Was ist neu

Ein himmlischer Irrtum

Mitglied
Beitritt
22.07.2003
Beiträge
21
Zuletzt bearbeitet:

Ein himmlischer Irrtum

EIN HIMMLISCHER IRRTUM

Ich erwachte, weil mit dem Bett, auf dem ich schlief, etwas nicht stimmte und als ich erkannte, dass ich auf einer Wolke schlief, begriff ich, dass wirklich etwas nicht in Ordnung war.
Verblüfft richtete ich mich auf und blickte mich um.
Wohin ich auch schaute, scheinbar unendliche Wolkenfelder umgaben mich, ragten bis zum Horizont und ich bezweifelte, dort ihr Ende finden zu können.
Sie waren hellgrau und erweckten durch ihre Farbkraft und imposante Erscheinung beinahe den Eindruck, Substanz zu besitzen.
Ein leichter, aber unangenehm penetranter Geruch nach Verwesung und Moschus kroch in meine Nase und trug zu meiner anwachsenden Verwirrung bei. Entsetzt wandte ich meinen Kopf gen Himmel und erblickte in gewisser Entfernung nur weitere, jedoch um einige Nuancen dunklere, Wolken. Formlos, farblich monoton und irgendwie Angst einflößend. Ich richtete meinen Blick nach vorne und erschrak.
In meiner Verwirrung hatte ich das kollossale Gebäude gar nicht bermerkt, das sich direkt vor mir in die Decke der Wolken bohrte.
Wahrscheinlich war es mir deshalb nicht gleich aufgefallen, weil es, der Farbe der Wolken nicht unähnlich, in einem grausamen, unauffälligen Grauton gestrichen war und somit fast mit dem wolkenverhangenen Hintergrund verschmolz.
Die winzigen Fenster, mit dicken Stahlgittern versiegelt, boten mir keinen Einblick auf das Innere des Gebäudes, da dort weißgraue Vorhänge angebracht worden waren und außerdem nirgends Licht brannte, sodass ich beschloss, dieses Bauwerk näher in Augenschein zu nehmen.
Mühsam stand ich auf und streckte mich. Meine Knochen waren vor Müdigkeit und Trägheit gelähmt und ich fühlte mich seltsam starr und steif, wie eine Puppe.
Die Wolken unter mir gaben mit jedem Schritt etwas nach und ich gewöhnte mich nur langsam an den federnden Gang.
Die Regeln der Höflichkeit missachtend, trat ich ohne anzuklopfen ein und warf die Tür hinter mir ins Schloss. Ich befand mich in einer Art Empfangshalle oder Anmeldung, so jedenfalls titulierte es das Schild über der Theke.
Eine ältere Frau, deren Alter aber sehr schwer einzuschätzen war – sie konnte gut Ende fünfzig sein, problemlos aber auch als Dreißigjährige durchgehen – saß dahinter und würdigte mich keines Blickes. Die Absurdität meiner Situation hatte mich wütend gemacht und ungehalten ging ich auf sie zu und fragte unverfroren – wie drückte ich es aus – “wo zur Hölle” ich denn sei und was verdammt nochmal vorginge. Noch im selben Moment taten mir meine Worte aber auch schon leid, denn ich hatte kein Recht mich hier so aufzuführen.
Sie hielt mit ihrer Arbeit inne, setzte übertrieben gemächlich ihre Brille ab und schaute mich an.
“Herr Freilader nehme ich an” entgegnete sie routiniert und sogleich flogen ihre Finger über die Tastatur ihres Computers, der die an Misshandlung grenzende Behandlung stillschweigend hinnahm.
“Moment mal....” entgegnete ich, doch die Ohren der blasierten Dame schienen taub gegenüber allem zu sein, was ich sagte oder tat.
Sie ging auf keine Diskussion ein und verwies mich vehement an das Hauptverwaltungsbüro, das im siebenundvierzigsten Stock lag, egal, welche Einwände oder Einsprüche ich ihrer selbstgefälligen Anweisung auch entgegen setzte. Als sie schließlich nur noch stillschweigend auf den Fahrstuhl verwies und ich ihr kein weiteres Wort entlocken konnte, gab ich auf.
Entzürnt und innerlich vor Wut kochend zog ich Richtung Fahrstuhl ab, als die nette Dame mir hinterher rief, dass dieser momentan gewartet werde und vorübergehend nicht benutzt werden könne.
Dieses kleine böse Kind in mir wäre ihr am liebsten an die Gurgel gegangen, doch wohlerzogen wie ich war, schluckte ich meinen Ärger hinunter und machte mich auf einen langen, anstrengenden Aufstieg gefasst.
Keuchend und völlig außer Atem erreichte ich wie nach einem harten Kampf schließlich das Stockwerk Nummer siebenundvierzig. Doch noch bevor ich die schwere Eisentüre öffnen konnte, kam mir ein Mann mit Glatze, die nur von verwelkt aussehendem, grauen Haar umspielt wurde, entgegen und fragte mich, wohin ich denn wolle.
“Hauptverwaltung” brachte ich gerade noch über meine Lippen, bevor das Keuchen und Schnaufen wieder Oberhand über meine Atem und Sprechorgane erlangte.
“Tja, die sind letzte Woche umgezogen, in den einhundertundvierten Stock. Hat ihnen denn niemand unten Bescheid gesagt?”
Ich atmete tief ein, ließ die staubschwangere, abgestandene Luft in meine Lungen strömen und presste sie wieder hinaus.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte ich mich wieder an den Aufstieg,
Der einhundertundvierte Stock war fast menschenleer und nur ein kleiner Bürotisch mit einer streng dreinblickenden Frau dahinter kündigte davon, dass hier gearbeitet wurde.
“Entschuldigung,” setzte ich an, doch noch bevor ich fortfahren konnte, fiel mir Frau Ändom, wie das Namensschild verhieß, ins Wort.
“Ihre Anmeldebescheinigung bitte.”
Erstaunt hielt ich inne.
“Allen Anschein nach scheinen Sie keine zu besitzen. Sie erhalten diese – wie der Name schon sagt – in der Anmeldung. Nur mit dieser können Sie hier weitere Informationen beziehen oder von Ihnen gewünschte Aufträge in die Wege leiten.” Mit einem abgeklärten, offenbar einstudierten Lächeln, schloss sie ihren Vortrag ab und widmete sich sogleich wieder ihrer Arbeit, ohne mich weiter zu beachten. Dies schien hier eine weit verbreitete Angewohnheit unter den Mitarbeitern zu sein.
Völlig starr vor Erstaunen und leicht schockiert, brachte ich kein weiteres Wort über die Lippen, löste mich jedoch kurz darauf aus meiner Starre und begann den Abstieg. Die unzähligen Stufen der Treppen waren aus Holz gefertigt und knarzten protestierend unter meinen Schritten, doch das hörte ich kaum. Das Knirschen meiner Zähne übertönte die meisten Geräusche in meiner Umgebung.
Unten angelangt, rief meine Anwesenheit, ganz wie ich erwartet hatte, keinerlei Reaktion bei der netten Empfangsdame hervor. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen marschierte ich an ihr vorbei und ging auf die milchglasige Eingangstür zu.
“Da können Sie nicht raus.” Hörte ich hinter mir eine tiefe, gewaltige männliche Stimme ertönen, doch ich achtete nicht weiter auf sie.
Die Tür war tatsächlich abgeschlossen. Erst jetzt fiel mir jedoch etwas auf, das ich beim Betreten des Gebäudes übersehen hatte. In Spiegelschrift stand in großen schwarzen Lettern auf der Vorderseite der Tür >ellöH<.
Der zu der Stimme dazugehörige Mann trat an meine Seite und legte mir eine Hand auf die Schulter. Eine eigenartige und auf höchste Weise unangenehme Wärme strömte von ihr ausgehend durch meinen ganzen Körper.
Ich wagte es nicht, ihn anzusehen, und blieb wie angewurzelt und von einer bizarren Angst erfüllt ersteinert stehen.
“Wer sind Sie?”, fragte ich fast schüchtern.
“Der Inhaber könnte man sagen, Herr Freilader.” entgegenete er mit einem heiseren, bösen Lachen.
Immer noch mit stur geradeaus gerichtetem Blick, fing ich an zu schreien.
“ICH BIN NICHT HERR FREILADER!”
“Ich heisse Freibader! Freibader! F-R-E-I-B-A-D-E-R!” Er schwieg einen Moment.
“Wirklich?” Nun lag eine Verunsicherung in seiner Stimme.
Er ließ von meiner Schulter ab und ich hörte ihn und die entzückende Empfangsdame tuscheln.
Als er wieder kam, drückte er die Türklinke und öffnete die Eingangstür, als wäre sie nie verschlossen gewesen.
“Ein kleiner Irrtum! Sie müssen entschuldigen! Passiert uns nur etwa alle tausend Jahre. Dort wo Sie aufgewacht sind, finden Sie nun eine Treppe. Die gehen Sie einfach hinauf. Mit Treppensteigen kennen Sie sich ja jetzt aus, oder?” Wieder begleitete ein kleines, dreckiges Lachen seine Worte und machte diesen Dreckskerl, egal, wer er auch war, nur unsympathischer.
“Auf Wiedersehen”, sagte ich, als ich durch die Tür trat und dieses Gebäude für immer verließ.
“Das wünschen Sie sich nicht wirklich, glauben Sie mir!” war der letzte Satz, den ich jemals von diesem Mann hörte. Wie recht er hatte!

 

Moin Entropie,

Ja, ziemlich unterhaltsam, deine Geschichte. Thematisch zwar nicht wirklich neu (aber welches Thema ist das schon...), aber flüssig geschrieben und mit ein parr netten Ideen versehen.
Nicht so toll (weil wirklich uralt) fand ich den Gag, daß die eine Frau Natas heißt... zum Glück war das aber der einzige, der sich auf diese Schiene begeben hat - ansonsten fand ich es wirklich ziemlich gut.

Ein Kritikpunkt:

?Moment mal, so heiße ich doch gar nicht....? hielt ich empört dagegen, doch die Ohren der blasierten Dame schienen taub gegenüber allem zu sein, was ich sagte oder tat.
An dieser Stelle (In Verbindung mit dem Titel der Geschichte) war mir schon klar, wie das ganze enden wird und die (eigentlich gute) Schlußpointe ist verpufft. Vorschlag: Laß ihn eher abbrechen, also zB
"Herr Freilader nehme ich an", entgegnete sie routiniert und sogleich (...).
"Moment mal....", begann ich empört, als ich merkte, daß sie mir nicht zuhörte.

Auf diese Weise bleibt erstmal offen, daß eine Verwechslung vorliegt - aber die Stelle ist trotzdem plausibel, da dein Protagonist aufmuckt. ist aber nur ein Vorschlag.

Insgesamt aber eine gelungene Geschichte, die mich gut unterhalten hat.

 

Hallo Entropie

ich kann mich auch nur meinem Vorredner anschließen, unterhaltsam, gut geschrieben und mit einigen Schmunzlern (schreibt man das so? :hmm: ) Ein kleiner "Logikfehler" für mich: ich hätte das Knarren der Stufen schon beim Raufgehen erwähnt.

Kleiner Fehlerchen:

...um einige Nuoncen dunklere Wolken...
Nuancen

...schluckte ich meinen Ärger herrunter und machte...
herunter nur mit einem r

Gruss
LEMMI

 

Hallo Entropie,
Die Idee fand ich recht interessant.
Allerdings hat mich dein Stil etwas vom Lesegenuss abgehalten. Die zu vielen Beistriche im ersten Satz haben mich schon irritiert und dann leidest du an einer Adjektivitis.

erblüfft richtete ich mich zaghaft auf und blickte mich um.
übberrascht oder zaghaft. Übberaschung ist für mich etwas schnelles.

Egal wohin ich auch schaute, scheinbar unendliche Wolkenfelder umgaben mich, ragten bis zum Horizont und ich bezweifelte dort ihr Ende finden zu können.
Später sieht er dann aber recht viele Dinge, die er vorher übersehen hat

Meine Knochen waren vor Müdigkeit und Trägheit gelähmt und ich fühlte mich seltsam starr und steif wie eine Puppe.
doppelt doppelt Müde und Trägheit und starr und steif und eigentlich zweimal das gleiche. Ein kurzer Satz hätte es auch getan

Ich befand mich in einer Art Empfangshalle oder Anmeldung könnte man sagen, so jedenfalls titulierte das Schild über der Theke es.

Er muss das Schild zuvor gelesen habeb. So bin ich nur verwirrt, das er etwas mutmaßt, wo im nächsten Augenblick klar wird, dass er es auf dem Schild gelesen hat.

Entzürnt und innerlich kochend vor Wut zog ich Richtung Fahrstuhl ab,
wieder zu vile egleichlautende Adjektive

Grüße
Bernhard

 

Habe den Text nochmal überarbeitet, würde gerne nochmal kurz eure Meinungen dazu hören! Danke!
Entropie

 

Hallo Entropie,
Mir ist dein Text jetzt um einiges flüssiger vorgekommen - eine gelungene Verbesserung
Bernhard

 

Hallo Entropie,

Deine Geschichte ist ordentlich geschrieben, so ganz unterhaltsam. Gestört hat mich der Plot mit dem `Behörden-Treppenlaufen´ ist schon bei Asterix verbraten worden, auch das Verwechslungsszenario am Schluss überrascht nicht (der Titel verrät viel). Also unbedingt noch ein wenig neue Würze in die Sache bringen.

LG,

tschüß... Woltochinon

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom