ooooh, wie schön die funkeln."

Es war ein so armselig dünnes Bimbo-Kind. Sollte auch er sich einmal richtig sattessen.

"Das kann man wohl sagen. So ein Bimbo-Kind unter dem Tannenbaum macht wirklich sehr viel Weihnachtsstimmung."

Aber die Geschichte lässt es natürlich zu, vieles auch anders zu interpretieren.

 

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